252 14 Pankreastumoren Für kindliche Pankreastumoren im Kopf- und Korpusbereich wird daher heute der laparoskopische Zugang nicht empfohlen, weder für die Biopsie noch für die Resektion in kurativer Absicht. Anders ist es bei klar abgegrenzten, kleinen Tumoren im Pankreasschwanz: Hier ist die laparoskopische Pankre­ asschwanzresektion ohne Eröffnung des Tumors auch im Kindesalter die Therapie der Wahl ( DVD). Nach chirurgischen Eingriffen am Pankreas können im Kindesalter die gleichen Komplikationen wie bei Erwach­ senen auftreten: ● postoperative Nachblutung aus dem Restpankreas, den kleinen Venen zur Milzvene, aus der Vena lienalis, portae oder mesenterica superior; besonders gefürchtet sind Arrosionsblutungen nach Pankreas­Nahtinsuffizi­ enz oder septischen Komplikationen; ● Milzarterien­ und Milzvenenthrombose, Pfortader­ thrombose; ● Milzverlust bei venöser oder arterieller Blutung oder Thrombose mit folgender Gefahr der OPSI (overwhelming post-splenectomy infection); ● Ischämie oder Thrombose der Mesenterialgefäße; ● Ischämie des Ductus choledochus nach Skelettierung mit folgender Strikturbildung; ● Stumpfinsuffizienz des Pankreaskorpus nach Linksre­ sektion; ● Nahtinsuffizienz einer Pankreatojejunostomie mit Se­ kretverhalt, Abszess­ und/oder Pseudozystenbildung; ● Pankreas­ und/oder Gallenfistel; ● Magenentleerungsstörung bzw. Ileus; ● endo­ und exokrine Pankreasinsuffizienz. 14.2 Maligne Pankreastumoren 14.2.1 Pankreatoblastom Definition und Epidemiologie Das Pankreatoblastom ist ein embryonaler, maligner Tumor aus unreifen, pluripotenten Pankreaszellen, der bezüglich Altersgruppe, genetischen Alterationen sowie Ansprechen auf Chemotherapie dem Hepatoblastom sehr ähnelt. Pan­ kreas und Leber entwickeln sich aus den gleichen Vorläufer­ zellen und die Regression, die mit der neoplastischen Um­ wandlung assoziiert ist, verläuft in beiden Organen ähnlich ab. Früher als infantiles Karzinom des Pankreas bezeichnet, hat Horie 1977 auf die Ähnlichkeit mit fetalem Pankreasge­ webe in der 7. Woche hingewiesen – das ist der Zeitpunkt, an dem die dorsale und ventrale Pankreasanlage miteinander verschmelzen – und den Namen Pankreatoblastom geprägt. Bisher wurden weltweit ca. 210 Fälle beschrieben (Perez et al. 2009; Saif 2007). Sie machen 0,6 % von 1 183 primären Pankreastumoren und 0,01 % von 22 783 pädiatrischen Tu­ moren der Kieler Tumorbank aus (Jänig et al. 1999; Klöppel u. Lüttges 2004). Der Häufigkeitsgipfel liegt in der ersten Lebensdekade. Pathologie Wie das Hepatoblastom ist auch das Pankreatoblastom assoziiert mit Alterationen des Adenomatous­polyposis­ coli­(APC­)/Beta­Catenin­Signalweges und einem Verlust der Heterozygotie (loss of heterozygosity = LOH) auf Chro­ mosom 11p15.5 (Abraham et al. 2001). Diese chromosoma­ le Region beherbergt auch den WT2­Lokus, ein Gen, das mit dem Wilms­Tumor und dem Beckwith­Wiedemann­ Syndrom (Makrosomie, Makroglossie, Omphalozele und Viszeromegalie) vergesellschaftet ist. Auch eine Assozi­ ation mit familiärer adenomatöser Polyposis ist bekannt (Antonello et al. 2009). Das Pankreatoblastom unterschei­ det sich genetisch auch vom duktalen Adenokarzinom des Erwachsenenalters durch das Fehlen von Mutationen des K­ras­Onkogens und der p53­ und Ductal­pancreatic­ carcinoma­(DPC­)4­Tumorsuppressorgene. Des Weiteren weist es keine Mikrosatelliteninstabilität auf. Insulin­like growth factor (IGF) 2 wird von den Tumor­ zellen überexprimiert. Eine erhöhte Sekretion von Alphafetoprotein (AFP) wird in ca. zwei Drittel der Fälle beobachtet und kann als Tumormarker zur Therapiekontrolle eingesetzt werden (Saif et al. 2007). Der Tumor tritt gleich häufig im Kopf oder linksseitig im Pankreas auf, ist meistens recht groß (~ 10 cm), gut be­ grenzt und von einer fibrösen Kapsel umgeben. Mikrosko­ pisch weisen Pankreatoblastome ein gemischtes azinäres und solides Wachstumsmuster auf. Die Präsenz von squamoiden Zellnestern ist das histo­ logische Kriterium, das diese Neoplasien von Azinuszell­ karzinomen unterscheidet (Abb. 14-1). Die Tumoren sind durch fibrotische Septen in Läppchen unterteilt. Nekro­ tische Areale, die gelegentlich Verkalkungen aufweisen, sind typisch. Die Kernpolymorphie ist in der Regel gering. Die proliferative Aktivität schwankt zwischen < 1–42 Mi­ tosen/Hauptgesichtsfeld; Perineuralscheiden­ und Gefäß­ invasion sind selten. Immunhistochemisch sind in den azinären und soliden Anteilen, nicht aber in den squamo­ iden Nestern, Pankreasenzyme (Trypsin, Chymotrypsin, Lipase) nachweisbar (Abb. 14-2). Oft finden sich auch einzel­ ne Synaptophysin und Chromogranin positive endokrine Zellen, in denen man sehr selten eine Hormonexpression nachweisen kann. 14.2 Maligne Pankreastumoren Interessanterweise findet man eine aberrante nukleäre/ zytoplasmatische Akkumulation von Beta-Catenin über­ wiegend in den squamoiden Körperchen, nicht aber in der Azinuszellkomponente des Tumors, wobei die proliferative Aktivität in den squamoiden Körperchen gering ist. Dies bedeutet, dass nukleäres Beta-Catenin in Pankreatoblas­ tomen nicht mit dem klassischen onkogenen proliferati­ onsstimulierenden Effekt einhergeht, der bei den meisten malignen Tumoren mit Alterationen in Wnt/Beta-CateninSignalweg nachweisbar ist. Abb. 14-1 Pankreatoblastom mit soliden azinären Arealen, die squamoide Körperchen enthalten (Pfeilspitze; Hämatoxylin-EosinFärbung, Originalvergrößerung 200-fach). Klinik und Diagnostik Diagnostisch wegweisend für ein Pankreatoblastom – auch im Verlauf – kann das AFP sein, das in bis zu 68 % der Fälle erhöht ist. Charakteristika des Pankreatoblastoms in Sonographie, CT und MRT sind (Chung et al. 2006): ●● gut abgegrenzte Raumforderung im Pankreas von oft be­ achtlicher Größe bei einem Kind unter 10 Jahren; ●● heterogener, oft multilobulierter, septierter Tumor; ●● wenig Kalzifizierungen; ●● Einblutungen und Nekrosen im Tumor; ●● Nebeneinander von zystischen und soliden Anteilen; ●● Metastasen in Leber und abdominalen Lymphknoten (in bis zu 50 % der Fälle); ●● selten Metastasen in Lunge, Kopf, Skelett; ●● selten Dilatation des Ductus choledochus. Therapie Wie beim Hepatoblastom ist auch beim Pankreatoblastom nach derzeitigem Wissensstand die radikale Resektion al­ len vitalen Tumorgewebes die einzige Chance auf Heilung. Die meisten Tumoren liegen ventral im Pankreaskopf, ha­ ben keinen direkten Bezug zu den Gangsystemen und zum Duodenum und sind mit einer Kapsel bedeckt. Daher ist häufig eine lokale Resektion ohne Duodenopankreatekto­ mie mit freien Schnitträndern möglich. Da Lymphknoten­ metastasen bei Pankreatoblastomen jedoch häufig sind und die Prognose durch sie sehr ungünstig erscheint, wenn nach der Resektion eine Metastasierung offensichtlich wird, soll­ te auf jeden Fall die sorgfältige Lymphadenektomie erfolgen (Saif 2007). Die Resektion eines Pankreatoblastoms sollte nur begonnen werden, wenn auch die Technik der Duodenopankreatektomie beherrscht wird. Hierbei ist das pyloruserhaltende Verfahren nach Traver­ so-Longmire mit einer deutlich besseren Lebensqualität verbunden, sodass dieser Technik gegenüber dem konven­ tionellen Whipple-Verfahren im Kindesalter immer der Vorzug gegeben werden sollte. Erscheint der Tumor aufgrund der Infiltration der Leberpforte, der Vena cava inferior oder der Vena mesenterica superior nicht resezierbar, so sollte primär eine Chemotherapie initiiert werden. Abb. 14-2 Pankreatoblastom mit immunhistochemischem Nachweis von Trypsin (Immunperoxidase-Färbung, Originalvergrößerung 400-fach; Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Günter Klöppel, Institut für Pathologie, TU München). Chemotherapeutika der Wahl sind wie beim Hepatoblas­ tom Cisplatin und Adriamycin oder Cisplatin und Doxoru­ 253 254 14 Pankreastumoren bicin (PLADO). Darunter sind eindrucksvolle Regressionen beschrieben worden und vollständige Resektionen wurden möglich. Lebermetastasen sollten chirurgisch vollständig reseziert werden, der prognostische Wert ist jedoch frag­ lich. Die Rolle der Radiotherapie ist unklar. Als Dosis wur­ den 30–40 Gy vorgeschlagen. Sie sollte erwogen werden bei Lokalrezidiv nach Resektion oder primär inkompletter R1- oder R2-Resektion. Nach vollständiger Resektion und normalem AFP ist zunächst keine weitere Therapie angezeigt. Doch sollten die Patienten über Jahre nachbeobachtet werden, um ein Lokal­ rezidiv oder Metastasen rasch zu erkennen. In diesem Fall werden eine erneute Chemotherapie mit PLADO oder wei­ tere Chemotherapeutika wie Ifosfamid, Carboplatin, Eto­ posid, Vincristin, Actinomycin D und Cyclophosphamid sowie die lokale Radiotherapie empfohlen. Auch mehrfache Tumor- und Metastasenresektionen können sinnvoll sein. Aufgrund der nur kleinen Anzahl von behandelten Pati­ enten ist die Rolle einer neoadjuvanten Chemo- und Radio­ therapie in kurativer Absicht bisher unklar. Es ist bis dato nicht bekannt, ob ein metastasierendes Pankreatoblastom überhaupt heilbar ist. Prognose Die Prognose des nicht metastasierenden Pankreatoblas­ toms nach vollständiger chirurgischer Resektion ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von > 80 % gut (Saif 2007). Sie ist schlecht bei nur unvollständig bekapselten Tumo­ ren und bei Metastasierung. Die Rate an Lokalrezidiven nach scheinbar vollständiger Resektion kann bis zu 60 % betragen. In einer univariaten Metaanalyse an 153 Patienten wur­ den die Faktoren identifiziert, die mit einer schlechten Pro­ gnose assoziiert sind (Dhebri et al. 2004): ●● synchrone (p = 0,05) und metachrone (p < 0,001) Metas­ tasierung, ●● Irresektabilität bei Diagnose (p < 0,001), ●● Alter > 16 Jahre (p = 0,02). sind Mädchen und junge Frauen betroffen. Das mittlere Alter beträgt ca. 22 Jahre (2–85 Jahre). Pathologie Der besondere Phänotyp des Tumors führt zur Annahme, dass er aus pluripotenten Zellen abgeleitet werden kann. Es wird spekuliert, dass es während der Organogenese durch die Nähe zwischen der linken Genitalleiste und der Pankre­ asanlage zum Übertritt von pluripotenten Zellen kommen könnte. Damit wäre auch die Dominanz beim weiblichen Geschlecht (> 90 %) erklärbar. Auch die SPN zeigt zu 95 % Alterationen im APC-/BetaCatenin-Signalweg (Exon 3 auf dem Beta-Catenin-Gen) und ein LOH auf dem Chromosom 5q22.1 (Antonello et al. 2009). Durch das Fehlen von Alterationen bei den K-ras-, p16-, DPC4- und p53-Genen, einer veränderten Expression der Transmembranproteine Claudin 5 und 7 sowie der Ak­ kumulation einer hohen Expression von Proteinen, deren Gene auf 11q lokalisiert sind, unterscheiden sich die SPN von anderen Tumoren des Pankreas. Die Tumorlokalisation ist im Pankreas etwa gleich ver­ teilt (Papavramidis u. Papavramidis 2005). Die mittlere Grö­ ße zum Zeitpunkt der Diagnose beträgt 6 cm (0,5–34,5 cm). Der Tumor weist zentral zerfallene eingeblutete Areale auf. An der Peripherie ist die SPN meistens solide und durch eine fibröse Pseudokapsel gut abgrenzbar (Abb. 14-3). Histologisch besteht der Tumor aus soliden, pseudopa­ pillären und/oder pseudozystischen-nekrotischen Kompo­ nenten, die häufig eingeblutet sind. Kleinere SPN weisen oft keine zystische Umwandlung auf. Einige Tumoren in­ filtrieren das umliegende Gewebe, was hier aber nicht als Malignitätszeichen gilt. Man findet ein lockeres, fokal hya­ linisiertes Stroma, teilweise mit dickwandigen Blutgefäßen. 14.2.2 Solide pseudopapilläre Neoplasie Definition und Epidemiologie Die soliden pseudopapillären Neoplasien (SPN) sind rät­ selhafte Tumoren, da die Tumorzellen zu keinen normalen Zellen des Körpers phänotypisch eine Ähnlichkeit aufwei­ sen. Die SPN haben sowohl epitheliale als auch mesenchy­ male und zum Teil neuroendokrine Merkmale und zeigen sogar Hormonrezeptorexpression. Bisher wurden ca. 750 Fälle beschrieben, davon rund 90 bei Kindern unter 18 Jahren (Dall’Igna 2010). Sie stellen damit 2–3 % aller primären Pankreastumoren dar. Zu 93 % Abb. 14-3 Solide pseudopapilläre Neoplasie mit zystischen/ne­ krotischen Arealen. In der Peripherie ist der Tumor solide und gut begrenzt.