Neue Erkenntnisse zur Ährenfusariose von Gerste

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WISSENSCHAFT
Pflanzenkrankheiten
Neue Erkenntnisse zur Ährenfusariose
von Gerste und Weizen
CARIN JANSEN UND KARL -HEINZ KOGEL
INSTITUT FÜR PHYTOPATHOLOGIE UND ANGEWANDTE ZOOLOGIE, UNIVERSITÄT
GIESSEN
Der Befall von Getreidepflanzen mit Fusarium- Pilzen führt zu Ertragsminderungen und zur Kontamination des Ernteguts mit Mykotoxinen. Weizen
und Mais sind besonders anfällig gegenüber Fusarium-Pilzen und zeigen
häufig Symptome der Ährenfusariose beziehungsweise der Fusarium-Kolbenfäule. Gerste hingegen gilt als weniger anfällig gegenüber Fusarium,
insbesondere gegen eine Ausbreitung der Infektion innerhalb der Ähre.
Um erfolgreiche Strategien zur Bekämpfung der Fusarium-Pilze zu entwickeln, ist es unabdingbar, den genauen Infektionsverlauf und natürliche
Abwehrmechanismen der Wirtspflanzen aufzuklären.
ó Pflanzenpathogene Pilze der Gattung Fusarium sind in den letzten Jahren vermehrt in
den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt.
Sie führen nicht nur zu erheblichen Ertragseinbußen, sondern kontaminieren zudem das
Erntegut mit für Mensch und Tier toxischen
und allergenen Stoffen, den Mykotoxinen.
Besonders im Weizenanbau haben der vermehrte Maisanteil in der Fruchtfolge, die
zunehmend pfluglose Bodenbearbeitung
sowie die hohe Fusarium-Anfälligkeit der gän-
gigen Hochleistungssorten die Fusarium-Problematik verschärft. Trotz intensiver pflanzenzüchterischer Anstrengungen ist es nicht
gelungen, Fusarium-resistente Sorten zu entwickeln, und auch der chemische Pflanzenschutz bietet bislang keine hinreichenden
Bekämpfungsmöglichkeiten. Im Getreideanbau stellt besonders der Ährenbefall mit Fusarium-Pilzen, die Ährenfusariose, ein großes
Problem dar. Vorherrschend sind hierbei in
Deutschland die Arten Fusarium graminea-
rum und F. culmorum, zwei Vertreter, die zu
den stärksten Mykotoxinproduzenten dieser
Pilzgattung zählen[1]. Die Infektion einer Ähre
beginnt in der Regel mit dem Befall einer einzelnen Kornanlage (Karyopse), von wo aus
sich die Fusarium-Pilze meist nach unten ausbreiten, was als spreading bezeichnet wird.
Einige Winterweizensorten oder auch die
Gerstensorte Chevron zeigen eine verringerte Anfälligkeit gegenüber einem Primärbefall
mit Fusarium, die TypI-Resistenz[2, 3]. Gerste
gilt allgemein als „resistenter“ gegenüber
Fusarium-Pilzen und zeigt insbesondere eine
geringere Ausbreitung der Infektion innerhalb der Ähre (TypII-Resistenz)[4], obwohl
auch hier unter bestimmten Witterungsbedingungen spreading beobachtet werden
kann[5]. Darüber hinaus ist bekannt, dass die
Produktion einer bestimmten Gruppe von
Fusarium-Toxinen, der Trichothecene, bei der
Infektion von Weizen befallsfördernd wirkt,
während in Gerste dieser Effekt nicht beobachtet wird[5, 6].
Da zytologische Untersuchungen zu den
beschriebenen Phänomenen bislang fehlten,
haben wir den Infektionsverlauf von F. graminearum in Gersten- und Weizenähren sowie
-karyopsen mittels Fluoreszenz- und konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie untersucht[7]. Dabei wurden Pilzstämme verwendet, die das grünfluoreszierende Protein (GFP)
exprimieren und zum Teil durch Gen-Knockout keine Trichothecenproduktion zeigen.
Untersucht wurde die Infektion isolierter
Karyopsen und intakter Ähren verschiedener Gersten- und Weizensorten. Da FusariumPilze nekrotroph sind, also die Wirtszellen
vor der Besiedelung abtöten, wurde zudem
der Einfluss des Zelltodinhibitors MLO der
Gerste durch Verwendung zweier Linien, die
im Mlo-Gen mutiert sind, untersucht.
Infektion isolierter Karyopsen
˚ Abb. 1: Querschnitt durch die Fruchtschale (Perikarp) einer mit F. graminearum infizierten
Kornanlage einer mlo-Gerste, 72 Stunden nach Inokulation. Das äußere Perikarp weist große
Läsionen auf, die auf die Mutation des Zelltodinhibitors MLO zurückzuführen sind[7].
Bei der Infektion isolierter Karyopsen konnte kein Unterschied in der Virulenz des Trichothecen-produzierenden F. graminearum
im Vergleich zum Trichothecen-freien festgestellt werden. Beide Pilzstämme waren
gleichermaßen in der Lage, die verschiedeBIOspektrum | 02.07 | 13. Jahrgang
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Weizen zu besiedeln und sich durch die Bildung neuer Makrokonidien zu vermehren. Es
zeigten sich jedoch genotypspezifische Unterschiede. Die als partiell resistent beschriebene Sorte Chevron[3] erwies sich auch hier als
am wenigsten anfällig gegenüber einem Befall
mit F. graminearum, was sich darin äußerte,
dass das stärkehaltige Endosperm vier Tage
nach Inokulation nicht vom Pilz infiziert war,
während dieses Gewebe bei allen anderen
untersuchten Gerstensorten zum Teil erheblich befallen war. Darüber hinaus zeigte die
Mutation des Mlo-Gens den erwarteten
befallsfördernden Effekt. Drei Tage nach
Inokulation waren in der Fruchtschale (Perikarp) der mutierten Gerste große Läsionen
sichtbar (Abb. 1), und pilzliche Strukturen
konnten in allen Geweben der Karyopse nachgewiesen werden. Die Anfälligkeit des untersuchten Weizenkultivars war in diesen Versuchen vergleichbar mit denen der nicht
mutierten Gerstenpflanzen. F. graminearum
wuchs ausschließlich in toten Wirtszellen.
Zur Ausbreitung innerhalb der Gewebe nutzte der Pilz entweder vorhandene Tüpfelfelder
(Abb. 2) oder Infektionsporen, die er vermutlich durch Sekretion zellwandabbauender Enzyme selbst verursachte.
Infektion intakter Ähren
Das spreading eines Trichothecen-produzierenden und eines Trichothecen-freien
Stamms von F. graminearum wurde nach
künstlicher Infektion einzelner Kornanlagen
an intakten Ähren untersucht. Dabei zeigten
sich erhebliche Unterschiede bei der Ausbreitung des Pilzes zwischen Gerste und Weizen. In Gerstenähren wuchs der Pilz ausgehend vom infizierten Ährchen primär über
die Außenseite der Ährenspindel (Rachis).
Diese Form des spreadings war unabhängig
von der Produktion der Trichothecene. Bei
Weizen hingegen breitete sich F. graminearum ausschließlich innerhalb der Rachis aus.
Dies war aber nur möglich, wenn der infizierende Pilz Trichothecene bildete. Der Trichothecen-freie Stamm wurde durch massive Zellwandauflagerungen (Appositionen) in
Zellen des Rachisknotens am Eintritt in die
Rachis gehindert, sodass selbst mehrere
Wochen nach Inokulation nur die künstlich
inokulierte Kornanlage der Weizenähre infiziert war[7].
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˚ Abb. 2: Hyphen eines GFP-exprimierenden F. graminearum in Zellen der Fruchtschale einer
Weizenkornanlage. Das Zell-zu-Zell-Wachstum der Pilzhyphen erfolgt hier durch Tüpfelfelder (Pfeilspitzen), die natürlicherweise in den Zellwänden vorhanden sind.
pflanzenbauliche, züchterische und biotechnologische Strategien umfassen, zu einer
Lösung des Problems der Ährenfusariose führen. Prinzipiell muss versucht werden, das
Eindringen der Fusarium-Pilze in das Wirtsgewebe zu verhindern. Ein Schlüssel dazu
könnte es sein, die Natur der Zellwandauflagerungen in den Weizenzellen aufzuklären,
die den Trichothecen-freien F. graminearumStamm am Eintritt in die Rachis effektiv hindern. Die verstärkte Bildung dieser Auflagerungen in den Kornanlagen der Wirtspflanzen könnte dazu führen, dass eine Infektion
mit Fusarium unterbunden wird.
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WISSENSCHAFT
Literatur
Forschungsansätze
[1] Miedaner, T. (1997): Breeding wheat and rye for resistance to Fusarium diseases. Plant Breed. 116: 201–220.
[2] Siranidou, E., Kang, Z., Buchenauer, H. (2002): Studies on
symptom development, phenolic compounds and morphological defence responses in wheat cultivars differing in resistance to Fusarium head blight. J. Phytopathology 150: 200–208.
[3] Tekauz, A., McCallum, B., Gilbert, J. (2000): Review:
Fusarium head blight of barley in western Canada. Can. J.
Plant Pathol. 22: 9–16.
[4] Langevin, F., Eudes, F., Comeau, A. (2004): Effect of trichothecenes produced by Fusarium graminearum during
Fusarium head blight development in six cereal species. Eur.
J. Plant Pathol. 110: 735–746.
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Liu, Z., Prom, L., Steffenson, B., Toojinda, T., Vivar, H. (1999):
Does function follow form? Principal QTLs for Fusarium head
blight (FHB) resistance are coincident with QTLs for inflorescence traits and plant height in a doubled-haploid population
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[6] Maier, F. J., Miedaner, T., Hadeler, B., Felk, A., Salomon,
S., Lemmens, M., Kassner, H., Schäfer, W. (2006):
Involvement of trichothecenes in fusarioses of wheat, barley
and maize evaluated by gene disruption of the trichodiene
synthase (Tri5) gene in three field isolates of different chemotype and virulence. Mol. Plant Pathol. 7: 449–461.
[7] Jansen, C., von Wettstein, D., Schäfer, W., Kogel, K.-H.,
Felk, A., Maier, F. (2005): Infection patterns in barley and
wheat spikes inoculated with wild-type and trichodiene synthase gene disputed Fusarium graminearum. Proc. Natl. Acad.
Sci. USA 102: 16892–16897.
Die jüngsten Untersuchungen machen deutlich, dass die Infektion von Getreidepflanzen
mit Fusarium-Pilzen ein hochkomplexer und
sehr variabler Vorgang ist. Es wird daher
kaum möglich sein, der Fusarium-Problematik durch einzelne, spezifische Ansätze Herr
zu werden. So würde beispielsweise die Inhibierung der Trichothecenproduktion nur die
Ausbreitung der Infektion in Weizen verhindern, nicht aber die Primärinfektion oder das
spreading in Gerste. Stattdessen kann nur die
Kombination vielfältiger Maßnahmen, die
Korrespondenzadresse:
Dr. Carin Jansen
Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut für Phytopathologie
Heinrich-Buff-Ring 26–32
D-35392 Gießen
Tel.: 0641-9937496
Fax: 0641-99-37499
[email protected]
AUTOREN
Carin Jansen
Karl-Heinz Kogel
1999–2002 Promotion an der Justus-LiebigUniversität Gießen, 2002–2005 Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Phytopathologie und
Angewandte Zoologie der JLU Gießen, 2005–
2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
Washington State University, Pullman, USA,
seit 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an
der JLU Gießen.
1982–1985 Promotion an der RWTH Aachen, 1986–1989 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln, 1989–1990 Berufsausbildung zum Deutschen und
Europäischen Patentanwalt, 1990–1996 Wissenschaftlicher Assistent
am Institut für Biologie III der RWTH Aachen (1996 Habilitation), seit
1996 Geschäftsführender Direktor am Institut für Phytopathologie und
Angewandte Zoologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, seit
11/2006 zweiter Vizepräsident der JLU Gießen.
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