Mutter Kind Zentrum 15 Mutter Kind Zentrum Luxemburg Jim Clemes Atelier d’Architecture et de Design Valentiny hvp architects Mutter Kind Zentrum Luxemburg Jim Clemes Atelier d’Architecture et de Design Valentiny hvp architects 2 3 Das neue Mutter Kind Zentrum in Luxemburg 4 Ein Meilenstein der modernen Perinatologie und Gynäkologie in Luxemburg An kaum einen anderen Ort werden so viele freudige Erwartungen gestellt, als an eine Entbindungsklinik. Zwischen drängendem Kinderwunsch, hoffnungsvoller Geburtsvorbereitung und Früherkennung von Frauenleiden steht das neue Mutter Kind Zentrum des Centre hospitalier de Luxembourg für einen neuen, zeitgemäßen Ansatz im Klinikwesen. Die neuartige Vision, die Menschen und ihren Träumen Raum gibt, ohne Zugeständnisse an Hygiene und medizinischen Fortschritt zu machen, zieht sich durch jeden Aspekt des Gebäudes. Ein heller Vorplatz führt zum Haupteingang des goldschimmernden Mutter Kind Zentrum. Die Außenhaut glänzt prächtig im Sonnenschein, ihr Licht- und Schattenmuster, das durch die vor- und zurückgesetzten Kästen der Fassade entsteht, hebt sich eindrucksvoll von dem Grün der Bepflanzung ab. Ein rotgoldener Film auf den schmaleren Fenstern belebt die Fassade nach außen und wirft ein rosé schimmerndes Licht nach innen. Vor dem Haupteingang bietet ein keckes, dreieckiges Vordach Schutz, bevor der Besucher die Eingangshalle betritt. Wenn nach außen hin das neue Gebäude fast monumental erscheint, so herrscht innen eine andere Sprache vor. 5 6 7 Ein ganzheitliches Innenkonzept Wurde über die Außenansicht die Höhe 8 des Gebäudes betont und der Haupteingang geradezu zelebriert, so steht der Besucher nun in einem Raum mit menschlichen Dimensionen. Eine Treppe in organischer Form führt in das erste Geschoss. Dezentes Weiß, Holz und gedeckte Rottöne führen ihrerseits die Sinne auf das Wesentliche zurück. Vier Lichtkreise hängen spielerisch von der Decke herab und geben der ruhigen, gedämpften Atmosphäre einen spielerischen Anhauch. Zur Rezeption sind es nur wenige Schritte, eine Warteinsel aus mehreren Bänken mit hohen Rückenlehnen und braunen Stühlen lädt ein, sich auszuruhen, oder mit Familie und Freunden zu plaudern. Glas ist ein weiteres Gestaltungselement, das in die Inneneinrichtung übernommen wurde, und stellt mit seiner Transparenz und Leichtigkeit einen idealen Gegenpart zu den Holz- und Kunstlederelementen dar. In der Eingangshalle zieht insbesondere die Anmeldung und ihre Glasabtrennung den Blick auf sich und hilft so dem Besucher, sich mühelos zu orientieren. 9 10 Nicole Daubach, Baukoordinatorin des CHL, erläutert zufrieden: „In den Planungsgruppen haben wir uns ziemlich schnell für eine Farbpalette in Rot- und erdigen Brauntönen entschieden. Diese Farben wurden im ganzen Haus umgesetzt. Drei verschiedene Rotabstufungen geben den nötigen Kontrast zu den Braun-Ekrü-Tönen. Auch Glas spielt eine große Rolle. Wir haben es zum Teil transparent, und, zum Teil, mit einem Dekorationselement versehen, welches sich an das neue Logo des CHL anlehnt.“ Das Atrium wirkt durch diese Wahl und die verglaste Eingangsfront sehr hell, ja lichtdurchflutet. Der erste, freundliche Eindruck wird nur verstärkt bei einem Rundgang durch das Gebäude. Viel Licht, breite, weiß gestrichene Flure und rote Akzente, die, mit leichter Hand aufgetragen, dem Haus eine zurückhaltende Eleganz verleihen. 11 12 Uwe Welschbillig, leitender Architekt in der Planungsphase, die von 2003-2011 andauerte, weist darauf hin, dass das Mutter Kind Zentrum zwar von Anfang an auf Spitzentechnik setzte, aber die hoch spezialisierte und technisierte Ausrichtung sich nicht in der Inneneinrichtung niederschlagen sollte: „Die Technik, die unbestreitbar vorhanden ist, wie zum Beispiel in dem Entbindungszimmer oder der nationalen Abteilung für künstliche Befruchtung, sollte nicht vorrangig sein. Wir wollten eine intime, vertraute Atmosphäre schaffen und die technischen Einrichtungen nicht in den Vordergrund setzen.“ Gaby Krump, die die Ausführung des Projektes übernommen hat, fügt hinzu: „Die Farbakzente wollten wir nicht unbeschwert verteilen, sonder bewusst ganz bestimmte Elemente des Hauses in Szene setzen. So kann man in der Empfangshalle alle Zugänge erkennen. Da wir Fluchttüren einbauen müssen, sind die Türflügel nicht sofort zu sehen. Trotzdem weiß jeder auf den ersten Blick, wo sich eine Tür befindet, denn das dazugehörige Wandelement wurde rot gestrichen. Wir haben auch den Beschilderungsprozess begleitet. Der Besucher sollte immer die notwendigen Informationen zur Verfügung haben, ohne dass er von der Fülle an Infos überwältigt wird. Sehr wichtig war, sich im Klaren zu sein, wo der Patient oder Besucher selbst hinfinden muss und wohin er vom Personal begleitet wird. In jedem Falle aber sollte er sich so autonom wie nur möglich durch das Gebäude bewegen können.“ 13 Der Patient als Dreh- und Angelpunkt des Konzeptes 14 Auffallend im ganzen Hause ist die ruhige gedämpfte Atmosphäre. „Wir haben vielerorts akustische Decken eingebaut wie beispielsweise in dem Eingangsbereich und in den Patientenzimmern. Es lag uns viel daran, dass die Atmosphäre in dem Neubau eine gelassene sein soll, “ erläutert Nicole Daubach. Uwe Welschbillig verdeutlicht diesen Ansatzpunkt: „Diese Atmosphäre der ‚heiteren Ruhe‘ integriert sich in ein ganzheitliches Konzept: Von Anfang an stellten wir uns die Frage, welche Erwartungen die Patienten an ihr Krankenhaus stellen. Zusammen mit der Spitalleitung wurde ein Konzept entwickelt, in dem es mehrheitlich Einbettzimmer gibt. Die Familie soll in Ruhe zusammenwachsen können. Dementsprechend wurden sämtliche Vorkehrungen getroffen, dass der Vater nach Wunsch bei der Mutter und dem Neugeborenen übernachten kann.“ „Der breite Stillsessel wurde genauestens geprüft, ob es bequem ist, ein Kind darin zu stillen. Er kann aber auch als Schlafliege umfunktioniert werden. Gemeinsam mit den Hebammen haben wir viel Zeit in das ideale Still- und Schlafmöbel investiert. Die gesamte Ausstattung sollte den Bedürfnissen der Frauen entsprechen, “ ergänzt Gaby Krump. 15 16 Was das Gesamtkonzept angeht, legten die Verantwortlichen Wert darauf, dass – genau wie dies in der Maternité Grande-Duchesse Charlotte der Fall war – die Mutter und das Kind, beziehungsweise die Familie Mittelpunkt des Geschehens sind. „Wir haben auf kleine Dinge Wert gelegt, die das Wohlempfinden der Patientin steigern. So können die Frauen zum Beispiel anhand einer Warnleuchte vor dem Patientenzimmereingang mitteilen, dass sie nicht gestört werden möchte. Auf diese Weise finden sie Ruhe, um zu stillen oder zu schlafen. Weiterhin wurde auf jeder Ebene das Badezimmer eines Patientenzimmers mit einer höhenverstellbaren Babywanne ausgestattet. Dies ermöglicht einer im Rollstuhl sitzenden Frau, ihr Kind zu baden, “ führt Nicole Daubach aus. „Das speziell konzipierte Modell wurde auf seine Sicherheit überprüft und vom hiesigen Kontrollbüro abgenommen. Wir haben des Weiteren pro Stationsebene ein Komfort-Zimmer mit einem dem Zimmer vorgeschalteten Wohnbereich.“ 17 Eine weitere Erleichterung für junge Mütter ist der Kinderhort im Erdgeschoss. Kleinkinder können hier für die Dauer eines 18 Sprechstundentermins oder einer Untersuchung bei geschultem Personal abgegeben werden. „Auch dies stellt eine Innovation für unser Klinikum dar, “ erklärt Nicole Daubach. 19 20 21 Ein Zentrum für Peri- und Neonatologie Das Herzstück des Mutter Kind Zentrums befindet sich im zweiten Obergeschoss: 22 Das oberste, fünfte Stockwerk wurde für die Lüftungstechnik reserviert. Das Hier ist die Geburtshilfe- und Entbindungsabteilung untergebracht, die über Krankenhausinnere wird, wenn nötig, durch die Technik der adiabatischen Kühlung eine überdachte Fußgängerbrücke mit der Früh- und Neugeborenenabteilung auf drei bis fünf Grad unter die Außentemperatur gebracht. Im Zusammenspiel mit (Neonatologie) der Kinderklinik verbunden ist. Operationssäle und eine Mother anderen Hilfsmitteln wie Raffstores oder Dreifachverglasung sowie mechanische Intensive Care grenzen an die Entbindungsabteilung an. „Die Kreißsäle wurden in Belüftung genügt dies, um auch im Sommer die Innentemperatur auf angenehme hellem Gelb, Orange oder Grün gehalten. Das farbige Wandmotiv setzt sich an der Grade zu kühlen. Der Patientenaufenthaltsraum der zwei Pflegestationen ist indes Decke fort und bleibt doch zurückhaltend, “ erklärt Gaby Krump. „Die Instrumente klimatisiert, sodass die Patienten bei großer Hitze einen gekühlten Rückzugsort zur und Überwachungsmonitore, kurz alles, was hoch technisiert ist, wurde so weit Verfügung haben. wie möglich hinter Schranktüren versteckt und kommt erst wenn notwendig zum Einsatz, “ führt Nicole Daubach weiter aus. Auf den beiden darüberliegenden Ebenen sind die Pflegestationen mit jeweils vier Zweibett- und 18 Einbettzimmern, davon ein Komfortzimmer, angesiedelt. „Die ersten Patienten und Besucher zeigen sich hellauf begeistert von der neuen Im ersten Geschoss, zu dem die breite Eichentreppe führt, sind die Hebammensprechstunden sowie verschiedene Untersuchungsräume untergebracht. „Sämtliche Sprechstundenzimmer und Behandlungsräume der Klinik haben wir in neutralem Weiß gehalten. Patienten haben ihre Vorstellungen vom klinischen Umfeld eines Behandlungszimmers. Knallige Farben im Sprechzimmer der Klinik würde der Infrastruktur, welche sich eher mit einem Hotel als einem Krankenhaus vergleichen Kompetenzperzeption des Arztes nicht zuträglich sein, “ erklärt Gaby Krump. Auch lässt, “ sagt Nicole Daubach. „Die warmen, roten Akzente und Holzelemente, aber dieses Stockwerk ist über dieselbe Fußgängerbrücke mit der Kinderklinik verbunden. auch die Leselampe über dem kleinen Klapptisch, verleihen den Zimmern trotz Im Erdgeschoss sind, neben dem Atrium und der Cafeteria, unter anderem die Krankenbett ein Wohnzimmerflair.“ Die breiten, hellen Flure werden durch gekonnt Sprechstunden der Gynäkologen mit den dazugehörigen Räumen der Fruchtwasser- angelegte Akzente, wie Wände in rot oder Warteräume, in denen das Eichenholz auf und Ultraschalluntersuchungen sowie die Abteilung der Senologie, die die Technik vertikalen Flächen zur Geltung kommt, aufgelockert. Auf den Stationsfluren wurden der Mammographie, des Brust-Ultraschalls sowie der Brustbiopsie umfasst, Versorgungsnischen eingeplant, die Wagen und Betten aufnehmen können, um die untergebracht. Im Untergeschoss befindet sich die Anbindung des Mutter Kind Bewegungsmöglichkeit auf den Gängen nicht zu behindern. Zentrum an alle Gebäude des Centre hospitalier de Luxembourg. Über diese unterirdische Tunnelverbindung erfolgt die gesamte logistische Versorgung der Klinik. 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 Ein Ort für Abschied und Trauer Im Untergeschoss wurde auch ein konfessionsloser, jedoch nicht hoffnungsloser Bereich eingerichtet, der Raum für Tränen und Schmerz bietet und einen Ort zur Einkehr für Trauernde darstellt. Über ein Wartezimmer kommen Familie und Angehörige in einen kobaltblauen Raum, dessen Weiß-Blau-Kontrast durch ein sich farblich veränderndes Licht gebrochen wird. An den Wänden sind von Nico Thurm entworfene Alminiumelemente angebracht, die als Sehanstoß und als Fokussierpunkt der Gedanken fungieren können. Dieser Raum ist ein gelungenes Beispiel für ein fein abgestimmtes Gleichgewicht zwischen der Unmöglichkeit, die Trauer eines Menschen in einem auf ihn abgestimmten Raum zu personifizieren und dem Willen, ihn trotzdem so mitempfindend zu gestalten, dass er nicht unsäglich gleichmachend wirkt. Ein vielversprechender Start Nach dem ersten Besuchertag war die positive Resonanz überwältigend. „Unser 34 Tag der offenen Tür war ein voller Erfolg“, bestätigt Nicole Daubach, „Die Besucher waren beeindruckt von der Atmosphäre, den verschiedenen Raumgestaltungen und der Palette der angebotenen Betreuungskonzepte.“ Uwe Welschbillig begrüßt, „dass trotz der vielen Kompromisse, die bei einem anspruchsvollen Projekt mit vielen Interessensgruppen üblich sind, ein stimmiges Gebäude entstanden ist. Die weiblichen, organischen Formen sind angenehm, und mich überrascht selbst immer wieder die ruhige, gedämpfte Atmosphäre, die hier vorherrscht. Wir haben sehr gut mit den Klinikverantwortlichen und allen Nutzergruppen zusammengearbeitet. Sie alle haben wesentlich zum Gelingen dieses Projekts beigetragen. Mich persönlich hat der Austausch mit den völlig unvoreingenommenen Grafikern und Innenarchitekten bereichert, deren Kreativität nicht von vornherein durch Normen und Sicherheitsbedenken eingeschränkt wird.“ 35 36 „Die ruhige Atmosphäre wird verstärkt durch Seit seiner Inbetriebnahme im August die gelungene, intuitive Führung der Besucher 2015, zeigt sich, dass das neue Mutter Kind und Patienten durch das Gebäude. Befriedigend Zentrum den Ansprüchen der Bevölkerung würde ich vor allem bezeichnen, dass wir uns gerecht wird. Es trägt dem gesellschaftlichen konsequent auf das Wesentliche konzentriert Auffassungswandel der Bedeutung der haben und ein überzeugendes Projekt realisiert Geburt sowie dem damit einhergehenden haben, “ fügt Gaby Krump hinzu. Wunsch einer Enttechnisierung der ersten „Wenn man bedenkt, dass unser Budget Kontaktaufnahme des neuen Menschenwesens mehrmals zusammengestrichen wurde mit der Welt Rechnung und stellt so ein und wir unsere Visionen dem letztendlich zukunftsweisendes Konzept dar, das Besucher, genehmigten Budget anpassen mussten, Patienten und Personal allesamt überzeugt. bin ich froh, dass es uns gelungen ist, nie an den Inhalten gekürzt zu haben. Die Rolle des Bauherrn ist sehr wichtig, er muss wissen, in welche Richtung sein Bauvorhaben gehen soll und muss die Philosophie seines Hauses in die Planungen einbringen. Das Schöne an der engen Zusammenarbeit mit den Architekten, die uns durch ihr Know-how überzeugt haben, ist für mich aber auch, dass wir in unserem Kosten- und Zeitrahmen geblieben sind. Das zeugt von hoher Professionalität seitens unserer Partner!“ sagt Nicole Daubach abschließend. 37 38 39 Impressum Éditeur Atelier d’Architecture et de Design Jim Clemes S. A . 68, rue de Luxembourg L- 4221 Esch - sur - Alzette Tél. : (+352) 55 32 19 -1 Fax : (+352) 55 32 19 900 [email protected] www.jimclemes.com Valentiny hvp architects 19, rue des Prés L-5441 Remerschen Tél. : (+352) 23 60 70 1 Fax : (+352) 23 66 45 43 [email protected] www.valentinyarchitects.com Textes Mirjam Oesch, Nicole Daubach Réalisation graphique Atelier d’Architecture et de Design Jim Clemes S. A ., Fern’ Rollinger Impression Imprimerie REKA imprimé sur papier couché demi mat sans bois Satimat 150 gr/m2, couverture : couché demi mat Heaven Matt FSC 400 gr/m2 Photos Lukas Huneke Tous droits réservés ISBN 978-99959-742-8-2 neutral Imprimé 01-14-561533 myclimate.org