Kommunalunternehmen Kliniken und Heime des BEZIRKS OBERFRANKEN Annegret Sievert Aus dem Bezirkskrankenhaus Hochstadt Stationäre Rehabilitation bei Abhängigkeit von Amphetaminartigen Substanzen (ATS) insbesondere Methamphetamin (Crystalspeed) [email protected] 1 www.bezirksliniken-oberfranken.de Inhalt Kommunalunternehmen Kliniken und Heime des BEZIRKS OBERFRANKEN Einleitung Psychische Wirkung Störungsbezogene Angebote in der Bezirksklinik Hochstadt Setting und Therapiedauer Inhalte der Indikativgruppe ATS Bezirksklinik Hochstadt BEZIRKSKLINIK HOCHSTADT 2 Stationäre Rehabilitation bei Abhängigkeit von Amphetaminartigen Substanzen (ATS) insbesondere Methamphetamin (Crystalspeed) Therapiezentrum Hochstadt Hauptstr. 13 96272 Hochstadt am Main Ltd. Dipl.Dipl.-Psych. Annegret Sievert Dr. Roland Härtlrtl-Petri Dr. Ulrike Leonow Bezirksklinik Hochstadt 3 Ausgehend von den bisherigen neurobiologischen Erkenntnissen über die psychischen Wirkungen und besonderen Gefahren (Neurotoxizität) der Stimulanzien vom Amphetamintyp (Amphetamine-Type-Stimulants= ATS) ist das Therapiemodell durchgängig neurobiologisch verhaltenstherapeutisch. Die US-amerikanischen ambulanten Angebote (häufig für nicht intravenös konsumierende Klienten) wurden für die bundesdeutschen stationären Bedingungen des Suchthilfessystems angepasst. Bezirksklinik Hochstadt 4 2. Psychische Wirkungen Die Stimulation aminerger Übertragungsmechanismen im ZNS beeinflusst neben Antrieb und Stimmung stark die Informationsverarbeitung. Erwünschte Effekte des Konsumenten sind: gesteigertes Erleben verschiedener Sinneseindrücke wie Farbe und Musik größere Offenheit, reduzierte Ängste gesteigertes Selbstvertrauen Stereotype Tätigkeiten (Putzen, Malern etc) machen Spaß Gesteigerter Sexualtrieb Bezirksklinik Hochstadt 5 Ungünstigen Effekte sind: Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen Ängste Depressionen mit Selbsttötungsimpulsen Stimmungsschwankungen Paranoia und Panikattacken Von fast der Hälfte der Patienten wird unter der Einnahme von Amphetaminen zusätzlich von Episoden der Aggression und Gewalttätigkeit berichtet. Bezirksklinik Hochstadt 6 3. Konsummuster / Beigebrauch anderer Substanzen Ein Beikonsumverhalten ist typisch. Entscheidend ist, welche Droge im Vordergrund steht und von welcher in erster Linie die Abhängigkeit erlebt wird. Der sich im Verlauf entwickelnde Beigebrauch anderer Substanzen scheint zur Eigentherapie der Nebenwirkungen und Entzugssymptome der Amphetamine zu dienen oder wird zur Therapie der paranoiden Psychosen eingesetzt. Von diesen kann sich ebenfalls eine Abhängigkeit entwickeln. Bezirksklinik Hochstadt 7 4. Patienten- und störungsbezogene Angebote des Therapiezentrums Hochstadt Den zahlenmäßigen Schwerpunkt der Behandlung in Hochstadt stellen Polyvalent missbrauchende Patienten (ICD 10: F19.2) dar. Bei ca. 50% - 60% ist der Stimulantienkonsum ein Hauptteil des Problems. Diejenigen hauptsächlich Stimulantien- und ATS konsumierenden Patienten werden in den Bezugsgruppen integriert. Die stimulantienspezifische Indikativ-Gruppe ist zusätzlich für Stimulantienabhängige verpflichtend. Bezirksklinik Hochstadt 8 ATS Statistik Start der Indikativgruppe ATS 1-5 41 Patienten davon 2 Frauen 20 Patienten haben die Therapie regulär abgeschlossen 2011 ATS-Gruppen 6 - 11 66 Patienten davon 5 Frauen 34 haben die Therapie regulär abgeschlossen Gesamt 99 Patienten ( 7 Frauen) davon 56 mit regulärem Abschluss 2012 Gruppe 12 bis 15: 38 Patienten davon 5 Frauen Durchschnittsalter bis einschließlich Gruppe 13 mit insgesamt 117 Patienten beträgt 30,82 Jahre (18 bis 61) Bezirksklinik Hochstadt 9 Wie bei den opiatabhängigen oder polytoxikomanen Patienten beginnt bei den Stimulantienabhängigen die spezifische Rehabehandlung nach der Diagnostikphase (sog. O-Phase) parallel zur Psychotherapie mit Rückfallprophylaxe, Arbeitstherapie nach MELBA-Diagnostik etc. Durch die hohe Comorbidität die durch die Neurotoxizität der ATS (amphetamin-type-stimulants) verursacht ist, ist im Team besondere psychiatrischfachärztliche Kompetenz nötig und vorhanden (2 Fachärzte für Psychiatrie). Bezirksklinik Hochstadt 10 Setting und Therapiedauer Parallel zur 24-wöchigen Gruppentherapie mit Konsumenten auch anderer Substanzen werden in 10 Sitzungen i.S. einer Indikativgruppe die stimulantienspezifischen Themen bearbeitet. Es handelt sich um eine geschlossenen Gruppe mit max. 8 TeilnehmerInnen, Beginn ca. alle 6 Wochen (10 Wochen) um zu gewährleisten dass bei 24 Wochen Therapiedauer jeder das komplette Programm durchlaufen kann. 10 mal 60-90 min 1x/Woche. Bezirksklinik Hochstadt 11 5. In der Indikativgruppe zu behandelnde Inhalte Besonderheiten (Neurotoxizität) der Substanzen und deren Konsequenz für den Rehablitationsprozess 2h medizinische Psychoedukation das Auftreten emotionaler Störungen und deren Dauer Antriebsstörung, vermindertes Selbstwertgefühl das Auftreten kognitiver Störungen und deren Dauer das Auftreten psychotischer Störungen (paranoid) und die Gefahr von Flashbacks Für Stimulantienkonsumenten spezifische Rückfallgefahren und Auslöser für Craving. Gewichtszunahme besonders bei Frauen Primäre depressive Störung als Ursache für den Stimulanzienkonsum Die beziehungslose gierige Sexualität bei Männern wie auch Frauen unter der Substanz mit den entsprechenden Rückfallbedingungen Die Fähigkeit trotz schwerer sexualisierter Traumatas mit Unfähigkeit zu normal sexuellen Kontakte diese unter Amphetamin durchführen zu können Bezirksklinik Hochstadt 12 6. Zur Gruppenhomogenität In einer Rehaklinik mit auch §35-BTMG-Patienten werden gerade erst entgiftete Patienten gemeinsam mit nach längerer Haft abstinenten Patienten in der Indikativgruppe behandelt. Dies hat sich als sehr nützlich erwiesen, da die länger zwangsabstinenten ATSAbhängigen glaubhaft den noch depressiven, anhedoniegeplagten, antriebsgeminderten Patienten im prolongierten Entzug die eigene Verbesserung der entzugsbedingten belastenden Störungen vermitteln können. Für diese bereits abstinenten ist es dann noch sehr entlastend zu verstehen warum es ihnen in Haft so gegangen ist. Das Gefühl, nicht mit diesem depressiven Gefühl „glücklich“ leben zu können ist häufig ein Grund für frühe Rückfälle. Bezirksklinik Hochstadt 13 7. Die einzelnen Stunden Stunde 1 und 2 Medizinische Info über die neurobiologischen Grundlagen und somatische, psychischen Folgen des Konsums Diese sollten idealerweise durch Ärzte als Medizinische Infogruppe geleitet werden. Es ist möglich auch für größere Patientenkreis bei denen ATS nicht die Hauptsubstanz darstellen zu integrieren. Bei ausreichenden Kenntnissen ist die Leitung der ersten 2 Stunden auch durch Psychologen möglich. Stunde 3 Gefühle und deren Normalisierung, Stunden 4 Schwierige Phasen in der Therapie (Therapietief) Drogenträume Stunden 5+6 Konsumsituationen Rückfallsituationen erkennen Stunde 7+8 Sex und Drugs und..(was dann?) Stunde 9+10 Genussinseln Im Alltag Ich habe es mir verdient und andere Fallen Bezirksklinik Hochstadt 14 Crystal Rap Bezirksklinik Hochstadt 15 1-2 Stunde Medizinische Edukation Inhalt dieser Stunden ist die Wissensvermittlung über die Folgen des Konsum Auswirkungen auf die Dopaminübertragung im Belohnungssystem Neurobiologische Besonderheiten beim Stimulantienentzug Stimulantien und Psychosen Bezirksklinik Hochstadt 16 3. Stunde Gefühle und Stimulantien Welche Gefühle entstehen durch die „Verwirrungen im Transmittersystem“ und welche Gefühle sind völlig berechtigt… Hier werden Situationen bearbeitet, die die Patienten in der letzten Zeit erlebt haben und aufgrund des neu erworbenen Wissens bearbeitet Bezirksklinik Hochstadt 17 4. Stunde Unvorhergesehene Therapietiefs Mindestens jeder Dritte ehemalige Konsument erlebt nach circa 2 Monaten ein Gefühlstief Eine Liste typischer Symptome wird bearbeitet Handlungsstrategien für den Umgang mit Therapietiefs werden erarbeitet Drogenträume werden thematisiert Bezirksklinik Hochstadt 18 5. Stunde Rückfallauslösegründe Rückfallgefahr erkennen heißt Auslöser erkennen Bestimmte Orte, -Menschen, -Gegenstände, Gefühle und –Zeiten werden mit den Patienten identifiziert Eine Liste typischer Konsumumstände wird bearbeitet Bezirksklinik Hochstadt 19 6. Stunde Auswertung der Konsumumstände Die Patienten erarbeiten eine Liste, indem sie ihre Konsumumstände mit Wahrscheinlichkeiten ( 0%, 30%, 70% oder 100%) einordnen. Diese Selbsteinschätzung wird dann in der Gruppe reflektiert Streitthema „Der liebe Alkohol“ Bezirksklinik Hochstadt 20 7+8.. Stunde Sex und Stimulantien Sex mit intimen Partnern und spontaner Sex: Erfahrungsaustausch Reflektion Sex und Stimulantien: zu Beginn des Konsums im Verlauf des Konsums Checkliste für gefährliche Situation bei sexuellen Reizen Bezirksklinik Hochstadt 21 9. Stunde Gieriges Verhalten im Alltag In welchen Bereichen ist ihr Leben außer Kontrolle geraten? In welchen Bereichen haben sie versucht Veränderungen der „Exzesse“ zu machen? In welchen Bereichen möchten sie noch Veränderungen machen? Haben sie bemerkt, dass sie mit dem Ende des Konsums zu anderen exzessiven Verhalten übergewechselt sind? Bezirksklinik Hochstadt 22 10. Stunde Sich den Konsum erlauben und andere Fallen Hier werden Drogenrechtfertigungsprozesse identifiziert: Angebot, Katastrophen, Gefühle, die „Sucht ist geheilt“, sich beweisen, dass man stark ist.., etc. Die Langeweile des täglichen Alltags wird thematisiert und „Genussinseln im Strom des Alltags“ als Ressource erarbeitet Bezirksklinik Hochstadt 23