Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Untersuchungen zu Quartieren und Jagdhabitaten der Freiburger Wimperfledermauskolonie als Grundlage für Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen Auftraggeber: Landesanstalt für Umweltschutz Karlsruhe mit freundlicher Landesbank Baden-Württemberg Unterstützung: Stadt Freiburg Freiburger Energie- und Wasserversorgung Auftragnehmer: Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Freiburg Runzstraße 14 79102 Freiburg Bearbeitung: Freiburg, 12.12.2001 Dr. Robert Brinkmann OStR Edmund Hensle Dipl.-Biol. Claude Steck Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung und Aufgabenstellung 1 2 Methoden 2.1 Kontrolle der Quartiere 2 2.2 Besenderung und Telemetrie 3 2.3 2.4 Beringung Netzfänge und Videobeobachtungen im Jagdhabitat 6 6 2.5 Nahrungsanalyse 8 3 Ergebnisse 3.1 Quartiernutzung 3.1.1 Wochenstubenquartier 3.1.2 Einzelquartiere von Weibchen 3.1.3 Männchenquartiere 3.2 Raumnutzung und Verhalten außerhalb der Quartiere 3.2.1 Überblick über die Ergebnisse 3.2.2 Nutzung verschiedener Aufenthaltsgebiete/Jagdgebiete 16 19 3.2.3 Verhaltensbeobachtungen in den Jagdhabitaten 23 3.2.4 Größe und Entfernung der Aufenthaltsgebiete/Jagdhabitate zum Quartier 3.2.5 Flugrouten 25 Nahrung 30 Diskussion 4.1 Quartiernutzung 33 4.2 4.3 36 38 3.3 4 5 9 14 16 Raumnutzung und Verhalten außerhalb der Quartiere Nahrung 29 Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen zur Sicherung der Wimperfledermauskolonie 5.1 Schutz- und Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der FFH-Richtlinie 40 5.2 44 Gefährdungen sowie Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen in den Teilhabitaten 6 Offene Fragen 46 7 Quellen 7.1 Literatur 47 7.2 48 Gesetze und Richtlinien Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 1 1 Einleitung und Aufgabenstellung Die als wärmebedürftig geltende Wimperfledermaus hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in Südeuropa. In Deutschland pflanzt sie sich nur in den südlichen Landesteilen Bayerns und Baden-Württembergs fort. Wie auch im restlichen Europa gehört sie in Deutschland zu den bedrohten Fledermausarten. In Baden- Württemberg sind aktuell nur drei Wochenstuben, aus der Vorbergzone des Schwarzwaldes (Lahr), aus der Breisgauer Bucht (Freiburg) und dem Markgräfler Land (Müllheim), bekannt. Winterquartiere wurden bislang überwiegend im Schwarzwald und im Dinkelberggebiet, selten auch auf der Schwäbischen Alb gefunden. Alle drei Wochenstubenquartiere in Südbaden sowie einige der Winterquartiere wurden vom Land Baden-Württemberg nach der FFH-Richtlinie als besondere Schutzgebiete an die EU gemeldet. Sie sollen Teil des länderübergreifenden Schutzgebietsystems NATURA 2000 der EU werden, das auch das Überleben der Wimperfledermaus in Europa langfristig sicherstellen soll. Neben dem Schutz der Sommer- und Winterquartiere kommt dem Erhalt der Jagdhabitate im Umfeld der Quartiere eine bedeutende Rolle zu. Denn ein ausreichend großes Angebot an Beutetieren in erreichbaren Jagdhabitaten ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortpflanzung der Wochenstubentiere. Und ein guter Reproduktionserfolg der einzelnen Kolonien ist der Schlüsselfaktor für den Fortbestand und die Entwicklung der gesamten Wimperfleder mauspopulation in Südbaden. Über das Jagdverhalten der Wimperfledermäuse in Baden-Württemberg liegen nur sehr wenige Beobachtungen vor, die keine Rückschlüsse auf die Raumnutzung der Tiere im Umfeld der Quartiere zulassen. Die geringen Kenntnisse über das Jagdverhalten der Art in Mitteleuropa, stammen im Wesentlichen von einer Studie aus Oberbayern (RICHARZ, KRULL & SCHUMM 1989, KRULL et al. 1991) aus den Jahren 1986/1987. Die Ergebnisse jener Studie basieren auf der Telemetrie von vier Tieren (drei nichtreproduktive Weibchen, ein Männchen) über wenige Nächte hinweg. Vor dem Hintergrund dieses relativ geringen Kenntnisstandes zur Raumnutzung bei der gleichzeitig großen Bedeutung der Jagdhabitate für den Fortbestand der Art, entschloss sich die Landesanstalt für Umweltschutz, Karlsruhe, auf Anregung der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Freiburg und der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in Freiburg, ein Projekt zur Erforschung der Raumnutzung durchzuführen. Die zentralen Fragen, die die Studie beantworten soll, sind • Wo liegen die Jagdgebiete der Kolonietiere? • Wie werden sie erreicht? • Welche Lebensraumtypen werden in den Jagdgebieten genutzt? Darüber hinaus sollen Daten zur Quartiernutzung und zum Verhalten in den Jagdgebieten und im Quartier als Grundlage für weitere Schutzmaßnahmen gewonnen werden. Als Beispiel wählten wir mit der Freiburger die kleinste der drei aus Südbaden bekannten Kolonien. Die Kolonie in Freiburg erscheint uns für die Beantwortung der Fragestellungen als Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 2 besonders geeignet, da hier eine Vielzahl verschiedener Wald- und Kulturbiotope von den Wimperfledermäusen zur Jagd schnell erreicht werden kann. Außerdem treten am Siedlungsrand eines expandierenden Oberzentrums mögliche Probleme der Lebensraumzer schneidung und –zerstörung geballt auf und erlauben so die Beobachtung des Verhaltens der Kolonie unter „schwierigen Bedingungen“. Dank Die vorliegende Studie hätte ohne die tatkräftige Unterstützung zahlreicher Mitarbeiter und der Unterstützung von außen nicht entstehen können. Wir danken herzlich der LfU Karlsruhe, insbesondere Dr. Michael Waitzmann und Dr. Harms für die Förderung und das uns entgegengebrachte Vertrauen, der Stiftung der Landesbank Baden-Württemberg für die großzügige Finanzierung der technischen Ausrüstung sowie dem Umweltschutzamt der Stadt Freiburg, insbesondere Frau Essig und Herrn Wilbs und der Freiburger Energie- und Wasserversorgung für inhaltliche und finanzielle Unterstützung. Dr. Friedrich Kretzschmar, Horst Schauer-Weisshahn, Lennart Hensle und Simon Kramis von der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Freiburg unterstützten uns in mancher langen Nacht bei der Telemetrie der Tiere und trugen so mit ihrem großen Engagement und ehrenamtlichen Einsatz ganz wesentlich zum Erfolg der Studie bei. Dr. Uwe Kerkhof von der BNL-Freiburg half die Studie „auf den Weg zu bringen“ sowie bei notwendigen Genehmigungen. Karl Kugelschafter aus Lohra danken wir für Lieferung und Montage der Lichtschranke und des Datenloggers sowie für wertvolle Anregungen während des Projektes. OStD Peter Hahlbrock gewährte uns Zutritt zum Quartier im Friedrich-Gymnasium auch außerhalb der Schulzeit. Wir danken Dr. Ambros Hänggi, Naturhistorisches Museum Basel für die Bestimmung der Spinne Cyclosa conica und Andres Beck, Wettingen, für die Identifizierung eines ScarabeidaeFragmentes im Rahmen der Nahrungsanalyse. Für die unkomplizierte Erteilung der erforderlichen Genehmigungen danken wir Herrn Tibi, RP-Freiburg (Naturschutzrecht) sowie Frau Dr. Dietrich, RP-Freiburg (Tierschutz), und Herr Dr. Jourdan vom Veterinärmedizinischen Dienst der Universität Freiburg. Das Forstamt Freiburg erteilte freundlicherweise eine Fahrerlaubnis auf den Forstwegen des Stadtwaldes. Abschließend danken wir allen Landwirten, insbesondere der Familie Kaltenbach vom Merzhof, die das Betreten ihrer Flächen sowie einen „Blick“ in ihre Ställe erlaubten. 2 Methoden 2.1 Kontrolle der Quartiere Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Wochenstubenquartier der Freiburger Wimperfledermauskolonie1 im Dachstuhl des Friedrich-Gymnasiums im Stadtteil Herdern. Am bereits bekannten Ausflug, einem Spalt an einem Fenster des südlichen Seitenturms, wurde ein doppeltes Lichtschrankensystem (Liba-4, ChiroTEC) zur automatischen Erfassung der Ein- und 1 Als Kolonie bezeichnen wir die Summe aller Tiere einer lokalen Fortpflanzungsgemeinschaft (reproduktive und nichtreproduktive Weibchen, Männchen) im Sinne einer Teilpopulation. Dagegen umfasst die Wochenstube nur die Weibchen der Kolonie, die sich im zentralen Wochenstubenquartier aufhalten. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 3 Ausflüge angebracht. Die Daten der Lichtschranke werden von einem Datenlogger (Tricorder 9006, ChiroTEC) in einem vom Quartier abgetrennten Raum im Dachstuhls aufgezeichnet. Ebenso automatisch erfasst werden die Daten von drei Temperaturfühlern (ein Außenfühler an der Nordwestseite des Dachstuhls, ein Fühler am Datenlogger im Nebenraum, einer im Dachstuhl in Höhe des Haupt-Hangplatzes der Wochenstubentiere, jedoch etwa 6 Meter davon entfernt). Mit einem Regenmelder auf dem Dach des Gebäudes werden die lokalen Niederschlagsereignisse erfasst und an den Datenlogger weitergeleitet. Die Anlage konnte aufgrund der späten Bewilligung der Projektmittel erst Ende Mai montiert werden. Daten des Regenmelders konnten auf Grund längerer Lieferzeiten notwendiger Anschlusskabel erst ab Ende Juni aufgezeichnet werden. Die Anlage wurde bis Ende Juli wöchentlich, später in größeren Intervallen überprüft. Die auf dem Tricorder gespeicherten Daten wurden mit Hilfe eines Laptops ausgelesen. Am 31.10. wurde die Datenaufnahme für diesen Bericht abgeschlossen. Das gesamte System hatte bis zu diesem Zeitpunkt fehlerfrei gearbeitet. Es ist weiterhin in Betrieb und soll auch im nächsten Jahr die Aktivität im Wochenstubenquartier aufzeichnen. Bei den regelmäßigen Kontrollen während des Tages wurde immer auch ein kurzer Blick in den Dachstuhl geworfen, um den aktuellen Hangplatz der Tiere zu suchen. Auf ein längeres Ausleuchten oder Fotografieren zur Zählung von Tieren wurde verzichtet, um Störungen zu minimieren. Einzig am 20.06.01 wurde nach dem Ausflug der adulten Tiere der Hangplatz ausgeleuchtet und fotografiert, um die Jungtiere zu zählen. Vor der Installation der Lichtschranke wurden Anfang und Mitte Mai zwei abendliche Ausflugszählungen durchgeführt. Weitere Ver haltensbeobachtungen im und vor dem Quartier liegen aus den Nächten vor, in denen Tiere zur Besenderung beim morgendlichen Einflug gefangen wurden. Die erst im Rahmen der Telemetrie ermittelten weiteren Quartiere wurden ebenfalls bei Tag aufgesucht und soweit zugänglich kontrolliert. 2.2 Besenderung und Telemetrie Wir telemetrierten in zwei Zeiträumen (vom 3. bis 10. Juni und vom 13. bis 20. Juli) insgesamt 10 Wimperfledermäuse (sechs reproduktive und zwei adulte, aber nichtreproduktive Weibchen sowie zwei Männchen). Da die meisten der untersuchten Tiere in jeder Untersuchungsnacht ein wiederkehrendes und voraussehbares Verhalten zeigten, versuchten wir in dem begrenzten Untersuchungszeitraum eher mehr Tiere zu beobachten (insgesamt 10 anstatt der geplanten 6 Tiere) und die Beobachtungsdauer je Tier entsprechend zu verringern. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 4 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 5 Besenderung Zur Besenderung fingen wir die Tiere mit einer Ausnahme beim morgendlichen Einflug in den Dachstuhl des Friedrich-Gymnasiums mit einem Japannetz2. Die Tiere wurden sofort aus dem Netz genommen und im Nachbarraum vermessen, besendert und im Quartier wieder frei gelassen. Unser Aufenthalt im Quartier konnte somit auf wenige Minuten beschränkt werden. Das Verhalten von Tieren beim Einflug und bei der Besenderung zu Beginn des zweiten Untersuchungszeitraums zeichneten wir mit einer Infrarotkamera auf Video auf, um mögliche Störeinflüsse unsererseits und auch das Verhalten der neu besenderten Tiere zu dokumentieren. Ein auffälliges Verhalten sowohl der frisch besenderten als auch der übrigen Wimperfledermäuse konnten wir dabei nicht feststellen. Nach unserem Eindruck ist der morgendliche Abfang mit relativ geringen Störungen für die Wochenstube verbunden. Ein Versuch, Tiere beim Ausflug im Quartier abzufangen, misslang dagegen weitgehend. Die Tiere schwärmten im Quartier, konnten aber bis auf wenige Ausnahmen (drei Jungtiere, ein adultes Tier) nicht gefangen werden. Erst nach dem Abbruch der Aktion flogen die Tiere aus. Als einziges Sendertier wurde ein nichtreproduktives Weibchen außerhalb der Wochenstube, nämlich beim Einflug in den Kuhstall des Merzhofes gefangen. Aufgrund seines geringen Gewichtes von nur 0,6 g wählten wir den Sender „PIP2 single button celled tag“ der Firma BIOTRACK Ltd, Dorset UK. Das Sendergewicht lag somit in allen Fällen weit unter dem Schwellenwert von 10% des Körpergewichtes, der allgemein noch als zumutbar angesehen wird. Die Lebensdauer des Senders wurde vom Hersteller mit 10,7 Tagen angegeben (Batterie Ag 317, Pulsrate von 60/min, Pulslänge von 20 ms). Die Sendefrequenzen lagen in dem von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zugeteilten Versuchsfunkfrequenzfenster zwischen 150.050 bis 150.240 MHz3 . Die Sender klebten wir mit einem medizinischen Hautkleber (Manfred Sauer GmbH) in Höhe der Schulterblätter in das Rückenfell der Fledermäuse4. Die im ersten Zeitraum besenderten Tiere wurden durch ein in das Rückenfell geschnittenes Muster individuell markiert. Im zweiten Untersuchungszeitraum wurden die Tiere mit Unterarmklammern des Museums König, Bonn, beringt (vgl. Punkt 2.3). Telemetrie Die Telemetrie der Tiere führten wir mit zwei Teams durch. Durch Kreuzpeilung konnten wir den Aufenthaltsort auch in relativ großer Entfernung bestimmen. Diese Methode kam bevorzugt im bebauten Bereich von Freiburg zum Einsatz, wo von zwei erhöhten Punkten (Eichhalde und Immenberg) aus das Verhalten der Tiere nach dem Ausflug aus dem Quartier relativ gut dokumentiert werden konnte. Zudem konnte so die Abflugrichtung in die weiter entfernten Jagdhabitate bestimmt werden, was die Nachsuche wesentlich erleichterte. Aber 2 3 4 Die Genehmigung zur Besenderung (Telemetrie) von Fledermäusen nach dem Naturschutzrecht wurde durch das Regierungspräsidium Freiburg mit Schreiben vom 23.05.01 erteilt (AZ 56-8852.44/1091. Die Genehmigung zum Netzfang von Fledermäusen wurde am 13.10.1999 erteilt und zuletzt mit Schreiben vom 22.05.01 verlängert (AZ 56-8852.44/1093). Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erteilte die Versuchsfunklizenz zur Radiomarkierung von Tieren (Fledermäuse) mit Schreiben vom 12.03.01 (Zuteilungsnummer 27550124). Die Genehmigung dieser als Tierversuch eingestuften Methode wurde vom Regierungspräsidium Freiburg mündlich am 02.05.01 und schriftlich am 02.08.2001 erteilt (AZ 35-9185.81/3/310). Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 6 auch in unübersichtlichem Gelände, vor allem im Wald, wurde der Aufenthaltsort der Tiere überwiegend per Kreuzpeilung ermittelt. In den gut überschaubaren Jagdhabitaten, wie vor allem den Kuhställen, z.T. jedoch auch in den Obstwiesen und Bachgehölzen, war es leicht möglich, den Aufenthaltsort der Tiere auch mit nur einem Team oder als Einzelperson zu bestimmen. So war es zumindest zeitweise möglich, in einer Nacht zwei Tiere gleichzeitig zu verfolgen. Wir telemetrierten die Tiere in der Regel vom abendlichen Ausflug aus ihrem Quartier bis zur morgendlichen Rückkehr. Als Empfänger wurden zwei TRX 1000S (Wildlife Materials Inc., Carbondale USA) in Verbindung mit verschiedenen zwei-, drei- und fünfelementigen YAGI-Antennen benutzt. Zur Überprüfung der Anwesenheit von Tieren in den Quartieren diente zusätzlich ein Scanner der Firma Albrecht (Typ AE-300). Die Kommunikation der Teams untereinander erfolgte über Sprechfunkgeräte und bei größeren Entfernungen auch über Mobiltelefone. In unübersichtlichem Gelände, vor allem im Wald, wurde die Positionsbestimmung durch GPS unterstützt. Die Ergebnisse der Beobachtungen wurden schriftlich in einem Feldprotokoll oder auf dem Diktiergerät festgehalten. Es wurde angestrebt, die Verhaltensbeobachtungen fortlaufend und im Minutenraster zu führen, was bis auf die Phasen der schnellen Flüge in die Jagdhabitate und bei Wechseln zwischen ihnen auch weitgehend gelang. Aufgrund des Sendersignals (konstant oder wechselnd) konnten wir Flugaktivität von stationären Phasen trennen. Am folgenden Tag wurden die Daten in ein Ergebnisprotokoll übertragen und dabei kategorisiert (Zeiträume der Nutzung verschiedener Lebensraumtypen als Jagdhabitat, Zeiträume für Ortswechsel). Die Aufenthaltsgebiete, Ortswechsel und soweit erkennbar Flugrouten wurden mit Zeitangaben in Karten eingetragen. 2.3 Beringung Im zweiten Untersuchungszeitraum wurden alle beim Netzfang im Quartier oder auch im Jagdhabitat gefangenen Tiere mit Unterarmklammern (Größe H) des Museums König, Bonn, individuell markiert, um ggf. die Tiere in Zwischenquartieren oder beim Wiederfang im Kuhstall oder vor einer Höhle, oder gar im Winterquartier wiederzuerkennen5. 2.4 Netzfänge und Videobeobachtungen im Jagdhabitat Zur Dokumentation des Verhaltens in dem für die Kolonie sehr wichtigen Jagdhabitat Kuhstall beobachteten wir in der zweiten Untersuchungsperiode das Verhalten der Tiere zunächst eine Nacht im Flammhof und dann zwei Nächte im Merzhof mittels einer Infrarot-Videokamera. Interessante Verhaltensweisen wurden auf Video aufgezeichnet. Zusätzlich konnten wir einen Teil der einfliegenden Wimperfledermäuse fangen und den Status der Tiere überprüfen. Alle gefangenen Tiere wurden mittels Unterarmklammern individuell markiert. 5 Eine Beringungserlaubnis wurde vom Regierungspräsidium Freiburg mit Schreiben vom 06.08.1998, zuletzt verlängert am 10.07.2001, erteilt (AZ 56-8852.44/1091). Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 7 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 2.5 8 Nahrungsanalyse Die Erhebung der Kotstichproben Den Kot der Wimperfledermaus-Wochenstube sammelten wir im Zeitraum zwischen dem 12.05.2001 und dem 15.07.2001. Zum ersten Mal sammelten wir am 04.06.2001 Kot, womit das erste Sample etwa 3 Wochen repräsentiert. Ansonsten erfolgte die Probenahme im Wochentakt. Grundlage für die Nahrungsanalyse waren somit 7 Wochenproben. Diese Kotproben umfassten jeweils etwa 30-50 cm3 . Das Sammeln erleichterten wir uns, indem wir unter dem Haupt-Hangplatz der Wimperfledermaus-Wochenstube eine Folie auslegten, welche wir nach jedem Kot-Sammeln erneuerten, so dass keine „alten“ Kotpellets darauf zurückblieben. Von jedem Sammeldatum untersuchten wir 15, insgesamt also 105 Kotpellets. Diese zogen wir blind aus den Wochenproben. Die untersuchten Kotpellets können deshalb als unabhängige Stichproben angesehen werden. Der Nachweis von Beutetieren Die einzelnen Kotpellets wurden in ca. 70%igem Alkohol eingeweicht und dann mit Uhrmacherpinzetten vorsichtig zerlegt. Im Kot fanden sich unverdaute sklerotisierte Fragmente von verzehrten Arthropoden. Viele dieser Arthropoden-Fragmente konnten wir mit einer Stereolupe bei 10- bis 20-facher Vergrösserung mindestens bis auf die Ordnung taxieren. Insbesondere Überreste von Arthropoden-Beinen (Araneida, Coleoptera, Diptera, Hymenoptera), Flügeln (Neuroptera, Diptera), Fühlern (Neuroptera, Hymenoptera), Flügeldecken (Coleoptera) und Mundwerkzeugen (Diptera) eigneten sich zur Taxation. Fragmente, die sich als Belege oder zur Nachbestimmung eigneten, betteten wir mit flüssigem Deckglas (Merckoglas®) auf Objektträgern ein. Acari (Milben) wurden auf Grund ihrer ektoparasitären Lebensweise nicht dem Beutespektrum zugerechnet – sie wurden sicher bei der Fellpflege „verspeist“. Einzelne Fragmente konnten noch auf ein feineres Niveau bestimmt werden: Blattodea: Ectobius lapponicus Merkmale: Vorderflügel, Fühler und Beine Es handelt sich entweder um Ectobius lapponicus oder E. sylvestris. E. sylvestris scheint eine Art der höheren Lagen zu sein (HARZ 1957), weshalb es wahrscheinlich ist, dass die nachgewiesenen Waldschaben der Art Ectobius lapponicus angehören. Araneida: Cyclosa conica Merkmal: Epigyne - von Dr. Ambros Hänggi (Naturhistorisches Museum Basel) bestimmt Coleoptera: Cerambycidae Merkmale: Tarsenzahl und –Form (vgl. BÄHRMANN 1995) Curculionidae Merkmal: Flügeldecken mit Schuppen Scarabeidae Merkmal: Tibia Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 9 Brachycera: Musca domestica Merkmal: winkelförmig abgeknickte m1 des Flügels (vgl. HENNIG 1964) Musca domestica kann anhand der Tarsenendglieder von anderen Arten der Gattung Musca unterschieden werden. Nur bei Vorhandensein eines Brachyceren-Flügels mit einer winkelförmig abgeknickten m1 und Musca domestica -typischen Tarsenendgliedern legten wir uns auf Musca domestica fest. Stomoxys calcitrans Merkmal: Stechrüssel (vgl. HENNIG 1964) Nematocera: Tipulidae Merkmal: Fühler (vgl. McANEY et al. 1991) Hymenoptera: Ichneumenidae Merkmale: Fühler, bezähnte Klauen (vgl. McANEY et al. 1991) Neuroptera: Hemerobiidae Merkmal: Flügeladerung (vgl. BÄHRMANN 1995) Quantifizierung der Beuteanteile Zur Quantifizierung der Beuteanteile auf (Unter-) Ordnungsniveau berechneten wir einerseits die Auftretensfrequenz (F) der einzelnen Beutetaxa. Die Auftretensfrequenz ist die Anzahl der Kotpellets, in denen ein bestimmtes Beutetaxon nachgewiesen wurde, bezogen auf Gesamtzahl der untersuchten Kotpellets. Außerdem schätzten wir den relativen Volumenanteil (10% Skala) der Beutetaxa am jeweiligen Kotpellet. Im Folgenden berechneten wir für jedes Beutetaxon aus den relativen Volumenanteilen aller Kotpellets der Gesamtstichprobe den durchschnittlichen Volumenanteil (V). Dies ist aber wohlgemerkt nur eine Schätzung und darf keinesfalls als absolute Volumenangabe missver standen werden. Vielmehr soll diese Angabe nur einen Eindruck von der Bedeutung des Taxons innerhalb der Einheit Kotpellet vermitteln. Dadurch können häufig aber nur in sehr geringem Volumen nachgewiesene Beutegruppen in ihrer Bedeutung etwas relativiert werden. 3 Ergebnisse 3.1 Quartiernutzung 3.1.1 Wochenstubenquartier Entwicklung der Wochenstube im Überblick Bei der ersten Kontrolle des Quartiers am 01. Mai entdeckten wir bereits Tiere am Hangplatz. Am gleichen Abend konnten wir 23 ausfliegende Tiere zählen. Eine zweite Ausflugszählung am 11. Mai ergab 33 Tiere. Ab Anfang Juni konnten wir auf die Daten der Lichtschranke zurückgreifen (vgl. Abb. 1). Die Anzahl ausfliegender Individuen stieg bis etwa Mitte Juni und erreichte am 12. Juni mit 65 ausfliegenden Tieren ein Maximum. 10 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1. Jun 01 1. Jul 01 1. Aug 01 1. Sep 01 1. Okt 01 Abb. 1: Entwicklung der Individuenzahlen im Wochenstubenquartier des Friedrich-Gymnasiums Freiburg vom 1. Juni bis zum 15. Oktober. Die Anzahl abendlich ausfliegender Tiere war das beste Maß zu Ermittlung der Bestandszahlen, da die Summenwerte der Lichtschranke auf der Basis von Einflug/Ausflugberechnungen nach logischer Überprüfung nicht stimmig waren. Vermutlich verlassen Einzeltiere das Quartier gelegentlich über eine weitere Ausflugöffnung. Zudem ist durch diese Art der Auswertung ein Vergleich mit den Ausflugszählungen vor der Installation der Lichtschranke aus dem Mai und auch aus früheren Jahren möglich. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 11 Auffällig waren die stark schwankenden Ausflugszahlen. Da die Einflugszahlen relativ genau mit den Ausflugszahlen vom Vorabend übereinstimmten und wir bei nächtlichen Kontrollen im Juni nie adulte Tiere im Quartier fanden, mußte es ein weiteres Quartier geben, in dem die abwesenden Tiere übertagten. Dieses fanden wir bereits am Morgen der ersten Telemetrienacht (03. Juni), nachdem zwei der drei im Friedrich-Gymnasium (FG) besenderten Weibchen in ein anderes Quartier einflogen. Das neu entdeckte Quartier befindet sich auf dem Dachboden eines Gründerzeit-Stadthauses in etwa 300 Meter Entfernung zum FG. Bei der Kontrolle dieses Quartiers am 03. Juni während des Tages konnten etwa 15-20 Wimperfledermäuse in einem Cluster in einem abgelegenen und nicht zugänglichen Teil des Dachbodens entdeckt werden. In einem anderen Bereich wurde ein einzelnes Tier an der Decke hängend beobachtet. Unter dem Hangplatz des Clusters sowie an einer weiteren Stelle des Dachbodens waren kleinere Kothaufen zu entdecken, die auf eine regelmäßige Nutzung des Quartiers schließen lassen. Nach Aussagen der Bewohner des Hauses lassen sich Fledermäuse, bzw. ihre Spuren schon seit Jahren auf dem Dachboden beobachten. Nach der vergleichsweise geringen Kotmenge zu urteilen, wird das Quartier offenbar aber von deutlich weniger Individuen als das FG benutzt. Die auch in den Folgenächten noch regelmäßig beobachteten Wechsel von zwei Sendertieren zwischen den Quartieren, lassen darauf schließen, dass es sich deshalb um einen Wochenstubenverband mit einem Haupt- (FG) und einem Nebenquartier handelt. Am Abend des 03. Juni flogen aus dem FG 42 Tiere aus. Inklusive der tagsüber im Nebenquartier gezählten 15-20 Tieren ergibt sich somit eine Gesamtzahl von etwa 57-62 Wimperfledermäusen in beiden Quartieren. Diese Zahl stimmt gut überein mit den am 12. Juni maximal ermittelten 65 abendlichen Ausflügen aus dem Friedrich-Gymnasium. Diese Maximalzahl bezieht sich ganz überwiegend auf weibliche Tiere der Wochenstube, jedoch sind vermutlich auch einzelne Männchen darunter, die ebenfalls im Dachstuhl des FG Quartier bezogen haben. So wurden bei zwei der insgesamt fünf Netzfänge einfliegender Tiere jeweils auch erwachsene Männchen gefangen. Im Folgenden werden die einzelnen Phasen der Quartiernutzung separat dargestellt: Vor der Geburt der Jungen Der Termin der ersten Ankunft von Tieren aus dem Winterquartier im Wochenstub enquartier kann nicht genau datiert werden, er liegt jedoch in jedem Fall im April, da am 01. Mai bereits Tiere im Quartier anzutreffen waren (s.o.). Die Individuenzahlen nehmen dann zu und erreichen kurz vor oder während der ersten Geburten in der Wochenstube einen Höhepunkt (12. Juni). In der Zeit vor der Geburt der Jungen zeigen die Lichtschrankendaten ein eindeutiges Muster mit Ausfügen nach Sonnenuntergang und der Heimkehr der Tiere noch vor und in der Morgendämmerung (Abb. 2: Daten der Lichtschranke vom 06./07. Juni, Ausfüge rot, Einflüge grün, Zeitangaben MEZ). Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 12 Geburt der Jungen und Laktationsphase Bei der Quartierkontrolle am 17. Juni entdeckten wir ein totes Jungtier unter dem Hangplatz. Die noch vorhandene Nabelschnur deutet auf eine Totgeburt. Bei der nächsten Kontrolle am 20. Juni nach dem Ausflug der Weibchen fanden wir ein weiteres, etwa zwei bis drei Tage altes Jungtier noch lebend neben einem frisch-toten Weibchen mit besäugten Zitzen. Am 25. Juni war dies Jungtier ebenfalls tot. Es war also nicht – wie erhofft – von einem Weibchen zurückgeholt worden. Möglicherweise handelte es sich auch um das Jungtier des toten Weibchens. Am 20. Juni leuchteten wir den Hangplatz aus und konnten etwa 15, wenige Tage alte Jungtiere in einem Cluster am Haupthangplatz zählen. Die Geburt der Jungen kann demnach etwa auf den Zeitraum zwischen dem 15. und 20. Juni datiert werden. Weitere Indizien für die Geburt der Jungen können aus den Lichtschrankendaten abgelesen werden. Ab etwa dem 16./17. Juni zeigt die Lichtschranke Einflüge gegen Mitternacht und kurze Zeit später wieder Ausflüge (vgl. nebenstehende Abb. 3: Lichtschrankendaten vom 22./23. Juni). So waren z.B. am 23.06. zwischen 23.30 und 1.00 MEZ insgesamt zwölf Einflüge zu verzeichnen. Nach unserer Interpretation handelt es sich um Weibchen, die zu ihren Jungen zurückkehren, um diese zu säugen. Ein vor Regelfall abweichendes Ausflugsverhalten beobachteten wir bei extremen Witterungsverhältnissen. So fegte am Abend des 06. Juli ab 20.30 MEZ ein Gewittersturm mit Starkregen und heftigen Windböen über die Stadt Freiburg. Das Ausflugsdiagramm (vgl. nebenstehende Abb. 4: Lichtschrankendaten vom 06./07. Juli) zeigt, dass ein großer Teil der ausgeflogenen Tiere bereits nach kurzer Zeit in das Quartier zurückkehrte und abermals ausflog, nachdem sich der Gewittersturm gegen Mitternacht weitgehend gelegt hatte. Flüggewerden der Jungen und Auflösung der Wochenstube In der Nacht vom 12./13. Juli beobachteten wir das Geschehen im Quartier mittels einer Infrarot-Videokamera. Etwa 60 Minuten nachdem laut Lichtschrankendaten die Tiere das Quartier verlassen hatten, bauten wir die Anlage auf. Zu unserer Überraschung flogen noch einige Tiere im Quartier umher. Am Hangplatz der Wochenstubentiere konnten keine Jungtiere mehr festgestellt werden. Während der gesamten Nacht konnten wir mittels der Infrarotkamera beobachten, wie zwischen drei und maximal sechs Tiere gleichzeitig im Quartier schwärmten. Die Tiere flogen gleichmäßige Bahnen, die immer wieder von gezielten Anflügen unterbrochen waren - zum einen flogen sie an bestimmte Hangplätze, zum anderen an die Ausflugsöffnung des Quartiers. Die Lichtschranke registrierte immer wieder Aus- und Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 13 Einflüge während der gesamten Nacht. Das Verhalten deutet darauf hin, das es sich um Erkundungsflüge der gerade flüggen Jungtiere handelt (vgl. nebenstehende Abb. 5: Lichtschrankendaten vom 16./17. Juli). Den ersten sicheren Hinweis, dass die Jungtiere bereits flügge sind, erhielten wir in der gleichen Nacht beim morgendlichen Abfang von Wimperfledermäusen zur Besenderung für die zweite Telemetriephase. Bei den ersten drei der insgesamt zehn gefangenen Tiere handelte es sich um diesjährige Jungtiere (zwei Männchen, ein Weibchen). Auch bei einem weiteren Abfang am 14. Juli war das erste gefangene Tier ein Jungtier. An beiden Tagen konnten danach nur noch adulte Tiere gefangen werden. Da wir an beiden Tagen das Netz immer erst ab etwa dem zehnten eingeflogenen Tier fängig stellten, könnten weitere Jungtiere bereits eingeflogen sein, sofern sie das Quartier überhaupt verlassen hatten. Die weiteren sieben Tiere, die wir am Morgen des 13. Juli über den gesamten Zeitraum des Einflugs fingen, waren allesamt reproduktive Weibchen. Dies ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass es sich bei den insgesamt 29 einfliegenden Tieren überwiegend um reproduktive Weibchen und ihre Jungen handelte. Nichtreproduktive Weibchen hatten unter Umständen bereits die Wochenstube verlassen. Denn bereits Mitte Juli ging die Individuenzahlen der Tiere im Wochenstubenquartier von maximal über 60 auf etwa 30 Tiere stark zurück (vgl. Abb. 1), obwohl durch die Lichtschranke jetzt auch die ausfliegenden Jungtiere erfasst wurden. Die zwischen dem 15. und 20. Juni geborenen Jungtiere konnten am 12. Juli überwiegend fliegen, also bereits nach 23 bis 28 Tagen. Nach der Wochenstubenzeit Die Frequentierung des Quartiers im FG nahm bis Ende Juli stark ab. Bis Ende August flogen am Abend zumeist weniger als elf Tiere aus (vgl. Abb. 6). Bei einer Kontrolle des Quartiers am 24. Juli konnte noch ein Cluster von etwa zehn Tieren im Dachstuhl entdeckt werden. Allerdings waren die Tiere zu einem anderen Hangplatz an das westliche Ende des Dachstuhls gewechselt. Die Lichtschrankendaten des Zeitraums bis etwa Ende August zeigen überwiegend ein klares Bild mit Ausflügen am Abend und der morgendlichen Rückkehr der Tiere. (vgl. nebenstehende Abb. 6: Lichtschrankendaten vom 04./05. August). Gegen Ende August waren dann insbesondere in den morgendlichen Stunden wieder vermehrt Ein- und Ausflüge zu verzeichnen. (vgl. nebenstehende Abb. 7: Lichtschrankendaten vom 31. August/01. September). Da wir in diesem Zeitraum jedoch keine Tiere mehr abgefangen haben, sind keine Angaben über deren Status möglich. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 14 Anfang September verzeichnete die Lichtschranke für etwa eine Woche keine Aktivität mehr. Dann waren wieder regelmäßig Ein- und Ausflüge, allerdings von nur wenigen Tieren zu beobachten. Die Anzahl der im FG übertagenden Tiere schwankte dabei zwischen 0 und 6 Tieren. Während der gesamten Periode von Mitte September bis Mitte Oktober zeigt die Auswertung der Lichtschrankendaten relativ viele Einflüge auch um Mitternacht oder am frühen Morgen (vgl. nebenstehende Abb. 8: Lichtschrankendaten vom 21./22. September). Über den sozialen Status der Tiere können wir keine Aussagen treffen, da wir keines dieser Tiere in der Hand untersuchten. Auch Tageskontrollen fanden in dieser Zeit nicht statt, weshalb unter Umständen auch Individuen anderer Fledermausarten für dieses Aktivitätsmuster ver antwortlich sein könnten. 3.1.2 Einzelquartiere von Weibchen Neben den beiden Wochenstubenquartieren wurde ein weiteres Weibchenquartier gefunden. Das im Merzhof am 17. Juli im Jagdhabitat besenderte, nichtreproduktive Weibchen, bezog unter einem Dachvorsprung eines eineinhalbgeschossigen Hauses Quartier. Das Quartier war sehr gut einsehbar und wurde von uns und später vom Hausbesitzer bis in den September hinein regelmäßig kontrolliert. Nachdem das Tier vom 17. bis zum 21. Juli tagsüber regelmäßig beobachtet werden konnte, fehlte es am 22. Juli, war darauf aber vom 23. Juli bis zum 26. Juli wieder dort, um dann für längere Zeit fortzubleiben. Am 23. August konnte das Tier nochmals für einen Tag beobachtet werden. Bei der Kontrolle am 23. Juli hatte das Tier den Sender bereits abgeworfen. Aus etwa drei Metern Entfernung konnte dort, wo der Sender aufgeklebt gewesen war, eine kleine Kahlstelle im Rückenfell ausgemacht werden. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 15 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 3.1.3 16 Männchenquartiere Beim morgendlichen Einflug in das Quartier im FG konnten wir an zwei Abfang-Terminen auch adulte Männchen fangen (07. Juni, eines von zwei abgefangenen Tieren, als Tier Nr. 4 telemetriert, 15. Juli eines von 29 abgefangenen Tieren, als Tier Nr. 10 telemetriert). Tier Nr. 4 flog nicht wieder in das Wochenstubenquartier, sondern in etwa 100 Metern Entfernung in einen Dachboden einer Stadtvilla ein (Weiherhofstraße 8). Leider ist der Dachboden nicht zugänglich. Dort verlor es den Sender vermutlich bereits am folgenden Tag, da in den folgenden Nächten nur konstante Peilungen empfangen werden konnten. Tier Nr. 10 kehrte nach der Besenderung an allen folgenden fünf Beobachtungsnächten in die Wochenstube im FG zurück. Auffällig war, dass das Männchen dabei etwa eine Stunde früher als die Mehrzahl der Weibchen, nämlich gegen 2.30-2.40 MEZ zum Quartier zurückkehrte. In der Nacht nach der morgendlichen Besenderung flog das Tier nur für etwa 15 Minuten aus, um dann die ganze Nacht im Quartier zu verbleiben. Zur Ausflugszeit und auch während der Nacht regnete es z.T. stark. Bei den Quartierkontrollen im FG konnten wir kein einzeln hängendes Tier (Männchen hängen i.d.R. nicht im Cluster mit den Weibchen), wie auf dem Dachboden des Nebenquartieres (vgl. Kap. 3.1.1) entdecken. Allerdings verzichteten wir auch auf ausführliche Kontrollen, um die Wochenstube nicht unnötig zu stören. 3.2 Raumnutzung und Verhalten außerhalb der Quartiere 3.2.1 Überblick über die Ergebnisse Telemetrieergebnisse liegen für insgesamt zehn Wimperfledermäuse aus zwei Zeiträumen vor: 1. für den Zeitraum vom 3. bis 10. Juni, also noch vor der Zeit der Geburt der Jungen, für drei trächtige und ein nichtreproduktives Weibchen sowie ein Männchen und 2. für den Zeitraum vom 13. bis 20. Juli, also gegen Ende der Wochenstubenzeit, für drei säugende Weibchen sowie wiederum ein nichtreproduktives Weibchen und ein Männchen. Die Tiere wurden je nach Tragdauer des Senders und der Erwartung neuer Ergebnisse zwischen einem und vier Tagen telemetriert. Die Telemetriezeit insgesamt, also die Zeit in der wir in Kontakt mit dem Sendertier waren, beträgt je nach Tier zwischen 2,6 und 14 h6 (für alle 14 Telemetrienächte insgesamt 90 h, pro Nacht durchschnittlich 6,4 h). Die Zeit, in der wir den Aufenthaltsort des Tieres sicher bestimmen und einem definierten Habitattyp zuordnen konnten, bezeichnen wir als definierte Telemetriezeit. Sie beträgt je nach Tier zwischen 2,4 und 13 h (für alle Nächte 77,7 h, pro Nacht durchschnittlich 5,6 h). Die Stunden außerhalb der definierten Telemetriezeit, in der wir aber trotzdem im Kontakt mit dem Tier waren, beziehen sich auf Zeiten in denen das Tier schnelle Ortswechsel vornahm oder wir aus anderen Gründen so weit vom Tier entfernt waren, dass keine genaue Bestimmung des Aufenthaltsbereiches 6 Alle Zeitangaben werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Text als auf eine Dezimalstelle nach dem Komma gerundete Stunden angegeben. Der Auswertung zu Grunde liegen die im Minutenraster protokollierten Beobachtungsdaten. 17 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus möglich war. Einen Überblick über die Sendertiere und den Zeitraum sowie die Dauer der Telemetrie gibt Tabelle 1. Tab. 1: Überblick über die Sendertiere und Zeitraum und Dauer der Telemetrie (weitere Erläuterungen im Text) Tier Geschlecht/Status Gewicht in g Zeitraum Tragdauer Sender in Tagen Telemetri e-Zeit in h insgesamt definiert 1 trächtiges Weibchen 11,5 3.-7. Juni 3,5 8,7 7,2 2 trächtiges Weibchen 11,5 3.-7. Juni 4,0 12,8 10,6 3 trächtiges Weibchen 12,0 3.-9. Juni 6,5 14,0 12,4 4 Männchen 8,0 7.-9. Juni 2,0 5,4 5,0 5 nicht trächtiges Weibchen 10,5 8.-10. Juni 2,0 9,8 7,6 6 säugendes Weibchen 12,0 13.-14. Juli 1,0 2,6 2,4 7 säugendes Weibchen 12,7 8,6 7 13.-14. Juli 14.-20. Juli >7,0 14,1 13,0 8 säugendes Weibchen 12,7 15.-17. Juli 2,0 5,2 3,7 9 nicht säugendes Weibchen 9,5 17.-21. Juli >4,0 6,4 5,5 10 Männchen 8,6 15.-20. Juli >5,0 11,0 10,3 Summen 90,0 77,7 Einen Überblick über die räumliche Verteilung der genutzten Quartiere, Jagdhabitate sowie Flugrouten zwischen den Teillebensräumen gibt Abb. 9. Der Aktionsradius der Kolonie dehnt sich vor allem nach Norden bis in das Wildtal (ein Schwerpunkt der Jagdhabitate) und über Heuweiler bis nach Denzlingen und Vörstetten aus. Im Osten umfasst der Aktionsraum mindestens die Waldgebiete um den Rosskopf und reicht im Dreisamtal bis nach Ebnet. Die Untersuchung der Raumnutzung für die verschiedenen Geschlechter und sozialen Statusgruppen innerhalb der Kolonie zeigt unterschiedliche Ergebnisse. Während die Weibchen vorrangig in Kuhställen jagen, halten sich die Männchen nach unseren Ergebnissen überwiegend im Wald auf. Diese Verhaltensunterschiede sollen im Folgenden näher beschrieben werden. 7 Tier Nr. 7 verlor den Sender nach einer Nacht, wurde aber in der Folgenacht beim Ausflug abgefangen und erneut besendert. Der Gewichtsunterschied erklärte sich zum Teil aus dem Zeitpunkt des Abfangs: beim Ausflug vor bzw. beim Einflug direkt nach dem Beuteerwerb. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Abb. 9: Überblick über die Lage der ermittelten Quartiere, Jagdhabitate und Flugrouten 18 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 3.2.2 19 Nutzung verschiedener Aufenthaltsgebiete/Jagdgebiete Als Aufenthaltsgebiete bezeichnen wir solche Gebiete, in denen sich Wimperfledermäuse während ihrer nächtlichen Aktivität mindestens für eine Dauer von fünf Minuten aufhielten. Wir wählten diese Zeitspanne, um potentielle Jagdhabitate von Gebieten, die nur überflogen wurden, zu trennen. Kehrten die Tiere in bereits früher genutzte Gebiete zurück, so wurden auch kürzere Aufenthalte notiert. Wir können annehmen, dass es sich bei den Aufenthaltsgebieten allesamt um Jagdhabitate handelt, doch können wir dies nur für den Typus „Kuhstall“ durch konkrete Beobachtungen belegen (s.u.). Die Gebiete, in denen sich Wimperfledermäuse aufhielten, lassen sich wie folgt klassifizieren: A. Alleen /Gärten/Parks Dieser Typus umfasst strukturreiche Gärten mit altem Baumbestand (Villengegend), ausgedehnte Alleen an den Stadtstraßen sowie einzelne Parkanlagen (Botanischer Garten, Friedhöfe). Er bezieht sich nur auf den bebauten Bereich und den Stadtrand von Freiburg. B. Obstwies en/Bachgehölze/Hecken Dieser Typus umfasst extensiv genutzte Obstwiesen aber auch kleine Obstplantagen, Gehölze entlang von Bächen und Gräben sowie Hecken und auch kleinere Feldgehölze (bis zu einer Breite von etwa 10 Metern). Vor allem im Wildtal und in der Umgebung von Heuweiler kommen diese Habitate in enger räumlicher Verzahnung vor, so dass sie hier zu einem Typus zusammengefasst werden. C. Wälder Unter Wäldern werden trockenwarme Eichenwälder, Douglasien-Buchen-Forste, EichenBuchenforste und auch reine Buchenbestände zusammengefasst. D. Kuhställe Dieser Typ bezieht sich ausschließlich auf Ställe, in denen nachts Milchvieh steht oder die der Bullenmast dienen. Bei Weitem am Längsten hielten sich die weiblichen Wimperfledermäuse in Kuhställen auf. Dies gilt für die von uns telemetrierten sechs reproduktiven ebenso wie für die zwei nichtreproduktiven Weibchen. Z.T. nutzten einzelne Weibchen während unserer Beobachtungsperioden diesen Habitattyp fast ausschließlich zur Jagd (Tiere Nr. 1, 2, 6 und 8). Nach dem Ausflug hielten sich die Tiere nur kurze Zeit im Umfeld des Wochenstubenquartiers auf, um dann in schnellem und gerichteten Flug zu den Kuhställen zu fliegen und dort nicht selten die ganze nächtliche Jagdperiode zu verbringen. Von den Kuhställen aus wurden lediglich kleinere „Ausflüge“ in die umliegenden Obstwiesen oder selten auch in den nahen Wald unternommen. Eine verblüffende Bestätigung dieses Verhaltens erhielten wir bei der näheren Untersuchung der von uns beim Einflug in das Quartier im FG am 13 und 15. Juli gefangenen Wimperfledermäuse. Fell und Flughäute sämtlicher adulter Weibchen (7, bzw. 27 Tiere) rochen intensiv nach Kuhstall! 20 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Kuhställe Alleen/Gärten/Parks Prozent Obstwiesen/Bachgehölze/Hecken 100 Wälder 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 TW (Tier 1) TW (Tier 2) TW (Tier 3) SW (Tier 6) SW (Tier 7) SW (Tier 8) NTW (Tier 5) NSW (Tier 9) M (Tier 4) M (Tier 10) Abb. 10: Relative Aufenthaltsdauer der telemetrierten Wimperfledermäusen in verschiedenen Habitattypen während der definierten Telemetriezeit in %, geordnet nach reproduktiven Weibchen (TW = trächtige Weibchen, SW = säugende Weibchen), nichtreproduktiven Weibchen (NTW = nicht trächtige Weibchen, NSW = nicht säugende Weibchen) und Männchen (M) (für absolute Zahlen vgl. Tab. 1). Abweichend davon verhielt sich Tier Nr. 3, welches wir drei Nächte intensiv verfolgten. Während es sich in der ersten Nacht (04./05. Juni) fast ausschließlich in Kuhställen zweier benachbarter Höfe aufhielt, trat dieses Verhalten in den beiden Folgenächten anteilsmäßig hinter Aufenthalten in den angrenzenden Obstwiesen und an Bachgehölzen stark zurück. Sechs der sieben Weibchen, die wir über mehrere Tage telemetrierten, kehrten in ihre in der ersten Nacht nachgewiesenen Aufenthaltsgebiete zurück. Nur Tier Nr. 7, ein säugendes Weibchen, hielt sich in der ersten Nacht in zwei Waldgebieten östlich des Quartiers auf, um dann in den folgenden drei Nächten – wie alle anderen reproduktiven Weibchen auch – vorrangig in Kuhställen im Wildtal auf Beutefang zu gehen. Ebenfalls abweichend verhielten sich die zwei nicht reproduktiven Weibchen. Tier Nr. 5, welches wir am Morgen des 08. Juni im FG besenderten, flog in den beiden Folgenächten nicht wie die Mehrzahl der Weibchen nach Norden, sondern über den Hirzbergsattel in das Dreisamtal, um in einem Kuhstall in Ebnet zu jagen (vgl. Abb. 9). Tier Nr. 9, welches wir nicht im Quartier, sondern beim Einflug in den Kuhstall des Merzhofes fingen und besenderten, hielt sich längere Zeit in verschiedenen Obstgehölzen und Waldgebieten auf. Kuhställe wurden nur kurz, dafür aber mehrfach, aufgesucht. Es flog schließlich auch Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 21 nicht in eines der bekannten Quartiere in Herdern ein, sondern übertagte unter dem Dachvorsprung eines Wohnhauses in Zähringen. Die beiden von uns telemetrierten Männchen zeigten ein eindeutiges Verhalten. Sie suchten ausschließlich Waldgebiete östlich der Quartiere auf, nachdem sie sich kurze Zeit in den Alleen, Gärten oder Parks in der Nähe der Quartiere aufgehalten hatten. Dass Männchen aber auch in Kuhställe einfliegen, zeigt ein Netzfang eines Männchens beim Einflug in den Kuhstall des Merzhofes in der Nacht vom 17. Juli. Möglicher Einfluss der Witterung auf die Habitatwahl In beiden Telemetriezeiträumen herrschte eine für die jeweilige Jahreszeit relativ kühle und feuchte Witterung vor. Es liegt daher nahe, einen Zusammenhang mit der von uns festgestellten langen Aufenthaltsdauer der Wimperfledermäuse in Ställen herzustellen. Die Ermittlung des Einflusses der Witterung – als ein möglicher Faktor für die Habitatwahl – stellt sich allerdings aus mehreren Gründen als schwierig heraus. Während der Untersuchungszeiträume herrschten zum einen selten eindeutige Witterungsbedingungen. Es gab nur einzelne Nächte mit ausschließlich Regen oder im Gegensatz ohne jeden Regen. Zudem wären möglicherweise auch der Einfluss weiterer Faktoren, wie Temperatur oder Windverhältnisse zu berücksichtigen. Zum anderen wurden die Tiere nur in wenigen aufeinanderfolgenden Nächten telemetriert, so dass die für eine Beurteilung von Witterungseinflüssen notwendigen Zeitreihen fehlen. Dennoch sollen im Folgenden einzelne Beobachtungen zu Verhaltensweisen bei bestimmten Witterungsverhältnissen näher betrachtet werden. In den Nächten, in denen es langanhaltend und stark regnete, konnten wir die Wimperfleder mäuse fast ausschließlich in Kuhställen feststellen. Ebenso suchten einzelne Weibchen, die zuvor im Freiland gejagt hatten, bei einsetzendem Starkregen Kuhställe in der unmittelbaren Nachbarschaft auf. Andererseits war auch in niederschlagsfreien Nächten ein langer Aufenthalt in den Kuhställen zu beobachten und selbst leichter Nieselregen veranlasste die Tiere nicht, ihre Jagdhabitate in den Obstwiesen zu verlassen. Bei den im Wald jagenden Tieren konnten wir mehrfach beobachten, wie nach einsetzendem Starkregen die Jagdaktivität eingestellt (das Sender signal konstant) wurde, d.h. die Tiere hatten vermutlich einen (geschützten?) Ruheplatz an einem Baum oder sogar in einer Baumhöhle aufgesucht. Während zwei der morgendlichen Abfänge im Juni im Quartier regnete es in den zwei Stunden vor dem Einflug der Tiere stark und dauerhaft. Die gefangenen Tiere wiesen allesamt ein sehr nasses Fell und nasse Flughäute auf. Die zu diesem Zeitpunkt trächtigen Weibchen waren vermutlich die gesamten vier bis sechs Kilometer aus ihren Jagdhabitaten im Wildtal durch den Starkregen zum Quartier geflogen. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 22 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 3.2.3 23 Verhaltensbeobachtungen in den Jagdhabitaten Videobeobachtung in den Kuhställen Die erste Infrarot-Videobeobachtung führten wir am 16.07. auf dem Lehenhof durch. In der Nacht zuvor hatte Tier Nr. 7 hier die gesamte Nacht im Kuhstall verbracht. Das Tier verließ um 22.17 das Wochenstubenquartier und erreicht den Lehenhof bereits um 22.40, um hier zunächst für 10 Minuten in einem nicht einsehbaren Stallbereich zu ruhen, bzw. sich zu putzen und dann für 12 Minuten im Stall zu jagen, wobei wir sein Verhalten gut beobachten konnten. Danach flog das Tier aus, um in den angrenzenden Obstgehölzen und in der gesamten weiteren Nacht in Ställen benachbarter Höfe zu jagen. Im Stall flog das Tier im langsamen Flug auf regelmäßigen Bahnen, die immer wieder von Pendelflügen an die Stalldecke unterbrochen waren. Bei einigen dieser Pendelflüge hielt sich das Tier für wenige Sekunden an der Stalldecke. Um 23.50 jagte eine weitere Wimperfledermaus in dem von unserem Infrarotstrahler ausgeleuchteten Stallbereich für 20 Minuten in der gleichen Weise wie das Sendertier. Zwischen 3.50 und 5.00 waren erneut mehrere Wimperfledermäuse für kurze Zeit bei der Jagd zu beobachten, davon mindestens zwei Tiere gleichzeitig. Das Sendertier kam in dieser Nacht nicht wieder in den Stall zurück. Nach unseren Telemetrieergebnissen wird auch der Stall des Merzhofes von mehreren Sendertieren z.T. gleic hzeitig aufgesucht. Deshalb führten wir hier am 17. und 18. Juli in zwei Nächten Videobeobachtungen durch. Als günstig erwies es sich, dass der relativ kleine Stall mittels Infrarotstrahler ganz ausgeleuchtet werden kann und der Bildwinkel der Videokamera fast den gesamten Stallbereich erfasst. In der ersten Nacht beobachteten wir mindesten sieben unterschiedliche Wimperfledermäuse jagend im Stall. Die Zahl konnten wird ermitteln, da wir jeweils nach dem Einflug einer neuen Wimperfledermaus die hauptsächlich benutzte Ausflugsöffnung mit einem Netz verstellten und so nacheinander fünf Tiere beim Ausflug fangen und beringen konnten. Ein im Friedrich-Gymnasium beringtes Tier, vielleicht das in den Nächten zuvor telemetrierte Tier, das einen Tag zuvor den Sender im Merzhof verloren hatte, konnten wir bereits gleich zu Beginn unserer Beobachtung registrieren. Von den fünf neu beringten Tieren waren drei nichtreproduktive, adulte Weibchen, ein paarungsaktives Männchen (deutlich geschwollene Hoden und gefüllte Nebenhoden) sowie ein reproduktives Weibchen. Letzteres trug mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im Juni einen Sender, da im Bereich des Nackens eine kleine Stelle mit auffällig kurzen (nachgewachsenen) Haaren ebenso wie eine Markierung im hinteren Rückenfell zu erkennen war. In der nächsten Nacht beobachteten wir mindestens drei verschiedene Tiere im Stall, die alle beim Einflug nicht beringt waren; zwei davon waren gleichzeitig anwesend. Ein reproduktives Weibchen konnten wir um 23.30 fangen und beringen. Das Tier blieb bis um 4.00 kontinuierlich im Stall. Bei allen Wimperfledermäusen im Merzhof konnten wir das gleiche Jagdverhalten wie auch bei den Tieren im Lehenhof beobachten: Fliegen auf gleichmäßigen Bahnen mit Pendelflügen an die Stalldecke und vereinzelt auch auf der Stelle vor einer Wand (Rüttelflug). Zusätzlich beobach- Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 24 teten wir mehrfach, wie Tiere an den Balken der Stalldecke landeten und sich über kurze Strecken (30 bis 60 cm) krabbelnd zwischen den dort in relativ großer Dichte sitzenden Fliegen fortbewegten, um dann wieder abzufliegen. Alle Tiere legten regelmäßige Pausen ein, indem sie sich kopfüber an den Balken der Stalldecke aufhängten. In vielen der Pausen putzten sich die Tiere intensiv, manchmal verharrten sie regungslos. Diese Phasen dauerten unterschiedlich lange, von einigen Minuten bis über eine Stunde. Bereits bei der Telemetrie von Tieren in Kuhställen hatten wir eine solche Verhaltensweise vermutet, da das Signal zeitweise in Stärke und Richtung sehr konstant war und wir so Aktivitäts- von Ruheperioden klar trennen konnten. Waren mehrere Wimperfledermäuse im Kuhstall, so flogen die Tiere die meiste Zeit in ähnlichen Bahnen durch den Stall. In einzelnen Fällen konnten aber auch Interaktionen zwischen den Tieren beobachtet werden. Nachdem ein Tier neu in den Stall eingeflogen war, konnte mehrfach eine Verfolgungsjagd zwischen den dann im Stall anwesenden zwei oder drei Tieren beobachtet werden. Es wurde auch beobachtet, wie an Deckenbalken ruhende oder sich putzende Tiere von anderen Tieren angeflogen und veranlasst wurden, ihren Hangplatz zu wechseln. Dieses Verhalten wiederholte sich z.T. mehrfach. Nutzung von Jagdhabitaten durch mehrere Tiere Wie das Beispiel Merzhof zeigt, werden die Kuhställe von mehreren Tieren gleichzeitig oder in Folge genutzt. Mittels Videobeobachtung und Beringung konnte allein für die beiden Nächte vom 17. und 18. Juli die Nutzung durch zehn verschiedene Tiere belegt werden. Diese Daten decken sich mit den Ergebnissen der Telemetrie. In beiden Telemetriezeiträumen konnten jeweils zwei der drei im FG besenderten reproduktiven Weibchen z.T. sogar über längere Zeit im Merzhof und auch im benachbarten Gehrihof nachgewiesen werden. Gleiches gilt auch für die benachbarten Obstwiesen und Bachgehölze im Wildtal, die zu unterschiedlichen Zeiten von verschiedenen besenderten Tieren aufgesucht wurden. Bezüglich der Wald-Jagdgebiete konnten wir keine Mehrfach-Nutzung nachweisen. Alle Sendertiere aus den Wochenstubenquartieren hielten sich zudem nach dem Ausflug für 10 bis 60 Minuten in Umfeld der Quartiere auf. Ob dort die gleichen Gebiete aufgesucht wurden, konnte aufgrund der unübersichtlichen Strukturen im bebauten Siedlungsbereich und relativ ungenauen Kreuzpeilungen nicht geklärt werden. Aufenthaltsdauer, Anzahl und Wechsel zwischen Jagdhabitaten Die Aufenthaltsdauer in den einzelnen Jagdgebieten variiert von der ganzen Nacht in einem Gebiet (z.B. einem Kuhstall) bis hin zu kurzen Aufenthalten von nur wenigen Minuten. Alle Tiere benutzten mehrere Jagdhabitate, zwischen denen sowohl in einer Nacht als auch zwischen verschiedenen Nächten gewechselt wurde. Die reproduktiven Weibchen nutzten in der Regel mehrere Kuhställe und die Obstwiesen und Bachgehölze in deren Nachbarschaft. Nur bei Tier Nr. 7 konnte zusätzlich auch die Nutzung entfernt liegender Waldgebiete beobachtet werden. Beide Männchen nutzten jeweils zwei voneinander getrennte Aufenthaltsgebiete. Während Tier Nr. 4 innerhalb der Nacht zwischen den Gebieten wechselte, erfolgte bei Tier Nr. 10 der Wechsel zwischen den Nächten. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 25 Ein vom Verhalten der anderen Tiere abweichendes Verhalten zeigte das im Merzhof gefangene nichtreproduktive Weibchen (Tier Nr. 9). Es nutzte während der Nacht vom 19./20. Juli sechs verschiedene Aufenthaltsgebiete, zwischen denen es mehrfach wechselte. In zwei Waldgebieten und mehrfach in Bach- und Obstgehölzen verweilte es längere Zeit. In den drei Kuhställen, die mehrfach angeflogen wurden, hielt sich das Tier mit einer Ausnahme dagegen immer nur für relativ kurze Zeit auf (2-23 Minuten) auf. 3.2.4 Größe und Entfernung der Aufenthaltsgebiete/Jagdhabitate zum Quartier Die besenderten Tiere benutzen überwiegend sehr kleinflächige Jagdhabitate. Die Kuhställe sind flächenmäßig kaum relevant und auch die im Umfeld aufgesuchten Obstwiesen, Bachgehölze und Hecken waren mit zwei bis sechs Hektar Größe relativ klein. Deutlich größer waren die Aufenthaltsgebiete in den Wäldern mit Größen zwischen 12 und >25 Hektar. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese durch Kreuzpeilungen ermittelten Daten relativ ungenau sind. Nach unserem Eindruck während der Telemetrie schienen die Tiere nicht gleichermaßen alle Waldbereiche, sondern kleine Flächen eher intensiv zu bejagen und dann zwischen diesen zu wechseln. Einen Überblick über die Größe der genutzten Jagdhabitate vermittelt Tab. 2. Die Jagdhabitate der reproduktiven Weibchen waren am weitesten vom Quartier entfernt. Der Kuhstall in Denzlingen war mit einer Entfernung von 7,5 Kilometern das vom Wochenstubenquartier aus gesehen entfernteste Jagdhabitat (vgl. Tab. 2 und Abb. 9). Die tatsächliche Wegstrecke, die die Wimperfledermaus zu diesem Jaghabitat zurückgelegt hat, beträgt aber ca. 11 Kilometer (vgl. Abb. 9). Deutlich kürzere Wegstrecken bis in die Jagdhabitate legte das im zweiten Telemetriezeitraum beobachtete nichtreproduktive Weibchen zurück. Aufgrund der Quartierwahl in Zähringen verkürzt sich der „Anflug“ zu den nächstgelegenen Kuhställen im Wildtal auf unter 3 Kilometer, während die Weibchen der Wochenstube hierhin zwischen 4 bis 4,5 Kilometer zurückleg ten. Die Männchen erreichen ihre Jagdhabitate im nahe gelegenen Wald auf den kürzesten Wegen (max. 2900 und 1625 Meter). 26 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Tab. 2: Aufenthaltsgebiete/Jagdhabitate8 : Größe, Höhenlage und Entfernung zu den Quartieren (Flächenangaben als grobe Schätzwerte, Entfernungsangaben zum Quartier im Friedrich-Gymnasium, Ausnahme: bei Tier 9 Bezug zum Quartier in Zähringen) Tier 8 Geschlecht/ Status Zeitraum Telemetrie 1 trächtiges Weibchen 2 Aufenthalts-/Jagdgebiete Typ/Lage/Bezeichnung ha Höhe ü.NN E. in m 3.-7. Juni Stall Merzhof im Wildtal Stall Gehrihof im Wildtal Bachgehölze im Wildtal <1 <1 ~2 300 320 320 4250 4250 4250 trächtiges Weibchen 3.-7. Juni Stall Heuweiler Stall Denzlingen Stall Vörstetten Obstwiesen westlich Heuweiler Obstwiesen östlich Heuweiler <1 <1 <1 ~4 ~6 280 220 220 260 270 6125 7500 6875 5750 6500 3 trächtiges Weibchen 3.-9. Juni Stall Merzhof im Wildtal Stall Gehrihof im Wildtal Bachgehölze im Wildtal Obstwiesen/Gehölze westlich Merzhof <1 <1 ~2 ~6 300 320 320 290 4250 4250 4250 4000 4 Männchen 7.-9. Juni Wald unterhalb Fuchskopf Wald im Immental ~12 ~4 400 390 1625 1250 5 nicht trächtiges Weibchen 8.-10. Juni Stall in Ebnet <1 320 4250 6 säugendes Weibchen 13.-14. Juli Stall Gehrihof im Wildtal Stall Rainhof im Wildtal Bachgehölze in Hinterheuweiler <1 <1 ~2 320 300 280 4250 5000 5500 7 säugendes Weibchen 13.-14. Juli 14.-20. Juli Waldgebiet beim Jägerhäusle Wald bei St. Otilien Stall Lehenhof im Wildtal Obstwiesen östlich Lehenhof Stall Schümpeterlehof im Wildtal Stall Flammhof im Wildtal Stall Merzhof im Wildtal ~12 ~8 <1 ~6 <1 <1 <1 360 500 280 290 290 290 300 1125 3000 4125 4125 3875 3875 4250 8 säugendes Weibchen 15.-17. Juli Stall Merzhof im Wildtal Stall Gehrihof im Wildtal <1 <1 300 320 4250 4250 9 nicht säugendes Weibchen 17.-21. Juli Zunswald Wald am Heibeerbühl Obstwiesen/Gehölze westlich Merzhof Stall Merzhof im Wildtal Stall Vogthof im Wildtal Stall Waldbrunnerhof im Wildtal ~15 ~6 ~6 <1 <1 <1 350 500 290 300 300 370 1000 2625 2800 2875 2750 2000 10 Männchen 15.-20. Juli Waldgebiet südlich St. Otilien Waldgebiet nördlich Jugendherberge >25 >25 450 400 2900 2900 Nicht dargestellt sind die nicht genau abgrenzbaren Aufenthaltsgebiete im Umfeld der Quartiere in Herdern. 27 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Wald Wald Obstwiesen/Bachgehölze/Hecken M (Tier 10) Obstwiesen/Bachgehölze/Hecken Kuhstall M (Tier 4) Kuhstall NSW (Tier 9) Kuhstall NTW (Tier 5) SW (Tier 8) SW (Tier 7) SW (Tier 6) TW (Tier 3) TW (Tier 2) TW (Tier 1) 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 Entfernung in Metern Abb. 11: Entfernung (Luftlinie) der verschiedenen Aufenthalts-/Jagdgebiete zum Quartier (Entfernungsangaben zum Quartier im Friedrich-Gymnasium, Ausnahme: bei Tier 9 Bezug zum Quartier in Zähringen, für weitere Erläuterungen vgl. Abb. 2 und Tab. 2) Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 28 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 29 3.2.5 Flugrouten Die Sendertiere, bei denen wir auf Grund einer mehrtägigen Verfolgung die Chance hatten, die Flugrouten zu ermitteln und deren Nutzung zu überprüfen, benutzten zwischen den Jagdhabitaten und dem Quartier regelmäßig die gleichen Flugrouten. Eine von mehreren Weibchen benutzte Flugroute in das Wildtal führt vom FriedrichGymnasium durch die Bebauung unterhalb der Eichhalde (etwa Verlauf des Jägerhäusleweges) in den Wald, dort dem Taleinschnitt bis zum Kamm folgend weiter zu den Reutebachhöfen hinunter, um auf der anderen Talseite über den Bergsattel am Schlosshäuser das Wildtal zu erreichen (vgl. Abb. 9). Ein einzelnes Weibchen benutzte für den Weg in das Wildtal eine Route westlich der Zähringer Burg. Bei der morgendlichen Rückkehr wurde beobachtet, wie dieses Tier durch die Lerchenstraße zum Friedrich-Gymnasium fliegt. Eine weitere, mehrfach benutzte Flugroute führt vom Quartier aus entlang der Immentalstraße das Immental hinauf bis in den Wald. Für Tier Nr. 5 ist darüber hinaus gut belegt, wie es über den Hirzbergsattel das Dreisamtal erreicht und dann zunächst am Waldrand oder im unteren Waldbereich und dann später an der Dreisam entlang einen Kuhstall im Ortsteil Ebnet erreicht (vgl. Abb. 9). In den bebauten Bereichen besteht die Möglichkeit, dass sich die Tiere an den in großer Zahl vorhandenen Alleebäumen und später an Gehölzen in den Taleinschnitten orientiert haben. Hierzu liegen jedoch ebenso wenig konkrete Beobachtungen vor wie zum Flugverhalten im Wald. Sicher ist nur, dass größere Waldbereiche regelmäßig durchflogen werden. Konkretere Beobachtungen zum Verhalten gelangen bei der Verfolgung eines Weibchens (Tier Nr. 2) auf seinem Weg von Heuweiler nach Vörstetten und zurück von Denzlingen nach Heuweiler (vgl. Abb. 9). Wir konnten das Tier auf diesen Wegabschnitten zwar nicht sehen, waren aber sehr nahe am Tier und fuhren z.T. mit dem PKW offenbar im Abstand weniger Meter parallel zur Flugbahn (Beurteilung anhand der Stärke der Peildaten). Nachdem das Tier den Kuhstall in Heuweiler in nördlicher Richtung verlassen hatte, flog es entlang der straßenbegleitenden Gehölze entlang der L 112 und später der B 294 Richtung Westen. Offenbar vermied das Tier die Überquerung der hier vierspurigen Bundesstraße und wechselte erst bei einer kombinierten Bahn-/Wirtschaftswegeunterführung die Seite. Auf dem Rückweg konnten wir das Tier sehr dicht verflogen, als es den Kuhstall verließ und entlang einer straßenbegleitenden Baumreihe bis zur Bahnstrecke flog, um dann wiederum entlang von Gehölzen nach Süden in die aus dem Hinweg bekannte Flugroute einzubiegen. Es war eindeutig, dass sich das Tier immer an vorhandenen Strukturen orientierte und die Überquerung von offenen Flächen (Äcker, Wiesen) und insbesondere größeren Straßen vermied, obwohl dies eine erhebliche Abkürzung der Wegstrecke bedeutet hätte. Die einzige Sichtbeobachtung eines Sendertieres auf einer Flugroute gelang im Wildtal an einem Bachgehölz, wo das Tier in etwa ein bis zwei Metern Entfernung parallel zur Vegetation auf dem Weg zum Kuhstall auf dem Merzhof war und kurz im Licht eines Handscheinwerfers identifiziert werden konnte. Die Strecken zwischen den quartiernahen und den weiter entfernten, z.B. im Wildtal und in Ebnet gelegenen Jagdhabitaten wurden in relativ schnellen Flügen überwunden. Der Beginn dieses, von uns als „Streckenflug“ bezeichneten Verhaltens, kann dadurch bemerkt werden, 30 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus dass das Sendertier plötzlich sehr schnell und fortlaufend seine Position verändert und bereits nach wenigen Minuten aus dem Bereich des Empfängers verschwunden ist. Zumeist kann mittels der Kreuzpeilung so auch die genaue Abflugrichtung bestimmt werden. In einigen Fällen konnten wir den Abflug sowie die Ankunft im Jagdhabitat zeitlich genau bestimmen und erhielten dabei übereinstimmende Ergebnisse. Eine Strecke von etwa 4,5 Kilometern Luftlinie wurde in 20 bis 25 Minuten überbrückt. Nehmen wir für die tatsächliche Flugstrecke auf Grund kleinerer Umwege und der Überwindung von einigen Höhenmetern eine Distanz von etwa 6 Kilometern an, so kommen wir auf eine geschätzte Fluggeschwindigkeit von etwa 14-18 km/h. 3.3 Nahrung Im Kot der Freiburger Wimperfledermaus-Wochenstube konnten die folgenden 8 Arthropoden- (Unter-) Ordnungen nachgewiesen werden: Blattodea (Schaben), Araneida (Spinnen), Hymenoptera (Hautflügler), Coleoptera (Käfer), Neuroptera (Netzflügler), Lepidoptera (Schmetterlinge), Nematocera (Mücken) und Brachycera (Fliegen). Die Gruppe der Brachycera konnte am häufigsten (F = 95,2%) und mit dem größten durchschnittlichen Volumenanteil (V = 71,6%) nachgewiesen werden. Araneida traten in über 75,2% der Kotpellets mit einem durchschnittlichen Volumenanteil von 14,2% auf. Mit Ausnahme der Lepidoptera (F = 46,7%, V = 5,9%) traten alle anderen Taxa in weniger als 20% der Kotpellets auf und hatten durchschnittliche Volumenanteile von weniger als 2%. Die Auftretensfrequenzen und durchschnittlichen Volumenanteile sämtlicher Beutetaxa können den Abbildungen 12 und 13 entnommen werden („Indeterminata“ sind Taxa, die wir nicht bestimmen konnten). 0,4 0,7 1,7 1,3 1,6 2,6 5,9 Brachycera Araneida Lepidoptera 14,2 Nematocera Hymenoptera Neuroptera Blattodea Coleoptera 71,6 Indeterminata Abb. 12: Durchschnittlicher Volumenanteil der Beutetaxa an allen Kotproben Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 31 Abb. 13: Auftretensfrequenz, geschätztes Volumen (wenn vorhanden) und durchschnittlicher Volumenanteil im Überblick. Innerhalb dieser Beutegruppen konnten weiterhin unterschieden werden: Blattodea: Ararneida: Coleoptera: Ectobius lapponicus (in 2 Kotpellets nachgewiesen) Cyclosa conica (in 1 Kotpellet nachgewiesen) Cerambycidae (in 1 Kotpellet nachgewiesen) Curculionidae (in 1 Kotpellet nachgewiesen) Brachycera: Musca domestica (in 56 Kotpellets nachgewiesen) Stomoxys calcitrans (in 25 Kotpellets nachgewiesen) (Je eine oder beide Arten zusammen konnten wir in 70 Kotpellets nachweisen) Nematocera: Tipulidae (in 1 Kotpellet nachgewiesen) Hymenoptera: Ichneumenidae (in 12 Kotpellets nachgewiesen) Neuroptera: Hemerobiidae (in 10 Kotpellets nachgewiesen) Brachycera, Araneida und Lepidoptera konnten wir in allen Wochenproben nachweisen. Alleine die Gruppe der Brachycera trat über die gesamte Untersuchungsperiode hinweg in mindestens 80% der Kotpellets der Wochenproben auf (s. Abb. 14). Auch der durchschnittliche Volumenanteil der Brachycera wurde in keiner Wochenprobe von anderen Taxa übertroffen (s. Abb. 15). 32 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 100 90 80 Brachycera 70 Araneida Lepidoptera 60 Nematocera 50 Hymenoptera 40 Neuroptera 30 Blattodea Coleoptera 20 10 0 4.6. 12.6. 17.6. 25.6. 2.7. 8.7. 15.7. Abb. 14: Auftreten (in %) der einzelnen Beutetaxa in den Wochenproben 100 90 80 Brachycera 70 Araneida 60 Lepidoptera Nematocera 50 Hymenoptera 40 Neuroptera 30 Blattodea Coleoptera 20 10 0 4.6. 12.6. 17.6. 25.6. 2.7. 8.7. 15.7. Abb. 15: Durchschnittliche Volumenanteile (in %) der Beutetaxa in den Wochenproben Um einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Taxa die Wimperfledermäuse aus Freiburg vermutlich außerhalb von Viehställen erbeuten, sind in Tabelle 3 jene wenigen Kotpellets aufgeführt, in denen Brachycera einen Volumenanteil von weniger als 30% hatten. Der Anteil dieser Pellets nimmt gegen Ende der Untersuchungsperiode zu. Es zeigt sich, dass in diesen Pellets der Anteil der Araneida durchgängig sehr hoch ist (vgl. Tab. 3). 33 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Tabelle 3: Volumenanteile der Beutetaxa in Kotpellets mit weniger als 30% Brachyceren-Anteil. 2001 Araneida Lepidoptera Hymenoptera Nematocera Neuroptera Coleoptera Blattodea Brachycera 04.06. 80 0 0 0 0 0 0 20 04.06. 80 10 0 0 10 0 0 0 17.06. 30 40 0 10 0 0 0 10 02.07. 70 10 0 10 0 0 0 0 02.07. 50 10 20 0 0 0 0 20 08.07. 10 10 10 0 20 10 10 20 08.07. 60 10 0 0 0 10 0 10 08.07. 40 10 10 0 20 0 0 20 15.07. 60 10 0 0 0 30 0 0 15.07. 20 10 20 10 20 20 0 0 15.07. 70 10 10 10 0 0 0 0 4 Diskussion 4.1 Quartiernutzung Die besten Vergleichsmöglichkeiten mit der vorliegenden Studie bieten die Arbeiten von RICHARZ, KRULL & SCHUMM (1989) und KRULL et al. (1991), die in den Jahren 1986 und 1987 intensive Beobachtungen an einer Wimperfledermauswochenstube in Bayerischen Alpenvorland, im Südwesten des Landkreises Rosenheim, durchführten. Wie wir, untersuchten sie die Quartiernutzung, telemetrierten einzelne Tiere und untersuchten das Beutespektrum mittels Kotanalyse. Wie in der Wochenstube in Freiburg wurden auch hier die ersten Geburten Mitte Juni (19.06.86/16.06.87) festgestellt. Flügge Junge konnten dann – wie in Freiburg – Mitte Juli beobachtet werden (13.07.86, 19.07.87). Damit stimmen die Daten aus Oberbayern relativ exakt mit den Daten aus Freiburg überein. RICHARZ, KRULL & SCHUMM (1989) weisen jedoch darauf hin, das sich die Entwicklungszeiten bei ungünstigen Witterungsbedingungen verlängern können, wie dies 1987 bei der von ihnen untersuchten Wochenstube auch geschah. Insgesamt zählten sie in der Wochenstube in Oberbayern 90 adulte Tiere, die in beiden Jahren etwa 30 Jungtiere hatten, was einem Verhältnis von eins zu drei entspricht. In der Freiburger Wochenstuben kamen auf ca. 60 Adulte nur 15 Jungtiere, was einem Verhältnis von eins zu vier entspricht. Damit weisen beide Kolonien einen relativ hohen Anteil nichtreproduktiver Weibchen auf. Ein möglicher Einflussfaktor könnte die im Untersuchungsjahr in Freiburg herrschende relativ kühle Witterung in den Monaten Mai und Juni sein, die sich möglicherweise ungünstig auf die Embryonalentwicklung ausgewirkt hat. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass Wimper fledermäuse erst im zweiten Jahr nach der Geburt am Fortpflanzungsgeschehen teilnehmen (SLUITER & BOUMAN in KRETZSCHMAR i.Dr.). Bei einem Teil der Wochenstubentiere könnte es sich daher um einjährige, also noch nicht reproduktive Tiere handeln. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 34 Wie in Freiburg, so erreichte auch die oberbayrische Kolonie ihre Maximalzahlen an Adulten Mitte Juni bis Anfang Juli. Auch dort begann der Wegzug der Wochenstube mit dem Flüggewerden der Jungen. Die Daten, die wir aus den morgendlichen Netzfängen im Juli beim Einflug der Freiburger Kolonie gewinnen konnten, deuten darauf hin, dass zuerst die nicht reproduktiven Weibchen die Wochenstube verlassen und zwar noch bevor die Jungtiere flügge werden. Nach unseren Ausflugszahlen muss es sich dabei um einen eher kontinuierlichen Prozess handeln, der sich über den Zeitraum von Ende Juni bis Ende Juli erstreckt. Weil sich die nicht reproduktiven Weibchen von der Wochenstube lösen während die Jungtiere flügge werden, können die Lichtschrankendaten keinen Hinweis auf die Zeit und die Zahl der zum ersten Mal ausfliegenden Jungtiere geben. Einen Hinweis auf das Verhalten der nicht reproduktiven Weibchen nach dem Verlassen der Wochenstube geben die Daten des von uns im Jagdhabitat Kuhstall gefangenen nicht reproduktiven Weibchens, das wir vom 17. bis 21. Juli telemetrierten. Möglicherweise hielt es sich vorher im Wochenstubenquartier auf und bezog dann das Einzelquartier unter dem Dachvorsprung eines Hauses, in dem wir es fanden. Dieses Quartier liegt über einen Kilometer näher als das Wochenstubenquartier an den bevorzugten Jagdhabitaten im Wildtal, die somit wesentlich schneller erreicht werden können. Auch die von KRULL et al. (1991) telemetrierten drei nicht reproduktiven Weibchen kehrten nach der Besenderung beim Ausflug aus der Wochenstube bis auf ein Tier (Rückkehr nach sieben Nächten) nicht in diese zurück, sondern bezogen Einzelquartiere (hinter abstehender Borke, in einer Baumhöhle und in einem Heuschober) in einer Entfernung von 2,5 bis 10 Kilometer vom Wochenstubenquartier. Auch aus Südbaden gibt es in der späteren Jahreszeit weitere Funde von kleinen Gruppen von Wimperfledermäusen in Quartieren im weiteren Umfeld der Wochenstuben. Im Umfeld des Wochenstubenquartiers in Lahr wurden am 05.08.1994 drei im zurückliegenden Sommer nicht reproduktive Weibchen und ein Männchen unter dem Balkon eines Privathauses gefunden. Weitere drei Tiere wurden am 09.10.93 in einem Stollen in Sulzburg nachgewiesen, in dem im Winter noch nie Wimperfledermäuse beobachtet wurden (KRETZSCHMAR i. Dr.). Im August und September konnten wiederholt schwärmende Wimperfledermäuse vor einer Naturhöhle im Markgräfler Land beobachtet werden (KRETZSCHMAR i. Dr.). Möglicherweise erkunden die Wimperfledermäuse ein potentielles Winterquartier und/oder das Schwärmen dient der Partnerfindung (Rendezvousplatz). Vielleicht verlassen die nichtreproduktiven Weibchen dann ihre Standorte im Umfeld der Wochenstubenquartiere ebenso wie die reproduktiven Weibchen die Wochenstuben, um Winterquartiere und Rendezvousplätze möglicherweise auch mittels Wanderungen über größere Distanzen zu erreichen. Die Raumnutzung und das Verhalten der Wimperfledermäuse nach Auflösung der Wochenstuben wurden jedoch bislang noch nicht näher untersucht. Wie in Freiburg verließ auch in Oberbayern der große Anteil der Tiere die Wochenstube Ende Juli. 1986 konnten im Wochenstubenquartier jedoch noch sieben Tiere bis zum 21. August beobachtet werden. Auch die Lichtschrankendaten der Freiburger Wochenstube zeigen, dass sich eine kleine Gruppe von Tieren bis Anfang September im Quartier aufhält. Bislang war bei allen südbadischen Wochenstuben beobachtet und angenommen worden, dass die Wimper fledermäuse das Quartier im Durchschnitt bis Ende August verlassen haben (KRETZSCHMAR i. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 35 Dr.). Überraschend war es daher, dass das Quartier im FG offenbar auch noch von Mitte September bis Mitte Oktober einer kleinen Anzahl (max. 6 Tieren) als Quartier dient. Obwohl wir aufgrund fehlender Tageskontrollen nicht ganz sicher sein können, dass es sich auch tatsächlich um Wimperfledermäuse handelt, so kann doch mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, da in den vergangenen Jahren noch nie andere Fledermausarten im Quartier beobachtet werden konnten. Ein- und Ausflüge auch zur Mitternachtszeit deuten auf ein Schwärmen vor bzw. im Quartier hin, wie es bislang nur vor Höhlen beobachtet wurde. Die wechselnde Anzahl der Tiere könnte auch auf ein Paarungsquartier mit einem Männchen und einer wechselnden Anzahl von Weibchen hindeuten. Dass das Quartier auch im Sommer von Männchen genutzt wird und damit diesen bekannt sein dürfte, zeigen die Netzfänge von Männchen beim morgendlichen Einflug in das Quartier. Auch beim oberbayrischen Wochenstubenquartier wurden beim Ausflug einzelne Männchen gefangen (KRULL et al. 1991). Wie in Freiburg bezog auch ein in Oberbayern beim Ausflug aus dem Wochenstubenquartier gefangenes Männchen ein weiteres Quartier abseits der Wochenstube im Dachboden einen kleinen Steinhauses (ebenda). Aber nicht nur die Männchen, sondern auch die Weibchen der Wochenstube wechseln während der Wochenstubenzeit z.T. das Quartier, wie wir in Freiburg bereits in der ersten Telemetrienacht entdecken konnten. Mit der Existenz eines solchen Nebenquartier s lassen sich auch die z.T. relativ großen Schwankungen in der Anzahl von Tieren in der Wochenstube zwischen den Tagen erklären. Schon GAISLER (1971) nimmt auf Grund von langjährigen Beobachtungen an Quartieren der Wimperfledermaus in Mähren an, das jede Wochenstube über „Alternativ-Quartiere“ verfügt, zwischen denen einzelne Tiere wechseln. Im Extrem beobachtete er auch den Umzug der gesamten Wochenstube nach einer Störung. Wir müssen daher davon ausgehen, dass auch die Freiburger Kolonie der Wimperfledermaus im Sommer ein umfangreiches Quartiersystem nutzt, welches aus dem zentralen Wochenstubenquartier, einem (ggf. auch mehreren) Nebenquartieren der Wochenstube, Männchenquartieren und Quartieren einzelner nicht reproduktiver Weibchen besteht. Dieses Quartiersystem dürfte etwa in einem Radius von 10 Kilometern um das zentrale Wochenstubenquartier angesiedelt sein. Möglicherweise liegen die im Spätsommer und Herbst aufgesuchten Zwischen- oder Paarungsquartiere bereits außerhalb dieses Radius und werden auf dem Weg in die Winterquartiere angeflogen. Z.T. dürften sie aber auch mit den bereits im Sommer genutzten Quartieren identisch sein. Über die Raumnutzung nach der Auflösung der Wochenstuben existieren für die Freiburger Kolonie jedoch noch keinerlei Erkenntnisse. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 4.2 36 Raumnutzung und Verhalten außerhalb der Quartiere Auch bei der Diskussion der Raumnutzung bietet sich der Vergleich mit der Arbeit von KRULL et al. (1991) aus Oberbayern an, da dies bislang die einzige durchgeführte Telemetriestudie an der Wimperfledermaus war. Im Mai und Juli 1987 wurden dort sechs Tiere für wenige Tage besendert, wobei auswertbare Ergebnisse nur für drei nicht reproduktive Weibchen und ein Männchen vorliegen. Die Tiere wurden allesamt beim Ausflug aus der Wochenstube gefangen und besendert. Die Sendertiere nutzten Aufenthaltsgebiete in oder am Rande von Mischwäldern. Eine Jagd in Kuhställen wurde bei diesen Tieren nicht beobachtet. Dies bestätigt unsere These, dass nicht reproduktive Weibchen und Männchen ihre Jagdgebiete offenbar häufiger in Wäldern suchen als die reproduktiven Weibchen, deren Jagdhabitate nach unserer Untersuchung vornehmlich in Kuhställen zu finden sind. Telemetriedaten zu reproduktiven Weibchen liegen aus der Arbeit von KRULL et al. (1991) aber nicht vor. Allerdings beobachteten sie häufig Wimperfledermäuse in Kuhställen bei der Jagd (Sichtbeobachtungen). Bei einem Tier, das nach einer ausdauernden Jagd im Kuhstall von ihnen im Netz gefangen wurde, handelte es sich um ein reproduktives Weibchen. Da im Kot, der ebenso wie in der vorliegenden Arbeit unter dem Hangplatz der Wochenstube gesammelt wurde überwiegend Fliegen nachgewiesen wurden, ist es sehr wahrscheinlich, dass die reproduktiven Weibchen der oberbayrischen Wochenstube ebenfalls zu einem großen Anteil in Kuhställen gejagt haben. Innerhalb der Kuhställe konnten KRULL et al. (1991) das gleiche Verhalten der Tiere beobachten wie wir: Pendelflüge an die Decke, das Fliegen auf der Stelle vor Wänden. Auch SIEMERS (2000) konnte dieses Jagdverhalten bei Tieren der Müllheimer Wochenstube, die sich direkt in einem Kuhstall befindet, mittels Infararotkamera beobachten (NILL & SIEMERS 2001, SIEMERS 2000). KRULL et al. (1991) gelangten darüber hinaus weitere interessante Beobachtungen zum Jagdverhalten außerhalb der Kuhställe. Sie beobachteten Wimperfledermäuse bei der Jagd über Misthaufen, aber auch um und in Büschen und Bäumen. Die Tiere jagten dabei im oberen Drittel oder im Wipfelbereich der Büsche und Bäume. Das Flugmuster ähnelte dabei dem im Kuhstall beobachteten: kontinuierlicher Flug nahe der Vegetation, Pendelflüge an die Vegetation bis diese berührt wird und ebenso Rüttelflug vor der Vegetation. Es kann angenommen werden, dass die von uns in den Obstwiesen, an den Bachgehölzen und im Wald telemetrierten Tiere ein vergleichbares Jagdverhalten zeigen. Entsprechend können wir davon ausgehen, dass die von uns zunächst als Aufenthaltsgebiete bezeichneten Habitattypen allesamt auch zur Jagd genutzt werden. Dafür spricht auch, dass wir unter dem Hangplatz der Wochenstube neben den Kotpellets eine große Zahl von Nadeln, möglicherweise Douglasiennadeln, fanden, die sich beim Jagdflug der Tiere im Fell verfangen haben und erst beim intensiven Putzen nach Rückkehr ins Quartier abfallen. Denn bei der Videobeobachtung in der Wochenstube zeigte sich, dass sich die Tiere nach dem Einflug in das Quartier am Hangplatz sammelten und dann sehr ausgiebig putzten. Eine ähnliche Entdeckung machte KREZTSCHMAR (i. Dr.) am 13.06.1996 bei einer Kontrolle der Wochenstube in Lahr. Er fand unterhalb des Hangplatzes Knospenschuppen und männliche Blütenköpfe der Buche in großer Zahl. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 37 Wir müssen daher davon ausgehen, dass die Wochenstubentiere neben den Kuhställen auch in größerem Umfang strukturierte Offenlandgebiete, wie z.B. Obstwiesen und auch Wälder bejagen. Bei den Wäldern ist die Nutzung von reinen Laubwäldern (Buchenwälder, Eichenwälder, gemischte Laubholzforste) und von lockeren Mischwäldern (Buchen-DouglasienMischwäldern, Eichen-Buchen-Kiefernforste) belegt. Die naheliegende Vermutung, dass die Kuhställe ausschließlich oder vermehrt bei ungünstigen Witterungsbedingungen aufgesucht werden, können wir mit unseren Daten nicht bestätigen. Auch KRULL et al. (1991) beobachteten in kalten oder regnerischen Nächten keine größere Jagdaktivität in Kuhställen als in warmen oder trockenen. Sie konnten ebenfalls keine Beziehung zwischen Witterung und Jagdhabitatsnutzung herstellen. Bei der Interpretation beider Untersuchungen muss jedoch beachtet werden, dass der Zeitraum der Telemetrie nur vergleichsweise kurz und jeweils auf einen kleinen Ausschnitt der sommerlichen Lebensphase beschränkt war. Es liegen bislang keine Untersuchungen zum Jagdverhalten der Wochenstubentiere im Frühsommer, zur Zeit der sich bildenden Wochenstube oder nach deren Auflösung im Spätsommer vor. Die von KRULL et al. (1991) ermittelten Distanzen zwischen den Quartieren der nicht reproduktiven Weibchen und ihren Jagdhabitaten von einem bis vier Kilometern entspricht unseren Beobachtungen der gleichen Statusgruppe. Insbesondere das Weibchen, das wie die von KRULL et al. (1991) untersuchten Tiere außerhalb der Wochenstube Quartier bezog, nutzte Jagdhabitate in einem Umkreis von weniger als drei Kilometern um sein Quartier. Die von uns untersuchten reproduzierenden Weibchen legten dagegen alle Distanzen von etwa 4 bis 7,5 Kilometern in die bevorzugten Jagdhabitate (Kuhställe) zurück. Das von KRULL et al. (1991) telemetrierte Männchen zeigte ein sehr ähnliches Verhalten wie die zwei von uns beobachteten Männchen. Es benutzte – wie die Tiere dieser Studie – in drei Nächten wiederholt dieselben Jagdgebiete im Wald in einem Umkreis von nur zwei Kilometern um das Tagesquartier. Beim Vergleich der Statusgruppen fällt auf, dass die reproduktiven Weibchen zur Wochenstubenzeit über größere Distanzen in die bevorzugten Jagdhabitate fliegen, als die Männchen und die zu dieser Zeit nicht reproduktiven Weibchen. Letztere haben zudem die Möglichkeit, Einzelquartiere außerhalb der Wochenstube in der Nähe bevorzugter Jagdhabitate zu suchen und somit die Wegstrecken zu verkürzen. Für die reproduktiven Weibchen der Wochenstube scheint die vergleichsweise lange Flugzeit kein Hindernis, sofern dadurch beutereiche Jagdgebiete erreicht werden. Möglicherweise sind neben dem Beuteangebot in und der Erreichbarkeit von Jagdgebieten noch weitere Faktoren für deren Nutzung durch einzelne Wimperfledermaus-Individuen relevant, die sich aus den sozialen Beziehungen der verschiedenen Tiere innerhalb der Kolonie oder ggf. auch zwischen Tieren verschiedener Kolonien ergeben. Die Videobeobachtungen in den Kuhställen haben gezeigt, dass diese Jagdhabitate von vielen Wimperfledermaus-Individuen gleichzeitig genutzt werden. Mittels Telemetrie konnten wir einerseits zeigen, dass einzelne Weibchen dort über sehr lange Zeiträume, u.U. sogar die gesamte Nacht jagten. Andererseits beobachteten wir, dass einzelne Tiere sich immer nur kurz in den Ställen aufhielten, Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 38 insbesondere das im zweiten Zeitraum besenderte, nicht reproduktive Weibchen. Mittels Infrarotkamera konnten wir soziale Interaktionen zwischen anwesenden und neu einfliegenden Individuen beobachten. Dies könnte möglicherweise ein Hinweis darauf sein, dass mehrere Wimperfledermäuse ein sehr gutes Jagdhabitat (wie einen Kuhstall) gemeinsam monopolisieren und gegenüber „Eindringlingen“ verteidigen. Aus welchen anderen Gründen sollte ein Tier sonst ein so gutes Jagdhabitat wieder verlassen? Auch bei den reproduktiven Weibchen wurde beobachtet, wie diese einen Stall, in dem sie bereits seit längerer Zeit jagten, für einen Abstecher in einen benachbarten Stall verließen. Dort verblieben sie nur wenige Minuten, um dann wieder in den bislang genutzten Stall zurückzukehren. Vielleicht haben sie nur „geprüft“ ob dieser Stall „frei ist“ oder ob und ggf. von wem er gerade „besetzt“ ist. Diese Thesen setzen voraus, das zwischen den Tieren einer Kolonie, vielleicht auch nur zwischen verschiedenen Gruppen von Tieren, und/oder zwischen Tieren verschiedener Kolonien (denn es kann nicht ausgeschlossen werden dass die Kuhställe im Wildtal auch von Tieren einer bislang unbekannten Kolonie aufgesucht werden) Konkurrenz um die besten Jagdgebiete herrscht. Diese Thesen können jedoch nur durch eine individuelle Kennzeichnung einer größeren Anzahl von Tieren und deren Beobachtung über einen längeren Zeitraum überprüft werden. Unsere Beobachtungen auf den Flugrouten der Wimperfledermäuse bestätigen die bereits von KRULL et al. (1991) formulierte enge Bindung an Strukturen. Auch die Tiere der oberbayerischen Kolonie überfliegen auf ihrem Weg in die Jagdhabitate keine freien Flächen und orientieren sich eng an vorhandenen Strukturen wie z.B. Hecken. Sie queren eine Autobahn nur bei zwei Unterführungen, die sie auf einem Umweg erreichen. Ähnliches Verhalten konnten auch VERGOSSEN & BUYS (1997) auf der Flugstraße einer niederländischen Wochenstube der Wimperfledermaus in Südlimburg beobachteten. Die Tiere fliegen hier entlang einer Allee und „springen“ von Baumkrone zu Baumkrone, wo sie jeweils beobachtet werden konnten. Genau dieses Verhalten könnten die Tiere auch nutzen, wenn sie vom Wochenstubenquartier im Friedrich-Gymnasium in Freiburg entlang der Alleen den Wald erreichen. 4.3 Nahrung Das Beutespektrum Das Beutespektrum der Tiere aus der Freiburger Wochenstube unterscheidet sich nicht grundlegend von der Nahrung anderer Wochenstubentiere (vgl. BAUEROVA 1986, KRULL et al. 1991, BECK 1995). Allerdings konnte BAUEROVA (1986) in der Nahrung der Wimper fledermaus im Gegensatz zur vorliegenden Studie und den Untersuchungen von KRULL et al. (1991) sowie BECK (1995) nicht hauptsächlich Brachycera (Fliegen) sondern vor allem Araneida (Spinnen) nachweisen. Dies deutet darauf hin, dass die Tiere der von BAUEROVA in der Tschechoslowakei untersuchten Wochenstuben vermutlich weniger häufig in Ställen jagen als in Bayern oder Südbaden. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 39 Hinweise auf Jagdhabitate Innerhalb der Brachyceren konnten wir sehr häufig Musca domestica (Stubenfliege) nachweisen. Musca domestica ist in Mitteleuropa eng an den Menschen bzw. dessen Vieh gebunden – diese Art tritt vor allem in Viehställen in sehr großen Dichten auf (HENNIG 1964, KÜNAST 1985). Auch Stomoxys calcitrans (Wadenstecher) konnte häufig nachgewiesen werden. Wie Musca domestica ist Stomoxys calcitrans in Mitteleuropa praktisch ausschließ lich in Viehställen zu finden (HENNIG 1964, KÜNAST 1985). In zwei Drittel der untersuchten Kotpellets konnte mindestens eine dieser beiden Arten nachgewiesen werden. Es ist deshalb zu vermuten, dass über den Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juli 2001 die Individuen der Wochenstube überwiegend Jagdhabitate mit sehr hohen Dichten dieser beiden Fliegen-Arten aufsuchten. In Hinblick auf die Beobachtungen, die wir mittels Telemetrie und Infrarot-Videoaufnahmen machen konnten, erstaunt dieses Resultat nicht. Brachycera wurden demnach vor allem in Viehställen erbeutet. Vereinzelt konnten in der Nahrung auch Beutetaxa mit Bezug zu Jagdhabitaten außerhalb menschlicher Bauten festgestellt werden: Die Spinnenart Cyclosa conica tritt am häufigsten in Nadelwäldern auf – hier vor allem in Fichtenforsten und Kiefernwäldern (HÄNGGI et al. 1995). Aber auch in naturnahen Fichtenbeständen, trockenen Eichen-Birken-Wäldern und Streuobstbeständen ist diese Art ver gleichsweise häufig. Ihr Netz baut diese Spinnenart vor allem im Kronenbereich, sie ist aber auch öfters am Boden anzutreffen (HÄNGGI et al. 1995). Die Imagines der Schabe Ectobius lapponicus leben im Wald auf Stauden, in der Strauchschicht oder auf Bäumen (HARZ 1957). Auch die zu den Neuroptera (Netzflügler) gehörenden Hemerobiidae (Blattlauslöwen) leben auf Sträuchern und Bäumen und zum Teil auch in der Krautschicht (STRESEMANN 1978). All diese Beutetaxa deuten auf den Wald und eventuell auch Streuobstbestände als weitere Jagdhabitatstypen hin. Ausgehend vom Verhalten von Cyclosa conica kann vermutet werden, dass die Freiburger Wimperfledermäuse im Wald vor allem im Kronenbereich jagten. Es ist aber nicht auszuschließ en, dass auch vom Boden Nahrung aufgenommen wurde – so könnte es sich bei einigen Spinnen in der Nahrung durchaus auch um bodennah lebende Wolfsspinnen-Arten handeln (HÄNGGI, mündl. Mitteilung). Es ist nicht auszuschließen, dass die Wald-Beutetaxa auf dem Heimweg vom Jagdhabitat Vieh stall zurück zum Wochenstubenquartier sozusagen „mitgenommen“ wurden und somit nicht von Individuen stammen, welche ausschließlich im Offenland oder im Wald jagten. Ausgehend von der Hauptnahrung Musca domestica und Stomoxys calcitrans kann vermutet werden, dass Individuen, welche im Untersuchungszeitraum nicht regelmäßig in Viehställen jagten, eine Ausnahme innerhalb der Wochenstube in Freiburg darstellten. Die geringere Bedeutung der Brachyceren in der Nahrung anderer Kolonien der Wimper fledermaus (vgl. BAUEROVA 1986) ist somit aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Nutzung unterschiedlicher Jagdhabitatstypen zurückzuführen. In jenen Untersuchungsgebieten mit einer geringen Bedeutung der Brachycera in der Nahrung spielen vermutlich Viehställe als Jagdhabitat eine geringe Rolle. Dies kann einerseits an einem eingeschränkten Angebot an geeigneten Viehställen und andererseits an einem größeren Nahrungsangebot in der Landschaft liegen. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 40 Die „Wald-Nahrung“ Treten Brachycera in der Nahrung in den Hintergrund, so spielen vor allem Araneida eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund kann vermutet werden, dass im Wald als weiteres Jagdhabitat vor allem Spinnen gefressen werden. Bei einer solch geringen Stichprobe kann dies allerdings nur eine Spekulation bleiben. Auffällig ist die „Konzentration“ der Kotpellets ohne Dominanz der Brachycera am Ende der Untersuchungsperiode. Dies kann einerseits dadurch zustande kommen, dass im Jagdhabitat Viehstall vermehrt andere Beute gemacht wurde (möglicherweise auf Grund häufigeren Auftretens dieser Taxa). Andererseits könnte auch eine steigende Bedeutung anderer Jagdhabitate (z.B. Wald) für dieses Muster verantwortlich sein. Allerdings jagten die telemetrierten Wimper fledermäuse in beiden Telemetrie-Perioden vergleichbar häufig in Ställen. Eine steigende Bedeutung anderer Jagdhabitate der adulten Tiere kann deshalb nicht der Grund für die Konzentration „Brachycera-schwacher“ Kotpellets am Ende der Untersuchungsperiode sein. Es ist aber auch möglich, dass dieser Trend dadurch zustande kommt, dass Jungtiere das Wochenstubenquartier verließen, um kurze Jagdausflüge (sozusagen „Trainingsflüge“) in der näheren Umgebung der Wochenstube zu machen - das heißt in Alleen, Gärten oder im Wald. Für diese These spricht auch, dass die vier Tiere, die wir beim morgendlichen Einflug in das Quartier abfingen – im Gegensatz zu den abgefangenen adulten Weibchen – keinen „Kuhstallgeruch“ aufwiesen. 5 Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen zur Sicherung der Wimperfledermauskolonie 5.1 Schutz- und Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der FFH-Richtlinie Erweiterung des FFH-Gebietes Mit der vorliegenden Untersuchung werden erstmals genaue Daten zur Lebensraumnutzung der Freiburger Wimperfledermauskolonie außerhalb des Wochenstubenquartieres vorgelegt. Es besteht somit die Möglichkeit, das bestehende FFH-Gebiet „Glotter und Mühlbach“ (Gebietsnummer 7812-302 ) um die tatsächlich bzw. potentiell genutzten weiteren Teillebensräume der Wimperfledermauskolonie, vor allem die flächenmäßig relevanten Jagdhabitate zu erweitern. Ziel der Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Richtlinie ist die Schaffung eines zusammenhängenden Netzes von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung (NATURA 2000-Gebiete) zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der Lebensräume sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in der Europäischen Union. In Anhang II der Richtlinie wird die Wimperfledermaus als Art geführt, für die spezielle Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Mit der Meldung der Wochenstube als FFH-Gebiet hat das Land Baden-Württemberg die besondere Bedeutung der Freiburger Kolonie für ein Schutzgebietsystem speziell für die Wimperfledermaus bestätigt. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 41 Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen nach Artikel 1g der Richtlinie die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet der Art, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen. Zweifelsohne sind neben dem zuvor bereits bekannten und gemeldeten Wochenstubenquartier auch die neu ermittelten Quartiere (insbes ondere das zur Wochenstube gehörende Nebenquartier) und Jagdhabitate für das Überleben der Freiburger Wimperfledermaus-Kolonie von elementarer Bedeutung. Eine erfolgreiche Reproduktion in den Wochenstuben ist nur bei ausreichend großen und geeigneten Jagdlebensräumen, die im Umfeld der Quartiere auch erreichbar sein müssen, möglich. Somit ist gerade der im Sommer genutzte Verbund geeigneter Teilhabitate (Quartiere und Jagdhabitate) ausschlaggebend für das Vorkommen und Überleben der Art. In Abb. 16 wird ein Überblick über die tatsächlichen und mit großer Wahrscheinlichkeit genutzten Lebensräume der Freiburger Wimperfledermauskolonie gegeben und ein Vorschlag zur Erweiterung des bestehenden FFH-Gebietes dargestellt. Der Gebietsvorschlag orientiert sich dabei eng an den erarbeiteten Grundlagendaten zur Sommerverbreitung und bezieht nur die wahrscheinlichsten weiteren Lebensräume mit ein. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass noch weitere Lebensräume der Wimperfledermaus auch außerhalb des jetzigen Gebietsvorschlages anzutreffen sind. Die Abgrenzung des Gebietes im Norden und Osten orientiert sich an den nachweislich maximal zurückgelegten Wegstrecken reproduktiver Weibchen zwischen den Teilhabitaten. Das Suggental, das Föhrental und das untere Glottertal können von den Wimperfledermäusen leicht erreicht werden. Diese Täler sind dem Wildtal, das als wichtigstes Jagdgebiet der telemetrierten Wimperfledermäuse festgestellt werden konnte, strukturell sehr ähnlich. Die bevorzugten Jagdhabitate wie Kuhställe, Obstwiesen, bachbegleitende Gehölze sind hier in großer Zahl anzutreffen. Gleiches gilt mit kleinen Einschränkungen auch für das Zartener Becken im Süden des vorgeschlagenen Gebietes. Die Wälder innerhalb des abgegrenzten Gebietes stellen allesamt potentielle Jagdhabitate dar. Auch eine Besiedlung der eher nadelholzdominierten Bestände in höheren Lagen, z.B. am Rosskopf ist nicht auszuschließen, jagten doch einige der im Wald telemetrierten Tiere in den Douglasien-Buchen-Forsten bei St. Ottilien, die sich vom Waldbild her nicht wesentlich von den Beständen der etwas höheren Lagen unterscheiden. Betrachtet man die in Abb. 9 abgegrenzten Jagdhabitate der insgesamt vier im Wald telemetrierten Tiere und geht man davon aus, dass alle Tiere der auf etwa 100 bis 120 Individuen geschätzten Kolonie (Wochenstubentiere plus Männchen im Umfeld) zu bestimmten Zeiten im Wald jagen, so erhält man einen Eindruck vom Raumanspruch der Kolonie. Es kann angenommen werden, dass sämtliche Waldgebiete sowie strukturierte Offenlandgebiete, vor allem im Umfeld der Wochenstubenquartiere zumindest zeitweise von Wimperfledermäusen zu Jagd aufgesucht werden. Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 42 Abb. 16: Abgrenzung eines FFH-Schutzgebietes unter Einschluß der Jagdhabiate (blaue Punkte: Lage nachgewiesener Jagdhabitate und Quartiere, durchgezogene Pfeile: nachgewiesene Flugrouten, gestrichelte Pfeile: mögliche Fortsetzung der Flugrouten in Gebiete mit potentiell geeigneten Jagdhabitaten, schwarze Linie: aktuell nachgewiesene maximale Distanz zwischen Quartier und Jagdhabitat von etwa 7,5 Kilometern, schwarz umgrenzte Flächen: gemeldete FFH-Gebiete mit Gebietsnummer) (Kartengrundlage CD-ROM Natura 2000 der LfU, März 2001, Maßstab im Original 1:25000, verkleinert). Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 43 Die Grenzen im Süden und Westen des Gebietsvorschlages richten sich nach vorhandenen Barrieren in Form großer Straßen (B 3 und B 31), die nachweislich nicht oder nur bei Unterführungen gequert werden. Solche Unterführungen sind gerade bei der B 3 in nördlicher Richtung nicht vorhanden. Zudem erstreckt sich mit dem Industriegebiet Nord hier eine möglicherweise weitere Barriere. Es ist jedoch nicht ganz auszuschließen, dass auch der Mooswald, der von seiner Struktur (alter Eichen-Mittelwald) als Jagdhabitat sicherlich hervorragend geeignet wäre, von einzelnen Tieren aufgesucht wird. Noch wahrscheinlicher ist es, dass im Süden einzelne Tiere die B 31 noch im Bereich der dichten Bebauung überqueren um auch im Gebiet südlich von Littenweiler oder im Kappeler Tal zu jagen. Insofern wird mit unserem Gebietsvorschlag lediglich der Minimalanspruch der Wimperfledermauskolonie dargestellt. Prüfung der Auswirkungen von Plänen und Projekten auf das FFH-Gebiet Nach der FFH-Richtlinie sind alle Pläne und Projekte, welche die Erhaltungsziele eines NATURA 2000 Gebietes beeinträchtigen können, auf ihre Verträglichkeit mit den Entwicklungszielen des Schutzgebietes zu prüfen (FFH-Verträglichkeitsprüfung). Schutzziel bezogen auf die Freiburger Wochenstubenkolonie der Wimperfledermaus ist zweifelsfrei die Erhaltung eines „günstigen Erhaltungszustand“ der Kolonie. Artikel 1i der FFH-Richtlinie definiert einen „günstigen Erhaltungszustand“ einer Art. Er ist günstig, wenn • „auf Grund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, daß diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig bilden wird, und • das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und • ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich auch weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Population dieser Art zu sichern.“ Auch solange das FFH-Gebiet noch nicht erweitert ist, sind Pläne und Projekte im abgegrenzten Aktionsraum der Kolonie auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zu prüfen. Denn die FFH-Richtline sieht vor, dass auch Pläne und Projekte, die von außen in ein FFH-Gebiet hineinwirken, entsprechend geprüft werden. Demnach sind auch Eingriffe in die Jagdhabitate oder Flugrouten der Freiburger Kolonie zu prüfen, da diese zu erheblichen Beeinträchtigungen des Fortpflanzungserfolges und damit zur Beeinträchtigung des Erhaltungszustandes der bereits gemeldeten Wochenstube im Friedrich-Gymnasium führen können. Einer entsprechenden Prüfung sind beispielsweise zu unterziehen: • Aus- oder Neubau von Wegen, Straßen- und Schienenwegen sowie Leitungen (z.B. Gasleitungen) • Siedlungsbau, Ausweisung von Gewerbeflächen • Aufforstung und Waldumwandlung • Änderungen der landwirtschaftlichen Nutzung und damit verbundene Veränderungen oder Beseitigungen von Kleinstrukturen • weitere (privilegierte) Außenbereichsvorhaben 44 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Mit der Verträglichkeitsprüfung bietet die FFH-Richtlinie ein effektives Instrument zur Vorsorge gegenüber schädlichen Einflüssen auf die Wimperfledermauskolonie. Unabhängig davon sind jedoch auch eigenständige Schutz- und Entwicklungsbemühungen für den Fortbestand der Kolonie erforderlich. Sie werden im folgenden Kapitel separat für jeden Teillebensraum zusammengestellt. 5.2 Gefährdungen sowie Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen in den Teilhabitaten Im Folgenden werden notwendige Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen für die Freiburger Kolonie aufgezeigt. Um die unterschiedliche Dringlichkeit der Maßnahmen zu verdeutlichen, wird die Priorität, mit der die Maßnahmen angegangen werden sollen, für jeden Vorschlag dargelegt (vgl. Tab. 4). Tab. 4: Gefährdungen sowie Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen im Überblick Quartiere Gefährdungen Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen Priorität Störungen in den Quartieren durch Begehungen oderReparaturarbeiten Information der Eigentümer und Absprachen zur Nutzung der Dachräume. Werbung für die Belange des Artenschutzes. sehr hoch Umbau/Ausbau (insbesondere des Dachraumes des neu entdeckten Nebenquartieres der Wochenstube in Herdern) wie oben, jedoch ggf. auch weitere Maßnahmen wie z.B. Anpachtung des Dachraumes oder wenn nötig auch Verhängung eines Veränderungsverbotes nach Artenschutzrecht. sehr hoch Jagdhabitate Gefährdungen Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen Priorität Pestizideinsatz im Wald und v.a. in den Obstwiesen Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden im Stadtwald sowie im Privatwald und in den Obstwiesen durch - Schaffung von Anreizen zum freiwilligen Verzicht - Förderung des biologischen Obstbaus - Ver- und Gebote in Schutzgebieten hoch Aufgabe der Milchviehwirtschaft, v.a. durch Nebenerwerbslandwirte mit kleinen Ställen Förderung der Milchwirtschaft v.a. in Wildtal und Heuweiler durch - Angebote zur Flächenvergrößerung der Betriebe - Angebote von Sonderkontingenten der Milchquote - Unterstützung beim „fledermausverträglichen“ Umbau/Neubau der Ställe mittel 45 Artenschutzprojekt Wimperfledermaus Einsatz von Insektiziden gegen Fliegen im Stall, Klebefallen als Risiko Information der Bewirtschafter und Werbung für die Belange des Artenschutzes (Wimperfledermäuse als Fliegenfänger). Hinweise zum fledermausverträglichen Einsatz von Klebefallen (Ummantelung mit Drahtgeflecht). sehr hoch Flächenmäßiger Rückgang von Obstwiesen Erhalt und Vergrößerung des Anteils an Obstwiesen durch - Schaffung von Anreizen zur Pflanzung neuer Obstbäume z.B. durch finanzielle Beiträge der Kommune, wie z.B. in Gundelfingen (Zuschuss von 25,- DM pro Baum) - Neuanlage von größeren Obstwiesen auf bislang als Acker oder Grünland genutzten Flächen freiwillig oder auch im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (auf strukturelle Anbindung achten). hoch Zerstörung von Kleinstrukturen wie Hecken, Obstgärten oder bachbegleitenden Gehölzen, z.B. infolge von Baumaßnahmen am Siedlungsrand von Freiburg Erhaltung und Entwicklung dieser Kleinstrukturen vor allem am östlichen Siedlungsrand von Freiburg durch - Information von Grundeigentümern und finanzielle Förderung freiwilliger Maßnahmen durch die Kommune oder den Landkreis (Landschaftspflegerichtlinie) - Erhalt von Kleinstrukturen durch Ausweisung von Schutzgebieten, Änderung von Schutzgebietsverordnungen (z.B. von Landschaftsschutzgebieten) oder Festsetzungen in Bebauungsplänen - Gezielte Neuanlage von Kleinstrukturen im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (Flächenpool) hoch Zerstörung oder Beeinträchtigung von Alleen in Herdern und Zähringen Erhalt der Alleen in Herdern und Zähringen durch - Strikte Anwendung der Baumschutzsatzung - sofortige Neupflanzung abgängiger Altbäume mittel Flugrouten Gefährdungen Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen Priorität Ausbau von Verkehrswegen und Zunahme des Verkehrs Bau von Querungshilfen in Form von größeren Durchlässen (z.B. Wirtschaftswegeunterführungen) an geeigneten Stellen ggf. sehr hoch Zerstörung von Kleinstrukturen wie Hecken, Obstwiesen und bachbegleitenden Gehölzen als Leitlinien Erhalt und Entwicklung dieser Kleinstrukturen insbesondere in den ausgeräumten Feldfluren zwischen Gundelfingen, Heuweiler und Denzlingen sowie im Zartener Becken durch - Erhalt und Neuanlage von stufig aufgebauten Hecken - Erhalt und Anlage von Obstwiesen und Obstbaumreihen - Erhalt und Anlage von Alleen hoch Artenschutzprojekt Wimperfledermaus 46 Mit sehr hoher Priorität sind die Maßnahmen zur Sicherung der beiden Wochenstubenquartiere zu betreiben. Hier hat die AGF bereits während der Bearbeitung dieser Studie in Gesprächen um die Rücksichtnahme auf die Fledermäuse geworben. Insbesondere bei dem neu entdeckten Nebenquartier der Wochenstuben sind jedoch noch weitere Gespräche und Informationen erforderlich. Ebenso dringlich ist die Information der Hofbesitzer und –pächter, in deren Kuhställen die Tiere jagen, um insbesondere Fragen der Bekämpfung der Fliegen als Hauptbeute der Wimperfledermäuse anzusprechen. Für die Umsetzung der Maßnahmen zum Erhalt und zur Neuschaffung von bestimmten Strukturen in der Landschaft sind die Kommunen (Gundelfingen und Heuweiler, Vörstetten, Glottertal, Denzlingen, Kirchzarten und vor allem die Stadt Freiburg) im Besonderen angesprochen. Sie können über rechtliche Festsetzungen (Naturdenkmal, flächiges Naturdenkmal, Erhaltungssatzung) wichtige Strukturen sichern sowie die freiwillige Durchführung von Maßnahmen seitens der Grundbesitzer fördern. Eine gute Möglichkeit der Neuanlage von wichtigen Strukturelementen besteht mit der gezielten Steuerung von notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen von Eingriffsvorhaben im Gebiet der Kommune. Dazu können auch die Unteren Naturschutzbehörden des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald und des Stadtkreises Freiburg einen wichtigen Beitrag leisten. Mittelfristig sind die gemeldeten FFH-Gebiete in nationale Schutzgebiete zu überführen, um deren Erhalt zu sichern und notwendige Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen. Die in den Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen enthaltenen Ver- und Gebote sollten dann in die Verordnungen der avisierten Schutzgebiete übernommen werden. Bei der Erarbeitung des Pflege- und Entwicklungsplans für das FFH-Gebiet 7812-302 „Glotter und Mühlbach“, in der auch das Wochenstubenquartier der Wimperfledermaus liegt, sind die Jagdhabitate in der Ausdehnung der vorgeschlagenen Gebietserweiterung unbedingt zu berücksichtigen. Im Pflege- und Entwicklungsplan können die angesprochenen Maßnahmen dann räumlich und zeitlich konkretisiert werden. 6 Offene Fragen In der vorliegenden Studie kann nur ein kleiner Teil der für den Schutz der Wimperfledermaus relevanten Fragestellungen beantwortet werden. Wir konzentrierten uns hauptsächlich auf die Raumnutzung der reproduktiven Weibchen, da wir davon ausgehen, dass der Schutz ihrer Jagdhabitate einen besonders wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Entwicklung der gesamten Kolonie beiträgt. Zum Teil wirft die Studie aber Fragen zu neuen Aspekten der Lebensraumnutzung auf, die für ein effektives Schutzmanagement noch beantwortet werden müssen. Einige der offenen Fragen, die wir für den Schutz der Kolonie als wichtig erachten und deren Beantwortung in der Fortsetzung dieser Studie angegangen werden sollten, werden im folgenden im Überblick aufgeführt. • • Welche Jagdhabitate nutzen die reproduktiven Weibchen bei Bildung der Wochenstube (Anfang bis Mitte Mai) oder nach deren Auflösung (August/September)? Wo halten sich die Wimperfledermäuse nach der Auflösung der Wochenstuben auf? Artenschutzprojekt Wimperfledermaus • • • • • 47 Wie und auf welchen Wegen werden die Winterquartiere und zuvor genutzte Zwischen- oder Paarungsquartiere erreicht? Welche Jagdhabitate sind in dieser Zeit von Bedeutung? Wie entwickeln sich die Individuenzahlen der Wochenstuben über die Jahre? Reicht der festgestellte geringe erscheinende Reproduktionserfolg zum Fortbestand der Kolonie? Welche Faktoren beeinflussen den Reproduktionserfolg? Weitere Fragen beziehen sich auf die Übertragbarkeit der in dieser Studie ermittelten Ergeb nisse auf die anderen beiden Wimperfledermauskolonien in Südbaden. • • Nutzen die Tiere der anderen Kolonien gleiche Jagdhabitate in gleichen Anteilen? Ist deren Reproduktionserfolg ebenso gering und wie könnten ggf. vorhandene Unterschiede erklärt werden? Wie die aufgeführten Fragen zeigen, sind noch einige wesentliche Aspekte der Biologie und Lebensraumnutzung der Wimperfledermäuse zu klären, um fachlich möglichst abgesicherte und damit auch wirkungsvolle Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen. Die mit dieser Studie erarbeiteten Grundlagen sollten in weiteren Untersuchungen ausgebaut werden. 7 Quellen 7.1 Literatur BÄHRMANN, R. (1995): Bestimmung wirbelloser Tiere. (Begründet von H.J. Müller) Gustav Fischer Verlag, Jena. BECK, A. (1995): Fecal analysis of european bat species. - Myotis, 32-33: 109-119. GAISLER, J. 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