MEDIZINREPORT TUBERKULOSEDIAGNOSTIK Blutuntersuchungen lösen den Tuberkulin-Hauttest allmählich ab Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) empfiehlt in bestimmten Situationen den Einsatz von In-vitro-Verfahren für Umgebungsuntersuchungen. eit 2005 stehen zum Nachweis einer Tuberkulose neben dem Tuberkulin-Hauttest nach Mendel-Mantoux auch Blutuntersuchungen zur Verfügung. Diese Nachweismethoden, sogenannte Interferon-Gamma-Release-Assays (IGRAs) wurden daraufhin mit dem Hauttest kombiniert. Nach der aktuellen Datenlage zeichnet sich jedoch ab, dass die In-vitro-Tests langfristig das Potenzial haben, den Tuberkulin-Hauttest abzulösen. Da Sensitivität* und Spezifität von IGRAs bei Erwachsenen derjenigen des Tuberkulin-Hauttests im Allgemeinen überlegen sind, wird bei Kontaktpersonen ab dem 15. Lebensjahr – im Gegensatz zur früheren Kombination beider Testverfahren – prinzipiell nur noch der routinemäßige Einsatz eines Bluttests in der Umgebungsuntersuchung angeraten. S Ältere Kinder: Beide Tests können angewendet werden Bei vorhersehbarer fehlender Akzeptanz eines Tuberkulin-Hauttests nach BCG-Impfung beziehungsweise bei Immunsupprimierten, bei denen eher mit einem falschnegativen Testergebnis gerechnet werden muss (HIV-Infizierte, Dialysepatienten, Patienten vor Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren), ist der primäre Einsatz von IGRA-Tests bereits früher empfohlen worden (2). Da für Kinder (insbesondere unter fünf Jahren) bislang noch zu wenige IGRA-Test-Studiendaten vorliegen, ist in dieser Altersgruppe der Tuberkulin-Hauttest nach wie vor die Methode der ersten *bei Übertragung der Sensitivitätswerte für die aktive Tuberkulose auf die Sensitivität bei der Detektion der LTBI A 2398 Wahl. Der Einsatz eines IGRA bei der Umgebungsuntersuchung von solchen jungen Kontakt-Kindern kann lediglich zusätzlich zum Tuberkulin-Hauttest in Betracht gezogen werden, wenn durch die Kombination beider Methoden eine maximale Sensitivität erreicht werden soll; bei älteren Kindern können beide Tests angewendet werden. Im Säuglingsalter und bei Kleinkindern bis zum fünften Lebensjahr drohen durch eine frühe Generalisation der Tuberkulose schwere Erkrankungsformen wie die tuberkulöse Meningitis oder die Miliartuberkulose, die mit einer hohen Letalität einhergehen. Es wird daher empfohlen, bei Kontaktpersonen unter fünf Jahren unverzüglich und unabhängig vom Ergebnis des initialen Tuberkulin-Hauttests mit der täglichen Gabe von Isoniazid zu beginnen (Chemoprophylaxe), sofern eine Tuberkulose der Thoraxorgane beim Kind radiologisch ausgeschlossen ist. Die neuen Empfehlungen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorauswahl enger Kontaktpersonen, damit positive Testbefunde mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine frische Infektion widerspiegeln und so den Nutzen einer Chemoprävention erhöhen. Hier erfolgt, wie bei der Detektion einer latenten tuberkulösen Infektion (LTBI) vor dem Einsatz von TNF-alpha-Inhibitoren, nun auch für die Umgebungsuntersuchungen eine Erweiterung der Indikationsstellung für den Einsatz von IGRATests auf Personen über 50 Jahre. Wegen des mit dem Lebensalter ansteigenden Risikos einer INHHepatitis sollten bei einer präven- tiven Therapie in diesen Altersklassen aber engmaschige Kontrollen erfolgen. Aufgrund der höheren Spezifität der IGRAs kann neben der bei negativem Testbefund nicht notwendigen Chemoprävention auch auf die weitere Durchführung eines Röntgenthorax verzichtet werden. Zur Diagnose der latenten tuberkulösen Infektion Nachtestungen „schwach“ positiver Testergebnisse sind nicht zielführend, da aufgrund des fehlenden Goldstandards für die Detektion einer latenten Infektion bei einem zweiten – jetzt negativen – Testergebnis nicht unterschieden werden kann zwischen einem zuvor falschpositiven IGRA-Ergebnis-Test, einer zwischenzeitlichen Elimination von M. tuberculosis oder einer zufallsbedingten Reversion. Bei einem definierten aktuellen Kontakt zu einem infektiösen Indexpatienten und entsprechend hoher Prävalenz einer Infektion sollte bei jeder IGRA-Test positiven Kontaktperson daher (wie beim Tuberkulin-Hauttest auch) nach Ausschluss einer Organtuberkulose von einer latenten Infektion ausgegangen und eine Chemoprävention empfohlen ▄ werden. Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper LITERATUR 1. Diel R, Loytved G, Nienhaus A et al.: Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65: 359–78. 2. Diel R, Hauer B, Loddenkemper R et al.: Empfehlungen für das Tuberkulose-Screening vor Gabe von TNF-alpha-Inhibitoren bei rheumatischen Erkrankungen. Z Rheumatol 2009; 5: 411–6. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 45 | 11. November 2011