3.3. Griechenland und Rom 3.3. Zwei Kulturen im Vergleich Griechenland 3.3.1. Literatur und Philosophie n In Griechenland liegen die Ursprünge der europäischen Literatur und Philosophie. Unsere Einteilung der Literatur in A Epik , A Lyrik und A Dramatik geht auf den griechischen Gelehrten Aristoteles zurück. The Yorck Project Griechische Literatur Abb. 88.1: In der griechischen Mythologie galt Apollon als Gott der Dichtkunst und wurde häufig mit der Lyra dargestellt (römisches Fresko aus der Kaiserzeit) – Palatin-Museum, Rom. Die Ursprünge der Epik bildeten mündlich überlieferte Erzählungen, vor allem Götter- und Heldensagen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Die Epen des Dichters Homer (vgl. Kap. 3.1.2) waren die ersten großen Erzählungen Europas. Der zweite bedeutende griechische Epiker war Hesiod (um 700 v. Chr.). In seinem Epos A „Theogonie“ beschrieb er die Entstehung der Welt und der Götter. Die Bezeichnung „Lyrik“ stammt von dem griechischen Saiteninstrument Lyra, mit dem die Gedichte begleitet wurden. Das griechische Drama entstand um 600 v. Chr. aus Weihespielen zu Ehren des Gottes Dionysos. Bedeutende griechische Dramatiker waren Aischylos (525– 456 v. Chr.), Sophokles (496–406 v. Chr.) und Euripides (480–406 v. Chr.). Marie-Lan Nguyen Die Geburt der Philosophie – die Vorsokratiker Sokrates (470–399 v. Chr.) Abb. 88.2: Büste des Sokrates, römische Kopie (1. Jh. n. Chr.) – Louvre, Paris Er wurde 470 v. Chr. in Athen geboren. Seine Philosophie entwickelte er aus dem strukturierten Dialog, mit dem er bei seinen Gegnern Scheinwissen zu entlarven suchte. Er war vor allem A Ethiker. Infolge von Verleumdungen wurde er wegen vermeintlicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt. Er trank den Schierlingsbecher1) und starb 399 v. Chr. Seine Lehren wurden von seinem Schüler Platon überliefert. Xanthippe, die Gemahlin des Sokrates, ging (vielleicht zu Unrecht) als zänkische Frau in die Geschichte ein. Die Philosophie entstand aus der Entwicklung des abstrakten Denkens, das vor allem durch den Dialog geschult wurde. Fragestellungen und die Suche nach Antworten führten zu ersten philosophischen Betrachtungen. Einer der ersten Philosophen war Heraklit (um 540 v. Chr.), der den Wandel aller Dinge als eine Aufeinanderfolge und Ablöse von Gegensätzen begriff, dem jedoch ein einheitsstiftendes Prinzip (Logos) zugrunde liegt. In der Naturphilosophie des Pythagoras von Samos (um 570 v. Chr.) galt die Zahl als Ordnungsprinzip aller Wirklichkeit. Bekannt wurde sein pythagoreischer Lehrsatz. Die Sophisten versus Sokrates und Platon Im 5. Jahrhundert v. Chr. entstand die Philosophie der Sophisten, die als Wanderlehrer Philosophie, Staatskunde, Literatur und vor allem Rhetorik unterrichteten. Bedeutende Vertreter waren Gorgias, Hippias und Protagoras. Ihnen gegenüber standen Sokrates (470–399 v. Chr.) und sein Schüler Platon (427–347 v. Chr.), welche die Sophisten als Lehrer der Scheinweisheit bezeichneten, da sie Philosophie als Lebenshilfe ansahen. Sowohl Sokrates als auch Platon prägten die abendländische Philosophie nachhaltig. Platon gründete die Platonische Akademie, die älteste Philosophenschule in Athen. Hellenistische Philosophie – Stoa und Epikureismus Überlegt Fragen, mit denen sich die Philosophie beschäftigt und diskutiert darüber! Heute versteht man unter einem Stoiker einen besonders ausgeglichenen, gelassenen Menschen. 88 Die Philosophenschule der A Stoa geht auf Zeno von Kiton (um 300 v. Chr.) zurück: Die stoische Lehre sieht den Menschen eingebunden in eine göttliche Ordnung, die es zu erkennen und gelassen zu ertragen gilt. Dem gegenüber stand die Philosophie des Epikur (um 300 v. Chr.), die das Ziel menschlichen Lebens in der vollkommenen Glückseligkeit sah. Diese beiden Philosophenschulen übten großen Einfluss auf römische Denker aus. 1) Schierlingsbecher: Getränk, dem das Gift des Gefleckten Schierlings zugefügt wurde. Rom n Ursprünglich stand die römische Literatur stark unter griechischem Einfluss. So verfasste Quintus Fabius Pictor (um 225 v. Chr.) ein Geschichtswerk in griechischer Sprache. Das erste literarische Prosawerk in lateinischer Sprache stammt von Marcus Porcius Cato dem Älteren (um 150 v. Chr.) und trägt den Titel „De agri cultura“ (Über die Landwirtschaft). Ovid beschrieb die Entstehung der Welt und der Menschen als ein Werk der Götter. Er teilte die Geschichte in vier Weltzeitalter ein: „Und es entstand die erste, die goldene Zeit: ohne Rächer, Ohne Gesetz, von selbst bewahrte man Treue und Anstand. Strafe und Angst waren fern; kein Text von drohenden Worten Stand an den Wänden auf Tafeln von Erz; es fürchtete keine Flehende Schar ihren Richter: Man war ohne Rächer gesichert. […]“ Klassische römische Literatur (100 v. Chr.–19 n. Chr.) Im Zeitalter des Kaisers Augustus wurden Schriftsteller von reichen Gönnern besonders gefördert. Dadurch entwickelte sich zu dieser Zeit eine vielfältige Literaturproduktion, die als klassische römische Literatur bezeichnet wird. Zu den Epikern der klassischen Epoche zählen Titus Lucretius Carus, genannt Lukrez (um 97–55 v. Chr.), dessen Lehrgedicht „De rerum natura“ (Über die Natur der Dinge) von der Theogonie des Hesiod beeinflusst war. Daneben ist einer der bedeutendsten Vertreter der lateinischen Epik Vergil (70–19 v. Chr.), der das Versepos „Aeneis“ verfasste: Die zentrale Handlung des Werkes bildet die Geschichte des Helden Aeneas, der aus dem brennenden Troja floh und nach vielen Irrfahrten schließlich in Latium landete, wo er zum Stammvater der Römer wurde. Das Epos weist viele Parallelen zu Homers „Ilias“ auf. Das darauffolgende silberne Menschengeschlecht betrieb Ackerbau und Viehzucht und lebte in Häusern. Danach entstand ein erzenes Geschlecht: „Grimmiger schon im Gemüt, zu den schaurigen Waffen bereiter, Aber noch ohne Verbrechen. Das letzte Geschlecht ist von hartem Eisen. Da brachen sogleich in die Zeit des geringern Metalles Jegliche Frevel; es flohen die Scham, die Wahrheit, die Treue. Dafür erwuchsen die Laster: Betrug und allerlei Ränke, Hinterlist und Gewalt und die frevle Begier nach Besitztum.“ Eine bedeutende Rolle in der Übernahme griechischer Mythologie spielt Publius Ovidius Naso, genannt Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.), mit seinem Epos „Metamorphosen“. Im Bereich der Rhetorik (Redekunst) war Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), der bedeutendste römische Redner, wegweisend. Berühmt wurden seine „Orationes In Catilinam“ (Reden gegen Catilina), in denen er dessen Verschwörung gegen den römischen Staat aufdeckte. Ovid, Metamorphosen, 1. Buch, 89–131. Beiträge zur Geschichtsschreibung leisteten Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.) mit seinen „Commentarii de Bello Gallico“ (Kommentare über den Gallischen Krieg) und Titus Livius (um 49 v. Chr.–17 n. Chr.) mit seinem Werk „Ab urbe condita“ (Von der Gründung der Stadt), das die römische Geschichte von ihren Anfängen bis zum Zweiten Punischen Krieg darstellt. Wie beschreibt Ovid die Entwicklung des Menschen? Unter welchem Gesichtspunkt sieht er die Entstehung von Gesetzen? Römische Philosophie Die Römer griffen die Lehren griechischer Philosophen auf und entwickelten sie weiter. Dabei wählten sie das für sie Brauchbare aus unterschiedlichen Lehren aus, wodurch der sogenannte Eklektizismus (griech. eklektós: ausgewählt) entstand, dessen bedeutendster Vertreter Cicero war, der die Lehren von Sokrates und Platon mit denen der Stoa verknüpfte. Unter dem Einfluss der Stoa standen der Dichter Seneca (1–65 n. Chr.), der in seinen Lehren die innere Unabhängigkeit des Individuums vertrat und damit zur Anerkennung der Sklaven als Menschen beitrug, und Kaiser Marc Aurel (reg. 161–180 n. Chr.). Die Philosophie des Epikur wurde vor allem von Lukrez verbreitet. akg-images, Berlin Als Lyriker und Verfasser von Satiren war der Dichter Quintus Horatius Flaccus, genannt Horaz (65–8 v. Chr.), von Bedeutung. „NON VITAE, SED SCHOLAE DISCIMUS.“ (Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.) Lucius Annaeus Seneca Seneca kritisiert in seinem Zitat die Lerninhalte seiner Zeit. Wird in deinem Unterricht praxisnahes Wissen vermittelt? Nenne Beispiele dafür! Was könnte verbessert werden? 89 3.3. Griechenland und Rom Griechenland 3.3.2. Kunst und Architektur n In Griechenland erhaltene Kunstwerke sind vor allem bemalte Vasen, Skulpturen aus Bronze und Marmor und Wandreliefs. Die Architektur präsentiert sich sehr eindrucksvoll im Tempelbau. Bart Singerland Entwicklung der Vasenmalerei Abb. 90.1: Die hängenden Gärten der Semiramis in Babylon, Phantasiedarstellung von Maarten van Heemskerck (um 1572) Die 7 Weltwunder der Antike Darunter versteht man antike Kolossalbauten, die als größte Sehenswürdigkeiten im griechischen und vorderasiatischen Raum galten. Dazu gehören die hängenden Gärten der Semiramis in Babylon, der Koloss von Rhodos, das Grab des Königs Mausolos II. in Halikarnassos, der Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria, die Pyramiden von Gise, der Tempel der Artemis in Ephesos und die Zeusstatue des Phidias von Olympia. Nur die Pyramiden von Gise blieben der Nachwelt erhalten. Im Jahr 2007 wurden als Resultat einer internationalen Medienkampagne „Sieben Neue Weltwunder“ präsentiert. Zu ihnen zählen die Mayaruinen auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko, die Chinesische Mauer, die Christusstatue in Rio de Janeiro, das Kolosseum in Rom, die Inkaruinenstadt Machu Picchu in den Anden, die Felsenstadt Petra in Jordanien und der Taj Mahal in Indien. An der Wahl der „Neuen Sieben Weltwunder“ beteiligten sich per Internet oder Telefon weltweit 70 Millionen Menschen. Die UNESCO, unter deren Vorsitz ursprünglich das Voting stattfand, distanzierte sich später davon. Was könnten Gründe dafür gewesen sein? 90 Die bemalte Töpferware, die Keramik (griech. keramos: Ton und Töpferware), gehört zu den wichtigsten archäologischen Zeugnissen griechischer Kunst und Kultur. Die größte Bekanntheit in der antiken Welt erlangte die athenische Vasenmalerei, die Töpfer lebten in einem eigenen Stadtviertel, das Kerameikos hieß. Die so genannte schwarzfigurige Technik, bei der die schwarzen Figuren auf rötlichem Hintergrund erscheinen, war bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. verbreitet. In der klassischen Epoche (um 500–325 v. Chr.) entstand die rotfigurige Technik, die Umrisse der Figuren wurden in den roten Ton geritzt, der Hintergrund der Vasen wurde mit schwarzem Glanzton bedeckt. Zu dieser Zeit wurden in Malerei und bildender Kunst die Figuren in Bewegung dargestellt. Der Tempelbau Die Grundform des Tempelbaus entwickelte sich im 8. Jahrhundert v. Chr. aus dem rechteckigen Wohnhaus, dem Megaron (vgl. Kap.3.1.2.). Im Aufriss weist der griechische Tempel eine symbolhafte Dreigliederung in Basis (Unterwelt), Säulen (Menschenwelt) und Dachgiebel (Götterwelt) auf. Der Tempel war der Wohnsitz einer Götterstatue, während der Altar sich vor der Eingangsrampe des Tempels befand. Die ältesten Tempel waren dorischen Baustils und wirkten schwer und gedrungen, ihre Giebel waren mit plastischen Darstellungen geschmückt. Von den ionischen SiedAbb. 90.1: Dorische, ionische und korinthi- lungen Kleinasiens ausgehend entwickelte sich die ionische Ordnung: sche Säulenkapitelle Die Säulen der Tempel waren dünner und besaßen im Gegensatz zur dorischen Säule eine Basis. Im Laufe des 4. Jahrhunderts v. Chr. setzte sich der korinthische Stil durch: Das Kapitell1) der Säulen bestand aus einem korbartigen Kern, um den Blattmotive angeordnet waren. Verbreitung griechischer Kunst im Hellenismus Während der Epoche des Hellenismus wurden die griechische Malerei, Plastik und Baukunst bis in den Orient verbreitet. Es entwickelte sich eine rege Bautätigkeit, die sich im Ausbau der königlichen Residenzen der Diadochenherrscher und der Entstehung großer Marktanlagen, welche Hallen, Tempel und Rathäuser umfassten, widerspiegelt. Daneben wurden Theater, Bibliotheken (Alexandria, Pergamon), und Bäder errichtet. 1) Kapitell: oberer Abschluss einer Säule Rom n Römische Kunst wird meist unter dem Aspekt der Kopie und der unrechtmäßigen Aneignung griechischer Kunstwerke betrachtet. Dennoch kam es vor allem im Bereich der dekorativen Wandmalerei, des Mosaiks und der Architektur zu eigenständigen Kunstproduktionen, die ihren Höhepunkt während der römischen Kaiserzeit erreichten. Cicero erhebt im Prozess gegen Gaius Verres, den Statthalter von Sizilien, Anklage wegen Kunstraubs: „Derselbe Prätor hat uralte Baudenkmäler und Kunstwerke, die teils die reichsten Könige zum Schmuck der Städte stifteten, teils auch unsere Feldherren nach ihren Siegen den sizilischen Städten schenkten oder zurückgaben, geraubt oder gestohlen und alles geplündert. Und dies tat er nicht allein bei Statuen und Kunstwerken, die den Städten gehörten, sondern er hat auch alle Tempel, und wenn sie den heiligsten Kulten geweiht waren, beraubt. Überhaupt hat er den Siziliern keinen Gott, der ihm von einigermaßen geschickter Hand und aus alter Zeit zu stammen schien, zurückgelassen.“ Kunstraub und Kopie Die Römer sahen die griechische Kunst und Kultur als vorbildhaft an. Im Zuge der römischen Eroberung Griechenlands gelangten viele Kunstschätze als Beute nach Rom und wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unter der reichen Oberschicht kam es in Mode, griechische Kunstwerke auch privat zu sammeln und in Haus und Garten aufzustellen. Damit verlor die Kunst ihren weitgehend funktionalen Zweck, den sie noch bei den Griechen besessen hatte. Da die Zahl an Originalen beschränkt war, begannen römische Künstler griechische Kunstwerke, vor allem Skulpturen, zu kopieren. Das römische Mosaik Cicero, Gegen Verres, 1, 14. Von den Griechen übernahmen die Römer die Technik der Mosaikgestaltung. Zunächst wurden die Fußböden von Villen und Palästen mit Mosaiken ausgelegt, später wurden auch Wände und Decken mit Mosaiken verziert. Dabei war die Zahl an Motiven sehr groß: Es wurden neben Szenen aus der griechischen Mythologie auch Alltagsbilder oder Darstellungen historischer Ereignisse als Vorlagen verwendet. Sehr schöne Mosaike wurden in Pompeji, Delos und Ravenna entdeckt. Was wirft Cicero dem Verres besonders vor? Die römische Architektur kann vor allem unter dem Aspekt der politischen und militärischen Zweckmäßigkeit gesehen werden: Das Zentrum jeder römischen Stadt bildete das Forum, ein rechteckiger Marktplatz, der auch als Versammlungsplatz und Gerichtsort benutzt wurde (vgl. Kap. 3.2.7). Im Bereich der Stadtplanung wurde die Errichtung von öffentlichen Gebäuden wie Tempeln, Theatern, Thermen und Versammlungsgebäuden forciert. CRYptex Römische Architektur Abb. 91.1: Mosaik aus Pompeji (um 79 n. Chr.) mit der Inschrift: „Cave Canem“ („Hüte dich vor dem Hund“) – Archäologisches Nationalmuseum, Neapel Die A Basilika (griech. Königsbau) war ursprünglich der Sitz des Archon Basileus in Athen. Die Römer entwickelten daraus eine langgezogene Säulenhalle, die als Gerichtsort oder überdachte Markthalle diente. Später wurde diese Bauform abgewandelt und war als Kirchentyp seit Kaiser Konstantin I. (reg. 324–337) im gesamten Römischen Reich verbreitet. Der Straßen- und Brückenbau, die Anlage von Stadtmauern und A Kastellen besaßen militärische Bedeutung. Daneben ließ die reiche Oberschicht repräsentative Wohnbauten errichten. Das römische Haus besaß zunächst ein offenes Atrium (vgl. S. 76), später erhielt es zusätzlich eine Säulenhalle (Perystil). Piutus Ein bedeutender Sakralbau ist das Pantheon in Rom, das unter Kaiser Hadrian zwischen den Jahren 118 und 125 errichtet wurde. Es war ein Heiligtum aller Götter und besaß mit einem Durchmesser von 34,3 Metern lange Zeit die größte Kuppel der Welt. Im frühen 7. Jahrhundert wurde das Pantheon zu einer christlichen Kirche. Abb. 91.2: Die römische Bogenbrücke von Alcántara in Spanien wurde um 105 n. Chr. erbaut. 91 3.3. Griechenland und Rom 3.3.3. Naturwissenschaft und Technik Griechenland n Griechische Gelehrte beschäftigten sich intensiv mit den Naturwissenschaften, sie studierten und erweiterten die Erkenntnisse babylonischer und ägyptischer Naturwissenschaften. Vor allem auf dem Gebiet der Biologie, der Medizin, der Mathematik, der Astronomie und Geographie gelangen ihnen entscheidende Entdeckungen. Jastrow Naturwissenschaftliche Erkenntnisse Aristoteles (384–322 v. Chr.) Abb. 92.1: Büste des Aristoteles, römische Kopie nach dem griechischen Original von Lysippos (um 330 v. Chr.) – Römisches Nationalmuseum (Palazzo Altemps), Italien Aristoteles war der bedeutendste griechische Naturwissenschaftler. Nach seiner Tätigkeit als Erzieher des jungen Alexander gründete er eine Philosophenschule, die Peripatos genannt wurde. Sein Werk umfasst zahlreiche Schriften. In „De anima“ (Über die Seele) behandelte Aristoteles die Frage, wodurch ein Körper als lebendig definiert werden könne. Es war die erste Abhandlung der Antike, die sich mit dem Thema „Seele“ beschäftigte. In einer „Tierkunde“ fasste Aristoteles das zoologische Wissen seiner Zeit zusammen. Der Eid des Hippokrates wird auch heute noch bei der Promotion (Studienabschluss mit Zulassung) von Ärzten verlesen und hat bis heute Einfluss auf die Formulierungen ärztlicher Ethik. Der Eid enthielt das Gebot, den Kranken nicht zu schaden, die ärztliche Schweigepflicht zu wahren, er untersagte Schwangerschaftsabbruch und Sterbehilfe. Letztere Themen führen heute immer wieder zu Diskussionen. In einigen Ländern Europas (den Niederlanden, Belgien, Luxemburg) ist aktive Sterbehilfe unter der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen erlaubt, in allen anderen Ländern ist sie verboten. Wie ist deine persönliche Meinung zu diesem Thema? 92 Einer der ersten Naturwissenschaftler war der aus Kleinasien stammende Philosoph Anaxagoras (um 500–428 v. Chr.), der Lehrer des berühmten Staatsmannes Perikles. Er schrieb ein Werk „Über die Natur“, das allerdings nur in Fragmenten erhalten blieb. Anaxagoras vertrat die Ansicht, dass die Sonne keine Gottheit sei, sondern aus glühendem Gestein bestünde. Für diese Gotteslästerung sollte er zum Tode verurteilt werden. Die harte Strafe konnte schließlich durch die Fürsprache des mächtigen Perikles (vgl. S. 50f) in Verbannung umgewandelt werden. Demokrit von Abdera (460–371 v. Chr.) gilt als Begründer der Atomtheorie, er vertrat die Meinung, dass das Werden der Materie auf Atome zurückzuführen sei. Aristarchos von Samos (um 310–230 v. Chr.), ein Astronom und Mathematiker, vertrat bereits ein A heliozentrisches Weltbild. Aristoteles und die Peripatetiker Unter den A Peripatetikern, den Schülern von Aristoteles, gilt Theophrastos als bedeutendster Vertreter. Er war der erste Gelehrte, der sich mit Baumund Holzkunde beschäftigte. Anlass dafür war der akute Holzmangel, der in Athen bedingt durch massive Abholzungen zugunsten des Flottenbauprogramms herrschte. Nach Theophrastos übernahm Straton von Lampsakos (um 340–268 v. Chr.) die Leitung der Philosophenschule. Er beschäftigte sich vor allem mit naturwissenschaftlichen Beobachtungen, zum Beispiel erkannte er die Beschleunigung von Körpern beim freien Fall und war einer der ersten Vertreter des A Empirismus. Griechische Medizin Die Griechen glaubten, dass Krankheit eine Strafe der Götter sei. Als Gott der Heilkunst galt Asklepios, der meist mit einem Stab, um den sich eine Schlange windet, dargestellt wurde. Bis heute gilt der sogenannte Äskulapstab als Symbol der Medizin. Die Patienten wurden in die Tempel des Asklepios getragen und von heilkundigen Priestern behandelt. Einer der bekanntesten Mediziner der Antike war Hippokrates (460–377 v. Chr.), der als Begründer der Medizin als Wissenschaft gilt. Er wurde bereits zu Lebzeiten verehrt und gründete auf der Insel Kos das weltberühmte Asklepieion, das älteste Krankenhaus der Welt. Hippokrates erklärte die Ursachen von Krankheiten naturphilosophisch, nämlich aus dem Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle). Als Behandlung verordnete er beispielsweise Aderlässe, eine Methode, die bis in die frühe Neuzeit angewendet wurde. Rom n Während die Griechen als Denker und Wissenschaftler die abendländische Kultur nachhaltig beeinflussten, liegt das Verdienst der Römer vor allem im Bereich der praktischen Umsetzung und Nutzbarmachung des überlieferten Wissens. In manchen Bereichen allerdings, wie etwa der Architektur und des Bauwesens, schafften die Römer eine erstaunliche Weiterentwicklung. Saperaud Römische Naturwissenschaftler Den namhaftesten Beitrag zur Naturwissenschaft leistete zweifellos Gaius Plinius Secundus Maior (Plinius der Ältere), der in 37 Büchern unter dem Titel „Naturalis historia“, die gesamten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit zusammenfasste. Dazu legte er eine Sammlung von rund 20 000 Exzerpten aus unterschiedlichsten Quellen an, die unter anderem die Bereiche Astronomie, Geographie, Biologie und Mineralogie umfassten. Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) Abb. 93.1: Plinius der Ältere, Porträt nach Johannes Sambucus (1603) Er wurde im italienischen Ort Como geboren, ging jedoch bereits in jungen Jahren nach Rom und schlug eine militärische Laufbahn ein. Von 47 bis 51 war er in Germanien stationiert und schrieb in der Folge ein Werk mit dem Titel „Kriege in Germanien“. Daneben verfasste er sprachwissenschaftliche und geschichtswissenschaftliche Bücher. Das einzig vollständig erhaltene Werk von Plinius ist seine Enzyklopädie „Naturalis historia“. Als Flottenkommandant war Plinius im Jahr 79 in der Nähe von Neapel stationiert, als der Ausbruch des Vesuvs die Städte Herculaneum und Pompeji zerstörte. Plinius wollte den Vulkanausbruch studieren und den Opfern zu Hilfe eilen, starb aber an den giftigen Vulkandämpfen. Marcus Manilius (1. Hälfte 1. Jahrhundert) war Astronom und Astrologe, in seinem Werk „Astronomica“ beschäftigte er sich unter anderem mit dem Einfluss der Tierkreiszeichen auf das menschliche Schicksal und gilt als einer der Begründer der Horoskoperstellung. Die Römer als Ingenieure der Antike Den von den Ägyptern und Griechen entwickelten Gewölbebau führten die Römer zur Vollendung. Sie entwickelten das so genannte Tonnengewölbe (vgl. S. 61) weiter. Eindrucksvolle Beispiele für den Bau von Tonnengewölben sind etwa das Kolosseum und die Maxentiusbasilika in Rom. Eine neue Entwicklung stellte das Kreuzgratgewölbe dar, das durch die rechtwinkelige Überschneidung von zwei Tonnengewölben entstand. Es fand im Basilikaund Thermenbau Verwendung. Bogenkonstruktionen wurden auch im Brückenbau verwendet. Noch heute kann man zahlreiche Brücken aus der Römerzeit bestaunen, die schönste von ihnen ist die unter Hadrian erbaute Engelsbrücke. Kanalbrücken (Aquädukte) bildeten einen wichtigen Zweig des Brückenbaus. Besondere Bedeutung erlangten die Römer durch den Straßenbau. Dazu wurde eine Erdschicht von etwa einem Meter Tiefe ausgehoben, die mit groben Steinen, Kies und schließlich Sand bedeckt wurde, darauf lagen die Pflastersteine. Zahlreiche Straßen besaßen sogar Gehsteige. Im Abstand von einer Meile (1,48 Kilometer) wurden Meilensteine angebracht, auf der die Entfernung zur nächsten Stadt angegeben war. Der so genannte Miliarium Aureum (Goldener Meilenstein) war eine vergoldete Bronze-Säule, die Kaiser Augustus im Jahre 20 v. Chr. auf dem Forum Romanum aufstellen ließ, darauf standen die Namen aller Hauptstädte der Provinzen des Römischen Reiches und ihre jeweilige Entfernung von Rom. Durch diese Säule gewann der Betrachter den Eindruck: „Alle Wege führen nach Rom“. Stefan Kühn Von den Minoern wurde die Fußbodenheizung übernommen, die von den Römern weiterentwickelt wurde. Dabei leitete man warme Luft in Hohlräume unter dem Fußboden. Diese Form der Heizung wurde als Hypokaustrum (griech.: von unten heizen) bezeichnet. Solche Heizungssysteme besaßen auch die Thermen, die seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. in Rom entstanden. In den Thermen befanden sich neben den Fußboden- auch Wandheizungen. Abb. 93.2: Ausschnitt aus der Tabula Peutingeria, einer Straßenkarte, die um 330 entstand und alle Straßen der bekannten antiken Welt verzeichnete (Kopie aus dem 12./13. Jh.) – Österreichische Nationalbibliothek, Wien. 93 3.3. Griechenland und Rom 3.3.4. Sport und Unterhaltung Griechenland n Sport spielte nicht nur in der Erziehung der Jugend eine bedeutende Rolle, Wettkämpfe, wie die Olympischen Spiele, wurden im Rahmen religiöser Feste abgehalten und stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Griechen, die als Zuschauer und Athleten aus den Stadtstaaten anreisten. Daneben boten Theateraufführungen dem Volk Unterhaltung. Sie wurden in Form von Dichterwettbewerben veranstaltet. Sportstätten und Sportarten Attaleiv Die Griechen waren die ersten, die Sportstätten erbauten: das Stadion und das Hippodrom (griech.: Pferderennbahn). Als Trainingsstätte diente das Gymnasion (griech. gymnós: „nackt), ein von Säulenhallen und Bädern gesäumter Hof. Bei den Olympischen Spielen wurden vielfältige Wettkämpfe durchgeführt: Laufbewerbe, Ringkampf, Weitsprung, Diskuswurf, Speerwurf, Pferderennen und Pankration (eine Verbindung von Ringen und Boxen). Abb. 94.1: Rekonstruktion der Zeusstatue im Tempel von Olympia. Vom Bildhauer Phidias geschaffen, galt die Statue als Weltwunder der Antike. Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wurden von Pierre de Coubertin ins Leben gerufen. 1894 wurde zum Zweck der Wiederaufnahme der Spiele das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegründet. 1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen statt. Die Olympischen Spiele Olympia galt bereits in archaischer Zeit als heiliger Ort, um den sich viele Mythen rankten. Der Sage nach wurde Herakles, der Sohn des Zeus und der Alkmene, als Begründer der Spiele angesehen. Die Olympischen Spiele wurden zu Ehren des Gottes Zeus abgehalten. Erste Aufzeichnungen über diese panhellenischen (für alle Griechen zugänglichen) Wettkämpfe stammen aus dem Jahr 776 v. Chr. Während der Spiele herrschte in allen griechischen Stadtstaaten, die einander oft erbittert bekämpften, Waffenruhe. Die Spiele dauerten fünf Tage, am sechsten Tag fand die Siegerehrung statt. Die Sieger erhielten einen Kranz aus Olivenzweigen und wurden als Helden verehrt. Die Spiele wurden und werden auch heute noch im Vierjahresrythmus ausgetragen. Diesen Zeitabstand nennt man Olympiade. Nachdem die Römer 148 v. Chr. Griechenland erobert hatten, durften auch Athleten aus anderen Ländern an den Spielen teilnehmen, langsam sank die Bedeutung der Spiele. 393 n. Chr. wurden sie zum letzten Mal ausgetragen, im folgenden Jahr ließ Kaiser Theodosius I. sie als heidnische Zeremonie verbieten. Das griechische Theater 2 Immanuel Giel 1 3 Abb. 94.2: Rekonstruktion des DionysosTheaters in Athen. Das Theater bestand aus drei Teilen: 1. orchestra (Fläche für den Chor) 2. theatron (Zuschauerraum) und 3. skene (Bühne für die Schauspieler) Es entstand aus Weihefestspielen zu Ehren des Gottes Dionysos, den Dionysien, die seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. im Frühjahr gefeiert wurden. Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus anfänglichen Chorgesängen Theaterstücke, in denen dem Chor zunächst ein Schauspieler gegenüberstand. Unter Aischylos kam ein zweiter, unter Sophokles ein dritter Schauspieler hinzu. Frauenrollen wurden von Knaben übernommen, als Zuschauerplätze waren für Frauen die hinteren Reihen des Theaters vorgesehen. Die Festspiele dauerten fünf Tage: Sie begannen mit Prozessionen und Festopfern, am zweiten Tag wurden fünf Komödien gespielt, an den folgenden drei Tagen stand täglich eine Tetralogie (bestehend aus drei Tragödien und einem Satyrspiel1) auf dem Programm. Am letzten Tag versammelte sich das Volk und kürte einen der Dramendichter zum Sieger des Bewerbes. 1) 94 Satyrspiel: heiteres Nachspiel, das auf die Tragödien folgte Rom n Sport und Unterhaltung in der römischen Antike wurden großteils von den Griechen übernommen. Sie wurden als öffentliche Aufgabe angesehen und von Beamten, den Ädilen, organisiert. Mit Spielen und Theateraufführungen warben auch Politiker um die Wählerstimmen des Proletariats. Beliebt waren Wagenrennen, Theateraufführungen, Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe. Wagenrennen im Circus Maximus VBK Wagenrennen waren seit 680 v. Chr. eine Disziplin der Olympischen Spiele. Die Römer übernahmen sie von den Griechen. Die Rennen fanden im Circus statt, der größte Rennplatz in Rom war der Circus Maximus, der zur Zeit Caesars (100–44 v. Chr.) 60 000 Sitzplätze aufwies, 600 Meter lang und 150 Meter breit war. Mehrere römische Autoren schrieben über die Wagenrennen im Circus Maximus, beispielsweise Titus Livius, Ovid und Plinius der Jüngere (um 62–113 n. Chr.). Wagenrennen wurden in späterer Zeit von römischen Kaisern häufig zu Zwecken der Selbstdarstellung verwendet. Bekanntestes Beispiel ist Kaiser Nero (reg. 54–68). Er bestach bei den Olympischen Spielen 67 n. Chr. die Preisrichter und wurde, obwohl er während des Rennens vom Wagen gefallen war, zum Sieger des Bewerbs gekürt. Abb. 95.1: Rekonstruktion des Circus Maximus und seiner Umgebung. Welche Veranstaltungen sind deiner Ansicht nach in ihrer Beliebtheit mit den antiken Wagenrennen oder Gladiatorenkämpfen vergleichbar? Was macht den Reiz dieser Veranstaltungen aus? Gladiatorenkämpfe Chewie Eine Besonderheit Roms waren die Gladiatorenkämpfe (lat. gladius: Schwert), die wahrscheinlich etruskischen Ursprungs sind und auf Begräbnisfeierlichkeiten zurückgehen. Die ersten Kämpfe in Rom sind jedenfalls für das Jahr 264 v. Chr. belegt. Innerhalb kürzester Zeit wurden sie zu Massenveranstaltungen, die sich ungemeiner Popularität erfreuten. Austragungsstätte dieser „Spiele“ auf Leben und Tod waren die Amphitheater, von denen es mehr als hundert im römischen Reich gab. Die größte derartige Anlage, das Kolosseum, wurde im Jahr 80 n. Chr. mit hunderttägigen Spielen eröffnet. Unter dem Einfluss des Christentums wurden die Gladiatorenkämpfe Anfang des 5. Jahrhunderts verboten. „AVE, CAESAR! MORITURI TE SALUTANT!“ (Ave, Caesar! Die Todgeweihten grüßen dich!“) Gruß der Gladiatoren In der Bauweise unterschieden sich die römischen Theater von den griechischen Amphitheatern. Sie waren rund oder oval, auch die Bühnentechnik unterschied sich von der des griechischen Theaters deutlich. Das erste Theater Roms wurde 55 v. Chr. erbaut. Sowohl in Rom selbst als auch in den Provinzen wurden zahlreiche Überreste römischer Theater gefunden. Das Marcellus-Theater wurde von Kaiser Augustus (31 v. Chr.–14 n. Chr.) errichtet und seinem Neffen Marcellus gewidmet. Es ist das einzige erhaltene Theater in Rom und galt als Vorbild für den Bau des Kolosseum. Der bekannteste römische Tragödiendichter war Lucius Annaeus Seneca (1 v. Chr.–65 n. Chr.), bedeutende Komödiendichter waren Titus Maccius Plautus (um 250 v. Chr.), Livius Andronicus (um 200 v. Chr.) und Publius Terentius Afer, genannt Terenz (um 150 v. Chr). superdealer100 Das römische Theater Abb. 95.2: Das 50 000 Zuschauer fassende Oval des Kolosseums in Rom war von 80–405 n. Chr. Schauplatz von Gladiatorenkämpfen. Tierhetzen wurden noch etwa hundert Jahre länger toleriert. 95 3.3. Griechenland und Rom Griechenland 3.3.5. Religion und Götterwelt n Der griechische Begriff Mythos (Wort, Rede, Erzählung) wurde in der Neuzeit für Götter- und Heldensagen verwendet und daraus das Wort Mythologie abgeleitet. Man versteht darunter die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Mythen der Völker. So besitzt jede Kultur ihre eigenen Mythen, besonders die griechischen waren jedoch für die gesamte abendländische Kultur von größtem Einfluss. Dedden Entstehung der Götter und der Erde Abb. 96.1: Cornelis van Haarlem (1588): Fall der Titanen: Die Titanen unter ihrem Anführer Kronos wurden von Zeus und seinen Geschwistern gestürzt – Staatliches Kunstmuseum, Kopenhagen. Nach griechischen Vorstellungen stand am Beginn der Weltentstehung das Chaos, aus dem der Himmelsgott Uranos und die Erdgöttin Gaia hervorgingen. Aus ihrer Vereinigung entstanden das Göttergeschlecht der Titanen, die sich wiederum vereinten und neue Kinder gebaren: Aus der Vereinigung von Okeanos und Tithys entstanden die Flüsse und die Okeaniden1), aus der Verbindung zwischen Kronos und Rhea gingen Demeter, Hestia, Hera, Hades, Poseidon und Zeus hervor. Die drei Söhne teilten die Herrschaft untereinander auf: Zeus regierte über Himmel und Erde, Poseidon über die Meere und Hades herrschte in der Unterwelt. Liadona Die olympischen Götter Abb. 96.2: Poseidon, Apollon und Artemis auf dem Ostfries des Parthenon (440 v. Chr.) – Akropolismuseum, Athen Der Olymp, der höchste Berg Griechenlands, galt als Sitz der Götter. Die zwölf Götter des Olymp besaßen im religiösen Bewusstsein der Griechen besondere Macht. Zu ihnen gehörten neben den alten Göttern Zeus, Poseidon, Hera, Demeter und Hestia auch Apollon, Artemis, Athene, Ares, Aphrodite, Hermes und Hephaistos. Den religiösen Vorstellungen der Griechen entsprechend besaßen die Göttinnen und Götter durchaus menschliche Eigenschaften, Schwächen und Leidenschaften. Sie bestimmten das Schicksal der Menschen, von denen sie Verehrung und Opfer forderten. Griechisch – römische Götter und ihr Wirken Die Erschaffung des Menschen in der griechischen Mythologie Zeus (röm. Jupiter): Göttervater, oberster Gott Poseidon (röm. Neptun): Gott des Meeres Hera (röm. Juno): Schutzgöttin der Familie Demeter (röm. Ceres): Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin Apollon (röm. Apollo): Gott der Dichtkunst und des Lichtes Artemis (röm. Diana): Göttin der Jagd und des Mondes Athene (röm. Minerva): Göttin der Weisheit Ares (röm. Mars): Gott des Krieges Aphrodite (röm. Venus): Göttin der Liebe und der Schönheit Hermes (röm. Mercurius): Gott des Handels und der Diebe Hephaistos (röm. Vulcanus): Gott des Feuers und der Schmiede Dionysos (röm. Bacchus): Gott des Weines und der Ekstase Hestia (röm. Vesta): Göttin des Herdfeuers und der Eintracht Hades (röm. Pluto): Herrscher der Unterwelt Der Sage nach formte der Titan Prometheus die Menschen aus Ton und stattete sie mit den Eigenschaften von Tieren aus. Athene, die Freundin des Prometheus, schenkte den Menschen Verstand. Allmählich wurden die Götter auf die Menschen aufmerksam und forderten von ihnen Opfer. Prometheus aber, der Menschenfreund, täuschte Zeus und zog sich dadurch den Zorn des Gottes zu: Er brachte den Menschen das Feuer, welches er dem Sonnengott Helios gestohlen hatte. Erzürnt schleuderte Zeus seine Blitze und donnerte, da das Feuer den Göttern vorbehalten war. 1) 96 Okeaniden: Nymphen, die über die Meere herrschten, darunter Elektra und Kalypso. Rom Religiöse Vorstellungen der Römer Die Römer übernahmen viele Mythen und religiöse Vorstellungen der Griechen und passten sie ihren eigenen Bedürfnissen an: Die mächtigsten Götter der Römer waren die Stadtgottheiten Jupiter (griech. Zeus), Juno (griech. Hera) und Minerva (griech. Athene), die in einem Tempel auf dem Kapitol verehrt wurden. Die Verehrung der Stadtgottheiten und der Kaiserkult waren für alle römischen Bürger verpflichtend. Die Juden und Christen verweigerten auf Grund ihrer religiösen Überzeugung den Kaiserkult, dies war die Ursache für schwere Christenverfolgungen, besonders unter Kaiser Diokletian (reg. 284–305). Der Pontifex Maximus, der oberste Priester, war für den Kult zuständig und wurde jeweils für ein Jahr von der Volksversammlung gewählt. Der Titel wurde seit Augustus (ab 31 v. Chr.) von den Kaisern übernommen. An vielen Orten befragten die Griechen und Römer die Götter, das berühmteste Orakel (lat.: Götterspruch) befand sich in Delphi und war Apollon geweiht. Die Götterbefragung geschah in Form einer Zeremonie: Der Ratsuchende entrichtete eine Gebühr, brachte ein Opfer dar und erhielt von der Pythia, der Orakelpriesterin Delphis, eine oft zweideutige Antwort. Sibyllen waren Prophetinnen, deren Weissagungen in Rom in zwölf Sibyllinischen Büchern zusammengefasst waren, die in Krisenzeiten zu Rate gezogen wurden. 83 v. Chr. vernichtete ein Brand die Bücher. Workshop Mattes Antike Orakel und Weissagungen Abb. 97.1: Sybille von Delphi, Fresko von Michelangelo (1509) – Sixtinische Kapelle, Rom Aufgaben zu Kap. 3.3.1.: Aufgaben zu Kap. 3.3.5.: 1. In welche Gattungen teilte Aristoteles die Literatur? 1. Sucht zu jeder Olympischen Gottheit und ihrer römischen Entsprechung eine Sage und vergleicht sie miteinander. Stellt Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Mythologien her! 2. Beschreibe bedeutende philosophischen Strömungen der Antike! Aufgaben zu Kap. 3.3.2.: 1. Nenne einige Besonderheiten römischer Architektur und bautechnische Errungenschaften! Aufgaben zu Kap. 3.3.3.: 1. Beschreibe naturwissenschaftliche Erkenntnisse der Griechen und ihren Einfluss auf spätere Epochen! Aufgaben zu Kap. 3.3.4.: Mediencorner Quellen zu Kap. 3.3.: Cicero Marcus Tullius, Sämtliche Reden – Bd. 3 – Erste Rede gegen Verres, Zürich/Stuttgart 1971. Der Kleine Pauly – Lexikon der Antike, München 2002. Friedell Egon, Kulturgeschichte Griechenlands, München 1981. Naso Publius Ovidius, Metamorphosen, Stuttgart 1986. Swaddling Judith, Die Olympischen Spiele der Antike, Stuttgart 2004. Filmtipp zu Kap. 3.3.: 1. Stelle die griechischen und römischen Formen von Sport und Unterhaltung gegenüber – suche Gemeinsamkeiten und Gegensätze! Gladiator (USA 2000) Darsteller: Russel Crowe, Joaquin Phoenix, Connie Nielsen Regie: Ridley Scott. Mit fünf Oscars ausgezeichneter Monumentalfilm 97 3.3. Griechenland und Rom Im Zeitfenster zu Gast Georg Hoffmann-Ostenhof Die USA – das Rom des 21. Jahrhunderts? Militärisch ist die Ähnlichkeit offensichtlich: Rom war die Supermacht seiner Zeit mit einer gewaltigen bestens trainierten Armee, mit unvergleichlichen Ausgaben für diese und einem Arsenal der entwickeltsten Waffen. Niemand konnte Rom das Wasser reichen. Die USA ist heute in einer ähnlichen Situation: Washingtons Verteidigungsbudget ist höher als die Militärausgaben der neun nächst starken Länder zusammen. Waffentechnisch ist Amerika allen anderen auf Jahrzehnte hinaus haushoch überlegen. Offensichtlich haben die USA vom römischen Imperium eines gelernt: Technik ist zentral für den Supermacht-Anspruch. Das ausgebaute Straßennetz etwa ermöglichte es dem antiken Rom, Truppen rasch von einem Ende des Imperiums zum andern zu bringen. Auf den für die Kriegsführung entwickelten Verkehrswegen wurden aber auch die römischen Waren transportiert. Der Handel des Imperiums blühte auf. Und machte es reich. Ganz ähnlich jetzt. Die Straßen von damals sind heute die „Superhighways der Information“: Das Internet war ursprünglich vom USVerteidigungsministerium erfunden worden, befestigte die amerikanische wirtschaftliche Dominanz und machte Englisch endgültig zum Latein der heutigen Zeit. Es war aber nicht nur die „harte Macht“ der Schwerter, die Rom zum globalen Großreich der Antike machte, sondern auch die „weiche Macht“ der Verführung, mit der es sich die Welt untertan machte. Die eroberten Völker liebten die Gladiatoren-Spiele, begeisterten sich für die Toga, die Bäder und die Zentralheizung römischer Provenienz. Haben 98 Coca Cola, McDonald´s, Starbucks, Jeans und Disney nicht eine ganz ähnliche Funktion wie die attraktiven römischen Vergnügungs- und Konsumangebote von damals? Bei allen Parallelen: Auch wesentliche Unterschiede zwischen dem römischen Imperium und den Vereinigten Staaten fallen ins Auge. Zwar hat Amerika heute weltweit in über vierzig Staaten Armeebasen – regelrechte Kolonien, wie das antike Rom, aber nicht. Es gibt keine amerikanischen Vizekonsuln und Vizekönige. Und die Soldaten, die in die Welt gesandt werden, um den Einfluss Amerikas zu sichern, bleiben selten, um da eine direkte Herrschaft der USA zu errichten und zu stabilisieren. Sie ziehen, so bald es irgend möglich ist, ab. Das hängt auch mit dem Selbstbild zusammen, das die USBürger von sich haben. Zwar sehen sie sich als Nation, die dazu auserkoren ist, das Gute in die Welt zu tragen, als imperiale Macht wollen sie sich aber keineswegs verstehen. Die Welt ist im Umbruch: Die weltweite von den USA ausgegangene Finanzkrise hat die grundlegende, dreißig Jahre beherrschende amerikanische Ideologie des Marktradikalismus stark diskreditiert. Wirtschaftlich sind die USA geschwächt, neue Spieler wie China und Indien und andere so genannte Schwellenländer treten mit neuem Selbstbewusstsein in die Arena. Erschien Anfang des Jahrhunderts in der Diskussion über das amerikanische Imperium dieses auf dem Höhepunkt seiner Macht zu sein, so wird heute in der Debatte eher auf den Untergang des römischen Reiches hingewiesen – der aber nicht über Nacht passierte, sondern sich als ein langer Prozess darstellte. Die USA ist nach wie vor die erste Wirtschaftsmacht und eine überaus dynamische Gesellschaft. Amerika wird noch für Jahrzehnte eine, wenn nicht die zentrale Rolle in der Weltpolitik spielen. Archiv Ed. Hölzel Der Vergleich zwischen den USA und dem Imperium Romanum wird in regelmäßigen Abständen immer wieder angestellt. Gerade auch in der Ära des Präsidenten George W. Bush war er besonders en vogue. Die linken AmerikaGegner fühlten sich angesichts der aggressiv-militärischen Außenpolitik Washingtons in ihrer Kritik am US-Imperialismus bestätigt. Aber auch Verteidiger der Politik des republikanischen Präsidenten zogen diese Parallele. Charles Krauthammer, der konservative Kolumnist der „New York Times“ etwa argumentierte im Jahre 2002: „Es ist doch eine Tatsache, dass kein Land in der Geschichte seit dem Römischen Imperium auf allen Ebenen – ökonomisch, kulturell, technologisch und militärisch – so Welt beherrschend war wie die USA unserer Tage“. Prof. Georg Hoffmann-Ostenhof, Journalist in Wien, Ressortleiter Außenpolitik beim Wochenmagazin „profil“