MESSEN UND PRÜFEN Optische Techniken 38 S E N S O R E N F Ü R O PTI SCHE 3D -VER M ESSUNG Schnell und genau Bei der optischen Oberflächeninspektion von Bauteilen Martin Schaffer und Marcus Große, Jena müssen sich Anwender bisher zwischen schnellen und ungenauen oder genauen, aber langsamen 3D-Messsystemen entscheiden. Nun hat EnShape, Jena, Projektionssysteme für die schnelle und genaue optische 3D-Vermessung entwickelt. Diese erlauben eine hochfrequente Musterprojektion und nahezu beliebige Messraten. I n vielen Bereichen sind schnell messende optische 3D-Messsysteme erforderlich. So werden zur Analyse von AirbagEntfaltungen, Schäden von Unfallszenarien und Fahrzeugcrashs bereits optische Verfahren eingesetzt. Dabei werden ent- weder wenige 3D-Punkte (üblicherweise ein Punkt pro Zielmarke) der Szene erfasst oder bei Verfahren höherer Messpunktdichte viele, aber nur sehr ungenaue 3D-Punkte gewonnen. Für die optische Qualitätskontrolle der Oberfläche von Bauteilen am Fließband sind eine hohe Messrate sowie die Toleranz gegenüber Objektbewegungen entscheidend. Auch für viele Aufgaben in der Robotik sind 3D-Sensoren mit einer hohen Messrate bei gleichzeitig hoher Genauigkeit Vor- © Carl Hanser Verlag, München Internet-PDF-Datei. Diese PDF Datei enthält das Recht zur elektronischen Verbreitung. QZ Jahrgang 59 (2014) 7 Optische Techniken aussetzung für eine optimale Problemlösung. Hochgenaue Verfahren zur 3D-Vermessung wie die Streifenprojektion konnten für diese Messaufgaben bisher nicht eingesetzt werden, da die geforderten kurzen Messzeiten technisch nicht realisierbar waren. Schnell messende 3D-Sensoren liefern zwar bereits 3D-Daten mit bis zu 60 Hz, sind aber sehr unpräzise (± 5 mm) und weisen zudem teils erhebliche systematische Fehler auf, die beispielsweise für Greifaufgaben in der industriellen Robotik inakzeptabel sind. In all diesen Anwendungsfeldern müssen sich Anwender bisher zwischen schnellen und ungenauen oder genauen, aber langsamen 3D-Messsystemen entscheiden. Die genauen optischen 3D-Messtechniken können in vergleichsweise kurzer Zeit große Mengen an 3D-Punkten präzise rekonstruieren, ohne dabei die Oberfläche zeitaufwendig antasten zu müssen. Dabei werden Messobjekte üblicherweise mit Mustersequenzen beleuchtet und mit Digitalkameras synchron aus verschiedenen Richtungen aufgenommen. Anschließend werden die Bilddaten ausgewertet und eine dreidimensionale RekonstruktiJahrgang 59 (2014) 7 on des Messobjekts erstellt. Zahlreiche Messtechnikfirmen bieten derartige Systeme bereits erfolgreich für die industrielle Inspektion an. Die Messrate ist dabei meist auf rund 1 Hz beschränkt, da die für die Auswertung notwendigen Muster nicht schnell genug projiziert werden können. Diese Projektionsmuster (üblicherweise Streifen) verlangen die Verwendung von Digitalprojektoren, die prinzipbedingt den Nachteil aufweisen, dass sie mit maximal 250 Hz Graustufenmuster wechseln und damit projizieren können. Im Resultat können diese Systeme meist nicht mehr als eine 3D-Messung pro Sekunde durchführen. Die Ideengeber des Unternehmens EnShape, Jena, beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit der schnellen und genauen optischen 3D-Vermessung. Im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit haben sie in den letzten fünf Jahren zahlreiche Konzepte zur hochfrequenten Musterprojektion entwickelt, die nahezu beliebige Messraten erlauben. In Testmessungen wurde bereits eine 3D-Messrate von 1 000 Hz demonstriert, die lediglich durch die vorhandene Kameratechnik begrenzt war U www.qz-online.de Internet-PDF-Datei. Diese PDF Datei enthält das Recht zur elektronischen Verbreitung. MESSEN UND PRÜFEN Optische Techniken 40 Bild 1. Stereoansicht eines Bauteils (links) und rekonstruierte Punktwolke mit dem Ergebnis des Punktwolken-CAD-Vergleichs (rechts) – nicht wie bisher üblich durch die Pro­ jektionstechnik. Mit diesen Konzepten können derzeit Projektionsraten bis 200 000 Hz unterstützt und damit potenziell 3D-Messdatenaufnahmeraten von Kooperationspartner gesucht EnShape mit Sitz in Jena ist ein Start-up der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wird seit Januar mit einem Exist-Gründerstipendium gefördert. Die Ideengeber des Unternehmens haben in den letzten fünf Jahren Projektionssysteme für die schnelle und genaue optische 3D-Vermessung entwickelt und patentieren lassen. Das Unternehmen möchte in den folgenden Jahren Echtzeit-3D-Sensoren höchster Präzision und Messrate anbieten, die für verschiedene Anwendungen 3D-Daten liefern. Weiterhin bietet das Unternehmen anwenderspezifische Sensorkonzeption für anspruchsvolle Messaufgaben an. Derzeit sucht EnShape Kooperations­ partner. Autoren Dr. rer. nat. Martin Schaffer, geb. 1985, und Dr. rer. nat. Marcus Große, geb. 1981, sind Geschäftsführer der EnShape GmbH, Jena. Kontakt Martin Schaffer [email protected] T 03641 947671 QZ-Archiv Diesen Beitrag finden Sie online: www.qz-online.de/824293 mehr als 10 000 Hz realisiert werden. Diese Beschleunigung der Projektionsrate wird durch die Verwendung statistischer Mustersequenzen in Verbindung mit eigens entworfenen Projektionsgeräten erreicht. Die Nutzung dieser Muster erlaubt dabei zahlreiche neuartige Ansätze zur Generierung der Musterstrukturen und ermöglicht eine hochflexible Anpassung des Sensorkonzepts an spezifische Messprobleme. 3D-Erfassung hochdynamischer Vor­gänge Üblicherweise eignen sich 3D-Verfahren unter Verwendung von strukturierten Beleuchtungssequenzen nicht zur Vermessung bewegter Szenen, da mehrere Bildaufnahmen pro 3D-Zustand notwendig sind. Wird jedoch die Messzeit so weit reduziert, dass das bewegte Objekt während der Messzeit nahezu steht, können die Verfahren ohne Modifikation auch zur Erfassung bewegter Szenen genutzt werden. Mit den Projektionskonzepten von EnShape werden Aufnahmeraten von bis zu 200 000 Hz unterstützt, sodass sich für extremste Anforderungen an die Messzeit bis zu 20 000 3D-Messungen pro Sekunde mit höchster Präzision und Punktdichte realisieren lassen. Hochgenauer 3D-Datenstrom Das Unternehmen hat zudem Sensoren (PointCloud-Streamer) konzipiert, die einen 3D-Datenstrom mit bis zu 50 Hz mit jeweils 300 000 Punkten liefern. Im Gegensatz zu Technologien wie beispielsweise der Time-of-Flight-Technologie, die ähnliche Messraten und Punktmengen zur Verfügung stellen, ist die Präzision der Messpunkte der Sensorik von EnShape nach eigenen Angaben um einen Faktor 10 bis 30 höher. Insbesondere können systematische Messfehler kalibriert werden, sodass hochgenaue und gleichzeitig sehr schnelle Sensorik zur Generierung eines kontinuierlichen 3D-Datenstroms verfügbar ist. Anwendungen für diese Sensorik liegen beispielsweise im Bereich der industriellen Robotik (Pick-&-Place-Systeme, Bin Picking, Palettiersysteme, automatisierte Inspektion) und im Forschungsfeld der Computer-Vision. Lückenlose 100-Prozent-Inspektion Insbesondere in der automobilen Fertigung werden zahlreiche Bauteile in großer Stückzahl produziert. Diese unterliegen strengen Qualitätskriterien, die derzeit oft noch stichprobenartig kontrolliert wird. EnShape will künftig mit schneller 3DSensorik eine lückenlose 100-ProzentInspektion von Bauteilen ermöglichen. Aufgrund der kurzen Messzeit kann ein sich in Bewegung befindlicher Prüfling in seiner Form erfasst und in einem nächsten Schritt einem automatisierten Soll-Ist-Vergleich unterzogen werden (Bild 1). In Bruchteilen einer Sekunde kann entschieden werden, ob der Prüfling die gewünschte Form aufweist. Die statistische Musterprojektion dient als Grundlage für die präzise Erfassung der Form aus der Aufnahmesequenz (Messzeit: 25 ms). Die aus den Messdaten extrahierte Punktwolke wird nun im Anschluss mit dem vorhandenen CAD-Modell in Übereinstimmung gebracht und gemäß den spezifizierten Toleranzen überprüft (100 ms). q © Carl Hanser Verlag, München Internet-PDF-Datei. Diese PDF Datei enthält das Recht zur elektronischen Verbreitung. QZ Jahrgang 59 (2014) 7