Forellenbrut im Scharmbecker Bach und im Aquarienkeller WV-brutboxen, Homing, Alevin, Parr und Smolt. Schon einmal gehört? Nein? Bis vor kurzem ging das mir genauso. Aber dann bekam ich als Mitglied der Fotogruppe Ritterhude im Rahmen des Projektes „Lebenswandel am Scharmbecker Bach“ die Möglichkeit, Meerforelleneier im Aquarium auszubrüten und die Entwicklung fotografisch zu begleiten. Im Rahmen des Bachprojektes sollte am Scharmbecker Bach überprüft werden, ob die Wasserqualität für die Entwicklung von Forellen ausreicht. Schüler der Bach-AG und des Seminarfachs Biologie am Gymnasium Osterholz-Scharmbeck brachten in Zusammenarbeit mit dem Fischerei- und Gewässerschutzverein Lilienthal und Umgebung e. V. Forelleneier im Scharmbecker Bach aus. Der Fischereiverein betreibt an der Wörpe ein Bruthaus für Meerforellen und verfügt über langjährige Erfahrungen im Umgang mit den Fischen. Bei der Aktion Ende Februar 2012 wurden mehrere Tausend Meerforelleneier im Augenpunktstadium in speziellen Brutboxen in den Scharmbecker Bach gegeben. Dazu wurden die Boxen an Pflöcken im Bach festgebunden und die Konstruktion mit sohltypischen Steinen umgeben. Fischeier im Augenpunktstadium sind in ihrer Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten und nicht mehr so empfindlich gegenüber Licht, weshalb sie sich für den Transport gut eignen. Die Brutboxen nennt man nach ihren Entwicklern Whitlock-Vibert WV-Boxen oder auch Nursery (=Kindermädchen) - Kästen. Eine Box besteht aus 2 Kammern, einer kleineren zur Aufnahme der Fischeier und einer großen, in der sich die geschlüpften Dottersacklarven sammeln. Geschlüpfte Forellenlarven fallen in den unteren Schutzraum und verweilen dort so lange, bis sie ihren Dottersack aufgezehrt haben. Dann passen sie durch das Gitter und können den Schutzraum ins Freie verlassen. Die Meerforelle oder Lachsforelle, die als Stammform der Art Salmo trutta gilt, ist im Gegensatz zu den zeitlebens im Süßwasser lebenden Formen Bachforelle und Seeforelle ein anadromer Wanderfisch. Ihr Lebenszyklus ähnelt dem des Lachses. Meerforellen bleiben 1 -5 Jahre im Süßwasser und wandern mit 10 – 15 cm Länge ins Meer ab. Dort leben sie für ein halbes bis zu 5 Jahren überwiegend küstennah und ernähren sich von Fischen und Krebstieren. Im Süßwasser fressen die Forellen Wirbellose wie Insektenlarven und Schnecken, springen aber auch nach Fliegen. Meerforellen steigen im Gegensatz zum Lachs seltener bis in die Oberläufe der 1 Fließgewässer auf, sondern nehmen bereits im Bereich der Unter- und Mittelläufe geeignete Nebengewässer zum Laichen an. In Norddeutschland erscheinen die laichbereiten Meerforellen von November bis Anfang Januar in den Laichgründen, Bachabschnitten mit kiesigem Grund. Die durchströmte, sauerstoffreiche Kiessohle eines Baches, das sog. hyporheische Interstitial, ist ein wertvoller Lebensraum: Zahllose Kleintiere wie Eintags-, Köcher- und Steinfliegenlarven, Bachflohkrebse, Muscheln und die Brut vieler Fischarten Schutz finden hier Schutz vor starker Strömung. Von sauerstoffreichem Wasser umströmt, können sie sich vor Feinden verstecken und fortpflanzen. Das Verhalten von Meerforellen beim Laichgeschäft ähnelt dem des Lachses, allerdings ist es weniger kraftraubend, so dass die meisten Tiere überleben und im Folgejahr erneut ablaichen. Meerforellen werden in der Regel nicht größer als 80 – 100 cm und wiegen nicht mehr als 10 – 15 kg, in Einzelfällen fing man 140 cm große und 20 kg schwere Fische. Die Forelleneier benötigen von der Befruchtung des Rogens bis zum Schlupf der Brütlinge ca. 410 Tagesgrade. Das bedeutet Folgendes: Wenn die Temperatur des umgebenen Wassers jeden Tag konstant 10°C beträgt, dann schlüpfen die Fischlarven nach 41 Tagen (41 Tage multipliziert mit 10 °C ergibt 410 Tagesgrade), bei einer konstanten Wassertemperatur von 5°C schlüpfen sie also erst nach ca. 82 Tagen. Nach langen, kalten, Wintern verzögert sich der Schlupf der Forellen. Dies gilt auch für die Entwicklung der Nahrungstiere von jungen Forellen, Insekten und Insektenlarven. Auch nach kalten Wintern finden so die Jungfische bei steigenden Temperaturen genug Futter. Die Brütlinge liegen noch mehrere Wochen versteckt im Kiesgrund und zehren von dem Dottersack, bevor sie frei schwimmen und der Ernst des Lebens beginnt. Für die Forellenbrut im Aquarienkeller erhielt ich etwa 250 Eier, die auf 2 Aquarien mit je 54 l Inhalt verteilt wurden. Als Beckenwasser verwendete ich Wasser aus dem Bach, das im Lauf der weiteren Forellenentwicklung bei den fälligen Wasserwechseln nach und nach durch Leitungswasser ersetzt wurde. Mit dem Aufbrauchen des Dottersacks beginnt bei Meerforellen die Prägung auf das Heimatgewässer, welches sie ihren Heimatfluss wieder finden lässt. Für dieses sogenannte Homing spielen Gerüche eine große Rolle und die Tiere sollten durch das Verwenden von Bachwasser die Prägung erfahren. Die Becken wurden schwach beleuchtet und mit einem luftbetriebenen Innenfilter ausgestattet. In einem Aquarium gab ich die Eier in WV-Boxen, im anderen Becken in Kiesgrund. Schon nach wenigen Tagen schlüpften in den Aquarien bei Temperaturen um 14 °C die Forel lenlarven. Ca. 220 Forellen kamen zum Schlupf, die übrigen Eier verpilzten und mussten aus den Becken entfernt werden. Die einen großen Dottersack tragenden Larven verblieben etwa 3 Wochen im Kiesbett bzw. in der unteren Kammer der WV-Boxen und schwammen dann frei. Aufgrund der beengten Verhältnisse in den Aquarien setzte ich zu diesem Zeitpunkt den Großteil der Brütlinge in den Bach aus. 15 Jungfische behielt ich in meiner Obhut mit dem Ziel, sie soweit möglich aufzuziehen. Eines der beiden Brutbecken stattete ich zu diesem Zweck mit einem steinigen Ufer aus, welches den Fischen Versteckmöglichkeiten bot. Die Forellen fraßen gierig die sowohl lebend als 2 auch in Form von Frostfutter angebotenen Mückenlarven, Wasserflöhe und Hüpferlinge. In der professionellen Fischzucht ernährt man Forellen vom Freischwimmen an mit speziellen, proteinreichen Trockenfuttersorten. Von den anfangs etwa gleichgroßen Tieren setzten sich drei Exemplare stärker durch und vertrieben die übrigen Jungfische immer häufiger in Verstecke. Anfang Mai stieg die Temperatur in meinem Aquarienkeller auf 20 °C und m ehrere Jungfische starben. Nach Literaturangaben liegt die Idealtemperatur für die Forellenhaltung bei 10 – 15 °C und die Krankheitsanfälligkeit steigt mit der Te mperatur. Diese Temperaturen konnte ich den Fischen nicht bieten. Ich entschied, den Versuch abzubrechen, und entließ die verbliebenen Forellen in den Scharmbecker Bach. Innerhalb von 2 Monaten erreichten die Jungfische im Aquarium eine Größe von ca. 4 cm. Die Überprüfung der Brutboxen im Scharmbecker Bach Anfang Mai ergab, dass nur ein Drittel der Eier geschlüpft waren. Die Boxen waren zum Teil verschlammt und die Eier darin verfault. Es zeigte sich, dass noch viel für die Gewässergüte im Scharmbecker Bach getan werden muss. Unabhängig davon machte das Forellenprojekt den Schülern viel Spaß und ließ sie den Lebensraum Bach auf eine ganz neue Art kennenlernen. Abschließend sind noch die eingangs genannten Namen für die Entwicklungsstadien der Meerforellen zu erläutern. Sie stammen aus Großbritannien. Die Briten haben ein besonderes Verhältnis zu den Lachsfischen und keine andere Sprache hat so viele Namen für die Tiere: "Alevins" heißen die frischgeschlüpften Fische, "Parr" die junge Brut mit den charakteristischen senkrechten Streifen auf den Körperseiten, "Smolt" die zum Meer schwimmenden Fische, "Grilse" nennt man die ausgewachsenen Fische, die zum Laichen kommen, und "Kelts" die ausgelaichten Alttiere. Diese Begriffe fanden wie so viele andere englische Wörter als Anglizismen Eingang in die deutsche Sprache. Klaus Lampe, Fotogruppe Ritterhude 3