Inter Medical Report United airway disease Zwei Krankheiten, ein Problem ABERDEEN/ BERN – Epidemiologische Studien haben durchweg gezeigt, dass Asthma und allergische Rhinitis häufig miteinander korrelieren. Die meisten Patienten mit Asthma haben allergische Rhinitis (> 80 %), und viele mit allergischer Rhinitis Asthma (≤ 50 %) oder eine nicht-spezifische bronchiale Hyperreaktivität. Was bedeutet dies für die Therapie? Eine predefinierte post-hoc Analyse der COMPACT-Studie hat gezeigt, dass bei Asthmapatienten mit Rhinitis die Zugabe des Leukotrienrezeptorantagonisten Montelukast die Lungenfunktion signifikant stärker verbessert als die Dosisverdopplung eines Kortisonsprays. Sowohl Asthma als auch allergischer Rhinitis liegen sehr ähnliche inflammatorische Prozesse zugrunde, die oft zugleich in den unteren und oberen Atemwegen vorkommen und miteinander in Wechselwirkung stehen: Die nasale Provokation mit einem Allergen resultiert oft in bronchialer Inflammation und auf bronchiale Allergenstimulation kann eine nasale Reaktion erfolgen. Man spricht deshalb auch von einem «united airway disease». In den gemeinsamen Entzündungsprozess sind zahlreiche proinflammatorische Zellen (Mastzellen, Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen), sowie verschiedene Entzündungsmediatoren (Zytokine, Histamin, Prostaglandine, Thromboxan und Leukotriene) involviert. Inhalative Kortikosteroide (ICS) beeinflussen viele inflammatorische Prozesse, haben aber wenig Effekt auf Cysteinyl-Leukotriene. Dies mag erklären, warum die Atemwegsinflam- mation bei einigen Patienten unter Behandlung mit inhalativen Steroiden persistiert und eine ausreichende Asthmakontrolle nicht gelingt. Montelukast bei Asthma ohne Rhinitis Die COMPACT (Clinical Observation of Montelukast as a Partner Agent for Complementary Therapy)-Studie hat deshalb untersucht, ob Montelukast als Zusatz zur Therapie mit inhalativen Steroiden besser wirkt als eine Dosiserhöhung des Steroids.1 Knapp 900 Patienten im Alter von 15 bis 70 Jahren, die mit Budesonid 2 x 400 mcg/Tag nicht ausreichend kontrolliert waren, erhielten in dieser doppelblinden, randomisierten Studie entweder Budesonid 2 x 400 μg/Tag plus 10mg Montelukast oder Budesonid 2 x 800 μg/Tag plus Placebo über zwölf Wochen. Ergebnisse: Der morgendliche Peak «Real World» Studien Interessant durch bessere Generalisierbarkeit Randomisierte klinische Studien liefern in der Regel Evidenz von höchster Qualität bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit bestimmter Therapien, doch viele solcher Studien sind für den Praxisalltag nur begrenzt relevant. Unter normalen Studienbedingungen werden nämlich viele Patienten (manchmal bis zu 95 %), z.B. Raucher, von den Untersuchungen ausgeschlossen und die Studiendauer ist oft auf wenige Wochen begrenzt. Aufgrund dieser Einschränkungen ziehen «pragmatische» oder «praktische» Studien immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Ihre Validität mag manchmal geringer sein, doch die Generalisierbarkeit der Ergebnisse macht sie sowohl für Grundversorger als auch Klinikärzte interessant. Im Mai diesen Jahres wurden im New England Journal of Medicine von David Price et al. zwei Studien (ELEVATE) publiziert, die die Effektivität von Leukotrienrezeptorantagonisten Professor Dr. Jörg Leuppi tionnaire auf einer 7-Punkte-Skala um etwa 1 Punkt. Unter LTRA war die Compliance besser. Fazit: Die ELEVATE-Analyse besteht aus zwei britischen Praxisstudien. Beide Studien haben gezeigt, dass LTRA in Bezug auf Lebensqualität und Exazerbationen ebenso gut wirken wie ein Kortisonspray und einfach zu gebrauchen sind. Allergische Rhinitis mitbehandeln (LTRA) «in der realen Welt» untersuchten.5 In diesen beiden britischen Open-Label-Studien wurden diverse Patientenpopulationen zwei Jahre lang von ihren Hausärzten betreut. Bei 326 respektive 361 Patienten verglich man parallel die Effektivität von Leukotrienrezeptorantagonisten mit inhalativem Glukokortikoid (als First-Line Therapie) und mit einem langwirksamem Beta-Agonisten (LABA) bei Patienten, die schon inhalative Steroide verwendeten (als Second-Line-Therapie). Innert zwei Jahren verbesserte sich die Lebensqualität unter allen Therapien im Mini Asthma Quality of Life Ques- Auch in der Schweiz werden pragmatische Studien durchgeführt. Das von Dr. Anne B. Taegtmeyer, Universitätsspital Zürich, beschriebene LARA-Programm hatte zum Ziel, die Korrelation von Asthma und allergischer Rhinitis in der Schweiz zu erfassen.6 Von 1 244 Asthmapatienten hatten 76 % allergische Rhinitis und 24 % nicht. In der Regel waren Patienten mit allergischer Rhinitis jünger. Unabhängig von koexistierender AR blieb das Asthma bei den meisten Patienten unzureichend kontrolliert. Bei den Patienten jedoch, bei denen die allergische Symptomatik mitbehandelt wurde, war das Asthma besser kontrolliert. Eine Subgruppe von 1 380 Pati- enten einer grösseren von Professor Dr. Jörg D. Leuppi, Universitätsspital Basel, organisierten Kohortenstudie bei niedergelassenen Ärzten zeigte unter Alltagsbedingungen ebenfalls, dass die Asthmakontrolle in der Schweiz generell ungenügend ist.7 Die Zugabe von Montelukast zu ICS oder Fixkombination von ICS und LABA sowie eine gute Adhärenz erhöhten die Wahrscheinlichkeit für eine bessere Asthmakontrolle beim nächsten Kontrolltermin, schreiben Taegtmeyer et al.7 Der Verzicht auf Montelukast hingegen halbierte diese Wahrscheinlichkeit. Referenzen: 1 Price DB et al., Randomised controlled trial of montelukast plus inhaled budesonide versus double dose inhaled budesonide in adult patients with asthma. Thorax 2003;58(3): 211–-216 2 Price DB et al., Effect of montelukast on lung function in asthma patients with allergic rhinitis: analysis from the COMPACT trial. Allergy. 2006; 61(6): 737–742 3 Bitzenhofer-Grübler M et al., Asthma und Allergieabklärung, Ars medici 2011; 45–51 4 Sorkness CA et al., Assessing the relative contribution of the Asthma Control Test™ and spirometry in predicting asthma control. Poster presented at the American Academy of Allergy, Asthma & Immunology Annual Meeting, 19–24 March 2004, San Francisco, USA 5 Price DB et al., Leukotriene Antagonists as FirstLine or Add-on Asthma-Controller Therapy N Engl J Med 2011; 364 (18):1695–1707 6 Taegtmeyer B et al., Allergic rhinitis in patients with asthma: the Swiss LARA (Link Allergic Rhinitis in Asthma) survey. Curr Med Res Opin. 2009; 25(5): 1073–1080 7 Taegtmeyer B et al., Predictors of asthma control in everyday clinical practice in Switzerland. Curr Med Res Opin 2009; 25(10): 2549–2555 Diese Publikation ist eine Dienstleistung von MSD für Ärzte. Die hier präsentierten Informationen widerspiegeln die unabhängigen Meinungen und Erfahrungen des Autors und nicht unbedingt die von MSD. Alle in dieser Publikation erwähnten Präparate sollten im Einklang mit der vom Hersteller publizierten Fachinformation eingesetzt werden. Die gekürzte Fachinformation finden Sie auf Seite 6 Expiratory Flow (PEF) verbesserte sich unter add-on Montelukast um 33,5 l/min und bei Verdopplung der Budesonid-Dosis um 30,1 l/min. Unter add-on Montelukast war die Verbesserung gerade in den ersten drei Tagen deutlicher (20,1 vs. 9,6 l/ min, p<0,001). Tages-Symptomatik und Verträglichkeit waren in beiden Gruppen gleich. LTRA bei Asthma mit Rhinitis Eine vordefinierte Subanalyse der COMPACT Studie hat die Wirksamkeit von Montelukast bei Asthmapatienten mit gleichzeitiger allergischer Rhinitis (AR) untersucht.2 Die Zugabe von Montelukast zu Budesonid bewirkte signifikant grössere Verbesserungen des FEV1 als die Verdoppelung der Budesonid-Dosis (9,2 % vs. 6 %, p<0,05). Der Unterschied betrug im Mittel 14,2 l/min (p=0,028). Fazit: Wenn Asthmapatienten mit allergischer Rhinitis Montelukast als add-on Therapie zu inhalativem Steroid anstelle einer doppelten Budesonid-Dosis erhalten, verbessert sich die Lungenfunktion signifikant. Abklärung und Kontrolle Professor Dr. Arthur Helbling und Dr. Michaela Bitzenhofer-Grüber vom Inselspital in Bern empfehlen, dass jeder Asthmatiker – unabhängig davon, ob eine Rhinitis besteht oder nicht – mindestens einmal im Leben allergologisch abgeklärt werden Asthmakontrolle: Stellen Sie die richtigen Fragen? Ob die Asthmakontrolle Ihrer Patienten in den letzten vier Wochen ausreichend kontrolliert war, können Sie mit folgenden Fragen des Asthmakontrolltests überprüfen: 1. Wie oft hat Ihr Asthma Sie daran gehindert soviel zu erledigen wie sonst? 2. Wie oft waren Sie kurzatmig? 3. Wie oft sind Sie wegen Ihres Asthmas nachts aufgewacht? 4. Wie oft haben Sie Ihr Notfallmedikament eingesetzt? 5. Wie gut war Ihr Asthma kontrolliert? 6. Haben Sie Nasenprobleme? Die genauen Fragen des Tests finden Sie online unter www.asthmakontrolltest.ch sollte.3 Dies gilt auch für Kinder mit Wheezing, prolongiertem oder persistierendem nächtlichen Husten. Zur Diagnostik gehören in erster Linie eine gründliche Anamnese und eine Hauttestung. Wenn der Pricktest nicht aufschlussreich ist oder wenn sich therapeutische Konsequenzen ergeben, kann auch ein Nachweis spezifischer IgE-Antikörper sinnvoll sein. Ob das Asthma der eigenen Patienten gut kontrolliert ist, lässt sich mit dem Asthmakontrolltest (ACTTM)* besser evaluieren als mit dem FEV1 allein. Idealerweise wird jede Lungenfunktionsprüfung mit einem ACT kombiniert (Konfliktfragen siehe Kasten).4 * QualityMetric Interview mit Professor Dr. Jörg Leuppi Asthmakontrolle regelmässig erfassen Warum die Asthmakontrolle auch in der Schweiz immer noch zu wünschen übrig lässt und was man dagegen tun könnte, erläutert Professor Dr. Jörg Leuppi, Universitätsspital Basel, im Interview. ins Bewusstsein rufen. Das dort vermittelte Wissen trägt zur Compliance bei. Auch die Schulung der Devices ist wichtig, damit sicher gestellt ist, dass die Medikamente auch richtig angewendet werden. MT: Warum sind trotz aller Fortschritte die Asthmatiker immer noch ungenügend kontrolliert? Prof. Leuppi: Hier kommen verschiedene Aspekte zusammen. Zum einen ist das Wissen der Patienten oft unzureichend. Die Patientenschulung – ein Stiefkind leider bei vielen Krankheiten – wird auch beim Asthma oft vernachlässigt. Zum anderen dürften die Asthmamedikamente oft zu rasch reduziert werden. Um dem entgegenzuwirken, sollten wir die Patientenschulung fördern und gleichzeitig die Asthmabehandelten Ärzte bitten, routine und regelmässig die Asthmakontrolle zu erfassen und zu dokumentieren. Sollte dann die Asthmakontrolle ungenügend sein, muss die Therapie entsprechend angepasst werden. Was ist die wesentliche Erkenntnis aus der LARA-Studie? Das Wissen um die «United airways disease» findet noch zu wenig Beachtung. Die Nase ist ebenfalls ein wichtiger Faktor; viele Asthma-Patienten haben auch eine Rhinitis. Unsere Daten zeigen, dass das Asthma derer, bei denen die allergische Rhinitis mitbehandelt wird, besser kontrolliert ist. Auch meiner Meinung nach sollte jeder Asthmatiker allergisch abgeklärt werden; wenn man etwas findet, was zusammenpasst, kann ich entsprechend therapieren und schulend sowie beratend intervenieren. Kohortenstudien wie diese sind so wichtig, weil sie alle Patienten berücksichtigen, z.B. auch die Raucher – auch unter den Asthmatikern immer noch etwa ein Drittel. Wie sollte die Kontrolle am besten erfolgen? Es stehen standardisierte Instrumente zur Verfügung. Idealerweise wird z.B. der Asthmakontrolltest (siehe Kasten) zusammen mit einer Spirometrie eingesetzt, um das aktuelle Befinden zu beurteilen. Die Bedeutung der Schulung (Angebote zum Beispiel durch die Lungenliga, www.lungenliga.ch) müssen sich sowohl Hausärzte als auch Patienten Welche Patienten sollten einen LTRA erhalten? Ein LTRA kommt als add-on in Frage für Patienten, die unter ihrer bestehenden Therapie eine Anstrengungs-Symptomatik oder Zeichen der Rhinitis haben – sei es zur Basistherapie mit ICS oder als weiterer Baustein einer Kombinationstherapie. Auch bei einer LABA-Unverträglichkeit ist ein LTRA eine gute Alternative. IMPRESSUM | Idee und Konzeption: INTER MEDICAL, Grosspeterstrasse 23, Postfach, 4002 Basel · Information: Merck Sharp & Dohme-Chibret AG · Objektleitung: Dr. med. Christine Mücke · Redaktion: Dr. med. Christine Mücke, Winfried Powollik, Dörte Reinstorf Layout: Patrik Brunner Produktion: Patrik Brunner · © Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages · MT 35/2011 08-2013-SGA-2011-CH-3114-AB