§5 Kongruenzrechnung

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§5 Kongruenzrechnung
Sei m > 0 fest vorgegeben. Nach §2 wissen wir: Jede Zahl a läßt sich auf
eindeutige Weise durch m mit Rest dividieren, d.h.: Es gibt genau ein Zahlenpaar q, r mit der Eigenschaft
(∗)
a = qm + r , 0 ≤ r < m
Definition. Zwei Zahlen heißen kongruent modulo m, wenn sie bei der
Division durch m den gleichen Rest lassen.
Schreibe für a ist kongruent zu b modulo m“ kurz
”
a ≡ b mod m.
Wenn klar ist, welches m gemeint ist auch: a ≡ b.
a 6≡ b mod m bedeutet, daß a und b nicht kongruent modulo m (oder in”
kongruent modulo m“) sind.
Offenbar gilt
5.1 Bemerkung. Kongruenz modulo m“ ist eine Äquivalenzrelation, d.h.
”
(a) a ≡ a mod m (Reflexivität)
(b) a ≡ b mod m =⇒ b ≡ a mod m (Symmetrie)
(c) a ≡ b mod m und b ≡ c mod m =⇒ a ≡ c mod m (Transitivität)
5.2 Bemerkung. Genau dann ist a ≡ b mod m, wenn m ein Teiler von a − b
ist.
Beweis. Sei a ≡ qm + r, 0 ≤ r < m.
a ≡ b mod m =⇒ b = q 0 m + r =⇒ a − b = (q − q 0 )m =⇒ m | a − b.
m | a − b =⇒ a − b = v · m =⇒ b = a − vm = (q − v)m + r =⇒ a ≡ b mod m.
Die möglichen Divisionsreste modulo m sind die m Zahlen 0, 1, . . . , m − 1.
Wir können also die ganzen Zahlen nach ihren Divisionsresten in m Klassen
einteilen:
Definition. Die Restklasse von a modulo m besteht aus allen Zahlen,
welche modulo m den gleichen Divisionsrest haben wie a. Demnach gibt es
1
genau m verschiedene Restklassen modulo m und verschiedene Klassen haben
keine Elemente gemeinsam.
Rest 0 haben
Rest 1 haben
..
.
: 0, ±m, ±2m, ±3m, . . .
: 1, 1 ± m, 1 ± 2m, 1 ± 3m, . . .
Rest r haben
..
.
: r, r ± m, r ± 2m, r ± 3m, . . .
Rest m − 1 haben
: m − 1, m − 1 ± m, m − 1 ± 2m, m − 1 ± 3m, . . .
(für 0 ≤ r < m)
Zahlenbeispiele. m = 2
Rest 0 mod 2 : 0, ±2, ±4, . . .
haben die geraden Zahlen
Rest 1 mod 2 : 1, 1 ± 2, 1 ± 4, . . . haben die ungeraden Zahlen.
m = 7 : Identifiziere Z mit den Tagen von Ewigkeit zu Ewigkeit“, genauer
”
von −∞ bis +∞, wobei 0 mit dem Tag der Geburt Christi gleichgesetzt wird.
n>0:
n = n–ter Tag nach Christi Geburt.
− n = n–ter Tag vor Christi Geburt.
Wir nehmen an: 0 war ein Sonntag (so genau weiß das niemand.)

−7, −14, −21, . . .

0
Restklasse von 0 mod 7: Sonntage

+7, +14, +21, . . .
1,
8,
15,
22, . . .
Restklasse von 1 mod 7: Montage
−6, −13, −20, −27, . . .
..
.
6, 13,
20, . . .
Restklasse von 6 mod 7: Samstage
−1, −8, −15, . . .
Definitionsgemäß gehören a und b zur gleichen Restklasse modulo m wenn
a ≡ b mod m.
Man spricht daher auch von Kongruenzklassen modulo m anstelle von
Restklassen modulo m.
Nach 5.2 gilt: a ≡ b mod m ⇐⇒ m | a − b, d.h.
Es gibt ein q ∈ Z mit b = a + qm.
Damit gilt
5.3 Bemerkung. Die Restklasse von a modulo m ist die Menge
{a + mq | q ∈ Z}
2
Schreibe dafür auch a + mZ oder a + (m).
Wir haben gesehen:
(1) Es gibt genau m verschiedene Restklassen modulo m.
(2) Jede Zahl gehört zu genau einer Restklasse modulo m.
Die Aussagen (1) und (2) zusammengenommen kann man auch so ausdrücken:
Die Menge aller ganzen Zahlen ist die disjunkte Vereinigung der verschiedenen Restklassen modulo m.
Definition. Eine Menge von Zahlen a1 , . . . , am heißt vollständiges Repräsentantensystem (Restsystem) modulo m, wenn a1 +(m), a2 +(m), . . . ,
am + (m) gerade die m verschiedenen Restklassen modulo m sind, d.h. wenn
ai 6≡ aj mod m , falls i 6= j.
Beispiel. 0, 1, 2, . . . , m−1 ist ein vollständiges Repräsentantensystem modulo m. (Diese Zahlen sind selbst Divisionsreste und voneinander verschieden.)
5.4 Satz.
(a) Ist a1 , . . . , am ein vollständiges Restsystem modulo m, so gilt dies auch
für a1 + c, . . . , am + c(c ∈ Z). Insbesondere gilt nach dem Beispiel:
Je m aufeinander folgende Zahlen bilden ein vollständiges Restsystem
modulo m. Ein solches System mit – dem Betrag nach – möglichst
kleinen Elementen ist die Menge der ganzen Zahlen größer als − m2 und
kleiner oder gleich + m2 .
Für ungerades m sind dies die Zahlen
− m−1
, − m−1
+ 1, . . . , −1, 0, 1, . . . ,
2
2
m−1
2
und für gerades m die Zahlen
− m2 + 1, − m2 + 2, . . . , −1, 0, 1, . . . ,
m = 7 : −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3
m = 8 : −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4
m
2
(b) Ist a1 , . . . , am ein vollständiges Restsystem modulo m und ist (k, m) =
1, so ist auch a1 k, a2 k, . . . , am k ein vollständiges Restsystem modulo
m.
3
Beweis.
5.2
(a) Für i 6= j ist ai 6≡ aj mod m, also m - (ai − aj ) = (ai + c) − (aj + c) =⇒
(ai + c) 6≡ (aj + c) mod m.
(b) ai k ≡ aj k mod m =⇒ m | (ai k − aj k) = (ai − aj )k, also m | (ai − aj )k
und (m, k) = 1. Nach 2.8 h gilt daher m | (ai − aj ) d.h. ai ≡ aj mod
m. Nach Voraussetzung ist dann i = j.
Im folgenden sei m > 0 fest vorgegeben, und a ≡ b“ bedeute immer a ≡ b
”
mod m. Es soll gezeigt werden, daß man mit ≡“ wie mit einem Gleich”
heitszeichen umgehen darf.
5.5 Satz.
(a) a ≡ b =⇒ a ± c ≡ b ± c
(b) a ≡ b =⇒ ac ≡ bc
(c) a ≡ b =⇒ an ≡ bn für alle n ∈ N.
(d) Ist f (x) = c0 + c1 x + . . . + cn xn eine Polynomfunktion in der Variablen
x, so folgt aus a ≡ b schon f (a) ≡ f (b).
Beweis.
+
+
+
+
(a) a ≡ b =⇒ m | (a − b) = (a (−) c) − (b (−) c) =⇒ a (−) c ≡ b (−) c
(b) a ≡ b =⇒ m | a − b =⇒ m | (a − b)c = ac − bc =⇒ ac ≡ bc
(c) (Induktion nach n) n = 0 : a0 = 1 ≡ 1 = b0
Induktionsannahme. Sei n ≥ 1 und an−1 ≡ bn−1 schon bewiesen.
(b)
Mit (b) folgt an = an−1 a ≡ an−1 b ≡ bn−1 b = bn .
(d) Sei a ≡ b. Nach (b) und (c) gilt: cν aν ≡ cν bν , ν = 0, . . . , n
Induktion nach n. n = 0 : f (x) = c0 für alle x =⇒ f (a) = c0 = f (b).
Sei n ≥ 1 und c0 + c1 a + . . . + cn−1 an−1 ≡ c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 schon
gezeigt. Nach (a) gilt dann
f (a) = (c0 + c1 a + . . . + cn−1 an−1 ) + cn an ≡ (c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 )
+cn an ≡ (c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 ) + cn bn = f (b)
4
5.6 Satz. Sei c > 0 und a, b beliebig.
(a) ac ≡ bc mod m und (c, m) = 1 =⇒ a ≡ b mod m
(b) a ≡ b mod m ⇐⇒ ac ≡ bc mod cm
(c) a ≡ b mod m, n | m und n > 0 =⇒ a ≡ b mod n
(d) a ≡ b mod m =⇒ (a, m) = (b, m)
Beweis.
2.8
(a) m | (ac − bc) = (a − b)c und (c, m) = 1 =⇒ m | a − b =⇒ a ≡ b mod m
(b) m | (a − b) ⇐⇒ cm | c(a − b) = ac − bc ⇐⇒ ac ≡ bc mod cm
(c) m | (a − b) und n | m =⇒ n | (a − b) =⇒ a ≡ b mod n
2.8(f )
(d) b = a + mq =⇒ (b, m) = (a + mq, m) = (a, m).
Beispiel für die Anwendung der Kongruenzrechnung.
Behauptung. 232 + 1 ist durch 641 teilbar und somit keine Primzahl.
Beweis. 641 = 640 + 1 = 5 · 27 + 1 =⇒ 5 · 27 ≡ −1 mod 641
=⇒ 54 · 228 = (5 · 27 )4 ≡ (−1)4 = 1 mod 641
=⇒
641 = 625 + 16 = 54 + 24 =⇒ 54 ≡ −24 mod 641
−232 = (−24 ) · 228 ≡ 54 · 228 ≡ 1 mod 641 =⇒ 641 | 232 + 1
n
Fermat glaubte noch, daß alle Zahlen der Form Fn = 22 + 1 Primzahlen
sind. Dies ist auch für n = 0, 1, 2, 3, 4 richtig:
F0 = 21 + 1 = 3, F1 = 22 + 1 = 5, F2 = 24 + 1 = 17, F3 = 28 + 1 = 257,
F4 = 216 + 1 = 65537, aber
641 | (232 + 1) = F5
Fermat hatte Unrecht. Bis heute sind keine weiteren Fermatschen Primzahlen
bekannt.
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