1 Rechtschulen und Rechtquellen Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 2 1.1 Fiqh 1.2 Sharia 2 2 DIE QUELLEN DES ISLAM 2 2.1 Die primären Quellen 2.1.1 Der Quran 2.1.2 Die Sunne 2 3 4 2.2 Die sekundären Quellen 2.2.1 Nicht umstrittene sekundäre Quellen 2.2.1.1 Al-Qijaas (der Analogieschluss) 2.2.1.2 Al-Idschmaa (der Konsens der Gelehrten) 2.2.1.3 Al Urf (die Bräuche und Sitten des Landes) 2.2.2 Umstrittene sekundäre Quellen 6 6 6 7 7 7 3 DIE RECHTSCHULEN 8 3.1 Kurz zu der Entstehung: 9 3.2 Die Fiqh-schulen 3.2.1 Hanafiten 3.2.2 Malikiten 3.2.3 Shafiiten 3.2.4 Hanbaliten 3.2.5 Djafariten (Schiiten) 3.2.6 Rechtschulenschulen: Charakteristika-Tabelle 10 11 12 12 12 13 13 4 ANHANG 14 4.1 Kurze Biographien 4.1.1 Abu Hanifa 14 14 2 1 Einleitung Das Verstehen dieser Thematik verlangt zunächst einmal das Begreifen einiger grundsätzlichen Begriffe in ihrer fachspezifischen Bedeutung: Fiqh – Sharia – Quran – Sunne – Konsens – Analogieschluss 1.1 Das islamische Recht • Linguistisch: Begreifen, verstehen • Fachspezifisch: Der Wissensgewinn über die praxisbezogenen Sharia-gemäßen Normen aus deren spezifischen Belegen. Mit anderen Worten bedeutet der Fiqh das Verstehen und das Nachvollziehen der Praxis des Islams aus seinen Quellen. Anders ausgerückt ist der Fiqh das kompetente Erstellen (durch Islamwissenschaftlern) von islamischen Normen, die auf die praktischen Handlungen des Muslim bezogen sind (also hat nichts mit den inneren Überzeugungen zu tun) aus den primären und sekundären Quellen des Islam. 1.2 Die Sharia Die Sharia ist die Gesamtheit der Gebote und Verbote des Islam. Sie beinhaltet Praktischbezogenes sowie spirituelles. Die Sharia darf auf keinen Fall mit folgenden deutschen Ausdrücken übersetzt werden, da sie sie auf das Minimale reduzieren: aIslamisches Rechtschulen bIslamische Gesetzgebung cIslamische Gesetze Diese Übersetzungen beschränken sich auf Gesetze und Paragraphen, die aus dem Islam und dem Quran bloß ein Gesetzesreligion bzw. Gesetzesbuch machen und ihm jegliche Spiritualität wegnehmen. Betrachten wir den Islam in seiner Gesamtheit, finden wir einen Anteil an Gesetzen (StrafRechtschulen, ZivilRechtschulen, VölkeRechtschulen etc.) von nicht mehr als 8%. Der Islam ist keine Gesetzesreligion, viel mehr ist er eine Religion und Lebensweise, die viel Spiritualität, Toleranz, Würde, GeRechtschulenigkeit, Liebe, GleichbeRechtschulenigung, Moral, Emotion… etc. beinhaltet. 2 Die Quellen des Islam 2.1 Die primären Quellen 3 Unter Primären Quellen versteht man die authentischen Quellen, welche direkt auf Allah (Gott) als Urheber beziehen. Im Islam spricht man von dem Quran als das direkte und wortwörtliche Wort Gottes und von der Sunna als die indirekten - inhaltlich von Gott, sprachlich vom Propheten stammenden - Worte. 2.1.1 Der Quran • Der Quran ist das arabische Wortlaut, das dem Propheten Muhammed sas von Allah durch Gschibril offenbart (Wahy) wurde, dessen Rezitation ein Gottesdienst darstellt, das ein Wunder darstellt und eine Herausforderung für alle Menschen bis zum Jüngsten Tag darstellt. Es ist das direkte Wort Allahs sowohl im Ausdruck, als auch im Inhalt. • Der Koran, die absolut erstrangige Quelle, gilt für die Muslime als das direkte Wort Gottes und ist ihrer Überzeugung nach als solches ohne geringste Anzweiflung des Wortlautes und des Inhaltes überliefert worden: Die allerwichtigste Konsequenz daraus ist, dass Gott und nur er - nicht etwa Muhammad oder ein anderer - der eigentliche Verfasser ist. Für manche Islamvertreter erwächst daraus die Unmöglichkeit seiner Interpretation durch Menschen. Das ist jedoch ein großer Irrtum, da Gott diesen Quran für die Menschen konzipiert hat und Er ihn für sie nicht interpretiert hat. Somit liegt die Interpretation bei den Menschen vor allem, weil ihre Bedürfnisse und ihre Lebensbedingungen sich ändern und entwickeln. Eine einzige Interpretation bedeutet das Stehenbleiben der Menschheit auf einer und dieselbe Entwicklungsstufe, was sicherlich nicht im Geringsten der Absicht Gottes entsprechen kann. • Der Koran, als Wort Gottes, weist in seinen Geboten unterschiedliche Haltungen auf. In ihm gibt es: 1. konkrete präzise Vorschriften, die in den Fiqh-Büchern als feste Normen übernommen worden sind: Rituelle Gebete, Bestimmungen zum Fasten, Bestimmungen zum Pilgern, Eheschließung etc. 2. allgemeine Bestimmungen, deren Konkretisierung und Präzisierung weiterer näherer Bestimmungen bedürfen: die Vorschriften des EigentumsRechtschulenes, KaufRechtschulenes etc. Diese Bestimmungen haben einen allgemeinen Charakter und sind der Zeit und der Verschiedenheit der Situationen unterworfen. Auch die Kultur und die Tradition spielen dabei eine Rolle. 3. Mehrdeutige und ähnliche Aussagen, die eine Interpretation bedürfen. Diese Interpretation geschah entweder vom Propheten oder von Exegeten seiner Zeit oder der Zeit unmittelbar nach seinem Tod. Selbstverständlich dürfen diese Aussagen immer neu interpretiert und gedeutet werden, weil eben die Entwicklung und die menschliche Progression ständig in einem Wandel ist, der auch ständige Aktualisierung erzwingt. Ansonsten droht die Gefahr des Stehenbleibens und der Erstarrung. Z. B.: ﺍاﻥن ﺍاﻟﺪﻳﯾﻦ ﻋﻨﺪ ﷲ ﺍاﻻﺳﻼﻡم- Bei Allah ist die Religion mit dem Islam gleichzusetzen. 4 4. Indizienartige Aussagen, die allein und als solche betrachtet, nichts vorschreiben, aber als Indiz für Richtigkeit und Unrichtigkeit der in der Sunna vorkommenden Vorschriften. Z. B.: (Faater 35:28) ﺇإِﻧﱠ َﻤﺎ ﻳﯾَ ْﺨﺸَﻰ ﱠ- Ehrfurcht empfinden gewiss die wissenden Untertanen َ ِﻣﻦْ ِﻋﺒَﺎ ِﺩد ِﻩه ﭐٱ ْﻟ ُﻌﻠَ َﻤﺎ ُء3ﭐٱ Allahs als Indiz für die in der Sunna bekannte Verpflichtung zum Wissenserwerb: In der Sunna: ً " ﻣﻦ ﺳﻠﻚ ﻁطﺮﻳﯾﻘﺎ: ﺳﻤﻌﺖ ﺭرﺳﻮﻝل ﷲ ﺻﻠﻰ ﷲ ﻋﻠﻴﯿﻪﮫ ﻭوﺳﻠﻢ ﻳﯾﻘﻮﻝل: ﻭوﻋﻦ ﺃأﺑﻲ ﺍاﻟﺪﺭرﺩدﺍاء ﺭرﺿﻲ ﷲ ﻋﻨﻪﮫ ﻗﺎﻝل ... ﺳﻬﮭﻞ ﷲ ﻟﻪﮫ ﻁطﺮﻳﯾﻘﺎ ً ﺇإﻟﻰ ﺍاﻟﺠﻨﺔ،٬ ً ﻳﯾﻠﺘﻤﺲ ﻓﻴﯿﻪﮫ ﻋﻠﻤﺎ ()ﺃأﺑﻮ ﺩدﺍاﻭوﺩد ﺑﺴﻨﺪ ﺣﺴﻦ Abu Dardaa berichtet, dass der Prophet sas sagte: „Wer einen Weg zum Erwerb von Wissen geht, dem erleichert Allah den Weg zum Paradies“ Abuu Daawuud, gut Im Quran: ﻓَﺎ ْﻋﻠَ ْﻢ ﺃأَﻧﱠﻪﮫُ َﻻ ﺇإِ ٰﻟَﻪﮫَ ﺇإِ ﱠﻻ ﱠ ُﷲ Und stelle durch Wissen fest, dass es keinen Gott außer Allah gibt 5. Die Zurückhaltung (bzw. das Schweigen) des Korans in den Fällen, für die irgendeine Vorschrift zu erwarten wäre, wird von den islamischen Fiqh-schulen entweder als Aufforderung der Muslime zur eigenständigen Bemühung betrachtet (natürlich nur im Geiste und im Rahmen des islamischen Geistes und dies auch nur für den Fall, dass auch die Sunna darüber nichts aussagt) oder als positives Zeichen dafür, dass den Menschen in dem betreffenden Fall eine absolute Handlungsfreiheit eingeräumt wird. Die unterschiedlichen Aussagearten des Korans (vor allem von Punkt 2 bis 5) lassen Tür und Tor für die Bemühung (Idschtihaad) und den Fleiß offen, die angefangen von Muhammad sas selbst über seine Gefährten bis hin zu den Gründern der Fiqh-schulen und ihren Hauptvertretern voll genutzt wurden. 6. Aussagen, die als Kontrolle für die Richtigkeit oder Falschheit der Sunna des Propheten. Diese werden wie folgt am Quran gemessen: „Akzeptiert wird das, was mit dem Koran übereinstimmt, bzw. dem Koran nicht widerspricht und verworfen wird alles, was im Widerspruch mit ihm steht." 2.1.2 Die Sunna Die Sunna bedeutet fachspezifisch die verbindlichen verbalen Äußerungen, Bestätigungen und Handlungen Muhammads sas. Somit unterteilt sie sich in der handlungsbezogene (Sunna filiyya) und der verbalen (sunna qauliyya). Aus beiden ergeben sich Bestimmunen und Verpflichtungen für die Muslime, wenn die Überlieferung als richtig bewiesen ist. • Sie gilt als die zweite primäre Quelle jedoch unter dem Koran eingestufte. 5 • Sie gilt als Inspiration oder Eingebung von Allah an Muhmmed sas. Ihr Inhalt ist von Allah, ihre Formulierung hingegen vom Propheten selbst sas. Ein Teil von ihr ist absolut authentisch, da die Überlieferung keine Lücken vorweist und die Überlieferer alle Bedingungen des würdigen Überlieferers erfüllen. Dieser Teil drückt den göttlichen Willen Allahs aus; Die Korrektheit mancher Überlieferungen wird angezweifelt. Dieser Zweifel besteht für den Quran nicht, da er ununterbrochen und korrekt überliefert wurde. • Man spricht diesbezüglich vom Phänomen des Tawaatur, als die größte Garantie für die 100-prozentige Richtigkeit und Korrektheit der Überlieferung. Tawatur bedeutet, dass eine Aussage wortwörtlich von einer sehr großen Menge von Menschen in jeder Generation überliefert wurde. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit der Abmachung und des Betrugs ausgeschlossen. Der gesamte Quran ist in dieser Form überliefert worden und bereits in den ersten Jahren nach dem Tod des Propheten sas zur Absicherung niedergeschrieben worden. Somit spricht man vom Hadith (Überlieferung) mutawaatir. • Man spricht auch von diesbezüglich vom Hadith ahaad. Das ist eine Aussage, die von nicht vielen Menschen in jeder Generation überliefert worden ist. Dadurch ist es möglich, dass diese Aussage nicht 100-korrekt ist. Die Islamischen Wissenschaftler haben zur Überprüfung dieser ahaad-Aussagen die Hadithwissenschaft entwickelt. In dieser Wissenschaft werden u.a. die Überlieferungsketten genau untersucht und die Lücken entdeckt. Auch die Biographien aller erdenklichen Überlieferer werden studiert und Mängel festgelegt. Diese Mängel beziehen sich auf Folgendes: 1. Vertrauenswürdigkeit: Es wird untersucht, ob der Überlieferer als vertrauenswürdiger Mensch galt 2. Das Erinnerungsvermögen: Es wird untersucht, ob es über einem Überlieferer zu irgendeinem Zeitpunkt bekannt war, dass er u.a. vergesslich wurde. Ab dem Zeitpunkt seiner Erinnerungsschwäche wird von ihm keine Überlieferung akzeptiert. 3. Der Glaube: Es wird auch nachgeforscht, ob über den Überlieferer permanentes tadelloses islamisches Verhalten bekannt ist. Kleinste Abweichungen vom erwünschten Verhalten sollten zum Verwerfen seiner Überlieferung führen. • Ihrer interpretatorischen Funktion nach ist die Sunna mehr danach ausgerichtet, konkrete Bestimmungen zu geben oder die allgemeinen Anweisungen des Korans zu präzisieren. • Zum Umgang mit Sachverhalte und Bestimmungen, die weder im Qiúran noch iin der Sunna zu finden sind gilt Folgendes: o Alle Bestimmungen und Vorschriften, die dem Koran und der Sunna nicht widersprechen, können aufgenommen werden, wie z. B. (um auf ein aktuelles Thema hinzuweisen) Bestimmungen, die das Post- und Zollwesen und dergleichen benötigen. o Dahingegen wird z. B. die Aufnahme der weit verbreiteten Versicherungsbestimmungen nicht aufgenommen, obwohl weder der Quran noch die Sunna sie 6 behandelt haben. Der Grund dafür liegt darin, dass das Versicherungswesen grundsätzlich mit dem Zinsverbot und dem später ausgearbeiteten islamischen Vertragswesen in Konflikt kommt. Hierzu zeichnet sich seit einigen Jahren ein neuer Ansatz der Islamisierung solcher Institutionen ab, der dahin geht, sowohl diese Institutionen wie auch das islamische Zinsverständnis in allen damit zusammenhängenden Elementen zu analysieren, um einen neuen Weg zu finden, der dem Koran und der Sunna entsprechen kann. 2.2 Die sekundären Quellen 2.2.1 Nicht umstrittene sekundäre Quellen 2.2.1.1 Al-Qijaas (der Analogieschluss) Der Analogieschluss bedeutet das Übertragen von etwas Bekanntem auf etwas Bekanntes, da beide nach Meinung des Übertragenden (der Gelehrte) über die gleiche ’lla (gemeinsame Merkmal) verfügen. Das heißt: die fachliche Übertragung von (im Quran oder in der Sunna) vorhandenen Bestimmungen und Regeln auf neue Lebenssituationen, das der Grund der Bestimmung in beiden Situation gleich oder ähnlich ist; z. B. der Grund des Verbotes oder der Zulassung existiert in beiden Situationen gleich oder ähnlich. Im Gegensatz zum Koran und zur Sunna darf der Qijaas aus folgenden Gründen nur als sekundäre Quelle gelten: 1. Er nimmt im Vergleich zum Koran und zur Sunna einen nur sekundären Rang ein: Er kommt als Quelle nämlich erst dort in Frage, worüber im Koran und in der Sunna nichts vorliegt. Mit anderen Worten wird er in den Fällen angewendet, in denen eine Entscheidung notwendig ist, aber darüber weder im Koran noch in der Sunna etwas vorliegt. Beispiel 1: Das Rauchen von Zigaretten gab es nicht zur Zeit Muhameds sas. Also weder im Quran, noch in der Sunne findet man Normen diesbezüglich. Im Quran steht aber: َﻭو َﻻ ﺗُ ْﻠﻘُﻮﺍا ﺑِﺄ َ ْﻳﯾ ِﺪﻳﯾ ُﻜ ْﻢ ﺇإِﻟَﻰ ﺍاﻟﺘﱠ ْﻬﮭﻠُ َﻜ ِﺔ َﻭوﺃأَﺣْ ِﺴﻨُﻮﺍا ﺇإِ ﱠﻥن ﱠ {195:}ﺍاﻟﺒﻘﺮﺓة. َﷲَ ﻳﯾ ُِﺤﺐﱡ ﺍا ْﻟ ُﻤﺤْ ِﺴﻨِﻴﯿﻦ Und ihr sollt euch selbst nicht schaden und handelt auf die beste Art und Weise… ً ﻭوﻻ ﺗﻘﺘﻠﻮﺍا ﺃأﻧﻔﺴﻜﻢ ﺇإﻥن ﷲ ﻛﺎﻥن ﺑﻜﻢ ﺭرﺣﻴﯿﻤﺎ (an-Nissaa 4:29) Und tötet euch nicht selbst Allah ist euch gegenüber gnädig 7 Muhammed sas sagt: „fügt euch selbst und den anderen keinen Schaden“ (Al-Kaafii 5, 292) Somit ist klar, dass weder der Selbstschaden noch der Schaden anderer zugelassen sind. Dazu kommt noch, dass der Selbstmord als schwerwiegendes Vergehen gilt und hart bestraft wird. Die Wirkung von Zigarettenrauchen ist jedem bekannt und selbst die Tabakfabriken erwähnen ungeheure Folgen der Handlung. Das gemeinsame Merkmal zwischen dem Selbstmord, dem Selbstschaden, dem Schaden anderer und dem Zigarettenrauchen ist offensichtlich und somit wird der Verbot des Zigarettenrauchens per Analogieschluss beschlossen. Die Illa (das gemeinsame Merkmal) hier ist der Schaden und der indirekte absichtliche Mord. Beispiel 2 Der Quran verbietet das Trinken von Wein. Das Trinken von Bier ist per Analogie verboten, obwohl weder im Quran, noch in der Sunne die Rede davon ist. Da das Trinken von Beiden das gemeinsame Merkmal des Rauchzustandes hat oder haben kann sind beide verboten. 2.2.1.2 Al-Idschmaa (der Konsens der Gelehrten) Ein Großteil der anerkannten Gelehrten der islamischen sunnitischen Welt kommt zu einem einheitlichen Entschluss und baut darauf gemeinsam eine neue Norm bezüglich Situationen, für die weder im Quran, noch in der Sunne eine Äußerung gibt. Wenn hier der Analogieschluss nicht helfen kann bzw. nicht angewendet wird, wendet man den Idschmaa. 2.2.1.3 Al Urf (die Bräuche und Sitten des Landes) Die Sitten und die Bräuche eines Landes werden berücksichtigt, vor allem in den Bereichen, in denen der Islam ein Spielraum zulässt und solange sie nicht im Widerspruch zum Quran und zur Sunne stehen. Es werden manchmal Normen auf Grund von Sitten festgelegt und haben dann einen verbindlichen Charakter. Beispiel: Die Höhe der Brautgabe oder die Hochzeitsfeier 2.2.2 Umstrittene sekundäre Quellen 8 • ﺍاﻝلﺍاﺱسﺕتﻕقﺭرﺍاء: Die Induktion: eine methodische Vorgehensweise bei der Ableitung von Bestimmungen: von dem Spezifischen zum Allgemeinen. A ist ein Metall, das sich durch Erhitzen dehnt. B auch, C auch und D auch. Also alle Metalle dehnen sich durch Erhitzen. • Die Inspiration • Die Aussage des einzelnen Gefährten des Propheten • Al-Istishab: die Bestimmung bleibt erhalten, solange keine andere sie aufhebt oder korrigiert. Z. B. das Wasser behält die Eigenschaft des Reinigens bis das Gegenteil. bewiesen wird. Nützliche oder nicht schädliche Dinge sind grundsätzlich zugelassen, bis das Gegenteil bewiesen wird. Z. B. das Rauchen von Zigaretten ( zuerst makruuh (unerwünscht) wegen des Mundgeruchs und der kleine Geldverschwendung dann Verbot, da die Gefahren offensichtlich und bewiesen wurden) • Al-istihsan: Das Bevorzugen des stärkeren Beweises • Al-istislah: Die Berücksichtigung des Nutzens für die Menschen. Z.B. Den Verstand zu bewahren durch das Verbot des Rauschzustandes. 3 Die Rechtschulen Wir nennen diese Schulen Rechtschulenschulen und nicht wie gebräuchlich Rechtschulenschulen aus folgenden Gründen: • PS1: Der Begriff Rechtschulenschulen beschränkt sich nur auf Gesetze und Gesetzgebung und vernachlässigt jede Art von Spiritualität. Diese Fiqh-schulen behandeln sehr viel Spirituelles und wenig Gesetze im Sinne der Justiz. Deshalb ist diese Übersetzung sehr unglücklich • PS2: Das Wort Scharia bedeutet: Die Gesamtheit aller Gebote und Verbote des Islam. Sie beinhaltet spirituelles, Intermenschliche Beziehungen, sowie Straf-, Zivil- und VölkerRechtschulen. Der Anteil der juristischen Gesetze macht etwas 8% aus. Das Wissen über die Quellen des Islam ist notwendig, um die Unterscheidungsmerkmale zwischen den verschiedenen sunnitischen Rechtschulenschulen zu verstehen. Der Unterschied zwischen den verschiedenen sunnitischen Rechtschulenschulen liegt: 1. Im Verstehen und Auslegen der verschiedenen mehrdeutigen Belege aus Quran und Sunne, die sich auf die aktuellen Praxishandlungen des Muslim beziehen. 2. In der Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz, Qualifizierung und Anwendung der anderen oben genannten Quellen Hier geht es bei den 4 sunnitischen Fiqh-schulen nicht um verschiede Islamformen, sondern sie sind im Großen und Ganzen gleich, die Unterschiede aber liegen hauptsächlich in der Interpretation von Äußerungen, die nicht eindeutig sind. Mit anderen Worten, da wo der Text die Interpretation zulässt, haben die Islamologen interpretiert und sind auch zu verschiedenen Ergebnissen gekommen. Diese verschiedenen Ergebnisse widersprechen einander nicht, vielmehr variieren sie Spurenweise voneinander, ohne irgendwelche nennenswerten Einflüsse auf den Kern zu hinterlassen. 9 • Die Norm ist die Gleiche, die Details sind aber unterschiedlich. Beispiel 1: Die Norm ist, dass die Ehe die einzige legitime Form der Liebe und des Zusammenseins im Islam ist, allerdings verlangen manche bei der Eheschließung 2 Zeugen, andere 4 andere überhaupt keine etc. Beispiel 2: Die täglichen rituellen Gebete sind bei allen 4 Sunnitischen Rechtschulenschulen im Pflichtteil gleich. Beim freiwilligen Teil aber variieren sie von einander, denn die Quellen haben sich bezüglich der freiwilligen rituellen Gebete nicht eindeutig geäußert. Diese Sache ist von Allah gewollt. Allah wollte, dass die Menschen diese freiwilligen Gebete verschieden verrichten, als Ausdruck ihrer Verschiedenheit (Kultur, Sprache, Mentalität etc.) Im Bereich aber der Inneren Überzeugungen (Existenz Gottes, Attribute, Namen, Engel, Sendungen, Propheten, Abrechnung nach dem Tod, Belohnung oder Bestrafungen, Vorbestimmung bzw. Nichtvorbestimmung der Handlungen der Menschen) sind alle diese 4 sunnitischen Fiqh-schulen identisch. Wenn wir aber vom Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten reden, dann reden wir erstens von einem gewaltigen numerischen Unterschied (85% Sunniten zu 15% Schiiten). Zweitens sprechen wir von grundsätzlichen Unterschieden, die manchmal sogar mit den Fundamenten und den geistigen Einstellungen des Islam zu tun haben. Bei den Schiiten reden wir dann nicht mehr von einer Fiqhschule, sondern von fast einer neuen Religion, die den Islam als Ausgangspunkt hat. 3.1 Kurz zu der Entstehung: Während die sunnitischen Rechtschulenschulen durch die Verbreitung des Islam entstanden sind, kam der Schiitismus in seiner ersten Form als eine politische Opposition gegen die Gegner und später gegen die Mörder von Ali (des vierten Kalifen und Cousin des Propheten). Er war auch gegen die bestehenden Stadthalter und Kalifen ausgerichtet, da sie mehr oder weniger für die Ermordung Alis verantwortlich waren. Die späteren Entwicklungen des Schiitismus sind zum größten Teil eine Entgleisung. Sie bilden immer mehr und mehr eine Sonderform des Islam bis dahin zum Nichtislam mehr. Die Verherrlichung Alis nahm immer mehr zu und endete in Übertreibung und Fanatismus. Die Ursprungszelle, verkörpert in den Aliden (die Anhänger Alis) wurde später benutzt zu persönlichen und politischen Ideologien sowie als fruchtbares Feld für Intrigen benützt, die u. A. zum Ziel, die Vernichtung des Islam von Innen, hatten. Der Islam erschloss in der Mitte des 7. und in den nachkommenden Jahrhunderten weite Teile der Erde und kam bis nach Anatolien, den Balkan, Nordafrika und sogar bis nach weiten Teilen Spanien. Er stoß auf anderen Kulturen, Religionen, Sprachen, Mentalitäten etc. und war gezwungen, diese neuen Kulturen einzugliedern, ohne sie zu vernichten und ohne die Menschen in ihren eigenen Ländern zu entfremden. So entstanden, die ersten islamischen Wissenschaften (Wissenschaft des Quran, Wissenschaft der Sunne, Wissenschaft der Regel zur Ableitung von Normen etc.) Dies soll eine Auseinandersetzung mit der neuen Situation sein und den Menschen den Islam zugänglich und leicht machen, jedoch ohne Veränderungen. 10 Da entstanden diese 4 Schulen, benannt nach Gelehrten, die zu ihrer Zeit maßgeblich waren. Nach ihrem Tod wurden die 4 Richtungen gegründet und man hat sie nach diesen vierGelehrten genannt. Es gab übrigens noch mehr Schulen unter den Sunniten, Diese sind aber mit der Zeit ausgestorben. • • • • Malik Aschafii Abu Hanifa Ibn Hanbal 3.2 Die Rechtschulen Muslim zu sein bedeutet nicht nur, wie im Glaubenszeugnis (Schahaada) ausgesagt, zu bezeugen, „dass es nur einen Gott gibt und dass Muhammad sein Prophet ist", sondern aufgrund des Wort Gottes im Koran und gemäß dem lebendigen und bezeugten Beispiel des Lebens des Propheten sas und der von ihm geführten islamischen Gemeinschaft zu leben. Da im Gegensatz zum Christentum, das als Untergrundgruppe im Römischen Reich und gegen den Staat entstanden ist und daher vom Ursprung her auf das individuelle Dasein des einzelnen und sein persönliches Heil im Jenseits konzentriert war, der Islam nach der higra des Propheten nach Medina als Gesellschaft und Staat (al-umma al-islamiyya) entstanden war und sich als kämpferische Gemeinschaft gegen eine feindliche Umwelt durchsetzen musste, ist vom Anfang an das persönliche wie das gemeinschaftliche und staatliche Leben zur Gänze vom Gebot Gottes geformt. Islam ist eine das Leben normierende Religion, die prinzipiell nichts unbeeinflusst lässt. Damit ist auch die Trennung von Religion und tagtäglichem Leben oder noch krasser die Trennung von Religion und Politik, Religion und Wirtschaft im Islam einfach eine Absurdität. „Wenn wir unter Gottes Gebot stehen, stehen wir zu allen Zeiten und in allen Lebensäußerungen unter Gottes Gebot" - so könnte man es islamisch zusammenfassen. Jedoch bedeutet das nicht, dass man jederzeit nach den gleichen wirtschaftlichen und politischen Systemen leben muss. Die islamische Wirtschafethik zum Beispiel muss bewahrt werden, nicht jedoch das wirtschaftliche Vertragswesen, wie es vor 14 Jahrhunderten praktiziert wurde. Das hat zuerst zur ersten Verfassung und zum ersten Staatswesen der muslimischen Gemeinschaft in Medina unter der Führung des Propheten und der ersten Khalifen geführt, was in der Quelle der Sunna festgehalten worden ist. Als die islamischen Heere aber dann große Teile des byzantinischen Reiches in Vorderasien und in Nordafrika eroberten und das persische Kaiserreich besiegten, wurden neue Länder und Völker in den islamischen Reich aufgenommen, die ganz andere Traditionen und auch voll ausgebildete Rechtschulenssysteme hatten. Es war ein Zusammenstoß unterschiedlicher geistiger Formen, auf die der Islam eine Antwort finden musste, die sowohl dem Gesetz, nach dem er angetreten war, entsprechen musste, als auch weltoffen das Fremde, soweit es integrierbar war und nicht gegen Gottes Offenbarung verstieß, sich einwandeln musste. Aus der Notwendigkeit dieser ersten islamischen Jahrhunderte entstanden die islamischen Rechtschulenschulen. Es geht um die Interpretation, Auslegung und Rechtschulenfertigung von Lebensformen und Praktiken, die das gesamte gesellschaftliche Leben einschließen, zwischen denen aber der einzelne Muslim frei wählen kann. 11 Natürlich haben sich im Lauf der Geschichte sowohl inhaltlich wie auch geographisch Schwerpunkte herausgebildet, die anschließend kurz skizziert werden sollen. Zwei andere Gesichtspunkte sind an dieser Stelle aber auch noch zu erwähnen. 1. Entgegen der starken Verinnerlichung (Iman) der islamischen Frömmigkeit, wie diese vom Koran und von der Sunna gefordert wird, hat die Praxis des Islam im Laufe der Zeit überhandgenommen. Die Fatwas (Rechtschulensprüche) gewannen mehr an Bedeutung den je, weil das Leben auch komplexer wurde. 2. Menschliches Leben ist Leben in der Zeit und Zeit heißt menschlich gesehen Geschichte und ständiger Wandel. Die Frage ist: Ist das auf Gott bezogene Gesetz so unveränderlich und jenseits aller Zeit stehend -, dass man auf diese Frage gar keine Antwort braucht? oder aber, wenn Wandel (Entwicklung) unerlässlich, dann ist die Frage des isdschtihad (ständige Bemühung um zeitgeRechtschulene Auslegungen (Wissenschaftliche Forschung) – Aktualisierung der Religion) notwendig und verpflichtend. Alle Rechtschulenschulen sind idschtihad entstanden. Ihre Entstehung dokumentiert die Dynamik des islamischen Denkens . Allerdings haben einige muslimische Staatsführer im Laufe der islamischen Geschichte – um sich selbst und ihren ungeRechtschulenen Staat zu schützen - die abwab al-igtihad (die Türe der Forschung) geschlossen. Die vier sunnitischen Rechtschulenschulen und die die dschafaritische Fiqhschule als eine aus vielen schiitischen werden hier kurz erläutert, um eine Überblick zu gewinnen: Sie entstanden aus dem Mit- und Gegeneinander arabisch-islamischer, griechischbyzantinischer und persisch-sassanidischer Elemente um die Mitte des 8. Jahrhunderts als Kultur-, Zivil- und StrafRechtschulen. Alle diese Schulen stimmen überein, dass der Koran und die Sunna des Propheten als eigentliche Quellen gelten. Sie unterscheiden sich in der Anwendung weiterer Mittel in denjenigen Fällen, für die kein Beleg aus Koran und Sunna zu erbringen ist. Es geht also um Quellen, welche die „eigene Urteilsbildung" des Gelehrten ermöglichen. 3.2.1 Hanafiten Die hanafitische Schule entstand im irakischen Raum. Sie wurde nach dem Gelehrten Abu Hanifa (699 bis 767 n.) benannt, weil seine Auslegung des Islam und seine Auffassung von Islam als Grundlage verwendet wurden. Wichtig bei dieser Schule ist der starke Gebrauch der vernunftsbezogene Begründung. Der persönliche Urteil (ra’y) des Gelehrten ist sehr wichtig. Der Analogieschluss (Qijaas)gewinnt neben dem Konsens (idschmaa) eine zentrale Bedeutung. Dem folgt istihsan, das „bestmögliche Urteil": Der Rechtschulensgelehrte hat hier ohne Rücksicht auf den Analogieschluss in einem konkreten Fall ein Urteil zu fällen, das den Belangen der Betroffenen am besten dienlich ist. Auch der Brauch (‘urf) hat in dieser Schule einen festen Platz. Die Hanafiten wurden zur staatlichen Fiqhschule der Abbasiden und der Osmanen. Sie überwiegen heute in der Türkei, auf 12 dem Balkan, im Kaukasus, zum Teil in Afghanistan, Zentralasien, Pakistan, Indien und China. Etwa ein Drittel der Muslime sind Hanafiten. 3.2.2 Malikiten Die malikitische Schule entstand in Medina und wurde nach dem Gelehrten Malik Ibn Anas (715 bis 795 n. C.). Sie bezieht sich gleichfalls auf das freie persönliche Urteil. Die Rechtschulensquellen Konsensus, Analogieschluss, das „bestmögliche Urteil" (Istihsan) und Brauch finden auch hier ihre Zustimmung, allerdings mit einer ganz anderen Gewichtung: Istihsan findet vor den anderen drei Rechtschulensquellen eine viel größere Anwendung. Auch dem Konsensus der Gelehrten wird in dieser Schule größere Bedeutung beigemessen. Wichtig sind die drei weiteren Rechtschulensquellen in dieser Schule: Konsensus der Medinenser, „allgemeine Nützlichkeit“ für die islamische Gemeinschaft (al-masalih al-musrala). Darunter ist folgendes Prinzip zu verstehen: Der Rechtschulensgelehrte hat die Folgen der zur Debatte stehenden Frage zu überprüfen. Sind sie schädlich, so hat er die damit zusammenhängende Handlung zu verbieten. Sind sie nützlich oder nicht schädlich, so hat er die dahin führende Handlung zu gebieten bzw. zu erlauben. Sie ist heute vor allem in Nord- und Schwarzafrika verbreitet, zum Teil aber auch in Oberägypten, Mauretanien, dem Sudan und noch am Golf (Kuwait und Bahrain). 3.2.3 Shafiiten Die shafiitische Schule wurde nach den Gelehrten As-Shafi’i (767 bis 820 n. C.), einem Araber aus dem Stamm des Propheten (der Quraisch) benannt, der bei den Hanafiten und Malikiten studierte und zuletzt in Ägypten wirkte. Er gilt als der eigentliche Begründer der islamischen Rechtschulenswissenschaft (Usuul). Er disziplinierte die Sunna und wollte die willkürliche Rechtschulensfindung der beiden anderen Schulen möglichst ausschließen. Er lehnt Istihsan gänzlich ab und fordert eine strengere Anwendung des Analogieschlusses, nachdem es ihm gelungen ist, diesen erstmals systematisch zu definieren und zu strukturieren. Charakteristisch für diese Schule ist der idschmaa, der auf den einstimmigen Konsens der ganzen Gemeinschaft ausgedehnt wird (und nicht nur wie bei den anderen Schulen auf den Konsens der Gelehrten einer bestimmten Zeit). In der späteren Praxis aber blieb es wieder bei der Begrenzung auf die Gelehrten, weil sich der Idschmaa der Gesamtheit sich ja nicht organisieren ließ. Heute ist die shafiitische Schule vor allem in Unterägypten, Syrien, Jordanien, Teil des Libanon, Südarabien, Indonesien, Philippinen und in den zentralasiatischen Gebieten verbreitet. 3.2.4 Hanbaliten Die hanbalitische Schule wurde nach dem Gelehrten Ahmad Ibn Hanbal (780 bis 855 n. C.) benannt. Seine Lehre ist eine konservative Reaktion gegen eine mehr rationalistische Gesellschaft des Islam, besonders gegen die Mutaziliten (eine Schule, die die Vernunft ausschlaggebend sieht). Die Hanbaliten lassen nur die Traditionen des Propheten und der ersten Prophetengefährten gelten. Andere Rechtschulensmittel treten völlig in den Hintergrund. Der Analogieschluss wurde zunächst völlig abgelehnt, später jedoch durch dessen Einteilung in den richtigen und falschen Analogieschluss entsprechend angewandt. Bei ihnen steht die Nachahmung (Taqliid) - also die 13 Zustimmung zur großen Vergangenheit, die immer noch als aktuell empfunden wird - im Mittelpunkt. Sie stellt die moralischen Werte vor die juristische Problemlösung und den Geist über den Buchstaben. Ihre Stärke liegt darin, immer wieder den Koran und die Sunna neu zu interpretieren und daraus neue Ansätze zu finden. Einer der Ansätze ist unter anderem al-firasa (Scharfsinn), den der hanbalitische Rechtschulensreformer Ibn Qayim al-Gauziya (gest. 1335) in seinem; Werk „at-turuq al-hukmiya“ (Kairo 1953) in aller Ausführlichkeit ausbaut. Der Hanbalismus ist auch zum Ausgangspunkt pietistischer Strömungen geworden. Ihm gehören die großen Reformer Ibn Taimyya (1263 bis 1328), auf den sich heute die Muslimbrüder und die islamischen Revolutionäre beziehen, und Muhammad Ibn ‘Abd al-Wahhab (1703 bis 1787), der Begründer der in Saudi-Arabien herrschenden Wahhabiten, an. Die Hanbaliten sind zahlenmäßig die kleinste Fiqhschule. Sie sind vor allem auf der arabischen Halbinsel, aber auch in Syrien und im Irak, Ägypten, Indien Afghanistan und Algerien verbreitet. 3.2.5 Djafariten (Schiiten) Die bedeutendste Schule der Schiaa, die Dschafaritische oder die Schule der Imamiten, wurde dem 6. Imam Djafar (gest. 765 n. C.) benannt. Ihre Hauptdifferenz zu den anderen Schulen ist die Imamatstheorie. Sie erkennt mehr oder weniger die Quellen des Korans und der Sunna an, ersetzt aber den Konsensus (Idschmaa) durch die Entscheidung des unfehlbaren Imams (geistlicher Führer). Seit dem Verschwinden des 12. Imam Muhammad Ibn Hasan al-Mahdi (873 n.C.) lebt dieser in der „Verborgenheit‘ und wird am Ende der Zeiten wiederkommen, um das göttliche Reich auf Erden zu errichten. Bis dahin findet der Rechtschulensspruch durch den Konsensus der Gelehrten (Idschma) statt. Auch die Imamiten lehnen die Anwendung des Analogieschlusses in den Entscheidungen ab. Diese Schule formt heute die Islamische Republik Iran und ist darüber hinaus auch in Pakistan, Indien, Irak, Libanon und Syrien, wenngleich in Minderheitspositionen, verbreitet. 3.2.6 Rechtschulen: Charakteristika-Tabelle Fiqhschule Benennung nach Charakteristika Hanafiten Abu Hanifa 699- • Mehr Vernunft 1/3 der Muslime 767 n. C • Qiyaas + Idschmaa = und somit die zentral Größte • Istihsan kommt danach Malikiten Malik ibn Anas (715 – 795 n. C.) • • • • Schafiiten As-Shafi’i (767 bis • • Verbreitung Türkei, auf dem Balkan, im Kaukasus, zum Teil in Afghanistan, Zentralasien, Pakistan, Indien und China Vernunft ja aber Nord- und Schwarzafrika. weniger als bei den auch in Oberägypten, Mauretanien, dem Sudan Hanafiten Istihsan liegt ganz vorn und noch vereinzelt in Konsens der Kuwait und Bahrain. Medinenser vor allem Allgemeine Nützlichkeit Analogieschluss Syrien, Ablehnung des Istihsan Unterägypten, 14 820 n. C.) Hanbaliten Ahmad Ibn Hanbal Die kleinste (780 bis 855 n. C.) Schule Dschafariten Imamiten / Dschafar as-Saadeq (gestorben 765 n. C.) • Strengere Anwendung des Qiyaas • Idschmaa der gesamten muslimischen Gemeinschaft nicht nur der Gelehrten • Später musste er sich auch auf den Idschmaa der Gelehrten beschränken, weil der andere schwer erreichen ist • Ablehnung der Vernunft • Ablehnung des Qiyaas • Ablehnung des Istihsan • Ausschlaggebend ist die Sunna des Propheten und seiner Gefährten • Nachahmung der Sunna • Spätere relative Annahme des Qiyaas • Imamatstheorie • Unfehlbarkeit des Imams • Beschlüsse in Abwesenheit des verborgenen Imams dürfen durch Idschmaa beschlossen werden. • Ablehnung des Qiyaas Jordanien, Teil des Libanon, Südarabien, Indonesien, Philippinen Arabischen Halbinsel, wenig in Syrien, im Irak, Ägypten, Indien Afghanistan und Algerien Iran sowie Minderheiten in Pakistan, Indien, Irak, Libanon und Syrien. 4 Anhang 4.1 Kurze Biographien 4.1.1 Abu Hanifa1 Abū Ḥanīfa (arabisch ﺣﻨﻴﯿﻔﺔ ;ﺃأﺑﻮ * 699 in Kufa; der islamischen Rechtschulenswissenschaft Fiqh. Nach 1 † 767) ihm ist Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Abū_Ḥanīfa. (Aufruf vom 03.06.2013) war ein Gelehrter die Rechtschulensschule 15 (madhhab) der Hanafiten benannt. Mit vollem Namen hieß er anNuʿmān ibn Thābit ibn Zūṭā ibn Marzubān al-Kūfī. Von seinen Anhängern wurde er oft al-Imām al-Aʿẓam (der größte Gelehrte) genannt. Herkunft Abū Ḥanīfa war wahrscheinlich persischer Abstammung. Die meisten Quellen berichten, dass seine Vorfahren aus Kabul stammten. Sein Großvater Zuta soll als Sklave aus Kabul (Afghanistan) nach Kufa im heutigen Irak gebracht und dort freigelassen worden sein. Anderen Quellen zufolge ist Anbar, eine frühere mesopotamische Stadt auf dem linken Ufer des Euphrat, die Heimat seines Urgroßvaters, der dort den Sassaniden als Militärgouverneur gedient habe. Grabstätte von Abu Hanifa Leben __________________________________________________________ Er wurde in Kufa, eines der damaligen Zentren islamischer Gelehrsamkeit, geboren und verbrachte dort fast sein gesamtes Leben. Von seinem Leben ist nur wenig bekannt. Er war ein wohlhabender Mann und lebte vom Gewinn seines Handels mit Kleiderstoffen. Er besaß ein großes Gebäude mit Arbeitern und Handwerkern, in dem er Khazz, eine Art Seide, herstellen ließ. Seine Lebensumstände erlaubten ihm Unabhängigkeit, so dass er seine Kraft auf die Wissenschaft konzentrieren konnte. In seiner Lebenszeit fiel der Machtwechsel zwischen den Umayyaden und Abbasiden. In späteren Biographien wird berichtet, dass sowohl der Statthalter der Umayyaden in Kufa als auch fast zwei Jahrzehnte später der Kalif al-Mansur Abu Hanifa durch Prügel zur Übernahme eines Richteramtes zwingen wollten. Abu Hanifa besuchte auf Reisen den Hedschas und pilgerte nach Mekka. Die letzten Jahre der Umayyaden-Herrschaft verbrachte er als politischer Flüchtling ebenfalls dort. Nach dem Machtwechsel kehrte Abu Hanifa nach Kufa zurück. Viele Jahre später wurde er nach Bagdad gebracht und dort inhaftiert. Abu Hanifa starb im Gefängnis. Einige Quellen[1] berichten, dass der Kalif ihn dort habe vergiften lassen. Werk Am Anfang seines Schaffens widmete sich Abu Hanifa der dialektischen Theologie (Ilm alKalam). Auf diesem Gebiet erlangte er rasch Bekanntheit und Ansehen in Kufa und scharte einen eigenen Kreis von Studenten um sich. Später widmete er sich dem islamischen Rechtschulen. Sein Mentor war Hammad ibn Abi Sulayman, nach dem Abu Hanifa seinen ältesten Sohn benannte. Er soll auch Vorlesungen von Ata ibn Abi Rabah in Mekka gehört haben. Zudem 16 pflegte er Bekanntschaft mit dem 5. und 6. Imam der Zwölferschia, Muhammad alBaqir und Dscha'far as-Sadiq, der zudem die dschafaritischen Rechtschulensschule gründete. Abu Hanifa verfasste selbst keine schriftlichen Werke, seine Lehre ist durch die Schriften seiner Schüler überliefert, etwa Abu Yusuf in Ichtilaf Abi Hanifa wa-bn Abi Layla und al-Radd ala Siyar al-Awza'i und Asch-Schaybani in seiner Schrift al-Hujaj. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählen Abu Yusuf, Asch-Schaybani und nach diesen Zufar ibn Al-Hudhayl. Sein Denken gilt als theoretisch stringent und teilweise mutig in seinen Neuerungen, jedoch manchmal etwas zu wenig praxisorientiert. Abu Hanifa vertrat Gedanken der theologischen Bewegung der Murdschi'a und betonte in diesem Sinne die Bedeutung des Glaubens (iman). Ein Muslim verliere durch Sünden nicht den Glauben und werde nicht zum Kafir. Das einzige authentische Dokument Abu Hanifas ist ein Brief an 'Uthman al-Batti, in dem Abu Hanifa seine murdschi'itische Ansichten verteidigt. Aufgrund der negativen Konnotationen wurde die Zugehörigkeit Abu Hanifas zur Murdschi'a zum Angriffspunkt späterer Gegner. Es wurden ihm allerdings auch Ansichten zugeschrieben, die er nie vertreten hat.[2] Zu den Abu Hanifa zugeschriebenen Werken gehört auch eine kleine Schrift über Dogmatik und Glaubenslehre, das sogenannte Fiqh al-akbar. Es enthält zehn Glaubensgrundsätze und wird hinsichtlich des Inhalts für authentisch gehalten, obwohl Abu Hanifa die Schrift nicht selbst verfasst hat. Eine weitere bekannte Schrift (Fiqh al-Absat) enthält Antworten Abu Hanifas auf theologische Fragen seines Schülers Abu Muti' al-Balch