Politik aus Verantwortung: zwischen Real- und Idealpolitik Nicht tauglich für eine neue Weltpolitik ist die bloße Erfolgsethik der Realpolitiker, für die der politische Zweck alle Mittel, auch unmoralische wie Lug, Betrug, Verrat, politischen Mord und Krieg, »heiligt«. Nicht tauglich für eine neue Weltpolitik ist auch die bloße Gesinnungsethik der Idealpolitiker, für die eine rein moralische Motivation und der gute Zweck (z.B. »nationale Einheit«, »Friede«, »Menschenrechte«) ausreicht, die sich aber um reale Machtverhältnisse, konkrete Durchsetzbarkeit und um mögliche negative Folgen zu wenige Gedanken machen. Tauglich für eine neue Weltpolitik ist nur eine Ethik der Verantwortung. Sie setzt eine Gesinnung voraus, fragt aber realistisch nach den voraussehbaren, besonders auch negativen Folgen einer bestimmten Politik und übernimmt dafür auch die Verantwortung. Die Kunst der Politik im nach-modernen Paradigma besteht darin, das politische Kalkül (der modernen Realpolitik) und das ethische Urteil (der Idealpolitik) überzeugend zu verbinden. (Hans Küng: Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, 1997, S. 97/98) Ethik der Verantwortung Politische Ethik meint keine unflexible doktrinäre Thetik (d.h. kein starres und einseitiges Festhalten am Wortlaut von Normen), die keinen Kompromiss zulässt. Ethische Normen ohne Berücksichtigung der politischen Situation sind kontraproduktiv; ethische Entscheide sind immer konkret. Politische Ethik meint auch keine gewiefte clevere Taktik, die für alles eine Entschuldigung hat. Die politische Situation, wenn sie nicht gemessen wird an ethischen Normen, hat Gewissenlosigkeit zur Folge. Politische Ethik meint stattdessen eine Gewissensverpflichtung, die nicht auf das abstrakt Gute oder Richtige zielt, sondern auf das konkret Gute oder Richtige: eben das in einer bestimmten Situation Angemessene, in dem sich eine allgemeine normative Konstante mit einer besonderen situationsbedingten Variablen verbindet. (Hans Küng: Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, 1997, S. 107)