Aufbau und Inbetriebnahme einer Funkenkammer Sarah Amely Tampe Bachelorarbeit am Institut für Kernphysik der Goethe-Universität Frankfurt am Main 26. September 2008 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Geschichtliche Entwicklung 3 3 Physikalische Grundlagen 9 3.1 Kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.2 Das Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.2.1 Das Myon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.3 Plasmaphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.4 Gasentladung und Funkenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.5 Detektorphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4 Experimenteller Aufbau 23 4.1 Aufbau der Funkenkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.2 Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.3 Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.3.1 Leckrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.4 Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.4.1 Szintillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.4.2 Photomultiplier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.5 Kosmisches Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.6 Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.7 Zündsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5 Zusammenfassung und Ausblick 37 Literatur 41 1. Einleitung “ In Wirklichkeit gibt es nur die Atome und das Leere. “ [1] Schon seit Jahrtausenden bewegt die Menschheit die Frage, was die Materie im Innersten zusammenhält. Der griechische Naturphilosoph Demokrit, der ca. 400 Jahre v. Chr. lebte, postulierte, dass die gesamte Natur aus sehr kleinen, unteilbaren Elementen zusammengesetzt sei. Diese Elemente seien fest, massiv, aber nicht gleich in ihrer Art. Er bezeichnete diese Elemente als “Atome“, nach dem griechischen Wort “átomos“ für “Das Unteilbare“. Nach den Erkenntnissen der modernen Physik trifft diese Eigenschaft des “unteilbaren Seins“ auf die Atome selbst nicht mehr zu. Im so genannten Standardmodell der Physik ist das Atom selbst ein Verbund aus Protonen, Neutronen und Elektronen, also weiteren kleineren Bausteinen, die ihrerseits wiederum aus kleinsten Elementen, den Quarks und Gluonen, zusammengesetzt sind. Der wissenschaftliche Fortschritt von der demokritschen Idee des Atoms hin zu den experimentellen Nachweis von Quarks und Gluonen mit modernsten Messsystemen basiert auf einer stattlichen Anzahl von Experimenten. Die Werkzeuge, mit denen Experimentalphysiker diese Erkenntnisse gewinnen und beweisen, sind Teilchendetektoren, also Nachweisgeräte, die (kern-)physikalische Sachverhalte in wahrnehmbare oder messbare Signale umwandeln. Einer der Teilchendetektoren ist die Funkenkammer. Dieser Detektor erlangte vor allem durch die Visualisierung von Teilchen durch Funkenentladungen Aufmerksamkeit. Dabei stellen die durch die Teilchen erzeugten Funkenüberschläge deren Flugbahn durch den Detektor dar. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine solche Funkenkammer gebaut und in Betrieb genommen. Es werden die physikalischen Grundlagen beschrieben 2 1. Einleitung (Kapitel 3), die notwendig sind, um einen Teilchendetektor des Typs “Funkenkammer“ zu verstehen und seine Messungen interpretieren zu können. Der Aufbau und die Funktionsweise des Experiments wird in Kapitel 4 beschrieben. Es wird zunächst auf den historischen Zusammenhang eingegangen. Dadurch können die Experimente mit der Funkenkammer und die damit verbundenen Erkenntnisse besser verstanden werden und deren Beitrag für die moderne Physik beleuchtet werden. 2. Geschichtliche Entwicklung Da bereits über 50Jahre Vom Bau der ersten Funkenkammer bis heute sind über 50Jahre vergangen. Im folgenden Kapitel wird die geschichtliche Entwicklung bis zur Fertigstellung der ersten Funkenkammer beschrieben werden. Des Weiteren soll das physikalische Grundprinzip kurz erläutert werden. Der Grundgedanke hinter der Funkenkammer ist, dass geladene Teilchen durch eine Ionisationsspur detektiert werden, also Teilchen in ihrer Flugbahn, Atome in Ionen und Elektronen spalten. An dieser hinterlassenen Spur soll ein Funke zur besseren Sichtbarmachung (Visualisierung) entstehen. In der Funkenkammer wird heute vor allem kosmische Höhenstrahlung detektiert. Die Grundlagen zur Funkenkammer wurden bereits Mitte des 19.Jahrhunderts gelegt. Wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit die Funken nur als natürliche Vorkommnisse bekannt waren und der Prozess einer Entladung im Gas nur als Blitz bei einem Gewitter bekannt war, lag ein langer Weg vor der Wissenschaft. 1851 gelang es Wissenschaftlern einen Funkenindikator, der vergleichbar mit der heutigen Zündkerze ist, zu entwickeln. Somit konnte das Wissen zur Untersuchung eines Funkens vorangetrieben werden. Zudem beeinflusste eine weitere Entdeckung die Geschichte der Funkenkammer. 1911 begann Hess seine Ballonflugexperimente, da er den Strahlungsursprung in der Erdatmosphäre vermutete. Dabei entdeckte er 1912 bei seinem siebten Ballonflug in einer Höhe von 5350 Metern eine überdurchschnittlich hohe Strahlung. Aus Hess’ Aufzeichnungen entnimmt man einen Energie der Strahlung von ca. 40 Joule, zum Vergleich, auf der Erdoberfläche beträgt sie ca. 17 Joule und er postulierte somit die kosmische Höhenstrahlung [3]. 4 2. Geschichtliche Entwicklung Einer der bekanntesten Vorreiter der Funkenkammer ist die Nebelkammer. Sie läutete eine neue Ära in der Physik ein, da sie als erster Detektor eine Visualisierung eines an sich unsichtbaren Vorgangs beinhaltete. 1912 erfand C.T.R. Wilson die Nebelkammer. Die Nebelkammer besteht meist aus einem zylindrischen Gefäß, das mit einer Mischung aus Gas und Wasserdampf gefüllt ist. Hierbei ist zu beachten, dass sich der Dampf noch im Gleichgewicht mit der Flüssigkeitsphase befinden muss. Die Kammer ist mit einem Kolben versehen, der eine Volumenvergrößerung ermöglicht wird, die die Temperatur senkt. Durch den plötzlichen Temperaturabfall ist der Wasserdampf übersättigt. Die geladenen Teilchen, die diese Kammer durchqueren, ionisieren Atome des Gases und die Spur des Teilchens wird als Kondensationsstreifen sichtbar. Ihr Nachfolger war die 1952 entwickelte Blasenkammer. Sie ist als eine modifizierte Nebelkammer zu verstehen. Die Blasenkammer versucht wie ihr Vorgänger, Spuren geladener Teilchen sichtbar zu machen. Die Kammer ist meist mit Wasserstoff gefüllt, welches auch als Wechselwirkungsmaterial dient. An der Kammer liegt ein Magnetfeld an, wodurch die geladenen Teilchen eine Ablenkung erfahren, die sogenannte Lorentzkraft. Durch diese wirkende Kraft lassen sich Rückschlüsse auf die Ladung und den Impuls der Teilchen ziehen. Der Name Blasenkammer stammt von den Blasen, die bei Stößen zwischen geladener Teilchen mit dem Wasserstoffatom entstehen. Die Funkenkammer leitet sich aus dem Geiger-Müller-Zählrohr ab. Dieses wurde 1928 von den deutschen Physikern Hans Geiger und Walther Müller entwickelt. Der Zähler signalisiert ionisierende Strahlung. Er besteht im Wesentlichen aus einem gasgefüllten Metallrohr, das als Kathode dient, und einem Anodedraht in der Mitte des Rohrs. Die Kathode ist eine Elektrode die positiv geladen ist, daher zieht sie Elektonen an. Das Gegenstück ist die Anode, die eine negative Elektrode ist und daher Ionen anzieht. Dringt ionisierende Strahlung, wie zum Beispiel positive radioaktive Strahlung, in das Metallrohr durch ein durchlässiges Fenster ein, ionisiert es das Edelgas (z.B. Neon, Argon). Die Anzahl der erzeugten Elektronen ist proportional zur Intensität der eindringenden Teilchen. Zwischen Anode und Kathode liegt eine Spannung an die eine Teilchentrennung bewirkt. Der Einsatzbereich des Geiger-Müller-Zählers war und ist das Registrieren radioaktiver Strahlung. Die Herstellung eines Zählrohrs war zur damaligen Zeit außergewöhnlich, da es ein sehr aufwändiger Prozess war, bei dem die einzelnen Herstellungsschritte sogar von Wissenschaftlern nicht vollstängig verstanden wurden. “If it works even when you don’t know why.“[2] 5 Um nun die Geschichte der Funkenkammer im Einzelnen zu klären, werden die verschiedenen Entwicklungen in USA, England, Deutschland, Japan und der Sowjetunion betrachtet. USA: Durch ein Projekt, welches zur Entwicklung der Atombombe ins Leben gerufen wurde, musste ein neues Zeitmesssystem entwickelt werden. Da das bestehende, der Geiger-Müller Zähler, eine zu große Totzeit besaß, schlichen sich Ungenauigkeiten ein. Die Totzeit beschreibt die Zeit, bis das Zählrohr wieder einsatzbereit ist, um neue Ereignisse zu registrieren. Das neue Gerät wurde durch den Funkenzähler erweitert und ermöglichte ein Eindringen der geladenen Teilchen aus allen Richtungen. Durch parallel angeordnete Platten wurde ein Funkenschlag erzeugt. Deutschland: 1948 wurde festgestellt, dass durch den Funken-Zähler die Möglichkeit der Spurverfolgung geladener Teilchen gegeben war. Der deutsche Physiker Bagge untersuchte den radioaktiven Zerfall in der unteren Atmosphärenschicht und die kosmischen Strahlen. Bagge stellte fest, dass er für seine Untersuchung genauere Messinstrumente brauchte und ließ den Funkenzähler nachbauen und verbessern. Bagges Interesse war, den Funkenzähler in ein spurverfolgendes Gerät umzuwandeln. Dadurch würde man statt Ereignisse zu zählen auch dessen Spuren sehen und verfolgen können. Sein Anliegen war, dass das Gerät Bilder der Teilchenspuren liefern konnte. Es gab zwei verscheidene Ansichtsweisen. Die eine bestand darin Experimente so zu gestalten, dass sie besonderst anschaulich aufgebaut waren. Dem gegenüber stand die Meinung, dass nur die logische Tradition zählte, die ihren Fokus auf den reinen Zählprozess legte, wie zum Beispiel beim Geiger-Müller Zähler. Bagge jedoch verfolgte seine Versionen der Visualisierung und entwickelte den Funkenzähler weiter. Er installierte einen Kondensator, der beim Entladen dem Funkenzähler zusätzliche Spannung lieferte und somit das Funkensignal aufhellte. Zudem gelang es ihm erstmals Bilder davon zu machen. Bagge sah Koinzidenzen für durchfliegend Teilchen im Funkenzählers. 1954 konnte man zum ersten Mal die Teilchenspur anhand eines Funkens verfolgen. Frankreich: 6 2. Geschichtliche Entwicklung 1954 benutzte Charpak, der mit Frederic Joliot-Curie arbeitete, den GeigerMüller-Zähler. Im Juli 1957 richtete er sein Auge auf den Funkenprozess, da er ein Experiment konstruieren wollte, mit dem man die Spur geladener Teilchen verfolgen konnte. Die Idee war, mit Hochspannung eine lawinenartige Vermehrung der Ladungen und somit einen Funkenüberschlag zu erzielen. Als Gas benutzte er eine Mischung aus Alkohol und Argon im Verhältniss 1:9. Italien: Durch ein Experiment entdeckten 1954 Gozzini und Conversi die Gasentladung in Neongas. Sie schlussfolgerten daraus, dass sie einen Detektor bauen könnten, der mit Eigenschaften eines Plasmasgases einen Blitz erzeugt. Jedoch konnte keine Theorie dies beschreiben und auch experimentell konnten sie es nicht beweisen. Ihre Vermutung bestand darin, dass 10−5 Sekunden nach dem durchfliegenden Teilchen eine Gasentladung entstehen musste. 1955 packten sie eine Sodaglasröhre, gefüllt mit reinem Argongas, in Schwarzpapier ein und erzeugten mit Hilfe eines elektrischen Feldes einen durchgehenden Blitz. Jedoch sahen sie es nicht und vermuteten es nur, da das Schwarzpapier ihnen die Sicht verdeckte. Japan: Durch den Krieg war Japan relativ abgeschnitten von der Außenwelt. Die Wissenschaft beschränkte sich auf die kosmische Strahlenforschung. Die Japaner nutzten das Wissen der Italiener und untersuchten die Teilchenverteilung in kosmischer Strahlung. Die Japaner Fukui und Miyamoto wollten mit Hilfe mit Neongas gefüllten Glasballons die Gasentladung untersuchen. Sie waren der Meinung, dass sie nur mit einer großen Anzahl, in ihrem Fall 5000 Stück, ein Ergebniss bringen könnten. Jedoch war die Arbeit für zwei Personen zuviel und dadurch ließen sie einige Glasballons und auch solche mit unterschiedlichen Druckverhältnissen unverpackt liegen. Sie schalteten das Licht aus, pulsten und sahen Spuren in den offen liegenden Ballons. Besonders die Ballons mit hohem Druck lieferten ein gutes Bild. Dadurch kam ihnen die Idee, eine Kammer zu bauen mit einer viel besseren Auflösung als die Funkenzähler bisher. Hierbei war das Glück auf ihrer Seite, denn hätten sie genug Leute zum Einpacken gehabt und auch einen gleichmäßigen Druck in den Ballons, wäre es nicht zu der Entdeckung gekommen. Durch diesen Zufall stellten sie fest, dass selbst eine geringe Anzahl und nicht wie von ihnen vorgesehen 5000 Glaskugeln mit elektrisch leitender Oberfläche schon den gewünschten Effekt erzielte. Sie nannten ihre Kammer Entladungskammer. [4] 7 Mittlerweile wurde die Funkenkammer durch die Elektronik und Zündansteuerung erweitert, so dass die Gasentladung nur bei gewünschten Events geschieht und nicht wie bei Fukui und Miyamoto bei jedem geladenen Teilchen ausgelöst wird. Zudem wurde die Idee von Bagge aufgegriffen und ein Teil der Elektroden mit Kondensatoren versehen um diese mit zusätzlicher Spannung zu versorgen. Basierend auf dem heutigen Wissenstand ist eine Verwendung der Funkenkammer zu Forschungszwecken nicht mehr erforderlich sondern ausschließlich zur Demonstration. 8 2. Geschichtliche Entwicklung 3. Physikalische Grundlagen Da die Funkenkammer als ein Detektor (Kapitel 3.5) für kosmischen Höhenstrahlung (Kapitel 3.1) benutzt werden soll, werden im kommenden Kapitel die physikalischen Grundlagen hierzu beschrieben. Zunächst handelt es sich bei den zu detektierenden Teilchen um Myonen (Kapitel 3.2.1), die Teilchen des Standardmodells (Kapitel 3.2) sind. Die Visualisierung der Teilchen erfolgt durch eine Gasentladung (Kapitel 3.4), die in Form eines Funkenüberschlags erfolgt. Da eine Gasentladung ein Plasma ist, sollen auch kurz die Grundlagen der Plasmaphysik geklärt werden (Kapitel 3.3). 3.1 Kosmische Strahlung Die kosmische Strahlung ist eine hochenergetische Teilchenstrahlung, deren Ursprung im Weltall zu suchen ist. Sie besteht überwiegend aus Protonen, Elektronen und ionisierten Atomen. Auf die Erdatmosphäre treffen pro Sekunde ca. 1000 Teilchen pro Quadratmeter. Im Vergleich dazu, betragen die auf die Erdoberfläche auftreffenden Teilchen pro Minute nur noch ca. 10 Teilchen pro Quadratmeter. Die Teilchen, die als kosmische Strahlung auf die obersten Schichten der Erdatmosphäre eintreffen, werden Primärteilchen genannt. Das Energiespektrum der Primärteilchen erreicht bis zu 1020 eV, jedoch ist heute nur die Zusammensetzung bis Energien von 1015 eV bekannt. Die Primärteilchen sind aus ca.87% Protonen, 12% Alpha-Teilchen und 1% schweren Kerne zusammengesetzt. Diese lassen sich jedoch nur außerhalb oder in der oberen Erdatmosphäre messen. 10 3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.1: Entwicklung eines Teilchenschauers durch sogenannte Primärteilchen von der Erdatmosphäre bis zur Erdoberfläche [5] Die kosmische Strahlung, die in die Erdatmosphäre eingetreten ist und sich dort in einen Teilchenschauer aufspaltet, wird in drei Gruppen klassifiziert, die Elektronen-Photonen-Komponente, die Hadronen-Komponente und die Myonen-Komponente. (Abbildung 3.1) Dabei besteht die ElektronenPhotonen Komponente aus neutralen Pionen, die einen elektromagnetischen Schauer erzeugen. Es entstehen Photonen, Elektronen und Positronen. Bei der Hadronen Komponente entstehen hauptsächlich Protonen, Neutronen, Pionen und Kernfragmente, die durch hadronische Wechselwirkung zustande kommen. Die hadronische Wechselwirkung besteht aus einer Wechselwirkung aus Hadronen, also aus Quarks aufgebauten Teilchen. Trifft zum Beispiel ein Proton auf ein Proton findet eine hadronische Wechselwirkung statt. Über die schwache Wechselwirkung entstehen aus den positiv und negativ geladenen Pionen die ebenfalls positiven und negativen Myonen, außerdem noch Elektronen und Neutrinos. Bereits im Jahre 1900 entdeckte Charles T. R. Wilson die kosmische Höhenstrahlung, die er jedoch fälschlicherweise für natürliche Radioaktivität aus dem Boden hielt. Richtig interpretiert wurde sie schließlich 1912 durch Victor Franz Hess, der durch seine Experimente die höhere elektrische Leitfä- 3.2. Das Standardmodell 11 higkeit der Erdatmosphäre mit zunehmender Höhe zu erklären versuchte. Durch seine Versuche wurde eine Zunahme der radioaktiven Ereignisse festgestellt, was auf einen kosmischen Ursprung der Strahlung hindeutete. Zunächst nahm Hess an, dass die Sonne der alleinige Verursacher sei, aber nach einer totalen Sonnenfinsternis musste diese Theorie verworfen werden. Bis heute sind die eigentlichen Ursprünge nicht vollständig geklärt, jedoch unterteilt man sie in Solarstrahlung, galaktische und extragalaktische Strahlung. Dazu gehören: • Sonnenwinde, die überwiegend aus Photonen und Alphateilchen bestehen (Energie E < 500 · 106 eV ) • Anormale- und galaktische kosmische Strahlung (Energie E ≈ 109 eV ) • Extragalaktische Strahlung (Energie E ≈ 1020 eV ) Erst in den letzten Jahren ließen sich die Quellen der anormalen und galaktischen kosmischen Strahlung identifizieren. Als verantwortlich werden Schockfronten von Supernovaexplosionen oder kosmische Jets von schwarzen Löchern angenommen sowie lokale interstellare Materie, die mit Sonnenwinden in Wechselwirkung steht. Ist die Teilchenenergie kleiner als 1018 eV nimmt man einen Ursprung innerhalb unseres Sonnensystems an, da unser Zentrum der Galaxie aus einem schwarzen Loch besteht bzw. eine Akkreditionsscheibe ist, in der Kernreaktionen stattfinden und somit Strahlung ausgesendet wird. Nur ein geringer Teil der Sekundärteilchen, also der Teil der kosmischen Strahlung, der mit der Erdatmosphäre wechselwirkt, erreicht die Erdoberfläche. Die kosmische Strahlung kann durch das menschliche Auge nicht wahrgenommen werden, sondern benötigt zur Visualisierung einen Detektor. Die kosmische Strahlung macht einen Teil von 7% der jährlichen Strahlenbelastung eines Menschen von ca. 3 mSv aus. 3.2 Das Standardmodell Das Atom sollte der ursprünglichen Annahme nach das kleinste und elementarste Teilchen der Materie darstellen. Spätestens durch die Arbeit von Thomson, Rutherford und Bohr wurden mehrere detailliertere Modelle zur inneren Struktur der Materie entworfen. Das Atom besteht nun aus einem Kern sowie einem oder mehreren Elektronen. Durch weitere kernphysikalische Experimente Anfang der siebziger Jahre konnte eine weitere Stufe von elementaren 12 3. Physikalische Grundlagen Teilchen, aus denen die Protonen, Neutronen sowie Elektronen bestehen, entdeckt werden. Deren Struktur sowie die Wechselwirkung untereinander wird durch das Standardmodell beschrieben. Bis zum heutigen Tage beschreibt das Standardmodell diese kleinste bekannteste Struktur der Materie. Die Teilchen des Standardmodells werden in die drei Klassen, Quarks, Leptonen sowie die Bosonen der Wechselwirkung aufgeteilt, gelten als elementar und sind somit ohne eine innere Struktur. Sie werden als einfache, punktförmige Konstituenten (< 10−18 m) beschrieben. Eine genaue Übersicht ist der Tabelle 3.1 zu entnehmen sowie in Tabelle 3.2 die Wechselwirkungen aufgelistet sind. Leptonen Quarks Generation 1 Generation 2 Generation 3 e Elektron µ Myon τ Tau νe Elektronneutrino νµ Myonneutrino ντ Tauneutrino u up c charm t top u down s strange b bottom Tabelle 3.1: Fermionen im Standardmodells Eine Eigenschaft der Teilchen des Standardmodells ist der Eigendrehimpuls, auch Spin genannt. Der Spin der Quarks und Leptonen beträgt 12 und sie werden Fermionen genannt. Zudem besitzt jedes Teilchen eine elektrische Ladung, die Leptonen tragen die Ladung −1 (e,µ,τ ) bzw. 0 (νe ,νµ ,ντ ), die Quarks tragen die Ladung 23 (u, c, t) bzw. − 13 (d, s, b). Zu jedem Quark und Lepton exististiert ein Antiteilchen, das die gleiche Masse und Spin hat und sich genau gegensätzlich in elektrischer Ladung, Leptonenzahl, Farbladung und magnetischem Moment verhält. Der “Flavor“ klassifiziert die Quarks, die in verschiedenen Zusammensetzungen die Bausteine für neue Teilchen sind. Die aus Quarks oder Antiquarks aufgebauten Teilchen werden Hadronen genannt. Die Hadronen sind wahlweise aus drei Quarks bzw. Antiquarks aufgebaut, den Baryonen, oder aus einem Quark und einem Antiquark, den Mesonen. Die Baryonen und Mesonen sind Aufgrund ihres Aufbaus Untergruppen der Hadronen. 3.2. Das Standardmodell 13 Die elementaren Teilchen des Standardmodells können über den Austausch von verschiedenen Bosonen wechselwirken. Die Bosonen tragen einen ganzzahligen Spin. Da beim wechselwirken die Spinerhaltung nicht verletzt werden darf, müssen die Bosonen einen ganzzahligen Spin tragen. Im Standardmodell werden drei Wechselwirkungen beschrieben: Die starke, die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung. Die Bosonen der starken Wechselwirkung sind acht verschiedene Gluonen, die zwischen den Farbladungen der Quarks wechselwirken. In der elektromagnetischen Wechselwirkung ist das Photon das Austauschteilchen zwischen geladenen Teilchen. Die W + , W − , Z 0 Bosonen sind für den Austausch in der schwachen Wechselwirkung verantwortlich. Wechselwirkungen Austauschteilchen Masse [Gev/c2 ] Reichweite starke Gluonen 0 2, 5 · 10−15 m elektromagnetische Photon 0 ∞ schwache W +, W −, Z 0 80, 80, 91 10−18 m Tabelle 3.2: Übersicht Wechselwirkungsprozesse des Standardmodells Durch die starke Wechselwirkung wird der Zusammenhalt der Quarks innerhalb der Hadronen garantiert. Zudem bewirkt die Restkraft die Bindung der Nukleonen innerhalb eines Kerns. Die starke Wechselwirkung hat die Kraft der gegenseitig elektrischen Abstoßung der Protonen entgegenzuwirken. Alle Baryonen und Mesonen unterliegen der starken Wechselwirkung. Ihre Reichweite von 2, 5 · 10−15 m ist vergleichbar mit dem eines Nukleonenradius. Im Gegensatz zur starken Wechselwirkung ist die Reichweite der schwachen Wechselwirkung um drei Größenordnungen kleiner und beträgt ca. 10−15 m. Die schwache Wechselwirkung ist vor allem für Zerfälle oder Umwandlungen verantwortlich, so ist sie z.B. die maßgebliche Kraft beim Betazerfall radioaktiver Kerne. Die elektromagnetische Wechselwirkung ist für Bindungszustände innerhalb von Atomen und Molekülen verantwortlich, sie hat eine unendliche Reichweite, die in der Abstandswirkung mit 1/r2 abfällt. 14 3. Physikalische Grundlagen Die Abstandswirkung der verschiedenen Wechselwirkungen und die Austauschteilchen sind zur Verdeutlichung in Tabelle 3.2 aufgeführt. 3.2.1 Das Myon Da, wie bereits diskutiert, in der Funkenkammer lediglich kosmische Höhenstrahlung detektiert wird, bedeutet dies in unserer Erdatmosphäre, dass es hauptsächtlich Myonen oder Neutrinos sind. Da die Neutrinos elektrisch neutral sind und somit nicht mit dem Detektionsmaterial wechselwirken, werden sie nicht als Funken dargestellt. Das bedeutet, dass nur die Myonen in der Funkenkammer sichtbar gemacht werden. Wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt, gehen aus den Pionen als Reaktionsprodukte die Myonen hervor. Über die Nukleonen-Nukleonen Wechselwirkung, also die Wechselwirkung zwischen zwei Atomkernen, entstehen Pionen der sekundären Höhenstrahlung und zerfallen unter anderem wie folgt: π + ⇒ µ+ + νµ bzw. π − ⇒ µ− + ν̄µ (3.1) Hierbei zerfällt ein positives Pion π + in ein positives Myon µ+ und ein MyonNeutrino νµ . Äquivalent dazu zerfällt das negative Pion in ein negatives Myon und ein Myon-Antineutrino oder mit in einer Wahrscheinlichkeit von 1:8000 in ein Elektron und ein Anti-Elektronneutrino. Analog dazu verhält sich das positive Pion. π − ⇒ e− + ν̄e bzw. π + ⇒ e + + νe (3.2) Bei den geladenen Teilchen, die die Erdoberfläche erreichen, handelt es sich zu 78% um Myonen, zu 20% um Elektronen und zu 1% um andere Teilchen [23]. Dass, trotz der geringen Wahrscheinlichkeit von 1:8000 des zerfallenden negativen Pions in ein Elektron, ca. 20% die Erdoberfläche erreichen, ist auf die Lebensdauer von τ = 1024 a zurückzuführen. Zudem werden bei der Elektonen-Photonen Komponente (Abbildung 3.1) hauptsächlich Elektronen gebildet [20]. Außerdem zerfällt ein negatives Myon in ein Elektron, ein AntiElektronneutrino und ein Myonneurtrion. µ− ⇒ e− + ν̄e + νµ (3.3) Analog dazu verhält sich das positive Myon, welches sich vom negativen Myon nur durch die Ladung unterscheidet. Das Verhältnis von positiven Myonen 3.3. Plasmaphysik 15 zu negativen Myonen an der Erdoberfläche beträgt ungefähr 1,2. Die meisten Myonen werden in ca. 15km Höhe durch den Zerfall der Pionen produziert. Um ihre Reichweite zu berechnen, verwendet man die Formel s = v · τ . Die mittlere Lebensdauer der Myonen beträgt τµ = 2, 197 · 10−6 s, bei einer Geschwindigkeit v ≈ 0, 9998c mit c = 2, 99792458 · 108 ms . Dies ist die klassische Rechnung der zurücklegbaren Strecke. Errechnet ergibt das s ≈ 658m. Da sie jedoch in 15km entstehen, würden sie die Erdoberfläche nach dieser Rechnung nicht erreichen. Diese Rechnung vernachlässigt jedoch die relativistische Zeitdilatation, die berücksichtigt werden muss, da die Geschwindigkeit der Myonen sich der Lichtgeschwindigkeit annähert. Um die Lebensdauer relativistisch zu berechnen, wird die Formel τ τ0 = q 1− (3.4) v2 c2 benutzt. Somit ergibt sich τ 0 ≈ 1, 098 · 10−4 s. Über die Formel s = v · τ 0 kann man nun die Strecke relativistisch berechnen, somit beträgt s0 ≈ 32, 92km. Die Reichweite der Myonen ist zudem abhängig von ihrer Energie, wobei die mittlere Energie beim Auftreffen auf die Erdoberfläche ca. 4GeV beträgt [16]. 3.3 Plasmaphysik Ein teilweise oder vollständig ionisiertes Gas bezeichnet man als Plasma. Der Begriff Plasma geht auf Irving Langmuir 1928 zurück. Wegen des Phasenübergangs von einem isolierenden Zustand in einen leitenden wird das Plasma neben den Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig auch als vierter Aggregatzustand bezeichnet. Die Erzeugung eines Plasmas im Labor wird durch die Ionisation von Atomen realisiert und häufig durch das Anregen von Atomen durch hohe Temperaturen erzeugt oder durch Teilchenstöße. Um Bezug auf das vorliegende Experiment zu nehmen, ist zu erwähnen, dass die Darstellung der Teilchen durch Funken geschieht. Da Funken die Eigenschaften eines Plasmas tragen, wird somit ein Laborplasma produziert. Charakterisiert wird ein Plasma durch dessen Elektronentemperatur und dichte. Zur Erzeugung eines Plasmas muss mindestens ein Elektron vorhanden sein, das durch die Beschleunigung in einem elektrischen Feld ein Atom ionisiert. Erzeugt jedes Elektron ein weiteres, so spricht man durch den exponentiellen Aufbau der Entladung von einem lawinenartigen Prozess, der 16 3. Physikalische Grundlagen durch den Townsendkoeffizienten α in Formel 3.4 beschrieben wird. Er ermittelt die Zahl der Elektron-Ion-Paare, die ein freies Elektron pro zurückgelegter Wegstrecke bildet [7]. Um den lawinenartigen Prozess beginnen zu lassen, ist die Voraussetzung, dass mindestens ein Elektron vorhanden ist, dass eine Vermehrung bewirkt. Da es das Ausgangselektron ist wird dieses auch Primärelektron genannt. Diese Primärelektronen wird durch externe Elektronenzufuhr erzeugt oder, wie in dem vorliegenden Experiment der Funkenkammer, durch Ionisation von natürlicher Strahlung produziert. chemisches Element Symbol Ionisationsenergie Helium He 24,59 eV Neon Ne 21,4 eV Stickstoff N 14,5 eV Tabelle 3.3: Ionisationsenergien der beim Experiment verwendeten Gase Laborplasmen sind aufgrund ihrer relativ hohen Elektronendichte gute Leiter. Durch die unterschiedlichen Gasdichten unterscheidet man zwischen Hoch- und Niederdruckplasmen, die aufgrund unterschiedlicher Mechanismen erzeugt werden. Im Niederdruckbereich geschieht dies durch den Townsend-, im Hochdruckbereich durch den Streamermechanismus. Ein Niederdruckplasma zeichnet sich dadurch aus, dass es bei einem Druck von ca. 1013, 25mbar produziert wird und die mittlere freie Weglänge der Elektronen größer als die der Debye-Länge λ ist. Ab 100mbar wird ein Plasma als Hochdruckplasma benannt [6]. Betrachtet man ein Plasma als ein Ensemble, das aus vielen geladenen Teilchen besteht, die als Ganzes betrachtet das Plasma neutral erscheinen lassen. Diese Eigenschaft eines Plasmas wird als Quasineutralität bezeichnet. Die Grenze, innerhalb der diese Quasineutralität nicht vorliegt, wird als DebyeLänge λ bezeichnet. 3.4. Gasentladung und Funkenbildung s λ= 17 (0 · kB · Te ) e2 ne (3.5) Die Debye Länge ist abhängig von der Elektronendichte ne und der Elektronentemperatur Te . Eine weitere charakteristische Größe eines Plasmas ist die Plasmafrequenz we . Wird ein Elektron oder Ion aus der Ursprungslage ausgelenkt, so entstehen durch die Coulombkräfte der geladenen Teilchen starke rücktreibende Kräfte. Aufgrund der wesentlich niedrigeren Elektronenmasse schwingen diese dann um ihre Ruhelage. Die Frequenz der Schwingung wird als Plasmafrequenz bezeichnet. s ωp = ne2 0 me (3.6) Sie wird beschrieben durch die Elektronendichte n, die Elementarladung e, die Elektronenmasse me ist und Dielektrizitätskonstante 0 . 3.4 Gasentladung und Funkenbildung Da es sich bei der Funkenkammer um eine mit Atmosphärendruck gefüllte Gaskammer von 1013,25 mbar handelt, wird im Folgenden die Erzeugung eines Funkens erläutert. (Abbildung 3.2) Die Funkenkammer besteht aus einem Gasvolumen, in der sich Elektroden befinden. Wird an die Elektroden ein elektrisches Feld angelegt, so werden die vorhandenen Ladungsträger beschleunigt. Bei genügend hoher Feldstärke werden die Ladungsträger vorwiegend durch Stoßprozesse lawinenartig vermehrt. Dazu zählen Stöße genügend schneller, geladener Teilchen gegen ein neutrales Molekül oder Atom. Als Voraussetzung für die Ionisierung muß die Energie der stoßenden Teilchen größer oder gleich der Ionisierungsenergie des Atoms sein. Elektronen können beim Durchlaufen der Gasentladungsstrecke eine mehrfache Ionisation bewirken. In der Funkenkammer bildet die Gasentladungsstrecke den Abstand zwischen der Zündkerze und der Elektrode der Zündkammer (Kapitel 4.7) bzw. zwischen den Messingplatten der Kammer. 18 3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.2: Funkenentwicklung eines Hochdruckplasmas [8] Bei einer Hochdruckentladung vor der Entstehung eines Funkens ordnen sich die Ladungsträger tropfenförmig an. Die Elektronen laufen mit hoher, untereinander gleicher Geschwindigkeit im Gegensatz zu den langsamen Ionen, die beinahe an ihrem Entstehungsort zurückbleiben und somit den Schwanz der Lawine mit überwiegend positiver Ladung bilden. Die Ladungsdichte im Lawinenkopf ist wesentlich größer als im Lawinenschwanz. Aufgrund dieser Ladungsverteilung entsteht eine Feldanhebung, die eine überhöhte Ionisation zur Folge hat und somit eine schnelle fortschreitende Geschwindigkeit der Ionisation besitzt. Die Feldanhebung vor dem Lawinenkopf und im Lawinenschwanz führt zu einer überhöhten Strahlungsemission, die überwiegend Ultraviolettstrahlung ist. Da die hochenergetische UV-Strahlung erneut Ionisation hervorruft, werden neue Lawinen gebildet. Es kommt zur Entladung. Vor der Entladung findet eine, wie zuvor beschrieben, lawinenartige Vermehrung statt. Die Anzahl der anregungsfähigen Elektronen ist dabei eine Funktion der Feldstärke E und der mittleren freien Weglänge, die umgekehrt proportional zum Gasdruck ist. Hält man das Verhältnis E/p konstant, so steigt aufgrund der höheren Packungsdichte die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstosses proportional mit dem Druck. Zusammengefasst ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen Townsendkoeffizienten α und Gasdruck p: −B α E =A·e p p (3.7) 3.4. Gasentladung und Funkenbildung 19 Dabei sind A und B Gaskonstanten, wobei B die Stufenionisation beschreibt. Die Konstanten werden aus dem Clausius-Weglängengesetz ermittelt. Die Formel (3.4) macht deutlich, dass nur bei einer geringen B-Konstante (V / cm*Torr) eine Zunahme der Feldstärke erfolgt. Bei Helium beträgt diese Konstante 34, bei Neon 100. Zum Vergleich, beträgt der Wert bei Argon 180 [21]. Neon ist das Edelgas mit der größten Entladungsspannung und der Funken färbt sich in einer Gasentladung je nach dem inneren Gasdruck rotorange bei Unterdruck, blauviolett bei Atmosphärendruck und rotviolett bei Hochdruck [15]. Element Gaskonstante A Gaskonstante B Helium 3 cmT1 orr 34 Neon 4 cmT1 orr 100 cmTV orr Stickstoff 12 cmT1 orr 342 cmTV orr V cmT orr Tabelle 3.4: Übersicht der Gaskonstanten der beim Experiment verwendeten Gase bei Normaldruck (p = 759T orr) Innerhalb der Funkenkammer bilden sich zwei Lawinen, die Primäre und die Sekundäre. Sie dehnen sich in Richtung der Elektroden aus (Abbildung 3.2) und bilden entlang der Teilchenspur einen Plasmakanal, der durch seine leitenden Eigenschaften als Funkenentladung sichtbar wird. Der sogenannte Streamer-Mechanismus läuft innerhalb einer Zeit von 10−8 s ab. Für das Experiment ist es ratsam ein Gas zu wählen, dass bereits bei niedriger Spannung einen hohen Townsendkoeffizienten haben. Hierzu ist in Abbildung 3.3 der Townsendkoeffizient für verschiedene Gase abgebildet. Beim errechnen der elektrischen Felder ergibt es theoretisch für Helium-Neon einen Wert von ca. 5kV/cm, der sich auch mit den experimentellen Erfahrungen deckt. Für Luft würde man bereits eine Spannung von ca. 19kV/cm benötigen, die mit unseren Geräten jedoch nicht möglich ist. 20 3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.3: Townsendkoeffizient auf den Druck normiert, gegen das Verhältnis E/p aufgetragen 3.5 Detektorphysik Ein Detektor ist ein technischer Aufbau zur Messung und Nachweis von Teilchen und Strahlung. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das Wort Detektor “Entdecker“. Je nach Fragestellung verwendet man verschiedene Detektoren: So ist entscheidend, ob man eine Orts-, Impuls-, Zeit-, Energiemessung oder Teilchenidentifikation vornehmen möchte. Bei der Funkenkammer handelt es sich um ein Ionisationsexperiment, bei dem schnelle, geladene Teilchen detektiert werden, da sie beim Durchqueren des Detektormaterials mit den vorhandenen Atomen wechselwirken. Die Funkenkammer beruht auf dem Prinzip des gasgefüllten Detektors. Dieser besitzt jedoch verschiedene Bauarten wie zum Beispiel Ionisationskammer, Proportionalitätszähler, Geiger-Müller-Zähler oder Auslösezähler. Die Grundlage eines gasgefüllten Detektors besteht aus zwei Elektroden, zwischen denen sich Gas befindt, das somit einen elektrischen Isolator darstellt. (Abbildung 3.4) Durch Strahlung werden Elektronen-Ionen-Paare erzeugt. Durch das angelegte elektrische Feld werden die Elektronen zur Anode beschleunigt und die positiven Ionen zur Kathode. In dem Stromkreis fließt nun ein Strom, der am 3.5. Detektorphysik 21 Abbildung 3.4: Schematischer Aufbau des gasgefüllten Detektors Widerstand einen Spannungsabfall bewirkt. Über den Kondensator kann ein Spannungsimpuls in der Elektronik erzeugt werden. Trägt man die Anzahl der Elektronen-Ionen-Paare N als Funktion der angelegten Spannung U zwischen Anode und Kathode auf, erhält man einen charakteristischen Verlauf. Hierbei werden die verschiedenen Arbeitsbereiche der Ionisationsdetektoren betrachtet: Abbildung 3.5: Charakteristischer Verlauf der Strom-Spannungskurve [9] Abschnitt 1: (Rekombination) Bei niedrigen Spannungen ist die Zahl der detektierten Ladungsträger kleiner als die Anzahl der erzeugten Ionen-Paare der ionisierenden Strahlung, 22 3. Physikalische Grundlagen da durch Diffusion und Rekombination aus dem Detektor Ladungsträger dem Nachweis entkommen. Erhöht man die Spannung, verringern sich die Rekombinationen, da die Elektronen und Ionen schneller zu der jeweiligen Elektrode gelangen. Bereich 2: (Ionisationskammer) Bei ausreichender Spannung werden alle durch ionisierende Strahlung erzeugten Teilchen detektiert. Die erzeugten Ionen und Elektronen fliegen zur Elektrode. Diese Impulshöhe erlangt einen Sättigungswert, der propotional zur Energie des ionisierenden Teilchens ist. Dies ist der Einsatzbereich der Ionisationskammer. Bereich 3: (Proportionalbereich) Wird die Spannung weiter erhöht, werden die Elektronen beschleunigt und erhalten somit hohe Energie, die Stoßionisation hervorruft. Dieser Vorgang wird als Gasverstärkung bezeichnet. Die Anzahl der detektierten Ladungsträger ist größer als die von ionisierender Strahlung erzeugten Ladungsträger. In diesem Bereich wird der Proportionalzähler betrieben. Bereich 4: (Plateaubereich) Erhöht man die Spannung noch weiter, erreicht man eine lawinenartige Ionisation und eine Identifizierung von Energie und Strahlungsart ist nicht mehr möglich. Innerhalb des Plateaubereichs kommt der Geiger-Müller-Zähler zum Einsatz. Bereich 5: (Gasentladung) Bei weiterer Spannungserhöhung erfolgt eine Gasentladung. Dies ist charakteristisch für das Grundprinzip der Funkenkammer. Hierdurch lässt sich verdeutlichen, dass die Funkenkammer nicht bei niedrigen Spannungen betrieben werden kann. 4. Experimenteller Aufbau Die zur Teilchendetektion verwendete Funkenkammer lässt sich in vier Hauptteile unterteilen. Die Kammer, in der die Funkenspur realisiert wird, das Detektorsystem, das die Teilchen detektiert und das Triggersignal erzeugt, die Elektronik, die diese Signale verarbeitet, regelt und die Signale für den Trigger erzeugt und das Zündsystem, das für das Anlegen der Hochspannung regelt. Diese vier Komponenten werden im folgenden Kapitel erklärt. 4.1 Aufbau der Funkenkammer Die Funkenkammer besteht aus 37 Messingplatten, die parallel in einem Abstand von einem Zentimeter zueinander angeordnet als Elektrode dienen. Das Kammervolumen ist definiert über eine Plexiglashaube und eine Kunststoffplatte durch die jede zweite der horizontal befestigen Messingplatte Verbindung zu 18 Kondensatoren hat. Die Kondensatoren haben Verbindung zu einer Hochspannungsquelle, denn sie sind verantwortlich für eine gegebenenfalls geforderte Hochspannung auf jeder zweiten Platte. Die jeweilige andere Platte ist geerdet. Somit wirken die Platten als Anode und Kathode. Wie in Abbildung 4.1 zu sehen, sind an der Unter- bzw. Oberseite der Kammer Szintillatoren angebracht, die über Lichtleiter in Photomultipliern ausgelesen werden. Zudem verfügt die Funkenkammer über eine Ausleseelektronik. Diese besteht aus vier Einzelteilen: Constant Fraction Modul (CDF), Koinzidenz, Timer und NIM-TTL Modul. Das Zündsystem besteht aus der Zündansteuerung und der Zündkammer. 24 4. Experimenteller Aufbau Abbildung 4.1: schematischer Aufbau der Funkenkammer 4.2 Grundprinzip Das Grundprinzip des Experiments besteht darin, dass geladene Teilchen eine Ionisationsspur erzeugen und diese nachgewiesen werden kann. Durch die anliegende Spannung auf den Messingplatten von 5-6kV wird eine Ladungstrennung hervorgerufen, die wie in Kapitel 3.4 beschrieben eine Funkenbildung zur Folge hat. Damit nicht jedes geladene Teilchen, das die Detektorkammer durchquert, einen Funkenschlag hervorruft, wird keine permanente Hochspannung angelegt. Es sollen nur die Ereignisse sichtbar gemacht werden, die ihren Ursprung in der kosmischen Höhenstrahlung haben. Hierfür wurde ein Detektorsystem entwickelt, das durchfliegende kosmische Strahlung detektiert, verarbeitet und innerhalb kurzer Zeit nach der Teilchendurchquerung Hochspannung anlegt, um die Funkenspur sichtbar zu machen. 4.3 Kammer Wie bereits erwähnt, befindet sich um die Platten eine Plexiglashülle, die Innenmaße von 85cm×39, 5cm×22cm besitzt. Durch die abzuziehenden Volumen 4.3. Kammer 25 der Messingplatten und Plattenaufhängung ist von einem Volumen von ca. 65 Litern auszugehen. Dieses Volumen ist mit einem Gasgemisch gefüllt, das aus Helium (25%) und Neon (75%) besteht. Das Gasgemisch stellt das Reaktionsvolumen dar. Wie in Kapitel 3.4 beschrieben, dienst das Gasgemisch als optimaler Reaktionspartner für Funkenbildung dient. An der Funkenkammer wurde ein Gassystem installiert, das zunächst das Spülen der Kammer mit Stickstoff ermöglicht. Beim Inbetriebnehmen der Hochspannung kann man bereits ab 2kV den Funkenüberschlag in der Zündkammer (Kapitel 4.7) hören, jedoch wird erst ab 5kV der Funkenüberschlag in der Kammer selbst sichtbar. Beim weiteren Erhöhen der Spannung auf 6kV wird die Funkenspur deutlicher und klar zu erkennen. 4.3.1 Leckrate Um die Dichtigkeit der Kammer zu überprüfen, wird die mit Sauerstoff gefüllte Kammer mit Ar − CO2 -Gasgemisch (im Verhältnis 70:30) gespült und bei einem Unterdruck von ca. 1 mbar betrieben. Die Flussrate des Gases beträgt 19,3[l/h] und dabei wird der Sauerstoffgehalt am Ausgang der Kammer gemessen. Durch das Spülen nähert sich die Reinheit des Gases asymptotisch an den Grenzwert a an. Theoretisch gesehen fällt der Luftanteil im Gasgemisch exponentiell ab. Die Ergebnisse des Leckratentests der Funkenkammer sind in Abbildung 4.2 zu sehen. Der Graph fällt in Form der Exponentialfunktion f (t) = a + b · e−c·t (4.1) ab.[19] Nach dem exponentiellen Abfall des Sauerstoffanteils pendelt sich die Gaskonzentration auf ca. 70 ppm ein. Die Schwankungen sind auf verschiedene Faktoren wie Druck- oder Temperaturschwankungen zurückzuführen sind. Zudem wird in der Auswertung ein Fit, also eine Annäherung, eingearbeitet. Experimentell wurde die Funkenkammer bei einem Sauerstoffgehalt von 1000ppm betrieben und keine Einschränkungen bemerkt. Um die Leckrate zu bestimmen, benutzt man folgende Formel: 26 4. Experimenteller Aufbau c r e a to r la b : g a s m ix t u r e : f lo w r a t e [ l/ h ] : o x y g e n c o n c e n t r a t io n a t s t a r t [ p p m ] : te m p e ra tu re a t s ta rt: d a t a f ile : 5 0 0 S a u e r s to ffa n te il [p p m ] 4 0 0 IK F F ra n k fu rt A r-C O 2 (7 0 :3 0 ) 1 9 ,3 4 7 1 ,2 2 2 ,7 S p a r k C h a m b e r _ 0 0 1 _ u _ le a k _ d a t a . t x t Equation y = A1*exp(-x/t1) + y0 Adj. R-Square 0,99589 Value 3 0 0 Standard Error B y0 75,54309 B A1 393,07153 1,03881 B t1 14405,01924 58,08113 0,12686 2 0 0 1 0 0 0 0 5 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 5 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 2 5 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 3 5 0 0 0 0 M e s s d a u e r [S e k ] Abbildung 4.2: Ergebnis des Leckratentests L=F patm xin · pdif 200000 (4.2) Wobei F die Flussrate [ hl ], patm den Atmosphärendruck [mbar], pdif = xpin in [mbar] die Druckdifferenz darstellt und xin die Sauerstoffkonzentration der Kammer ist.[19] Mit den aus der Messung ermittelten Werten ergibt dies eine Leckrate von L = 6, 75 hl . 4.4 Detektor Es werden zwei Triggerdetektoren verwendet. Sie sind jeweils aufgebaut aus einer Szintillatorplatte, einem Prisma, einem Lichtleiter und einem Photomultiplier. Die Szintillatoren befinden sich ober- bzw. unterhalb der Kammer in einer Halterung. Fliegt ein geladenes Teilchen hindurch, wird ein Lichtsignal erzeugt, das durch Totalreflexion innerhalb des Szintillators über ein Prisma in den Lichtleiter in die vertikal angebrachten Photomultiplier geleitet wird. Um die Totalreflextion zu garantieren ist der der Lichtleiter in 4.4. Detektor 27 Szintillator Lichtleiter Photomultiplier Abbildung 4.3: schematischer Aufbau des Triggers Silberpapier verpackt und das Detektorsystem durch Schwarzpapier von einfallendem sichtbaren Licht geschützt. Um eine schnelle und präzise Messung bei einem Teilchendurchgang zu realisieren, ist eine schnelle Reaktion des Detektors notwendig, da sonst die Elektronen bereits zu weit von der Ionisationsspur wegbewegt haben. 4.4.1 Szintillator Um eine schnelle Messung zu realisieren, ist als Signalgeber eine atomare Anregung und die daraus folgende Lichtemission ideal. Szintillatoren stellen optische Signale her und leiten diese weiter. Jedoch sollte zunächst die “Arbeitsweise“ eines Szintillators geklärt werden. Es gibt zwei verschiedene Arten von Szintillatoren, die anorganischen und organischen Szintillatoren. Anorganische Szintillatoren bestehen aus Kristallen und besitzen sogenannte Farbzentren (Aktivator-Zentren). Durchquert ein geladenes Teilchen den Kristall, erzeugt es freie Elektronen, freie Löcher und Elektronen-Loch-Paare (Exzitonen). Diese Anregungszustände wandern innerhalb des Gitters bis sie auf ein Farbzentrum treffen und der Anregungszustand in das Farbzentrum übergeht. Hierbei emitiert das Farbzentrum Photonen und fällt in den Grundzustand zurück. Der Unterschied zum organischen Szintillator liegt in der Abklingzeit. Die Abklingzeit beschreibt die Lebensdauer des angeregten Zustandes des Farbzentrums.[18] Bei den verwendeten Szintillatoren des Detektoraufbaus der Funkenkammer handelt es sich um organische Szintillatoren der Firma Bicron, die als Basisstoff Polvinyltoluene besitzen und ein Lichtsignal mit der Wellenlängebereich von 400-440nm emitieren.[13] 28 4. Experimenteller Aufbau Abbildung 4.4: Effizienz-Wellenlängenkurve des im Experiment verwendeteten Szintillators [10] In der Abbildung 4.4 ist das Emissionsspektrum des verwendeten Szintallators zu sehen. 4.4.2 Photomultiplier Ein Photomultiplier ist ein Instrument, das Lichtsignale bzw. Photonen detektiert und in ein elektrisches Signal umwandelt und verstärkt. Ein Photomultiplier ist aus einer Photokathode und einem Sekundärelektronenvervielfacher (SEV) aufgebaut. Durch den Photoeffekt können die Photonen des Szintillators in der AlkaliMetall-Photokathode Elektronen herauslösen. Bei einer “Bialkali-Kathode“ ist die Effizienz bei einer Wellenlänge des Szintillatorlichts von ca. 400−430nm maximal. Der Sekundärelektronenvervielfacher besteht aus mehreren hintereinander angeordneten Elektroden (Abbildung 4.5), die in einem Photomultiplier Dynoden genannt werden. Die Elektroden des SEV bestehen aus einem Material mit hohem Sekundäremissionskoeffizienten. Die Dynoden liegen auf einem unterschiedlichem Potential von 150-200V. Die Elektronen treffen auf die erste Dynode und schlagen dort mehrere Sekundärelektronen heraus. Die- 4.5. Kosmisches Spektrum 29 Abbildung 4.5: Prinzip eines Photomultipliers [11] ser Vorgang ereignet sich an der nächsten Dynode erneut und somit nimmt die Elektronenzahl kaskadenartig zu. Die Vermehrung der Elektronen kann beim Erreichen der Anode bis zu 108 betragen.[18] Die entstandenen Elektronen treffen am Ende des Photomultipliers auf eine Anode, die über einen Arbeitswiderstand einen Spannungsimpuls als Signal weiterleitet. Die Laufzeit innerhalb des Photomultipliers der Firma EMI vom Typ9814B von Kathode zu Anode beträgt ca. 43ns und wird durch die Flugzeit der Elektronen von der Photokathode zur ersten Dynode bestimmt. Diese kann jedoch um ca. 2,2ns variieren.[14] Hierbei sind zwei Effekte entscheidend: Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Elektronen beim Heraustreten aus der Photokathode und die unterschiedlichen Wegstrecken vom Austrittspunkt der Photokathode bis zur ersten Dynode. Die Hochspannung der Photomultiplier liegt bei 1,9kV. Im Falle der verwendeten Photomultiplier des Versuchs, bestehen die Dynoden aus einer Berylium-Kupfer Verbindung. Es sind 12 hintereinander angeordente Dynoden. Das analoge Signal des Photomultipliers ist in Abbildung 4.7 als gelbe Linie dargestellt. 4.5 Kosmisches Spektrum Mithilfe des vorliegenden Detektors wurde ein kosmisches Spektrum aufgenommen. Hierzu wurde zunächst eine Kalibrierung mit Hilfe der Stoffe Cs137, Ko60 und Na22 angefertigt, die zeigt in welchem Energiebereich das kosmische Spektrum liegt. Da die Energien der drei Stoffe Stoffe bekannt ist wurde vollgende Kabrierungskurve angefertigt. 30 4. Experimenteller Aufbau Equation y = a + b*x Adj. R-Square 0,99894 1 ,3 A A 1 ,2 Intercept Slope Value Standard Error -0,28251 0,03141 1,92703E-4 4,43331E-6 E n e r g ie n [M e V ] 1 ,1 1 ,0 0 ,9 0 ,8 0 ,7 0 ,6 4 5 0 0 5 0 0 0 5 5 0 0 6 0 0 0 6 5 0 0 7 0 0 0 7 5 0 0 8 0 0 0 8 5 0 0 A D C C h a n n e l Abbildung 4.6: Kalibrierungsgraph Mithilfe der Stoffe Na22, Cs137 und Ko60 4.6 Elektronik Gelangt das Trigger-Signal in die Elektronik, wird es dort verarbeitet, um ausschließlich die Signale der kosmischen Höhenstrahlung auszulesen und zu detektieren. Wenn das Signal die gesamte Logik passiert hat, hat es zur Folge, dass Hochspannung auf den Elektroden angelegt wird. Die Elektronik besteht aus vier Modulen, dem Constant Fraktion Discriminator (CFD), der Koinzidenz, dem Timer und dem NIM/TTL Konverter. Im CFD (Constant Fraktion Discriminator) wird das analoge Signal aus dem Photomultiplier in ein digitales Signal umgewandelt, damit es von den folgenden Modulen gleichbleibend weiterbearbeitet werden kann. Der CFD besitzt einen einstellbaren Schwellenwert, “Threshold“ genannt, der veranlasst, dass Signale, die diese Schwelle überschreiten, verarbeitet werden. Überschreiten die Signale den Schwellenwert werden sie als NIM-Signale mit einer Impulshöhe von −0, 8 V ausgegeben, andernfalls werden sie auf 0 V gesetzt. Zudem verfügt der CFD über eine “Breite“ Einstellung, “Width“ genannt.[17] Die Breite beträgt in dem vorliegenden Experiment 20ns. Der CFD ist ist ein Modell der Firma c.a.e.n N842. In der Koinzidenz wird überprüft, ob es sich um ein und dasselbe Ereignis handelt. Es handelt sich also um eine zeitliche Überprüfung. Da die Myonen ca. 0,994% der Lichtgeschwindigkeit fliegen, kann man davon ausgehen, dass sie nahezu gleichzeitig die Detektoren durchqueren. Erreicht das Signal die Koinzidenz, überlappen die Signale, ist die Breite durch den CFD zu groß 4.6. Elektronik 31 Abbildung 4.7: Aufnahmen des analogen und digitalen Signals, sowie der Koinzidenz eingestellt, steigt die Wahrscheinlichkeit der zufälligen Koinzidenten und somit kann nicht garantiert werden, dass ausschließlich Kosmische Strahlung detektiert wird. Um dies zu verdeutlichen, wird Aufnahmen auf einem Oszilloskop angefertigt, die in Abbildung 4.7 zu sehen sind. Dabei zeigt die gelbe Linie (Ch1) das analoge Signal eines der Photomultiplier, die türkis- und magentafarbene Linie (Ch2, Ch3) zeigen die digitalen Signale beider Photomultiplier sowie die grüne Linie stellt das Signal der Koinzidenz dar. Wäre hierbei die Einstellung der Breite, die türkis- und magentafarbene Linie zu groß sein, würde die Koinzidenz ein Signal zu oft weiterleiten. Der Timer regelt die Zeit, in der die Kondensatoren wieder einsatzbereit sind. Die 18 Kondensatoren mit der Kapazität von C = 1nF sitzen vor den Platten, die mit Hochspannung versehen werden. Nach der Zündung werden die Kondensatoren über einen Ladewiderstand von 2M Ω erneut geladen. Die eingestellte Totzeit beträgt eine Sekunde, innerhalb dieser Zeit sollten sich die Kondensatoren erneut aufgeladen haben. Hierbei wird ein Veto von dem Gatemodul zum CFD-Modul eingefügt. Dadurch wird innerhalb der Totzeit die Signalweitergabe blockiert und eine Aufladung der Kondernsatoren ermöglicht. Das Nuclear Instrumentation Standard (NIM) Modul ist für negative Logikpegel in unserem digitalen Signal ein Standard, da in der Digitaltechnik elektrische Spannungen definiert werden. Die Transistor-Transistor-Logik (TTL) 32 4. Experimenteller Aufbau Abbildung 4.8: Aufnahmen des digitalen Signals, der Koinzidenz und des TTL Signals ist für den positiven Logikpegel unseres digitalen Signals verantwortlich. Das Signal, das in dem Photomultiplier verarbeitet und weitergeleitet wird, ist ein NIM Signal. Es definiert negative Pulse. Da zur weiteren Verarbeitung ein positives digitales Signal benötigt wird, wird ein TTL Signal in die Zündsteuerung ausgegeben. Um einen genaueren Überblick zu erlangen, wird am Oszilloskop eine Aufnahme gemacht, bei der(wie bereits in Abbildung 4.7), die digitalen Signale beider Photomultiplier, die türkis- und magentafarbene Linie (Ch2, Ch3) sowie die grüne Linie das Signal der Koinzidenz dargestellt. Zudem wird das TTL-Signal mit in die Aufnahme genommen, um die zeitliche Abfolge genauer zu betrachten. Anhand der Grafiken 4.8 und 4.7 kann man erkennen, dass ein TTL Signal ca. 100ns nach dem eintreffenden Photomulitiplier Signal ausgelöst wird. 4.7 Zündsystem Das Zündsystem besteht aus zwei verschiedenen Bauteilen. Zum Einen aus der Zündansteuerung, in der das Triggersignal eingeleitet wird und für den Stromfluss zum Zünden der Zündkerze verantwortlich ist. Zum Anderen aus dem Bauteil der Zündschaltung. Sie besteht aus einem Hochspannungsmodul, der Zündkerze und einem Widerstand. Die Zündschaltung liegt an den Messingplatten an und ist verantwortlich für das Anlegen der Hochspannung an diese. 4.7. Zündsystem 33 Abbildung 4.9: Schaltplan der Zündansteuerung Wird das in der Elektronik verarbeitete Signal an die Zündansteuerung weitergeleitet, wird dort im Triac ein elektrischer Stromfluss ausgelöst und die Zündkerze erhält einen Zündimpuls. Das Aktivieren der Zündkerze löst in der stickstoffgefüllen Zündkammer eine Gasentladung zur gegenüberliegenden Elektrode aus. Abbildung 4.9 Die Zündansteuerung besteht aus einem Transformator, der eine Wechselspannung von 220V liefert. Die Wechselspannung wird über einen Elektrolytkondensator in Gleichspannung umgewandelt. Die Gleichspannung liegt an einem Triac (Triode Alternating Current) und einem Kondensator mit der Kapazität von C = 100nF an, der über zwei Widerstände von R = 67kΩ und R = 330kΩ geladen wird. Erreicht das Signal den Triac, wirkt dieser leitend und der Kondensator wird geerdet und entlädt sich in die Primärspule. Durch die aufgeladene Primärzündspule wird eine Spannung in die Sekundärspule induziert, die den Auslöseimpuls der Zündkerze liefert. Die Zündkerze selbst ist modifizert. Bei einer handelsüblichen Zündkerze wird der gegenüberliegende Metallhaken entfernt, um somit den Funkenüberschlag zur Elektrode der Zündkammer zu garantieren. Die Zündkammer selbst ist mit Stickstoffgas gefüllt, um einen besseren Funkenüberschlag zu erhalten. Ein LED zeigt an, wann der Kondensator geerdet ist. Die Glimmlampen signalisieren die Funktionstüchtigkeit. Der Aufbau des elektrische Feld an den Messingplatten zur Erzeugung eines Funkenüberschlag läuft wie folgt ab: 34 4. Experimenteller Aufbau Abbildung 4.10: Verhalten des Kondensators beim Anlegen der Hochspannung Durch den Widerstand, der zwischen der Hochspannungsversorgung und den Kondensatoren angebracht ist, werden die Kondensatoren zunächst geladen (Bild 1, Abbildung 4.10). Entläd sich ein Funke in der Zündkammer nach eintreffen des Triggersignals, ist der Kondensator über den Funken in der Zündung geerdet und die positiven Ladungsträger werden vom Kondensator gezogen (Bild 2). Durch diesen Vorgang fließen auch die negativen Ladungsträger von der Kondensatoroberfläche ab und verteilen sich auf der gesamten Messingplatte (Bild 3). Nun bildet sich der Funke entlang der Ionisationsspur. Der Kondensator ist nun neutral und es befinden sich keine Ladungsträger mehr auf den Kondensatorplatten (Bild 4). Ist der Funkenschlag beendet, beginnt der Ladungsvorgang der Kondensatoren erneut. Das gleiche Prinzip geschieht innerhalb des Kondensators der Zündansteuerung. Er entlädt sich in die primäre Zündspule. Um den Spannungsabfall innerhalb des Kondensators zu zeigen wird eine Messung an einem Oszilloskop angefertigt. In Abbildung 4.11 ist dies zu sehen. Hierbei ist die gelbe Linie die Koninzidenz und die türkisfarbene Linie zeigt den Spannungsabfall der Kondensatorplatten an der Messingplattenseite. Bei mehreren Messungen ist eine zeitliche Abweichung des Spannungsabfalls abgetreten, die bei Messungen zwischen Zündkammer und Kondensator nicht vorhanden ist. Eine mögliche Ursache kann ein nicht konstanter Funkenüberschlag innerhalb der Zündkammer sein, der die beschrieben zeitliche Schwankung zur Folge hat. Zudem ist es möglich, dass die Totzeiteinstellung noch nicht ausreichend reguliert ist und somit die Kondensatoren vor der Entladung nicht vollständig geladen sind. 4.7. Zündsystem Abbildung 4.11: Koinzidenz und Spannungsabfall beim Anlegen der Hochspannung 35 36 4. Experimenteller Aufbau 5. Zusammenfassung und Ausblick Abbildung 5.1: Aufnahme des Experiments mit dem Gasgemisch Neon-Helium gefüllt bei einer Belichtungszeit von ca. 30 Sekunden Im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit am Institut für Kernphysik wurde die beschriebene Funkenkammer aufgebaut und in Betrieb genommen. Somit wurde die Visualisierung hochenergetischer Teilchen der kosmischen Höhenstrahlung durch Funken möglich. Die Funkenkammer wurde den Plänen der Funkenkammer in Münster nachempfunden und durch neue Ideen im 38 5. Zusammenfassung und Ausblick Detektorsystem modifiziert. Hierbei wurde die Umlenkung des Lichtsignals aus der Horizontalen in die Vertikale über ein Prisma erreicht. Zudem wurde eine Plexiglaskammer entworfen, die es ermöglicht, die Funken aus drei verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Das Experiment lässt sich durch einen digitalen Ereigniszähler erweitern, der es zulässt, eine Statistik zu erstellen. Dieses würde die Strahlenbelastung eines Meschens durch kosmische Höhenstrahlung innerhalb einer gewünschten Zeit verdeutlichen. Zudem wäre es möglich, eine Winkelverteilung der Teilchenspur zur horizontalen Ebene anzufertigen. Wie in Abbildung 5.1 zu sehen kann man die verschiedenen Winkel der Myonen ermitteln und über eine Monte-CarloSimulation die erwähnte Winkelverteilung bestimmen um die experimentellen Werte mit den theoretischen Erwartungen abzugleichen. Abbildung 5.2: Aufnahme des Experiments mit Heliumgas gefüllt bei einer Belichtungszeit von ca. 30 Sekunden Da die Kammer dauerhaft betrieben werden soll würde man bei einer Durchflussrate von 0, 5 hl ca. drei Gasflaschen des Neon-Heliumgeschmisch verbrauchen. Um diese Kosten zu senken wäre ein alternatives Gas möglich. Auf Grund dieser Betrachtung wurde bereits die Kammer mit Argon gespült bei dem jedoch keine Funken zu sehen waren, sogar bei Spannungen bis 7kV. Als weitere Alternative wurde die Kammer mit reinem Helium gespült und wie bei dem vorliegenden Gasgemisch Neon-Helium zuvor, konnte man Teilchenspuren beobachten (Abbildung 5.2). Jedoch war die Intensität der Funken nicht annähernd so groß wie die des ursprünglichen Gases. Zudem wur- 39 de beim genaueren Untersuchen der Abbildung 5.1 festgestellt, dass von den Möglichen 36 Funken, die einen Teilchendurchgang darstellen nur 32 abgebildet werden. Dies kann darauf hinweisen, dass die Platten nicht mit der Hochspannungsquelle verbunden sind. 40 5. Zusammenfassung und Ausblick Literatur [1] Demokrit http : //zitate.net/autoren/demokrit/zitate2 .html [2] Geiger Counters, 1938 [3] W.Schreier Ein Abriss, Geschichte der Physik Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1991 [4] Peter Galison image and logic a material culture of microphysics The University of Chicago, 1997 [5] Michael Berghoff Studien der kosmischen Strahlung mit einer optischen Funkenkammer Examarbeit Bergische Universität Gesamthochschule Wuppertal, 1998 [6] Michael Kaufmann Plasmaphysik und Fusionsforschung Teubner, 2003 [7] Robert J.Goldston, Paul H. 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Povh, K. Rieth, C. Scholz, F. Zetsche Teilchen und Kerne Springer Verlag 2006 [21] Rice, Evans Spark,Stremer,Proportional and Drift Chambers London 1974 [22] Paul A. Tipler Physik Spektrum [23] Claus Grupen Kosmische Strahlung Physik in unserer Zeit 1985 Danksagung Mein besonderer Dank gilt Christoph Blume, der mir die Arbeit ermöglicht hat und immer weitergeholfen hat. Ebenso gilt mein Dank Harald Appelshäuser. Danke an die gesamte HEP Gruppe für die nette, offene Aufnahme in die Gruppe und die vielen lustigen Abende wie z.B. beim Bowling. Danke an die Feinmechanik und Elektronik Werkstätten, die mir mit ihrem Wissen immer zur Seite stand und das Projekt Funkenkammer erst ermöglicht hat. Matthias Hartig, der mir alle meine Fragen beantwortet hat und mir in allen Funkenkammerlagen weitergeholfen hat. Henner Bürsching für das Korrekturlesen meiner Arbeit und seiner herzliche Art. Frank Linhard für die Tipps zum geschichtlichen Hintergrund. Claudia Freudenberger für die Hilfe bei dem Poster. Danke... ...an meine Bürokumpanen, Andreas Fick und Phillip Lüttig. Danke für die lustigen Momente und die Unterstützung in allen physikalischen Fragen. ...an Mr.H, irgendwann wird auch die Borussia Meister. Danke für deine freudeversprühende Art. ...an Tim, Julian, Hans, Konstantin und Michael für die vielen Kaffees, Mittagessen, die Unterstützung und so einige Schwätzchen. ...Werner Amend, der mir den Einstieg erleichtert hab und mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand. ... Hannelore Hinke und Arnold Wiesenäcker ...Marcus Iberle, für das Korrekturlesen meiner Arbeit. Klaus Volk Und alle zuhausegeblieben: Danke an meine Familie. Mama und Papa, dafür dass ihr immer hinter mir steht, mir alles ermöglicht und immer das Beste für mich wollt. David und 44 Danksagung Simon, dafür das ihr die tollsten großen Brüder seid. Ihr macht mich zu dem was ich heute bin. Tanja, dass sie unserer Chaosfamilie immer beisteht. Oma und Opa, dass ihr mit mir zittert und ich eure “dolle Lola’ßein darf. Oma Anna, ich hab dich ganz fest in meinem Herzen. Klaus Gabrisch, thanks for support us. Und du weißt ja... Ist in Arbeit.:-) Ganz zum Schluss danke ich noch alle die ich jetzt vergessen hab, die mein Leben ausfüllen, die mich unterstützen, immer ein offenes Ohr für mich haben und die einfach wundervoll sind. 46 Danksagung Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel verfasst habe. Alle Stellen der Arbeit, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder aus anderen fremden Texten entnommen wurden, sind von mir als solche kenntlich gemacht worden. Ferner erkläre ich, dass die Arbeit nicht - auch nicht auszugsweise - für eine andere Prüfung verwendet wurde. Frankfurt am Main, den 26. September 2008 Amely Tampe