Sigmund-Freud-Vorlesungen 2011 Zur Dynamik von Perversion und Übertragung Fritz Lackinger Einleitung In den vergangenen 10 Jahren hat sich die psychoanalytische Literatur vervielfacht, die sich mit den Besonderheiten der Übertragungsentwicklung bei der Behandlung von Patienten mit Perversionen beschäftigt. Viele dieser neueren Publikationen gehen von einzelnen psychoanalytischen Behandlungen aus, in deren Verlauf besonders schwierige Übertragungssituationen auftraten, die mit perversen Symptomen oder Persönlichkeitszügen verbunden waren oder sich schließlich als mit solchen verbunden heraus stellten (Baker 1994, Carignan 1999, Fornari-Spoto 2003, Frank 2003, Golder 1998, Minerbo 1997, Ogden 1996, O’Shaugnessy 2003, Sohn 2003, Steffens 2003, Weiß 2002, Wilde 2003, Winterhalter & Kläui 1998, Wurmser 2002). Die Autoren greifen dabei auf theoretische Konzepte zurück, die aus verschiedenen psychoanalytischen Traditionen stammen und die je nach ihren Besonderheiten geeignet sind, unterschiedliche Aspekte des perversen Übertragungsgeschehens zu verdeutlichen. Ich werde in einem ersten Abschnitt versuchen, einige dieser theoretischen Gesichtspunkte zusammen zu fassen. Selten wird von den Autoren die Frage behandelt, welche besonderen Bedingungen die Behandlung ihres Patienten in einer hochfrequenten Psychoanalyse möglich machten. Dies ist insofern verwunderlich, als es nach wie vor eine vorherrschende Erfahrung von niedergelassenen Psychoanalytikern zu sein scheint, dass Patienten mit sexuellen Perversionen selten in analytische Behandlung kommen und noch seltener eine hochfrequente Analyse aufnehmen und durchhalten. Ich will hier nicht die Debatte aufnehmen, inwieweit Perversion eine Struktur und inwieweit es ein Symptom ist. Ausgehend von den Berichten in der psychoanalytischen Literatur als auch nach meiner eigenen Erfahrung als Psychoanalytiker in freier Praxis gibt es offensichtlich Patienten mit perversen Symptomen, die im Rahmen einer Standard-Psychoanalyse optimal behandelt werden können. In der Regel sind das Patienten, deren Persönlichkeit grundlegend auf einem neurotischen Funktionsniveau organisiert ist. Darüber hinaus werden auch gelungene Analysen mit Patienten berichtet, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit perversen Symptomen aufweisen, sofern sie eine gewisse 1 erhaltene Beziehungsfähigkeit und keine antisozialen Züge zeigen. Das gleiche gilt auch für histrionische Persönlichkeitsstörungen, und in seltenen Fällen auch für schizoide und paranoide Persönlichkeiten. Generell werden jedoch Patienten mit perversen Symptomen, wenn sie eine Borderline-Persönlichkeitsorganisation aufweisen, besser mit psychoanalytischer Psychotherapie behandelt. In Fällen, wo die Tendenz zur Antisozialität sehr stark ist oder wo die psychische Struktur psychotische Regressionen sehr wahrscheinlich macht, sind weitere Modifikationen der Technik notwendig. Hier spreche ich nun als Psychoanalytiker, der als ehemaliger Leiter des Forensischtherapeutischen Zentrums Wien viel Erfahrung mit antisozialen und forensischen Patienten hat. Im forensischen Kontext spielen Perversionen naturgemäß bei den Sexualdelinquenten eine bedeutende Rolle, wiewohl fest zu halten ist, dass keineswegs alle Sexualdelinquenten eine Perversion im deskriptiven Sinne aufweisen. Umgekehrt finden sich Perversionen jedoch bei manchen Einbrechern, Brandstiftern und Gewalttätern. Da die psychische Struktur dieser Täter fast nie auf neurotischer Ebene funktioniert und überdies meist die institutionellen und finanziellen Möglichkeiten fehlen, spielt die Standard-Psychoanalyse in der forensischen Psychotherapie naturgemäß keine Rolle. Übertragungsfokussierte Psychotherapie hat sich jedoch für einen Teil der Delinquenten als brauchbare Therapiemodalität erwiesen. Ich habe mich in mehreren Arbeiten mit den Modifikationen beschäftigt, die in der Behandlung solcher Patienten indiziert sind, und werde das ein kleines Stück weit auch hier und heute tun. Darstellung der Fragestellung Zahlreiche Autoren haben auf die Schwierigkeit hingewiesen, Patienten mit Perversionen zu behandeln. Die „klassische“ Schwierigkeit besteht darin, dass perverse Symptome oft dem Subjekt, das sie zeigt, keine subjektiven Leidenszustände verursachen. In seiner subjektiven Wahrnehmung erscheint es dem Perversen ja gerade so, dass ihn die von ihm kreierte Sexualität vor Leiden schützt und ihm in diesem Sinne das „gute“ Objekt ersetzt, das er psychisch nicht repräsentiert und vermutlich tatsächlich nie erlebt hat. Die klinische Erfahrung niedergelassener Psychotherapeuten zeigt, dass Perverse v.a. dann in die Praxis kommen, wenn ihre Perversion zu versagen beginnt. Ähnliches berichtet auch R. Reiche (1996), der sich auf die Erfahrungen im Frankfurter Institut für Sexualwissenschaft stützen kann. Die Patienten zeigen dann entweder depressive oder Angstsymptome, die sie behandelt haben möchten, oder sie erleben heftige und unlösbar erscheinende Partnerschafts- oder Beziehungsprobleme. In aller Regel wollen sie im Grunde nur ihr altes perverses Gleichgewicht wieder finden, nicht jedoch dem Sinn und der Bedeutung ihrer perversen Wünsche selbst auf die Spur kommen. Häufig genügen ihnen kleine Veränderungen, die ihnen eine neue oberflächliche Stabilität ermöglichen. Kaum hat die Therapie begonnen, sind sie auch schon wieder weg, zu stark ist offensichtlich die Schmerzberuhigungs- und Schutzfunktion ihrer perversen „Plombe“. 2 Wenn also die Perversion (oder der Fetisch, oder – wie FREUD einmal meinte - der Trieb) an die Leerstelle des idealisierten inneren Objektes tritt, so repräsentiert der konkrete Andere, der an der perversen Szene beteiligt wird, immer auch eine Gefahr. Deshalb muss der Andere kontrolliert und beherrscht, u. U. auch gedemütigt und gequält werden. Diese Tendenz zur Dehumanisierung des realen Objekts kann dabei sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen, je nachdem, wie sehr die inneren Selbst- und Objektbilder fragmentiert, zerstört und dehumanisiert sind. Ich habe in einer früheren Arbeit eine Differenzierung der Perversionen nach dem Grad ihres Angriffs auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des realen Anderen vorgeschlagen (Lackinger 2005) und dabei benigne, transgressive und maligne Perversionen unterschieden. Abhängig von der Schwere der Aggression, die in der perversen Szene ausagiert wird, ist nun die Tatsache, dass Perverse oft kein subjektives Behandlungsbedürfnis haben, ein mehr oder weniger großes Problem. So können die meisten Stammgäste in Swinger Clubs und SM-Shows als Vertreter einer postmodernen sexuellen Vielfältigkeit betrachtet werden, über deren Pathologie oder NichtPathologie man problemlos verschiedener Meinung sein kann. Bei chronischen sexuellen Belästigern hört sich die Möglichkeit zu solch quasi „politischer“ Toleranz allerdings bereits auf und gänzlich unzweifelhaft ist die objektive Behandlungsbedürftigkeit bei pädophilen Kindesmissbrauchern oder sexuellen Gewalttätern. Gerade die forensische Dimension der Perversionsbehandlung hat die Frage nach der Therapierbarkeit dieser Psychopathologie in neuer und scharfer Weise auf die Tagesordnung gebracht. Sexualstraftäter haben beträchtliche Rückfallraten. Die einzige Alternative zu unproportional langen Freiheitsstrafen scheint die Behandlung der Täter zu sein. Doch auch behandelte Sexualstraftäter werden immer noch zu häufig rückfällig, wie uns so manche Katamnesestudie aus diesem Bereich zeigt (vgl. etwa Eher et al. in diesem Band, aber auch Marshall et al. 1999). Auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten für die Behandlung von transgressiven und malignen Perversionen schienen mir die häufiger werdenden Texte zu den Problemen der perversen Übertragung und Gegenübertragung wichtige Hinweise zu geben. Scheitern so viele Behandlungen von perversen Sexualstraftätern vielleicht deswegen, weil die Therapeuten und Therapeutinnen zu wenig über die spezifischen Beziehungsstörungen Perverser wissen oder weil sie nicht bemerken, wie sie selbst in der Behandlung in diese Beziehungsstörungen mit eingebaut werden? Hängt die spezifische Schwierigkeit dieser Behandlungen damit zusammen, dass perverse Straftäter die Fähigkeit besitzen, in den Therapeuten bestimmte Ängste und Abwehrmechanismen auszulösen, sodass diese den klaren Blick verlieren und bei der Verleugnung ihrer Patienten mitmachen? Meine klinische Erfahrung als forensischer Therapeut und Supervisor sagt mir, dass genau dies häufig der Fall ist, auch wenn es vermutlich nicht der einzige Grund für das Scheitern von Sexualstraftäterbehandlungen ist. Auch wenn Übertragung und Gegenübertragung in psychodynamisch orientierten Therapien bewusst als therapeutisches Instrument verwendet werden, bedeutet dies nicht, dass sie nicht auch in anderen 3 Therapiemethoden zu Problemen führen könnten. Im Gegenteil, bei psychodynamisch orientierten Therapeuten ist zunächst einmal die Chance größer, dass sie mit diesen Problemen zurecht kommen, weil sie eben ein bewusstes Augenmerk auf die Übertragungsentwicklung legen. Daher könnten die folgenden Überlegungen gerade auch für kognitiv- und dialektisch-behavioral orientierte Psychotherapeuten im forensischen Feld von großem Interesse sein. Denn auch sie sind den projektiven Identifizierungen und dem subtilen „Selbstvertauschungsagieren“ perverser Patienten (Berner 1985) ausgesetzt und (re)agieren automatisch (d.h. unbewusst) mit, zumal sie auf diese Probleme durch ihre Ausbildung nicht vorbereitet sind. Aber das soll keineswegs heißen, dass tiefenpsychologisch und psychodynamisch arbeitende Psychotherapeuten davor gefeit wären, in ein perverses Gegenübertragungsagieren hineingezogen zu werden. Da diese Problematik in den freien Praxen selten auftritt, spielt ihre Reflexion auch in der Ausbildung der psychoanalytischen Institute nur eine geringe Rolle. Forensische Psychotherapeuten sind daher alle mit dem Problem konfrontiert, dass sie die Behandlung transgressiver und maligner Perversionen mit Dimensionen des eigenen Erlebens in Verbindung bringt, die sich essentiell der Symbolisierung und damit auch der Reflexion entziehen (Ogden 1996). Es scheint mir angemessen, zunächst einen Blick in die psychoanalytische Literatur zu machen, um zusammen zu fassen, was bisher der Stand der Erkenntnis in Bezug auf Übertragung der Perversion und Perversion der Übertragung ist. Im Weiteren sollen dann einige begriffliche Klärungen vorgenommen und schließlich einige wichtige Formen derartiger Übertragungen dargestellt werden. Synopsis der psychoanalytischen Literatur zum Thema Ich gehe aus von Freuds Vorstellung einer den Neurosen zugrunde liegenden primären, polymorphperversen Phantasietätigkeit (Freud 1905d), ebenso von Freuds Betonung des negativen Ödipuskomplexes für die Entstehung von Perversionen (Freud 1919e) und halte auch seine Entdeckung der Ich-Spaltung und der Verleugnung der weiblichen Penislosigkeit als spezifisch perverse Abwehrmechanismen (Freud 1927e, 1940e) für nach wie vor aktuell. Der nach Hanns Sachs so genannte „Sachs-Mechanismus“ machte aber schon 1923 klar, dass die Verdrängung in der Perversion keineswegs völlig fehlt, wie zuvor angenommen wurde, sondern lediglich selektiv suspendiert wird (Sachs 1923, Compton 1986). Die Entdeckung der Charakterperversion (in Analogie zur Charakterneurose) in der amerikanischen Ich-Psychologie stellte eine bedeutende Weiterentwicklung dar, weil damit das Verständnis des gestörten Realitätsbezuges bei den Perversen über den unmittelbar sexuellen Zusammenhang (weiblicher Penislosigkeit) ausgedehnt werden konnte. Während Arlow (1971) den genetischen Zusammenhang zur sexuellen Ätiologie noch streng beibehielt, scheint Grossmann (1993) diesen aufzugeben, was dann zur Gefahr einer Überdehnung des Perversionsbegriffes und zu einer mangelhaften Analyse der unbewussten Hintergründe des Verleugnungsmechanismuses führt. 4 Jedenfalls sind die pervers-verleugnenden Formen des Realitätsbezuges zu den wichtigen Übertragungsmanifestationen der Perversion hinzu gekommen. Die Selbstpsychologie stellte dann den Narzissmus, der schon von Freud (1922b) und Fenichel (1931) gestreift worden war, ganz ins Zentrum der Perversionstheorie. Kohut (1971, 1972) überwand die unfruchtbare Polarität zwischen Übertragungsneurosen und narzisstischen Neurosen und konzentrierte sich auf ein Verständnis der narzisstischen Übertragungen (Idealisierung, Spiegelung), die vor ihm kaum wahrgenommen worden waren. Goldberg vertiefte das selbstpsychologische Verständnis der Perversion durch die Anwendung des Konzepts der vertikalen Spaltung auf die Übertragung des Perversen: Ein Teil der Übertragung tendiert immer dazu, abgespalten zu bleiben und daran scheitern viele Behandlungen solcher Patienten. Er verweist auch auf korrespondierende Gegenübertragungsreaktionen bei Analytikern und Therapeuten (Goldberg 1985, 1997). Die Selbstpsychologie brachte aber nicht nur Fortschritte, sondern verarmte die psychoanalytische Tradition auch, indem sie der Psychodynamik, d.h. den inneren Konflikten zwischen Trieben und Abwehr kaum noch Beachtung schenkte, ja diese zu Epiphänomenen der Selbstobjekt-Schicksale degradierte. Außerdem geht bei ihr jenes Moment in der Ätiologie der Perversion, das der kleinianische Gesichtspunkt ganz ins Zentrum stellt, nämlich die aggressiven und destruktiven Dispositionen, gänzlich verloren. Freud hatte (abgesehen von einer Andeutung im Jahre 1892/93) v.a. in der Analyse des erotischen und des moralischen Masochismus auf die ätiologische Beteiligung des Todestriebes an der Perversion hingewiesen (Freud 1924c). In den späteren Fetischismus-Arbeiten Freuds hatte dieses Moment dann wieder gefehlt. Auch bei Morgenthaler (1974, 1977) erscheint die „sado-anale, rivalisierende“ Einstellung des Perversen zum Analytiker nur als Reaktion auf dessen Empathiemängel und nicht als Aspekt einer primären Destruktivität im Sinne eines eigenständigen, ätiologischen Faktors. Für die psychoanalytische Psychotherapie ist Morgenthaler trotzdem sehr interessant, weil er auf eine oszillierende Übertragung der Perversen hinweist, eine doppelte Oszillation eigentlich, zwischen Idealisierung und Angriff einerseits und zwischen Selbst- und Objektbesetzung andererseits. Dies entspricht vollkommen dem von Kernberg (1975) postulierten Übertragungsmuster von Borderlinepatienten im Sinne eines raschen Positionswechsels zwischen „guten“ und „bösen“ Selbstund Objektanteilen. Sehr hilfreich ist auch der Morgenthalerische Gedanke, dass die Sexualität und der Orgasmus von Perversen zur Stabilisierung ihrer flüchtigen Selbst- und Objektbilder verwendet wird. Bei Melanie Klein steht von Anfang an der Sadismus und die Destruktivität in den Phantasien der kleinen Kinder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Klein (1932) beschrieb die frühzeitige Entwicklung genitaler Empfindungen als ein Mittel, den paranoiden Ängsten zu begegnen, die durch die sadistischen und prägenitalen Impulse des Kindes ausgelöst werden. Damit hat sie im Grunde als Erste 5 den Abwehrmechanismus der Sexualisierung beschrieben. Die genitale Erotisierung prägenitaler Impulse mobilisiere beruhigende Liebes- und Kreativitätsimpulse, zugleich berge aber die vorzeitige Genitalisierung auch die Gefahr in sich, dass daraus im Erwachsenenalter sexuelle Perversionen und destruktive Erregungszustände entstehen. Sexualisierung erscheint also im kleinianischen Denken von vorneherein als Abwehr der Aggression, während in der Selbstpsychologie sowohl Sexualisierung als auch Aggression Folgen eines strukturschwachen, zerfallenden Selbst sind. Rosenfeld (1964) hat das Konzept der narzisstischen Persönlichkeitsstörung im kleinianischen Kontext entwickelt. Anders als bei Kohut spielen bei ihm pathologische Introjektions- und Identifikationsvorgänge die entscheiden Rolle. Narzisstische Störungen entstehen durch die Introjektion primitiver idealisierter Objekte und deren Verschmelzung mit einem von Aggression „gereinigten“ Selbst, wobei die aggressiven Gefühle auf äußere Objekte projiziert werden. Destruktiver Narzissmus entsteht durch die Idealisierung destruktiver Selbst- und Objektanteile und deren Verschmelzung mit dem idealisierten Selbst (Rosenfeld 1971). Die daraus folgende Idealisierung von Aggression und Zerstörung und der Hass auf alles Gute wird für die Kleinianer zur theoretischen Matrix ihrer weiteren Perversionskonstrukte. Eine spezifische Verbindung zur Sexualität muss nicht notwendigerweise vorhanden sein, obwohl Rosenfeld (1975) auch auf die omnipotente Verleugnung der sexuellen Unterschiede und damit des sexuellen Mangels hingewiesen hat. Joseph (1971) erweiterte diese Konzepte dadurch, dass sie sie konsequent in der Übertragung suchte und fand. Patienten berauben den Analytiker manchmal seiner Kompetenzen, indem sie ihn am Denken hindern, seine Deutungen entwerten und seine Kreativität für sich selbst beanspruchen. Gleichzeitig projizieren sie ihre infantilen Abhängigkeitswünsche auf den Analytiker. Auch sexuelle Erregung wird projiziert bzw. durch projektive Identifizierung im Analytiker auszulösen versucht, was einen zerstörerischen Angriff auf die Behandlung darstellt. Bei Meltzer (1966, 1973, 1992) bezeichnet Perversion sexuelle psychische Zustände, die durch die Führung eines destruktiven Persönlichkeitsanteils erzeugt werden. Dieser ist von überwältigendem Neid gegenüber der Güte, Großzügigkeit, Kreativität, Harmonie und Schönheit von guten Objekten geprägt. Die Analyse wird daher auf vielfache Weise angegriffen und der Analytiker agiere mit, wenn es zu einem fetischistisches Spielen mit Deutungen, wie mit Peitschen, komme. Etchegoyen (1978, 1991) verbindet die kleinianische Betonung der Destruktivität mit einigen Aspekten der Psychoanalyse nach Lacan. Indem die Verleugnung als gleichzeitiges Anerkennen und Zurückweisen der Kastration konzeptualisiert wird, gewinnt er ein klares Unterscheidungsmerkmal zwischen Perversion (einschl. der Übertragungsperversion) und Psychose (bzw. der Übertragungspsychose). Viele Kleinianer hatten hier (ebenso wie Winnicott) nur verschiedene Schwergrade einer Pathologie gesehen, die im Wesentlichen auf den exzessiven Gebrauch primitiver projektiver Identifizierung zurück zu führen sei. Bei Etchegoyen ist die Übertragungsperversion v.a. durch die (aggressiv motivierte) Erotisierung der Bindung und die ideologische und polemische 6 Präsentation des (Sexual)lebens charakterisiert, ein Versuch den Analytiker in sterile Machtkämpfe zu verwickeln. Auch Steiner (1993) versucht mit seinem Konzept der Borderline-Position etwas Klarheit in die unterschiedlichen Dynamiken von Neurose, Psychose und Perversion zu bringen. Durch seinen Rückgriff auf Money-Kyrles „drei Grundtatsachen des Lebens“ erweitert er den Realitätsbereich, dessen Verleugnung und gleichzeitige „kniffige Anerkennung“ zu den typisch-perversen Beziehungs(und damit auch Übertragungs)verzerrungen führt über den Geschlechtsunterschied hinaus. Gleichzeitig begrenzt er den Bereich auch, eben auf die „Grundtatsachen des Lebens“ und vermeidet damit eine endlose Überdehnung des Perversionsbegriffes. Übrigens scheinen die drei Grundtatsachen des Lebens auch eine gewisse Korrelation zu Meltzers (1992) drei Claustren zu haben. Frank (2003) hat einen Aspekt besonders heraus gearbeitet, der erwähnt zu werden verdient, nämlich die potentielle Instrumentalisierung des nach-Bedeutung-suchenden, erkenntnis- und entwicklungsbegierigen Selbstanteils durch den destruktiven, verleugnenden und bedeutungsentleerenden Selbstanteil. Beide seien nicht nur gleichzeitig da und im Kampf miteinander, der lebendige Anteil könne auch zur Irreführung, zur Illusionsbildung eingesetzt werden. Dies sei eine wesentliche Form der perversen Übertragung. Der Beitrag der britischen Mittelgruppe (oder Independents) zur Frage der perversen Übertragung liegt v.a. im Aufzeigen der spezifischen Verwendung des „Wiedergutmachungstriebes“ durch Patienten, die mit einer intimitätssüchtigen, idolisierenden Mutter identifiziert sind. Nach Khan (1978) unterstellen diese dem Analytiker einerseits den Wunsch nach archaischer Intimität mit dem Patienten und versuchen sich unbewusst diesem Wunsch anzupassen. Glasser (1986) nannte dies Simulation und Pseudo-Identifizierung. Perverse Patienten versuchen entweder im Analytiker einen idolisierenden Teil auszulösen oder behandeln ihn ihrerseits als idolisiertes Ding-Geschöpf (vgl. hiezu auch Meltzers, 1973, Beobachtung einer Ehrfurcht vor dem Analytiker als einem Fäkalpenis). Andererseits bleibt ihr Verhältnis zum Analytiker oberflächlich und sie entwerten ihn subtil (Khan) bzw. gehen sie auf Distanz, geben sich arrogant und streitsüchtig oder hintergehen den Analytiker (Glasser). Ogden (1996) hat speziell darauf hingewiesen, dass eine Gegenübertragungsverstrickung bei der Behandlung von Perversen unvermeidlich sei. Therapeut und Patient inszenieren gemeinsam ein „perverses Subjekt der Analyse“, dessen zentrale Funktion die Verhinderung des Erkennens der Leblosigkeit des Subjektes wie auch der Leere des analytischen Diskurses ist, den es inszeniert. „Das perverse Subjekt der Analyse ist der Erzähler des erotisierten, doch letztlich leeren, auf der analytischen Bühnen geschaffenen Dramas“ (46). Otto Kernberg steht für eine bestimmte Art der Integration struktur-theoretischer und objektbeziehungstheoretischer Strömungen innerhalb der Psychoanalyse und er versuchte aus dieser Integration mehrfach einen neuen Mainstream der Psychoanalyse zu definieren, der auch die 7 Positionen der britischen Mittelgruppe und der französischen Neo-Freudianer einschließen soll (Kernberg 2001). Dies reflektiert sich auch in seiner Position zur perversen Übertragung, in der sowohl eine Balance zwischen Aggression und Eros gehalten wird, als auch eine gleichzeitige Berücksichtigung von Triebaspekten und Narzissmus zu finden ist. Nach Kernberg (1992) ist die perverse Übertragung dadurch gekennzeichnet, „dass der Patient voller Schadenfreude Liebe in Hass und Vertrauen in Korruption verkehrt und das, was ihm am Therapeuten als gut und potentiell hilfreich erscheint, in etwas Schlechtes und Schädliches verwandelt” (290). Dabei seien sowohl libidinöse als auch aggressive Elemente beteiligt, die Liebe sei jedoch durch Hass zersetzt worden. Im Unterschied zur psychopathischen Übertragung, in der die Unehrlichkeit und die Täuschung v.a. eine Abwehrtaktik gegen das Aufkommen paranoider Einstellungen darstelle, werde die perverse Übertragung selbst unmittelbar lustvoll erlebt. Formen perverser Übertragung Die in der Literatur beschriebenen Formen perverser Übertragung lassen sich aus einer integrativen psychoanalytischen Perspektive folgendermaßen zusammenfassen: 1. Übertragungen aus dem Formenkreis des negativen Ödipuskomplexes: Unterwerfung unter einen allmächtigen, gefährlichen, potentiell kastrierenden Vater-Analytiker; Regression zu analen Erregungsformen zur Abwehr positiv-ödipaler Wünsche; passiv-homosexuelle und/oder masochistisch-depressive Einstellungen zum Analytiker; Inszenierung spezifischer Vater-MutterKonflikte in der Übertragung aufgrund einer Identifizierung des Patienten mit seiner Mutter. 2. Übertragungen, die die Fixierung an prägenitale Entwicklungsstufen ausdrücken: Wünsche an den Analytiker, die orale Gier und eine Unfähigkeit, Wünsche aufzuschieben, reflektieren; Zunahme von analem Material in den Assoziationen des Patienten, wenn frühe traumatische Autonomiekonflikte berührt werden usw.. In schweren Fällen, regressives Aktivieren der Phantasie eines analen, sadomasochistischen Universums (im Sinne von Chassguet-Smirgel 1984) oder eines analen Claustrums (im Sinne von Meltzer 1992). 3. Übertragung der Realitätsstörung: Vage, ungreifbare Beschreibungen realer Situationen; Kopfabwenden oder Augenschließen bei Deutungen, Erzählen „unterhaltsamer Geschichten“ in der Analyse; Versuche, den Analytiker auf eine falsche Fährte zu locken; Freude beim „Aufdecken“ solcher red herrings. 4. Narzisstisch-perverse Übertragungen: Übertragungen, in denen übermäßige Idealisierung und/oder massive Entwertung des Analytikers eine große Rolle spielen, wobei die Idealisierung/Entwertung mehr oder weniger stark sexualisiert wird; erotisierte SpiegelÜbertragungen, also solche, die die Verwendung des Analytikers als „Selbstobjekt“ und die Ungetrenntheit des Patienten von seinen inneren Primärobjekten signalisieren. Die Ungetrenntheit kann sich auch als Angst vor Verschmelzung oder Vernichtung zeigen, als Angst, einer Gehirnwäsche durch den Analytiker ausgesetzt zu werden oder in Form intensiv 8 klaustrophobischer Gefühle im Behandlungszimmer. Die offensichtlichste Reaktion auf die Vernichtungsangst ist vielleicht die „Flucht vor dem Objekt“, etwa in Form eines emotionalen Rückzugs auf sichere Distanz. 5. Spaltungsübertragungen: Gleichzeitigkeit zwischen gegensätzlichen Einstellungen zum Analytiker, wobei eine Einstellung verborgen und aus der Analyse draußen gehalten wird. Bewusste und unbewusste Angst- und Schuldgefühle des Patienten bezüglich seiner perversen Phantasien und Wünsche können leicht dazu führen, eine intellektualisierende, distanzierte, „realitätsorientierte“ Haltung gegenüber dem Analytiker einzunehmen, während die regressiven, infantilen und perversen Impulse „draußen“ bleiben. 6. Exzessive projektive Identifizierung: Der Analytiker wird zur „Toilette“, d.h. zum Entsorgungsort für alle nicht erträglichen psychischen Zustände des Patienten, insbesondere für sadistischaufgeladene sexuelle Erregung; der Patient versucht sexuelle Erregung im Analytiker auszulösen, um ihn zu korrumpieren und seiner Fähigkeiten zu berauben. 7. Idolisierende und fetischisierende Übertragungen: Hier wird eine erregende Pseudobeziehung zwischen Patient und Analytiker aufgebaut, die beide in ein illusorisches Hochgefühl versetzt. Wie schon bei der Perversität in der Übertragung ist auch diese Übertragungsform nicht ohne die Komplementarität der Gegenübertragung diskutierbar. Der Analytiker wird dazu gebracht, den Patienten für einen Musterpatienten zu halten, der ihm nicht nur Erfolg, sondern auch zahlreiche Einsichten ermöglicht. Hier baut sich im Hintergrund aber eine wachsende Hassspannung auf, die oft in einer gewaltigen Enttäuschung entladen wird. 8. Perversität in der Übertragung: Diesen Ausdruck verwendet Kernberg, um eine malignnarzisstische Pervertierung der Übertragung von der sonstigen perversen Übertragung abzugrenzen. Hier werden die guten Teile des Selbst und der Objekte verwendet, um den Zielen eines idealisierten destruktiven Größenselbst zu dienen. Das Stärkerwerden scheinbar gesunder, reflexionsfähiger Anteile im Patienten bedeutet dann keinen tatsächlichen Fortschritt in der Analyse, sondern kann eine besonders perfide Form sein, die Hoffnungen des Analytikers zuerst zu wecken, um sie anschließend umso gründlicher zu enttäuschen und zu zerstören. Dieses Syndrom setzt nicht das Vorhandensein einer sexuellen Perversion voraus, sondern kann auch ausschließlich eine sehr schwere, maligne Charakterperversion reflektieren. 9. Gegenübertragungsperversion: Ein Stück mitagieren wird bei schweren perversen Übertragungen mittlerweile für unvermeidlich gehalten, wenn man nicht dem alternativen Übertragungsangebot der sterilen Distanziertheit erliegen will. Von einer Gegenübertragungsperversion spricht man aber erst dann, wenn der Therapeut in der Übertragungsperversion des Patienten vollständig gefangen ist. Die hohe Gefahr, in ein solches Agieren verstrickt zu werden, unterstreicht die Notwendigkeit einer im TFP bereits routinemäßig geforderte laufende Supervision des Therapeuten. 9 Jeder perversen Symptomatik liegen bestimmte unbewusste Phantasien zugrunde, die aus pathologisch verzerrten internalisierten Objektbeziehungen aufgebaut sind. Die Struktur dieser Phantasien zeigt einen primitiven, unreifen Aufbau, d.h. sie ist durch die Wirkung primitiver (präödipaler) Abwehrmechanismen charakterisiert, die das psychische Geschehen in der frühen Kindheit prägen. Der „Kernkomplex“ des Perversen (Glasser 1986) besteht in der Ambivalenz zwischen den Wünschen und Ängsten des präödipalen Kindes in Bezug auf Trennung von bzw. Verschmelzung mit der Mutter. Die diesem Kernkomplex zugehörigen Abwehrmechanismen der Spaltung, Verleugnung, primitiven Idealisierung, Entwertung und omnipotenten Kontrolle, wie sie etwa auch im TFP-Manual beschrieben sind, charakterisieren allerdings alle Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Niveau. Spezifisch für die Patienten mit perversen Störungen ist die vorherrschende Rolle, die bei ihnen der Abwehrmechanismus der Sexualisierung spielt. Die Differenzierung zwischen Perversion und Sexualdelinquenz bzw. zwischen Sexualisierung und dem sexuellen Agieren kann schwierig sein. Coen (1981) entwirft einen integrativen Ansatz zum Verständnis von Sexualisierung. Er schlägt vor, den Terminus Sexualisierung ausschließlich zur Bezeichnung derjenigen Aspekte sexuellen Verhaltens zu verwenden, deren Ziel und Funktion nicht sexuelle Erregung und sexuelles Vergnügen sind, sondern Abwehr und Reparation. Dabei geht es zum Beispiel um das Erzielen eines Gefühl von Vitalität und Lebendigkeit als Gegengewicht zu schmerzhaft-lähmenden realen Erfahrungen. Um die illusionäre Anwesenheit einer tröstenden Person, die die mütterliche Dyade wiederherstellt. Um die Illusion einer omnipotenten Kontrolle über sich und das Objekt in Form des Selbsterlebens als unwiderstehlicher Verführer. Um die Bewältigung von Feindseligkeit gegen dieses Objekt durch Verkehrung ins Gegenteil, durch Verführung des Angreifers und durch das sinnliche Erleben ihrer beider Unversehrtheit und nicht zuletzt um die Differenzierung vom mütterlichen Introjekt durch Überbesetzung der Selbstrepräsentanz als phallisch, männlich, unabhängig etc., also eine Form früher (Pseudo)-Triangulierung im Sinne von Abelin. Triebtheoretisch kann Sexualisierung aber auch die forcierte abwehrbedingte Genitalisierung von eigentlich prägenitalen Erregungsmustern und Beziehungsmodi bedeuten. Sie geht teilweise auf die von Freud (1905) beschriebene „libidinöse Miterregung“ durch nicht-sexuelle körperliche Vorgänge zurück, die eintritt, sobald die Intensität dieser Vorgänge gewisse quantitative Grenzen übersteigt. Sie geht aber weit über diesen zunächst rein physiologischen Prozess hinaus, da ihr Hauptzweck nicht sexuelle Lust, sondern Abwehr ist. Abgewehrt werden unerträgliche Ängste, die aus exzessiven prägenitalen Konflikten stammen. Sexuelle Perversionen bei neurotischer Persönlichkeitsstruktur reflektieren eine partielle und umgrenzte regressive Wiederbelebung eines präödipalen Grundkonflikts und damit assoziierter primitiver Abwehrmechanismen, einschließlich der Sexualisierung. Dadurch bilden sie gewissermaßen strukturelle Fremdkörper in der Persönlichkeit und werden dementsprechend ich-dyston erlebt. Für die Übertragung in der Behandlung bedeutet dies, dass auch neurotische Perverse perverse Übertragungsformen entwickeln (v. a. Unterwerfung, homosexuelle Erotisierung, Masochismus, aber 10 auch Angriffe auf die analytischen Fähigkeiten des Therapeuten), dass sich diese aber rasch durch Deutung in eine klassische Übertragungsneurose verwandeln. Bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Niveau sind die frühen (präödipalen) Konflikte und Abwehrmechanismen hingegen mit den ödipalen Themen vermischt und verdichtet. Eine wirkliche Reifung im Sinne einer ödipalen Triangulierung hat nicht stattgefunden und deshalb erscheint auch die perverse Struktur mehr oder weniger unmittelbar in die Persönlichkeitspathologie eingebaut, d.h. nicht oder jedenfalls weniger persönlichkeitsfremd. Wenn die Perversion ich-dyston ist, überwiegen die Scham- gegenüber den Schuldgefühlen. Bei Perversionen auf Borderline-Niveau gibt es verschiedene Hauptmuster: einfach-narzisstische Perversionen, kombinierter charakterologischer und sexueller Sadomasochismus, malign-narzisstische Perversionen, psychopathische Perversität. Je nachdem sind die spezifisch perversen Übertragungsmuster mit jenen allgemeineren Mustern kombiniert, die die jeweils zugrunde liegende Persönlichkeitspathologie reflektieren. Übertragungsprobleme in der Behandlung von Perversionen bei schweren Persönlichkeitsstörungen Perversionen können im Rahmen verschiedener Persönlichkeitsorganisationen vorkommen (Kernberg 1992) und sie implizieren sehr verschieden starke Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung anderer Menschen (Lackinger 2005). Im Zusammenhang dieses Artikels wird auf Perversionen auf neurotischem Strukturniveau nicht weiter eingegangen. Auch perverse Manifestationen im Kontext psychotischer Störungen werden unbeachtet gelassen. Der forensische Fokus legt eine Konzentration der Untersuchung auf Perversionen im Rahmen schwerer Persönlichkeitsstörungen nahe, d.h. im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen auf „Borderline-Niveau“. Um die Charakteristika der perversen Übertragung, die bei diesen Patienten auftreten, in eine kohärente Theorie der übertragungsfokussierten Behandlung einbauen zu können, ist es notwendig, zugleich jene Übertragungsformen zu rekapitulieren, die in Behandlungen von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation erfahrungsgemäß auftreten und die daher in der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) besondere Aufmerksamkeit bekommen haben (Clarkin et al. 1999). Perverse Borderline-Übertragungen Charakteristisch für die Borderline-Therapie ist die Tatsache, dass sehr schnell so genannte primitive Übertragungen mobilisiert werden. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie meist mit heftigen Affekten verbunden sind, aber auch rasch wechseln, m.a.W., dass ihnen die Dimension der Tiefe fehlt. In ihnen widerspiegelt sich der Mangel des Patienten an einem stabilen Selbstgefühl oder an einem stabilen Gefühl für bedeutsame andere Personen. Jedes primitive Übertragungsmuster kann sehr 11 schnell in sein Gegenteil oder in irgendein anderes Muster umschlagen. Sie sind für den Therapeuten fast immer verwirrend, wirken bizarr und manchmal bedrohlich. Diese primitiven Übertragungsmuster herrschen bei echten Borderline-Patienten in der Regel vor, obwohl sie in sehr verschiedenen Formen auftreten können. Theoretisch ausgedrückt handeln primitive Formen der Übertragung von infantilen Teil-Objektbeziehungen, während reife Übertragungen zwar auch infantile, aber ganze Objektbeziehungen widerspiegeln. Sexualisierung ist bei Borderline-Patienten (siehe auch Dammann und Benecke 2007) ein sehr weitverbreiteter Abwehrmechanismus. Sie spielt bei histrionischen und infantilen Persönlichkeitsstörungen eine starke Rolle, deren sexuelle Provokationen im Vergleich zu neurotischen Hysterikerinnen gröber und sozial weniger angepasst sind. Sexuelle Promiskuität ist bei ihnen sehr häufig, sie hat einen haltlosen Charakter und die Objektbeziehungen sind äußerst labil (Kernberg 1975). Bei Borderline-Persönlichkeitstörungen im engeren Sinne, wurde von verschiedenen Autoren eine auffällige Wechselhaftigkeit und Vielgestaltigkeit in der Inszenierung der Sexualität gefunden (Rohde-Dachser 1979, Berner 2000), wobei es häufig zum wechselnden Einsatz mehrerer perverser Szenarien kommt. In der Literatur wurden auch sadomasochistische Persönlichkeiten beschrieben, deren Objektbeziehungen generell einem Täter-Opfer-Muster folgen und deren Sexualität ebenfalls davon gefärbt ist ohne dass sie notwendigerweise einen fixierten sexuellen Sadomasochismus entwickeln (Kernberg 1988, Ornstein 1997). Organisierte Perversionen auf Borderline-Niveau kommen jedoch ebenfalls vor. Z.B. weisen bestimmte Voyeure, Exihibitionisten und Sadomasochisten typischerweise eine Borderlinestruktur auf. Das Ausagieren eines sexuell-perversen Szenarios dient hier v.a. der Abwehr paranoider und depressiver Ängste. Wenn solche Patienten delinquent sind, ist ihre Schuldwahrnehmung im Unterschied zu neurotischen Straftätern meist stark beschönigend und sie können keine reflektierten Zusammenhänge mit eigenen traumatischen Erlebnissen herstellen. Im Unterschied zu den malignnarzisstischen und psychopathischen Perversen haben sie aber oft einigermaßen intakte nichtdeliktischen Beziehungen, in denen auch selbstschädigende Verhaltensweisen vorkommen. Sie sind sozial mäßig integriert. Ihre Delikte können offen sadistische Züge haben oder als pädophile „Fürsorge“ rationalisiert sein. Meiner Erfahrung nach liegen organisierten Borderline-Perversionen fast immer unbewusste sadomasochistische Urszenenphantasien zugrunde. Aufgrund der relativ geringen Abgrenzung zwischen Perversion und Persönlichkeit weisen solche Patienten dann häufig auch eine sadomasochistische Persönlichkeitsstörung auf. Die unbewusst sadomasochistischen Phantasien über den elterlichen Geschlechtsverkehr prägen auch die vorherrschenden Übertragungsthemen. Verschiedenste Formen des Quälens des Therapeuten wechseln mit Inszenierungen, in denen im Therapeuten der Sadist geweckt werden soll. Die Wirksamkeit der Sexualisierung zeigt sich häufig an der versteckten Lust an diesen Inszenierungen. Auch die Inhalte oder deren Symbolik enthalten oft Hinweise auf sexuelle Bedeutungen in der Übertragung. Viele der oben aufgelisteten Varianten an perverser Übertragung können hier eine Rolle 12 spielen, etwa die Unterwerfung unter den Analytiker, die Simulation von Verständnis bei Glasser, oder die von Arlow beschriebenen Schadenfreude in der Übertragung. Es geht hier nicht um eine grundlegende Zerstörung der analytischen Arbeit wie bei den malignen Übertragungsformen, sondern um die Verhinderung von echter Nähe und wirklichem Fortschritt bei gleichzeitiger Bewahrung der therapeutischen Beziehung und einer gewissen Chance auf Fortschritt. Klinisches Beispiel Ein pädophiler Computertechniker zeigte in der frühen Phase der Behandlung die Eigenart, von mir gegebene Deutungen oder Erläuterungen in einer Weise zu wiederholen, als wären es Einsichten, die ihm gerade selber eingefallen wären. Er bestätigte praktisch jede Deutung von mir, kam immer zu früh zur Stunde und benahm sich überhaupt in einer penetrant zuvorkommenden Weise. Gleichzeitig hielt er pädophile Phantasien vor mir geheim und verdächtigte mich, hinter seinem Rücken Informationen über ihn an das Gericht weiter zu geben. Beides konnte er mir erst viele Jahre später sagen. Abgesehen von dieser eher paranoid-psychopathischen Dynamik, steigerte sich auch seine Unterwürfigkeit manchmal bis zur Übergriffigkeit. Einmal hatte er per Zufall mitbekommen, dass mein Drucker kaputt war. In der Stunde war er dann kaum davon abzuhalten, sein Fachwissen vorzuführen und den Drucker zu reparieren. Als ich ihm sagte, dass er damit eine Grenze von mir überschreiten wollte, fühlte er sich tief gedemütigt. Die allgemeine technische Regel im Umgang mit Borderline-Übertragungen besteht im wesentlichen darin, beharrlich zu versuchen, jede Spaltungsübertragung zu erkennen und nach Möglichkeit anzusprechen. Erkennbar sind solche Übertragungen an den vom Patienten angedeuteten Phantasien über die gegenwärtige Beziehung zwischen Patient und Therapeut, an den vorherrschenden Affekten und an den damit verbundenen Selbst- und Fremdbildern. Wie gesagt werden bestimmte Selbstbildund bestimmte Fremdbild-Fragmente abwechselnd auf den Therapeuten verschoben bzw. projiziert. Durch den raschen Wechsel wird die Beziehung meist auch für den Therapeuten verwirrend. Dennoch muss versucht werden, am besten innerhalb einer Stunde, beide Aspekte einer alternierenden Übertragungsfigur zu deuten. Es ist üblich, dass solche Deutungen anfänglich nicht akzeptiert werden. Erst nach einer gewissen Beharrlichkeit in der Deutung und bei Anlass eines besonders günstigen Beispiels wird schließlich erstmals anerkannt, dass in den widersprüchlichen Gefühlen immer bisher getrennt gehaltene Aspekte der Beziehung zwischen dem Patienten und dem Therapeuten aktiviert werden, die eigentlich zusammen gehören. Die Integration der fragmentierten Selbst-ObjektInszenierungen ist lange Zeit das strategische Hauptziel der Borderline-Therapie. Unterwürfiges und übergriffiges Verhalten wiederholten sich weiter abwechselnd in der Behandlung des obigen Patienten. Der Patient beschrieb eine Situation in der er vier Jahre alt gewesen war und nach einer Phimose-Operation am Penis von seiner Mutter eingepinselt werden sollte. Da er sich dem Einpinseln entziehen wollte, habe ihn die Großmutter mit Gewalt unter dem Küchentisch hervorgezerrt und festgehalten, während seine Mutter schmerzhaft die Wunde am Penis desinfizierte. Es sei wie eine Vergewaltigung gewesen. Obwohl ein Zusammenhang zwischen dieser Gewalterfahrung und seinem 13 Agieren in der Übertragung nahe lag, änderte sich lange Zeit nichts an seinem Verhalten. Erst nachdem seine Versuche, mir in den Therapiesitzungen „etwas hinein zu drücken“ zahlreiche Male als Umkehrung seines Erlebens, von mir „etwas hineingedrückt zu bekommen“, gedeutet worden waren, erhielt sein Verhalten langsam eine größere innere Kohärenz. Schritt für Schritt wurde deutlicher, wie an diesem Agieren Angst, Hass und Lust beteiligt waren. Querverbindungen zu seinen pädophilen Delikten wurden möglich. Nach einiger Zeit begann er nun auch die erwähnte Kindheitserinnerung anders zu erzählen: Mutter und Großmutter hätten wohl keine physische Gewalt angewendet, es sei jedoch so gewesen, dass auf seine Scham- und Angstgefühle keine Rücksicht genommen worden sei. Paralell mit dieser „Korrektur“ der biografischen Vergangenheit konnte nun auch die Vergangenheit der Behandlung „korrigiert“ werden. Ich erfuhr von seinen paranoiden Ängsten und seinen Geheimnissen mir gegenüber und dass sich hinter seiner oberflächlichen Idealisierung der Therapie auch massive Entwertung verborgen hatte. Solange die Übertragungsreaktionen primitiv bleiben, sollten sich die Interventionen des Therapeuten auf das ‘Hier und Jetzt’ konzentrieren. Bei Borderline-Patienten hat es keine positive Wirkung, zu versuchen, die Interaktionen in der Therapie mit der Vergangenheit, v.a. der Kindheit, in Verbindung zu setzen. Verfrühte genetische Deutungen lösen lediglich intellektualisierende Abwehrmechanismen und manipulative Verzerrungen der Kindheitserlebnisse aus. Wichtig ist auch, dass von Anfang an immer positive und negative Übertragung gedeutet werden. V.a. stark positive und idealisierende Übertragungen sollten keinesfalls einfach stehen gelassen werden, weil sich hinter ihnen meist eine massive negative Reaktion verbirgt, deren eruptivem Durchbruch nur durch frühzeitiges Ansprechen vorgebeugt werden kann. Die narzisstisch-perverse Übertragung Narzisstische Patienten lassen charakteristischerweise keine Abhängigkeit von ihrem Therapeuten zu. Sie können die Wichtigkeit des Therapeuten für ihre psychische Stabilität nicht anerkennen, da dies zu intensivem bewussten und unbewussten Neid führen würde, der mit ihren grandiosen Selbstvorstellungen unvereinbar wäre. Ein möglicher Ausweg besteht für die Patienten darin, Neid und Abhängigkeit auf den Therapeuten zu projizieren. Es entsteht dann die Befürchtung, der Therapeut könnte auf den Patienten neidisch werden und dieser müsse sich vorbeugend dagegen schützen. Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung neigen daher dazu, die Bedeutung des Therapeuten und der therapeutischen Beziehung zu entwerten. Eine andere Variante der Neidabwehr führt zu dem Phänomen, dass solche Patienten sich scheinbar selbst analysieren. Sie überschwemmen den Therapeuten mit Material, das sie anschließend gleich selbst ordnen und mit einer Pseudobedeutung erfüllen, die jede Intervention des Therapeuten überflüssig erscheinen lässt. Dem Therapeuten wird nur die Rolle des Zuschauers gelassen, was ihm allerdings bei erst bester Gelegenheit zum Vorwurf gemacht wird, falls er sich tatsächlich darauf einlässt. Häufige Gegenübertragungsreaktionen beim Therapeuten sind in diesem Zusammenhang Gefühle der Langeweile und Schläfrigkeit. 14 Ist die narzisstische Pathologie mit einer sexuellen Perversion kombiniert, dann kann die Zuschauerrolle des Therapeuten zu einer voyeuristischen Position werden. Der Patient breitet sein Sexualleben vor dem Therapeuten aus und versucht, diesen dadurch zu faszinieren oder zu erregen. Es geht ihm überhaupt nicht darum, irgendetwas an seiner Sexualität zu verstehen, sondern er will den Therapeuten aus seiner therapeutischen Haltung heraus locken und ihn zu einem „Mittäter“ und später auch zu einem Opfer machen, wenn er ihm seine Komplizität vorwirft. Diese Dynamik kann rasch zu einem Engpass in der therapeutischen Beziehung und zu der Ankündigung des Patienten führen, die Therapie abzubrechen. Nur wenn es gelingt, die intensive Furcht vor Abhängigkeit und die daraus resultierende Flucht in die Isolation bzw. in die Übertragungsperversion anzusprechen und ein Stück weit bewusst zu machen, kann die Therapie gerettet werden. Wenn so eine Bearbeitung gelingt, tritt in der Folge häufig eine paranoide Grundtönung in der Übertragung auf, weil der Patient annimmt, dass der Therapeut die nun zugelassene Beziehung mit dem Patienten ausnützen und missbrauchen wird. Eben diese paranoiden Ängste vor Nähe waren ja der tiefere Grund für die narzisstisch-(perverse) Abwehr der Beziehungsbedeutung gewesen. Eine weitere narzisstische Form, den Gefahren von Nähe und Abhängigkeit zu entgehen, ist die primitive Idealisierung des Therapeuten, wobei begierig alle Deutungen aufgenommen und scheinbar akzeptiert werden. Meist dauert es allerdings nicht lange, bis sich herausstellt, dass die Deutungen wirkungslos bleiben, weil sie als quasi magische Kommentare verstanden werden. Bewusst oder unbewusst werden diese vom Patienten auch entwertet, etwa in dem Sinne, als hätte er das Wesentliche eigentlich selber entdeckt oder als wären es ohnehin nur Allgemeinheiten, die jeder sagen hätte können. Man erkennt wieder die Bemühung des Patienten, aufkeimenden Neid abzuwehren, weil dessen Anerkennung als Verdammung zu einer hilflosen Position empfunden wird. Die Idealisierung des Therapeuten bekommt eine explizit perverse Konnotation, wenn diese stark sexualisiert ist und dadurch jede therapeutische Arbeit vollkommen verunmöglicht. Der Therapeut fühlt sich dann bedrängt und lahm gelegt und vielleicht in einer beängstigenden Weise in seinen Grenzen verletzt, sodass er kaum weiter arbeiten kann. Klinisches Beispiel Eine attraktive, 50-jährige Patientin, die wegen Impulsen, ihre Enkelkinder mit einem Messer zu erstechen, in Behandlung gekommen war, entwickelte eine zutrauliche, den Therapeuten idealisierende Übertragung. Ihr Mann sei ein kalter Geschäftsmann, der ihr zwar ein luxuriöses Leben ermögliche, sie aber auch demütige. Eigentlich wolle sie mit ihm nicht mehr schlafen, er setze sie aber immer wieder unter Druck. Er bringe ihr Rosen und mache ihr Komplimente, doch sie merke, dass sie ihm als Person ganz gleichgültig sei. Mit dem Therapeuten sei dies anders, er habe Verständnis und Einfühlung, ginge auf ihre völlig vernachlässigten seelischen Probleme ein. Anders als ihr Mann könne er sie auch in ihren künstlerischen Ambitionen verstehen usw. Am Ende der letzten Stunde vor Weihnachten überreichte sie dem Therapeuten 15 eine CD mit einer – wie sich herausstellte – romantischen Musik, die der verdutzte Therapeut annahm, weil er keine Möglichkeit zur Besprechung einer Zurückweisung sah.. Der Therapeut reflektierte dies in der Supervision als Fehler, bei dem er einer starken projektiven Identifizierung nach gegeben hatte. Er wäre sich als grausam vorgekommen, wenn er das Geschenk nicht angenommen hätte. Als der Therapeut das Geschenk, den ausgeübten Druck und sein Nachgeben nach der Weihnachtspause thematisierte, konnte die Patientin daran nichts Problematisches entdecken. Sie habe nun beim Anhören dieser Musik das Gefühl, sie würde dies mit dem Therapeut gemeinsam tun, und sie hoffe, dass er auch so empfinde, denn das wäre ein überaus beglückendes Gefühl für sie. In weiterer Folge erzählte sie Träume von sexuellen Begegnungen mit dem Therapeuten, an deren Deutung sie kaum interessiert war. Vielmehr waren es offenkundige Botschaften an den Therapeuten, dass sie ihn als sexuelles Objekt begehrte. Schließlich ging sie sogar soweit, den Therapeuten in ihre neue Wohnung einzuladen, denn wenn er die Wohnung sähe, wie sie diese – nicht zuletzt unter dem Einfluss der Behandlung – eingerichtet habe, würde er sie viel besser verstehen können. Die sexualisierte Übertragung verhinderte zunehmend jedes therapeutische Arbeiten. Sie diente insbesondere auch dazu, die sadistisch-destruktiven Phantasien, die sich im Symptom zeigten, aus der Übertragung fern zu halten. Als der Therapeut diese Funktion der „verführerischen Angebote“ schließlich unmissverständlich ansprach, kippte die Übertragung und sie empfand den Therapeuten nun als kalt und berechnend und wollte die Therapie abbrechen. Die Sexualisierung wird in der Übertragung dazu benutzt, das Auftauchen dissoziierter, primitiver Beziehungsaspekte zu vermeiden. Das pathologische Größen-Selbst wird gleichzeitig als Selbstidealisierung und als Idealisierung des Therapeuten inszeniert. Der Therapeut muss u.a. den Mechanismus der omnipotenten Kontrolle deuten, mit dem der Patient den Therapeuten umzuformen versucht. Wenn dieses Verhalten systematisch interpretiert wird, kommt es meistens zu Zorn, Wut und einer plötzlichen Entwertung des Analytikers Manifest negative Übertragungen beruhen meist auf der Aktivierung einer internalisierten Beziehung zu einer bedrohenden, sadistischen, unaufrichtigen oder manipulativen Mutter oder kombinierten Elterngestalt. Der Patient kann sich abwechselnd mit dem sadistischen Elternbild oder dem komplementären Opferbild identifizieren. Es gelang, den Abbruch der Therapie zunächst zu vermeiden, indem das Auftreten der entwertenden Gefühle gegenüber dem Therapeuten als bisher unsichtbare Schattenseite der vorherigen Idealisierung verständlich gemacht werden konnte. Die Patientin wurde depressiv und fand sich in ihren Assoziationen vielfach an ihre karge Mutterbeziehung, an ihr Alleinsein als Kind und an einen kindlichen Selbstmordversuch erinnert. Die Funktion der Sexualisierung als Abwehr von Gefühlen der Leblosigkeit und Suizidalität wurde gedeutet, konnte von der Patientin aber noch kaum aufgenommen werden. Vielmehr flackerten hinter ihrer Depression immer wieder massive Vorwürfe gegen den Therapeuten auf, wie sehr er sie allein lasse, wie unnahbar er sei. In der Folge begann eine Phase, in der sich Idealisierung und Entwertung rasch abwechselten. 16 Aufgrund ihrer Projektion nehmen narzisstische Patienten an, dass der Therapeut kein echtes Interesse an ihnen hat, sondern ebenso egozentrisch ist wie sie sich selber fühlen. Der Abbruch einer vorher vielleicht „ideal“ erscheinenden Beziehung zugunsten paranoider Gefühle, repräsentiert die Aktivierung einer realeren Ebene, auf der die vorher versteckten primitiven Teilobjektbeziehungen angesiedelt sind. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass es (wie im obigen Fallbeispiel) zu einem Schwanken zwischen Perioden der Idealisierung und der manifest negativen Übertragung kommt. Im Idealfall kann im weiteren Verlauf die manifest-sexualisierte Idealisierung durch reifere Formen der Idealisierung ersetzt werden. Schließlich sieht der Patient den Analytiker nicht mehr als Projektion seiner Selbstidealisierung, sondern als eine ideale Vater- oder Muttergestalt, die die primitive Aggression überleben konnte. Diese Idealisierung enthält Elemente von Schuld, d.h. der Patient erkennt teilweise seine Aggression an. Die negativen Selbst- und Objektelemente können dann mit den dissoziierten idealisierten PartialObjektbeziehungen integriert werden, sodaß ein integriertes Selbstbild und ganze Objektvorstellungen entstehen. Dies entspricht der Herstellung von Objektkostanz durch Integration guter und böser Objektvorstellungen. Perversität und psychopathische Übertragung Bei der Behandlung von forensischen Patienten kommt es häufig vor, dass der Patient den Therapeuten bewusst und absichtlich zu täuschen versucht. Dies kann in Form direkter Lügen geschehen, oder aber durch manipulatives oder ausnützendes Benehmen. Es ist für den Therapeuten oft eine große Schwierigkeit, sich selbst klar zu machen, dass er vom Patienten getäuscht wird, und noch schwieriger ist es, dies dem Patienten zu sagen. Dabei ist es entscheidend, auch ein solches Patienten-Verhalten als Übertragung zu verstehen. Der wichtigste Aspekt der Übertragung besteht häufig darin, dass der Patient überzeugt ist, der Therapeut sei unaufrichtig und unehrlich. Er projiziert also seine eigenen Tendenzen auf den Therapeuten. Kernberg (1992) bezeichnet dies als psychopathische Übertragung. Klinisches Beispiel Ein stark narzisstischer, impulsiver und latent paranoider Gewalttäter hatte während seiner Haftzeit eine erste Therapie gemacht, die damit begonnen hatte, seine antisozialen Grundeinstellungen abzuschwächen. Nach seiner Entlassung kam er – aufgrund einer Weisung des Gerichtes – zu mir zu einer zweiten Behandlung. Dass die Antisozialität noch keineswegs verschwunden war, kam bald durch einen Kaufhausdiebstahl zum Ausdruck, bei dem es ihm gemeinsam mit seinem Bruder gelungen war, zwei Computer aus einem Geschäft zu tragen, aber nur einen zu bezahlen. Er schwor Besserung, kam pünktlich und regelmäßig zur Therapie und brachte auch verschiedenste Schwierigkeiten in seinem Leben zur Sprache. Doch die Art, wie er über seine Probleme sprach, erzeugte in 17 mir immer wieder das Gefühl, dass alles recht vorbereitet klang. Er schien zu wissen, dass man in einer Therapie Probleme haben und besprechen musste, wollte sich aber zugleich niemals wirklich in die Karten schauen lassen. Gemessen an seiner Vorgeschichte war seine Selbstdarstellung in der Therapie viel zu ausgeglichen und souverän als dass sie wirklich glaubwürdig gewesen wäre. Es schien eine massive paranoide Übertragung im Hintergrund zu sein, die die Therapie auf eine gewisse Seichtigkeit beschränkte. Da ich für ein Lügen oder Verschweigen zunächst nicht mehr als mein Gefühl als Anhaltspunkt hatte, versuchte ich alle Hinweise auf paranoide Phantasien des Patienten zu sammeln. Seine misstrauische Einstellung versuchte ich weder durch einen Hinweis auf meine therapeutische Aufgabe zu widerlegen, noch durch besonders freundliches oder unterstützendes Verhalten zu entkräften. Seine Vorsicht wuchs. Dennoch schien mir die therapeutische Beziehung inzwischen stark genug zu sein, um die Übertragungsbeziehung anzusprechen und zu deuten, dass er die therapeutische Beziehung derzeit so erlebe, als ob ein wehrloser Gefangener von einem sadistischen Wärter in Schach gehalten würde. Er antwortete, dass dies zwar eine Übertreibung sei, aber manchmal habe er schon das Gefühl, dass es uns Justiztherapeuten Freude mache, Weisungspatienten in die Therapie zu zwingen und unsere Macht auszuleben. Ich deutete ihm, dass er bei dem Kaufhausdiebstahl doch umgekehrt seine Freude daran gehabt hatte, dass die Verkäufer so blöd waren, und seinen Trick nicht durchschauten. Vielleicht erlebe er mich nur deshalb so sadistisch, weil er seine eigenen Neigungen, andere auszunützen, auf mich verschiebe und sich dadurch als wehrloses Opfer erleben könne. Obwohl er versuchte, dagegen zu argumentieren, wurde rasch klar, dass ich ihn irgendwie „erwischt“ hatte. Er brach seine Argumentation ab und ging relativ betroffen nach Hause. In den folgenden Stunden kam er nicht mehr direkt darauf zurück, aber die Stimmung in der Therapie hatte sich deutlich verändert. Er schien seine Angst mir gegenüber vorübergehend überwinden zu können und sprach nun offener über seine Wut- und Hassgefühle, aufgrund derer er inzwischen auch schon wieder einmal in eine Rauferei verwickelt gewesen war. Solche Übertragungen können nicht aufgelöst werden, indem man dem Patienten moralisierende Vorwürfe wegen ihrer Unehrlichkeit macht. Die psychopathische Übertragung muss wie jede andere auch gedeutet und verstanden werden. Allerdings muß die Unwahrhaftigkeit in der Beziehung als erstes behandelt werden, bevor man sich anderen Themen zuwenden kann. Es geht dabei um die Sicherung des therapeutischen Settings, die immer Vorrang vor anderen Themen hat. Dies unzweideutig klar gemacht zu haben, kann als wichtiger Beitrag der TFP zur psychodynamischen Settingsdiskussion gewertet werden. Jedes Abwarten bei der Besprechung von Lügen und Manipulationen zerstört die Therapie. Forensische Patienten versuchen manchmal, den Therapeuten zu taktischem oder unredlichem Verhalten zu provozieren, und sie verwenden dann jeden solchen Vorfall, um dem Therapeuten selbst Unaufrichtigkeit vorzuwerfen. Der Teil des Selbst des Patienten, der beständig eine Korrumpierung der therapeutischen Situation zu inszenieren versucht, repräsentiert dabei meist eine unbewußte Identifizierung mit einem korrupt und unaufrichtig erlebten Elternteil. Wenn die Unehrlichkeit in der Übertragung lustvoll ausgelebt wird, indem der Therapeut durch gezielte Irreführung in eine Falle gelockt wird und um triumphierend die therapeutischen Bemühungen 18 scheitern zu lassen, sprechen wir von Perversität in der Übertragung. Nach Kernberg (1992, 2004) bedeutet Perversität im Kern, dass Erotik und Liebe in den Dienst der Aggression gestellt werden dass bewußt oder unbewußt etwas Gutes in etwas Schlechtes umgewandelt wird, Liebe in Haß, Sinn in Sinnlosigkeit, Kooperation in Ausbeutung, Essen in Fäkalien u.ä.. Sie kann bei bestimmten schweren sexuellen Perversionen auftreten, kommt aber auch unabhängig davon bei Psychopathen und Patienten mit dem Syndrom des malignen Narzissmus vor. Perversität bezeichnet eine Art der Objektbeziehung, in der Liebe und Angewiesensein auf andere Manschen für Zwecke der Aggression herangezogen wird. Dabei geht es einerseits um sadistische Kontrolle von anderen, und andererseits um das pathologische Selbstgefühl der Omnipotenz. „Diese Patienten ziehen alles aus dem Analytiker heraus, was er an Gutem in sich hat, um ihn zu entleeren und zu vernichten; in sämtlichen anderen engen Objektbeziehungen gehen sie genau so vor” (Kernberg 1992, S. 317). Klinisches Beispiel Ein 25-jähriger pädophiler Patient durchlebt während der Maßnahmenunterbringung eine suizidale Krise, bei deren Bewältigung ihm eine Psychotherapeutin hilfreich zur Seite steht. Ohne tiefen Trauerprozess geht seine Stimmung danach rasch in eine hypomane Betriebsamkeit über. Er absolviert Kurse, verbessert sein Verhältnis zu seinen Eltern, findet erstmals Kontakt zu gleichaltrigen Mädchen, die ihn im Gefängnis besuchen. Zu einer scheint sich eine engere Beziehung heraus zu bilden. Von seinen pädophilen Phantasien ist in der Therapie immer weniger die Rede, sie scheinen mehr eine Belastung der Vergangenheit als ein gegenwärtiges Problem zu sein. Der Patient kann seinen früheren Ruf, manipulativ und unehrlich zu sein, bei seinen Betreuern abschütteln, wobei ihm sicher seine relative Jugend hilfreich ist. Er präsentiert sich als jemand, dem spät, aber doch ‚der Knopf aufgegangen’ ist. Er bekommt Ausgänge, die er für Arbeit und Entlassungsvorbereitung nützt. Nach einiger Zeit wird bekannt, dass seine Freundin schwanger von ihm ist. Nun ist er völlig in Euphorie, spricht von der Verantwortung für ‚seine Familie’, möchte ein Haus bauen und eine Firma gründen. Als er nach der Entlassung seine Pläne tatsächlich Schritt für Schritt umsetzt, ist auch die Therapeutin zunehmend beeindruckt. Er ist bei der Geburt seiner Tochter dabei und kümmert sich während des Wochenbettes rührend um Mutter und Kind. Mit Hilfe seiner Eltern erwirbt er ein altes Bauernhaus und saniert dieses mit eigener Körperkraft. Aufgrund seiner besonderen technischen Fähigkeiten kann er tatsächlich eine Firma gründen und freut sich über seine ersten Kunden. Die Pädophilie ist in der Therapie nur noch als schattenhafte Erinnerung an eine unerfreuliche Vergangenheit präsent. Die Therapeutin gewinnt zunehmend die Überzeugung, dass hier eine tatsächlich heilende Nachreifung gelungen ist. Als ihr der Patient – jetzt schon ganz Geschäftsmann – einmal besonders preisgünstige Druckerpatronen verkaufen will, willigt sie in das Geschäft ein, ohne den Übergriff wirklich zu bemerken, mehr in dem Bewußtsein, seine positive Entwicklung durch diese Handlung quasi in der Realität anzuerkennen und dem Patienten dadurch eine letzte Stabilisierung in seiner neuen Struktur zu vermitteln. „Das Geschäft“ verändert jedoch die Therapie, die zunehmend zu einem reinen Erfolgsbericht verkommt. Die Therapeutin ist verstrickt und versucht, ihre halbbewussten Zweifel an den „Erfolgen“ des Patienten zu übergehen. Sie stimmt zu, als der Patient die Therapiefrequenz von zwei auf eine Wochenstunde verringern will. Obwohl ihr die Therapie immer flacher und leerer erscheint, versucht sie sich damit zu beruhigen, dass dies vielleicht das Zuendegehen einer erfolgreichen Therapie anzeigt. 19 Als der Patient eines Tages nicht zur Therapiesitzung erscheint und sie durch telefonische Nachforschung von seiner Verhaftung erfährt, ist sie vollkommen überrascht, ja eigentlich erschlagen. Der Patient hatte seit einem halben Jahr mehrere minderjährige Buben sexuell missbraucht und dafür ausgerechnet jene Zeit verwendet, in der früher die zweite Therapiestunde statt gefunden hatte. Er hatte seiner Frau nämlich nichts von der Frequenzverringerung erzählt und die Zeit für seine pädophilen Kontakte genutzt. Auch seine beruflichen Errfolge stellten sich als z.T. erfunden heraus. Was wir hier sehen können, ist zunächst eine stark ausgeprägte, aber eigentlich nicht untypische Spaltungsübertragung, durch die die perversen Anteile des Patienten zunehmend aus der Therapie „draußen“ gehalten werden und nur noch die relativ gesunden, starken Anteile überbleiben. Der Patient kann die Hilfe, die ihm während seiner suizidalen Krise gewährt wurde, nicht mit einer dankbaren und abhängigen Haltung beantworten, sondern flüchtet sich in die scheinbare „Gesundheit“. Da er dadurch von der Therapeutin natürlich zunehmend weniger Halt und Hilfe erfährt, entsteht in ihm auch Wut auf die Therapeutin, weil sie ihm „auf den Leim geht“ und nicht merkt, wie sich hinter seinen äußerlichen Erfolgen längst wieder ein riesiges Loch auftut, das er nur mit seiner Perversion füllen kann. Und nun beginnt die Perversität in der Übertragung: Er stellt der Therapeutin eine Falle. Wenn sie das Angebot annimmt, von ihm billige Druckerpatronen zu kaufen, dann hat sie quasi zugegeben, korrupt bzw pervers zu sein, weil sie die therapeutische Beziehung missbraucht. Damit ist für ihn auch bewiesen, dass er erstens keine Hilfe in seiner Perversionsanfälligkeit erhalten kann, und zweitens hat er damit die beste Rechtfertigung für seinen Missbrauch der Therapie. In nachträglichen Supervisionsstunden konnte heraus gearbeitet werden, dass die Therapeutin bestimmte Gegenübertragungsgefühle ausgeblendet hatte. Im Grunde war ihr die ganze Beziehung zu dem Mädchen und dann deren Schwangerschaft schon „zu glatt“ erschienen. Sie hatte dies ein paar Mal angesprochen, sich aber immer wieder relativ leicht beschwichtigen lassen. Das Gleiche galt für die beruflichen Erfolge des Patienten. Obwohl die Therapeutin Zweifel hatte, brachte sie es nicht fertig, den Patienten mit dem Verdacht zu konfrontieren, dass er sie anlügen könnte. Zu sehr war sie angesteckt von dem demonstrativen Optimismus des Patienten, der natürlich auch ihren eigenen Stolz erregte und sie vor dem Gedanken zurück schrecken ließ, dies alles könnte nur eine große Luftblase sein. Natürlich hatte sie bei dem Druckerpatronen-Geschäft auch ein schlechtes Gefühl, und fragte sich, was sie da mache. Aber alle diese kritischen Fragen wurden wie vernebelt und zerstäubt durch den perversen Sog der Ereignisse, der durch die panikbesetzte Selbstsuggestion ausgelöst wurde: Das kann doch nicht alles erfunden, erstunken und erlogen sein! Die Unerträglichkeit der Vorstellung, so vollkommen belogen und betrogen zu werden, lähmte aber nicht nur das Denken der Therapeutin, sondern vorher schon war sie es gewesen, die es dem Patienten unmöglich machte, sich auf seine vertrauensvollen Selbstanteile zu verlassen. Vielmehr wurden diese in die Geiselhaft jenes zynischen Selbst genommen, das die Therapeutin gezielt in die Falle lockte, nur um sich zu beweisen, dass alle Menchen korrupt sind, und man daher blöd wäre, würde man nicht der versuchen, der bessere Betrüger zu sein. Entscheidend für die Behandlung nicht nur der psychpathischen Übertragung, sondern auch der Perversität in der Übertragung sind daher 20 a) die Sensibilität des Therapeuten gegenüber der eigenen Gegenübertragung bzw. seine Fähigkeit, die eigenen Gefühle daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie abgespaltene, verheimlichte und/oder perverse Aspekte in der Übertragung reflektieren; b) die Fähigkeit des Therapeuten, eigene korrupte und perverse Anteile bewusst zu machen und deren Aktivierung auf die momentane Situation in der Übertragung/Gegenübertragung zu beziehen; c) der Mut und das Geschick des Therapeuten, den Patienten auf eigene Zweifel und Bedenken anzusprechen bzw. ihn damit zu konfrontieren, auch wenn diese nicht auf objektive Fakten, sondern nur auf bestimmte Gegenübertragungsreaktionen gestützt werden können. Auf die Konfrontation durch den Therapeuten kann der Patient verschieden reagieren. Manche sind über die Zweifel des Therapeuten aufrichtig besorgt, obwohl es ihnen auch weiterhin schwerfällt, abgespaltene Aspekte der Realität in die Therapie zu bringen. Andere behaupten, über bestimmte Dinge nicht in der Therapie reden zu wollen. Beide Reaktionsformen sind in der Weise bearbeitbar, dass die Gründe für die Schwierigkeiten bzw. die Weigerung des Patienten, bei der Behandlung mitzuarbeiten, analysiert werden. Noch andere lügen und manipulieren aber einfach unbeeindruckt weiter und erklären die Zweifel des Therapeuten zu ausschließlich dessen Problem. Bei all diesen Patienten findet man meist (in stärkerem oder schwächerem Ausmaß) die innere Überzeugung, dass primär der Therapeut unaufrichtig oder pervers ist, und ihn nur aus finanziellen oder Prestigegründen behandelt bzw. dass er aus Aspekten der Behandlung perverse Lust bezieht. Der Patient mit dieser Überzeugung versucht, eine Gelegenheit zu inszenieren, bei der er dies beweisen kann. Solche Patienten gehen davon aus, dass jede Nähe und jedes Vertrauen trügerisch sind, dass sie sich der Bedrohung durch den Therapeuten nur durch vordergründige oder formale Unterwerfung unter seine Regeln und durch die Inszenierung seiner Entlarvung erwehren können. Nur eine rechtzeitige Analyse des Misstrauens, des Hasses und der Ängste vor Intimität und Abhängigkeit können diese inneren Überzeugungen aufweichen. Gar nicht selten verwandelt sich die Perversität in der Übertragung, wenn sie rechtzeitig thematisiert werden kann, in eine paranoide Übertragung. Der Patient sieht zwar nun ein, dass die Therapie Offenheit und Ehrlichkeit erfordert, er fürchtet dadurch jedoch vom Therapeuten angegriffen und sadistisch behandelt zu werden. Er ist fest überzeugt, dass ihn der Therapeut für sein ‘Nachgeben’ verachten und daher bestrafen wird. Der Umgang mit paranoiden Übertragungen ist i9m TFP-Manual ausführlich beschrieben, sodass an dieser Stelle darauf verwiesen werden kann (Clarkin et al. 1999, 164f. und 190f.) Zusammenfassung Der Hintergrund dieses Artikels sind die Bemühungen, die übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) für den forensischen Kontext fruchtbar zu machen. In zahlreichen Diskussionen darüber wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob sich die Arbeit mit der Übertragung bei der Behandlung von 21 forensischen Patienten von jener in der normalen TFP unterscheidet. In diesem Artikel wird ein spezieller Punkt dieser Fragestellung genauer beleuchtet. Dabei geht es darum, die besonderen Übertragungsformen und Übertragungs-/Gegenübertragungskomplikationen zu untersuchen, die bei der Behandlung von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen und zusätzlichen perversen Manifestationen auftreten. Diese Frage erscheint für die psychodynamische forensische Psychotherapie von besonderer Relevanz, da diese kombinierte Psychopathologie bei Sexualstraftätern relativ häufig auftritt. Zunächst wurde die psychoanalytische Literatur danach durchsucht, welche Beobachtungen und theoretischen Konzeptualisierungen perverser Übertragungsmanifestationen sich dort finden, insbesondere wie sich diese Phänomene in der historischen Entwicklung des psychoanalytischen Denkens und – davon nicht zu trennen – in den verschiedenen schulenspezifischen Kontexten widerspiegeln. Auf dem Hintergrund des für die TFP maßgeblichen integrativen objektbeziehungstheoretischen Ansatzes werden die Ergebnisse dieses synoptischen Überblicks strukturiert und geordnet. In einem zweiten Schritt wird versucht, das Verständnis der Übertragungsmuster, das Kernberg und die anderen TFP-Autoren für die Behandlung von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation entwickelt haben, mit dem Verständnis der perversen Übertragung zu verbinden. Dabei werden drei besondere Ausprägungen detaillierter untersucht, nämlich sadomasochistische Übertragungen im Rahmen einer Borderline-Pathologie, narzisstischperverse Übertragungen und der Zusammenhang von Psychopathie und Perversität in der Übertragung. Für diese Ausprägungen wurden auch klinische Vignetten dargestellt und diskutiert. Im Ergebnis kann gesagt werden, dass die Arbeit mit perversen Übertragungen in den allgemeinen Rahmen der TFP-spezifischen Konfrontations- und Deutungstechniken integrierbar ist, dass sie aber auf Seiten des Therapeuten eine spezifische Reflektiertheit bezüglich der Wahrnehmung korrupter und perverser Selbstanteile und entsprechender projektiver Identifikationen durch den Patienten erfordert. Es wurde auch darauf hin gewiesen, dass bereits in der Diagnostik bestimmte zusätzliche Fragestellungen berücksichtigt werden sollten. Auf die Besonderheiten des therapeutischen Rahmens, insbesondere des Therapievertrages, wird in einem anderen Artikel dieses Bandes ausführlich eingegangen. Fritz Lackinger 80.516 Zeichen 22 Literatur Arlow, J. A. (1971): Character Perversion. In: Marcus, I. M. (1971, Ed.): Currents in Psychoanalysis. New York : International Universities Press 1971. Baker, R. (1994): Psychoanalysis as a Lifeline: A Clinical Study of a Transference Perversion, IJP 75:743-753. Kopie Berner, W. (1985): Das Selbstvertauschungsagieren Pädophiler. In: Psychotherapie und medizinische Psychologie 35, 17-23, 1985. Berner, W. (2000): Zur Differenzierung der Behandlung paraphiler Störungen. Zeitschrift für Sexualforschung, 13, 2000/3. Carignan, L. (1999): The Secret. Study of a Perverse Transference. IJP 80:909-928. Chasseguet-Smirgel, J. (1984): Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA 1989. Clarkin, J. F./Yeomans, F. E./Kernberg, O. F. (1999): Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeit. Manual zur psychodynamischen Therapie. Stuttgart – New York: Schattauer 2001. Coen, S.J. (1981): Sexualisation as a predominant mode of defense. JAPA 39: 329-415. Compton, A. (1986): Neglected Classics: Hanns Sachs's "On the Genesis of Perversions. PQ, 55:474-492 Dammann, G./Benecke, C. (2007): Psychodynamisch-orientierter Umgang mit Sexualisierungen von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. In: Dulz, B./ Benecke, C./ Knauerhause, N. (2007, Hrsg.): BorderlineStörungen und Sexualität. Stuttgart – New York: Schattauer. Etchegoyen, R. H. (1978): Some Thoughts on Transference Perversion, IJP 59:45-53. Kopie Etchegoyen, R. H. (1991): The Fundamentals of Psychoanalytic Technique. Chapter 14: Perverse Transference. Revised Edition. London 1999. Fenichel, O. (1931): Perversionen, Psychosen, Charakterstörungen. Psychoanalytische spezielle Neurosenlehre. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. Ferenczi, S. (1933): Sprachverwirrung zwischen den Erwachsenen und dem Kind. Die Sprache der Zärtlichkeit und der Leidenschaft. Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, XIX (1933), 1/2. Fornari Spoto, G. (2003): „In Benommenheit schwelgen“. Die Analyse eines narzisstischen Fetischs. Jahrbuch der Psychoanalyse, Band 46 (2003). Frank, C. (2003): „Ver-rückt“ – Realisieren perverser Momente in Übertragung und Gegenübertragung. Jahrbuch der Psychoanalyse, Band 46 (2003). Freud, S. (1892-93a): Ein Fall von hypnotischer Heilung nebst Bemerkungen über die Entstehung hysterischer Symptome durch den "Gegenwillen". G.W., Bd. 1, 3-17. Freud, S. (1905d): Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. G.W., Bd. 5, 27-145. Freud, S. (1922b): Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität. G.W., Bd. 13, 193-207. Freud, S. (1912b): Zur Dynamik der Übertragung. G.W., Bd. 8, 364-374. Freud, S. (1919e): „Ein Kind wird geschlagen“. G.W., Bd. 12, 195-226. Freud, S. (1923a): “Psychoanalyse” und “Libidotheorie”. In: Handwörterbuch der Sexualwissenschaft (hgg. v. M. Marcuse). G.W., Bd. 13, 209-233. Freud, S. (1924c): Das ökonomische Problem des Masochismus. G.W., Bd. 13, 369-384. 23 Freud, S. (1927e): Fetischismus. G.W., Bd. 14, 309-318. Freud, S. (1940e): Die Ichspaltung als Abwehrvorgang. G.W., Bd. 17, 57-62. Goldberg, A. (1995): The Problem of Perversion. The View from Selfpsychology. New haven – London: Yale University Press 1995. Goldberg, A. (1997): Perversion aus der Sicht psychoanalytischer Selbstpsychologie. Psyche, 52, 1998/8. Golder, E.-M. (1998): Zur Übertragung in einem Fall von Perversion. In: Jahrbuch für klinische Psychoanalyse 1, Tübingen 1998. Grossman, L. (1993): The Perverse Attitude Towards Reality. PsaQ 62:422-436. Joseph, B. (1971): Ein klinischer Beitrag über die Analyse einer Perversion. In: Joseph, B. (1959-89): Psychisches Gleichgewicht und psychische Veränderung, Stuttgart 1994. Kernberg, O. F. (1975): Borderline-Störungen und pathologischer narzissmus. Fft/M: Suhrkamp 1983. Kernberg, O. F. (1984): Schwere Persönlichkeitsstörungen. Theorie, Diagnose, Behandlungsstrategien. Stuttgart: Klett-Cotta 1985. Kernberg, O. F. (1985): Ein konzeptuelles Modell zur männlichen Perversion. Forum Psychoanalyse (1985) 1/167-188. Kernberg, O. F. (1988): Clinical Dimensions of Masochism, in: JAPA 36:1005-1029. Kernberg, O. F. (1992): Wut und Haß. Über die Bedeutung von Aggression bei Persönlichkeitsstörungen und sexuellen Perversionen. Stuttgart: Klett-Cotta 1997. Kernberg, O. F. (1993): Sadomasochismus, sexuelle Erregung und Perversion. ZfpsaThP VIII, 4/1993. Kernberg, O. F. (2001): Affekt, Objekt und Übertragung. Gießen: Psychosozial-Verlag 2002. Kernberg, O. F. (2004): Narzissmus, Aggression und Selbstzerstörung. Fortschritte in der Diagnose und Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen. Stuttgart: Klett-Cotta 2006. Khan, M. M. R. (1962): Die Rolle polymorph-perverser Körpererfahrungen. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1964): Intimität, Komplizenschaft und Gemeinsamkeit in der Perversion. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1965): Der Fetisch als Negation des Selbst. Klinische Bemerkungen über Vorhaut-Fetischismus bei einem Homosexuellen. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1968): Die Wiedergutmachung am Selbst als idolisiertem inneren Objekt. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1969): Die Rolle des ‘montierten’ inneren Objekts. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1973): Kannibalische Zärtlichkeit in der nicht-genitalen Sinnlichkeit. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1976): Vom Masochismus zum seelischen Schmerz. In: Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Khan, M. M. R. (1979): Entfremdung bei Perversionen. Fft/M: Suhrkamp 1989. Klein, H. S. (1984): Delinquent Perversion. Problems of Assimilation : A clinical Study. IJP 65:307-314. Klein, M. (1932): Die Psychoanalyse des Kindes. Gesammelte Schriften. Band I. Stuttgart – Bad Cannstadt 1995-2000. 24 Kohut, H. (1971): Narzißmus. Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen. Fft/M: Suhrkamp 1973. Kohut, H. (1972): Perversions. Internet Lecture 1, Selfpsychology Page. http://www.selfpsychology.org/lectures/perversions.htm. Kohut, H. (1975): Überlegungen zum Narzißmus und zur narzißtischen Wut. Psyche 27 (1973): 513-554. Kohut, H. (1977): Die Heilung des Selbst. Fft/M 1981. Kramer Richards, A. (1995): Ladies of fashion: pleasure, perversion and paraphilia, in: The International Journal of Psycho-Analysis, Vol. 77, part 2, April 1996. Kramer Richards, A. (1997): Perverse Transference and Psychoanalytic Technique: An Introduction to the Work of Horacio Etchegoyen, in: Ahumada, J. L./Olagaray, J./Kramer Richards, A./Richards, A. D. (1997): The Perverse Transference and Other Matters. Essays in Honor of R. Horacio Etchegoyen, Aronson 1997. Lackinger, F. (2005): Persönlichkeitsorganisation, Perversion und Sexualdelinquenz. Psyche, 59, 2005/11. Mancia, M. (1993): The Absent Father: His Role in Sexual Deviations and in Transference. IJP 74:941-950. Marshall, W. L./Anderson, D./Fernandez, Y. (1999): Cognitive-Behavioral Treatment of Sexual Offenders. 1999. Meltzer, D. (1966): Die Beziehung der analen Masturbation zur projektiven Identifizierung. In: Spillius, E. B. (1988, Hg.): Melanie Klein heute, Entwicklungen in Theorie und Praxis, Bd.1, Beiträge zur Theorie, München – Wien 1990. Meltzer, D. (1973): Sexual States of Mind. Pertshire 1990. Meltzer, D. (1992): Das Claustrum. Eine Untersuchung klaustrophobischer Erscheinungen. Tübingen: edition diskord, 2005. Minerbo, V. (1997): The Role of Self-Analytic Elucidation of Countertransference in the Technical Handling of Transference Perversion. In: Ahumada, J. L./Olagaray, J./Kramer Richards, A./Richards, A. D. (1997): The Perverse Transference and Other Matters. Essays in Honor of R. Horacio Etchegoyen. Aronson 1997. Morgenthaler, F. (1974): Die Stellung der Perversionen in Metapsychologie und Technik. In: ders. (1984): Homosexualität, Heterosexualität, Perversion, Fft/M 1985. Morgenthaler, F. (1977): Verkehrsformen der Perversion und die Perversion der Verkehrsformen. In: ders. (1984): Homosexualität, Heterosexualität, Perversion, Fft/M 1985. O’Shaughnessy, E. (2003): Eine invasive projektive Identifizierung. Wie Patienten in Denken und Fühlen des Analytikers eindringen. Jahrbuch der Psychoanalyse, Band 46 (2003). Ogden, Th. H. (1996): Das perverse Subjekt in der Analyse. In: Ogden, Th. H. (1997): Analytische Träumerei und Deutung. Zur Kunst der Psychoanalyse. Wien – New York: Springer Verlag 2001. Rohde-Dachser, Ch. (1979): Das Borderline-Syndrom. Bern – Stuttgart – Toronto: Verlag Huber 1991. Rosenfeld, H. (1952): Transference-phenomena and transference-analysis in an acute catatonic schizophrenic patient. Int. J. Psycho-Anal. 33. Rosenfeld, H. (1964): Zur Psychopathologie des Narzißmus. In: Rosenfeld, H. (1947-1966): Zur Psychoanalyse psychotischer Zustände, Fft/M 1981. Rosenfeld, H. (1971): Beitrag zur psychoanalytischen Theorie des Lebens- und Todestriebes aus klinischer Sicht: Eine Untersuchung der aggressiven Aspekte des Narzissmus. In: Spillius, E. B. (1988, Hg.): Melanie Klein heute, Entwicklungen in Theorie und Praxis, Bd.1, Beiträge zur Theorie, München – Wien 1990. 25 Rosenfeld, H. (1975): Negative therapeutic reaction. In: Giovacchini (Hg.): Tactics and Techniques in Psychoanalytic Therapy, Bd.II, Countertransference. New York Jason Aronson, 217-228. Sachs, H. (1923): Zur Genese der Perversionen. Int. Z. f. Psa. 9 (1923), 172-182. Sohn, L. (2003): Von psychotisch bis normal – verschiedene Übertragungsmanifestationen und ihre Deutung. In: Sandler, A.-M./Segal, H./Sohn, L./Fornari-Spoto, G. (2004): Formen der Übertragung. Wien: Facultas 2004. Weiß, H. (2002): Über einige klinische Manifestationen des Todestriebes. Romantische Perversion, Masochismus und virtuelle Unsterblichkeit. Forum Psychoanal. 18, 2002/1, 37-50. Wilde, K. (2003): Die ewige Wiederkehr des Gleichen. Aspekte einer Perversion. Jahrbuch der Psychoanalyse, Bd. 46, Stuttgart 2003. Winnicott, D. W. (1947): Haß in der Gegenübertragung. In: Ders. (1958): Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse, Fft/M 1997. Winnicott, D. W. (1956): On transference. IJP 37:386-388. Winterhalter, M./Kläui, Chr. (1998): Perversion und perverse Phantasien. Bericht und Kommentar zu einem Grenzfall. Jahrbuch für klinische Psychoanalyse 1, Tübingen 1998. Wurmser, L. (2002): „Ein bedeutendes Stück fehlt“. Ein Beitrag zur Psychoanalyse der Charakterperversion. Jahrbuch der Psychoanalyse, Bd. 44, Stuttgart 2002. 26