Störungen von Exekutivfunktionen bei extrapyramidalen Erkrankungen Bruno Fimm Lehr- und Forschungsgebiet Neuropsychologie Extrapyramidal diseases ‣ Parkinson´s disease ‣ Huntington´s disease ‣ Progressive supranuclear palsy (Steele-Richardson-OlszewskiSyndrom) ‣ Multisystematrophy ‣ striatonigral degeneration ‣ olivo-ponto-cerebellar atrophy (OPCA) ‣ Corticobasal degeneration ‣ Dystonias (e.g.Torticollis spasmodicus) ‣ Gilles-de-la-Tourette-Syndrom Kortikale vs. subkortikale Demenz ‣ Subkortikale Demenz ‣ Morbus Parkinson ‣ Chorea Huntington ‣ Progressive Supranukläre Lähmung ‣ Morbus Wilson ‣ (Morbus Binswanger) ‣ Kortikale Demenz ‣ Morbus Alzheimer ‣ Morbus Pick ‣ Frontallappendegeneration Kortikale vs subkortikale Demenz (Mischformen) ‣ vaskuläre Demenzen (Multiinfarktdemenz) ‣ Infektiöse Demenzen ‣ Jakob-Creutzfeld ‣ Toxische und metabolische Enzephalopathien ‣ Multisystematrophie ‣ Corticobasale Degeneration Unterscheidung kortikaler und subkortikaler Demenz (nach Albert, 1974) ‣ Subkortikale Demenz ‣ verminderte kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit (Bradyphrenie) ‣ Gedächtnisstörungen ‣ psychopathologische Auffälligkeiten ‣ Kortikale Demenz ‣ Aphasie ‣ “Agnosie” ‣ Apraxie ‣ Gedächtnisstörungen ‣ Minderung intellektueller Teilfunktionen ‣ Aufmerksamkeitsdefizite Exekutive Defizite bei Demenzen ‣ Environmental Dependency syndrome ‣utilization behavior ‣imitative behavior ‣ Planungsstörungen ‣ Perseverationen ‣ verminderte Wortflüssigkeit Morbus Parkinson (PD) ‣ symmetrische Degeneration melaninhaltiger Zellen in der Substantia nigra pars compacta ===> Dadurch Beeinträchtigung der dopaminergen Modulation des Informationsflusses im extrapyramidalen System ‣ zusätzlich Degenerationen auch in anderen Kerngebierten des Mittelhirns nachweisbar ‣ Kardinalsymptome: Akinese, Rigor, Tremor ‣ durchschnittliches Erkrankungsalter im 6. Lebensjahrzehnt Morbus Parkinson Auswirkung dopaminerger Transmission ‣ Untersuchung von ‣ PD-Patienten im frühen, unbehandelten ‣ ON-OFF- Untersuchungen ‣ von dopaminerger Transmission ‣ Arbeitsgedächtnis ‣ extradimensionaler Shift ‣ Planen (Turm von Hanoi) Stadium abhängig: ‣ nicht von dopaminerger Transmission abhängig: ‣ Einfach- und Wahlreaktionen ‣ kogn. Verarbeitungsgeschwindigkeit (memory ‣ Lernen scanning) Fronto-subcortikale Schleifen 9 Frontale, kortikale Ausgangs- und Zielareale der 5 frontostriato-pallido-thalamo-kortikalen Schleifensysteme 10 Tasks mainly used for the evaluation of executive functions in Parkinson´s disease ‣ Wisconsin Card Sorting Test (WCST) [concept formation and shifting aptitude] ‣ Trail-making test (TMT; part B) [shifting aptitude] ‣ CANTAB - intra- and extradimensional set-shifting [shifting aptitude] ‣ Stroop test (part 3) [maintaining a mental set] ‣ Word fluency task (F-A-S; animals ...) ‣ Tower of Hanoi and its variants [planning] ‣ Temporal ordering ‣ Time estimation ‣ Choice reaction time tasks with and without cue [motor preprogramming] ‣ Manual tracking procedures (temporal certainty/uncertainty) [motor preprogramming] Demenz und Morbus Parkinson ‣ Schätzungen schwanken zwischen 10 und 41% ‣ Prävalenzrate steigt mit zunehmendem Erkrankungsalter an (kann bei Ersterkrankung ab dem 75. Lebensjahr bis zu 60% betragen) ‣ in erster Linie durch ein progressives dysexekutives Syndrom gekennzeichnet ‣ das Ausmaß kognitiver Beein-trächtigung dementer Patienten scheint unabhängig vom motorischen Status zu sein (nicht dopaminerge Läsionen) Morbus Parkinson (PD) Aspekte, die die Vergleichbarkeit der Studien erschweren ‣ unterschiedliche Funktionsbereiche ‣ unterschiedliche Meßmethoden ‣ unterschiedliche Patientenstichproben ‣ früher bzw. fortgeschrittener PD ‣ medikamentös unbehandelt bzw. mediziert ‣ ON-OFF - Untersuchungen ‣ demente bzw. nicht-demente Patienten Morbus Parkinson Exekutiv-Funktionen 1 ‣ Konzeptwechsel und -beibehaltung ‣ allenfalls mäßiggradige Beeinträchtigungen medizierter und unmedizierter Patienten ‣ am deutlichsten bei “extradimensionalen Shifts” ‣ Wortflüssigkeit ‣ sehr inkonsistente Befunde sowohl bei Wortabruf nach phonematischem als auch nach semantischem Kriterium ‣ bei “crossmodalem” Abruf höhere DefizitWahrscheinlichkeit Morbus Parkinson Exekutiv-Funktionen 2 ‣ Programmierung bzw. Ausführung von Bewegungen ‣ starke Abhängigkeit der Patienten von visueller Kontrolle der Bewegung ‣ externes Triggern beschleunigt Bewegungen deutlich ‣ Defizit bei ‣manualem Tracking ‣motorischer Sequenzierung ‣Wechsel zwischen unter-schiedlichen Bewegungsmodi ‣ Zeitschätzung / zeitl. Einordnung ‣Zeitwahrnehmung, - schätzung und -reproduktion ist betroffen ‣ebenso zeitl. Organisation von Gedächtnisinhalten Morbus Parkinson Blickmotorik ‣ Messung von ‣ visuellem Tracking bei regelmäßig bzw. unregelmäßig bewegtem Zielreiz ‣ Sakkadengeschwindigkeit und -genauigkeit bei tatsächlich vorhandenen, bzgl. ihrer Lokalisation bekannten Zielen einerseits bzw. zu randomisiert verteilten bzw. erinnerten Blickzielen andererseits ‣ erhöhte Abhängigkeit der Patienten von externer Stimulation (Defizit bei erinnerten Blickzielen) mit ungenauer primärer Sakkade und Korrektursakkaden Chorea Huntington progrediente degenerative Erkrankung motorische und im weiteren Verlauf kognitive Defizite Erkrankungsalter: ca. 30-50 Jahre autosomal dominant erblich Gen IT15 enthält auf Chromosom 4p eine pathologische hohe Zahl an CAG-Triplets ‣ Volumenminderung beider Caput caudati und Putamina; zudem (geringer ausgeprägte) Läsionen im Kortex, Hippokampus, Thalamus oder Zerebellum ‣ choreatische Bewegungsstörung, wobei im weiteren Verlauf Rigidität und Bradykinese überwiegen können ‣ Pathophysiologie: möglicherweise Ausfall GABAerger inhibitorischer Projektionen zum globus pallidus externa ‣ ‣ ‣ ‣ ‣ Chorea Huntington ‣ kognitive Defizite sind wesentlich umfassender, ausgeprägter und stärker progredient als bei Morbus Parkinson ‣ v.a. der Abruf von episodischen und semantischen Wissensinhalten ist erschwert ‣ exekutive Funktionen sind deutlich betroffen ‣ im weiteren Verlauf: vermehrt Perseverationstendenzen, okulomotorische Defizite, Störungen der Aufmerksamkeit und Persönlichkeitsänderung ‣ kognitive Defizite nehmen kurz vor bzw. ab dem Zeitpunkt der Erst-manifestation motorischer Symptome deutlich zu Chorea Huntington Befunde bei asymptomatischen Genträgern ‣ motorische Defizite (Motorische Leistungsserie nach Schoppe) ‣ neuropsychologische Defizite waren nicht oder nur in geringem Maße nachweisbar ‣ Krankheitsbeginn wird geschätzt auf der Basis der CAG-Repeat-Länge und dem Erkrankungsalter des betroffenen Elternteils Chorea Huntington Befunde bei symptomatischen Patienten im frühen Stadium ‣ Neuropsychologische Leistungsdefizite sind in ihrem Ausprägungsgrad durchaus mit einem fortgeschrittenen Morbus Parkinson vergleichbar ‣Defizite bei: ‣ extradimensionalem Shift ‣ Planungsprozessen (Turm von Hanoi) ‣ phonematischer und semantischer Wortabruf beeinträchtigt ‣ Abruf von episodischen und semantischen Gedächtnisinhalten deutlich erschwert ‣ prozeduralem Lernen (Motorik) ‣ Arbeitsgedächtnis ‣ ausgrägte, multiple Aufmerksamkeitsdefizite ‣ erhöhte Sakkadenlatenz (besonders bei nicht-extern getriggerten Reizen) ‣ Antisakkaden Chorea Huntington Befunde bei symptomatischen Patienten im späteren Stadium ‣ zunehmend dementielles Zustandsbild mit akzentuiertem dysexekutivem Syndrom ‣Es liegen nicht vor: ‣ Aphasie ‣ Anopsie bzw. Neglect ‣ Defizite bei verdeckter Aufmerksamkeitsverschiebung Patientin C.B. (45 Jahre) ‣ Vorgeschichte: V.a. Chorea Huntington ‣ Anamnese: z. Zt als Verwaltungsangestellte tätig; Magisterabschluß in Kunstgeschichte ‣ Testverhalten: Pat. spricht abgehackt, führt Sätze häufig nicht zu Ende und wirkt unruhig ‣ Testergebnisse: ‣ HAWIE-Wortschatz: gut durchschnittlich ‣ HAWIE- Mosaik-Test: unterdurchschnittlich (unsystematische Bearbeitung) ‣ Wortflüssigkeit: 9 Worte mit Anfangsbuchstaben “F”, 5 Worte mit “A”, 10 orte mit “S” und 17 Tiere (unterdurchschnittlich bis knapp durchschnittlich) Steele-RichardsonOlszewski-Syndrom ‣Charakteristische Symptome ‣ vertikale Blickparese ‣ axiale Dystonie ‣ pseudobulbäre Symptome ‣Weitere Symptome: ‣ Bradykinese ‣ Rigidität ‣ Gangstörung ‣ progrediente neuropsychologische Defizite ‣Neuropathologie: ‣ neuronale und granulovacuolare Degeneration ‣ Gliose und neurofibrilläre Veränderungen in ‣ den Colliculi superiores ‣ Substantia nigra ‣ Locus coeruleus ‣ Nucleus subthalamicus ‣ Globus pallidus ‣ durchschnittl. Erkrankungsalter: ca. 60 Jahre ‣ mittlere. Lebensdauer nach Diagnose: 6-10 Jahre ‣ Inzidenzrate: 5.3 pro 100000 Steele-RichardsonOlszewski-Syndrom Neuropsychologische Defizite ‣Blickmotorik: ‣ vertikale Blickparese ‣ gestörte Fixationssuppression des vestibulookulären Reflexes ‣ verminderte Fähigkeit, Antisakkaden zu initiieren ‣ Störung langsamer Blickfolgebewegungen ‣ reduzierte Sakkadengeschwindigkeit und -amplitude ‣sehr ausgeprägte exekutive Defizite: ‣ Wortflüssigkeit ‣ Set-Shifting (extradimensional) ‣ Arbeitsgedächtnis ‣ Planung ‣sowie zusätzlich Aufmerksamkeitsdefizit: ‣ “move”-komponente bei verdeckter Aufmerksamkeitsverschiebung Multisystematrophie (striatonigrale Degeneration-SND, olivo-ponto-cerebelläre Atrophie-OPCA) ‣pathologische Veränderungen ‣ Striatum ‣ Globus pallidus externus ‣ Substantia nigra ‣ Brückenkernen ‣ unteren Oliven ‣ zerebellärem Kortex ‣ in: Erkrankungsbeginn: ca 6. Lebensjahrzehnt ‣Symptomatik: ‣ v.a. akinetisch-rigide bei SND ‣ Überwiegen zerebellärer Symptomatik bei OPCA ‣ v.a. autonome Symptomatik bei Shy-Drager ‣ ‣ Mind. jeder dritte Patient wird fälschlicherweise als PD diagnostiziert ist für ca. 10 % der klinisch diagnostizierten PD-Syndrome verantwortlich Multisystematrophie (striatonigrale Degeneration-SND, olivo-pontocerebelläre Atrophie-OPCA) ‣Neuropsychologische ‣ mit Befunde: PD vergleichbares, deutlich schwächer als bei PSP ausgeprägtes exekutives Defizit ‣ Arbeitsgedächtnis ‣ Kategorienwechsel ‣ Bearbeitungszeit beim Turm von Hanoi ‣ keine generelle intellektuelle Beeinträchtigung ‣ Auch Gedächtnisprozesse weitgehend intakt