Ende der Nahrungskette

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IM REVIER
IM REVIER
DER TIERARZT
IM ANBLICK
Von Dr. Armin Deutz
Jetzt im Hochsommer wird Fallwild oft in nur wenigen Tagen
von Reduzenten bis auf das
Skelett verwertet. Anblick und
Geruch sind nicht wirklich delikat, dennoch muss man staunen, wie schnell neues Leben
aus totem organischem Material
hervorquillt. Ein Beitrag über
Maden, Käfer und sonstiges
Getier, das am Ende der Nahrungskette im Revier steht.
FOTOS: WILDLIFEPICTURES.AT, FANCYFOCUS - FOTOLIA
Ende der Nahrungskette
D
as eigentliche Ende der Nahrungsketten im Ökosystem bilden die
sogenannten Reduzenten. Das
sind Maden, Insekten, Würmer, Bakterien, Pilze und andere „Zersetzer“, welche
Tierkadaver oder modernde Pflanzenteile,
also organisches Material, zu anorganischem Material (= Nährstoffen) abbauen
und die Grundsubstanzen schlussendlich
wieder größtenteils dem Boden zuführen.
Diese anorganischen Substanzen können
Pflanzen wieder nutzen, und der Kreislauf
beginnt von vorne. Über die Reduzenten
wird in den meisten Landökosystemen
der größte Teil der Primärproduktion abgebaut. Bei Fallwild sind am Abbau auch
noch massiv Konsumenten 1. bis 3. Ordnung, wie Mäuse, Ratten, Füchse, Vögel,
Schwarzwild am Abbau mitbeteiligt. Die
Geschwindigkeit und Art des Abbaus sind
von einigen Faktoren abhängig: Jahreszeit,
Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit,
Größe des Kadavers oder Haare und Fett
(durch Isolierung kühlt der Kadaver langsamer ab und Fäulnis schreitet schneller
voran). Auffallend war bei zahlreichen Stü-
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cken Schalen­wild, die an Paratuberkulose
verendet waren, dass diese Stücke von
Füchsen gar nicht oder nur sehr zögerlich
angeschnitten wurden, was sicherlich auf
den sehr typischen Geruch von paratuberkulösen Stücken zurückzuführen ist.
Füchse, aber auch Fliegenmaden, haben
meist ein Problem mit intakter Haut, weshalb die Nutzung des Kadavers oft an Körperöffnungen oder Verletzungen beginnt
und von dort aus weiterschreitet.
Bald nach dem Verenden beginnen die
Selbstauflösung (z. B. der roten Blutkörperchen) und die bakteriell bedingte Fäulnis der
Gewebe. Fäulnisprozesse werden verursacht
durch Bakterien aus dem Verdauungs- und
Atmungstrakt sowie Keimen von außen
und gehen infolge des Eiweiß- und Kohlenhydratabbaus mit Geruchs- und Gasbildung
einher, welche auch die späteren Nutzer des
Kadavers anlocken. Durch die Gasbildung
kommt es auch zu einer Umfangsvermeh-
FOTOS: H. HESS, WIKIPEDIA
Das Durchdringen der Haut stellt für die meisten
Aasfresser die erste große Herausforderung dar.
Die Fliegen sind die Ersten. Sie legen ihre Eier
hauptsächlich an Körperöffnungen oder Verletzungen ab. Von dort aus startet die Zersetzung.
rung des Bauchraumes und oft auch der
Muskulatur. Im Sommerhalbjahr finden
sich oft unmittelbar nach dem Verenden
Fliegenarten (z. B. Stuben-, Schmeiß- und
Fleischfliegenarten) am Kadaver ein und
legen ihre Eier besonders um die Augen
sowie Maul- und Afteröffnung ab. Aus
den etwa 1 mm langen Eiern schlüpfen
nach zehn bis 16 Stunden Larven, und der
Madenfraß beginnt. Bei 10 °C Außentemperatur schlüpfen Maden erst nach ca. 24
Stunden. Maden wachsen rund 1 mm pro
Tag, was auch gewisse Rückschlüsse auf
den Todeszeitpunkt zulässt. Sie durchbohren Schleimhäute und gelangen so ins Körperinnere. Bei ausreichender Feuchtigkeit
können sie sich auch über die Körperoberfläche ausbreiten und im Hochsommer den
Kadaver in einen quirlenden Madenhaufen
verwandeln, an dem man sogar ein leises
Rascheln hört, das von den sich aneinanderreibenden Chi­tinsegmenten der Maden
herrührt. Allein die Fliegenmaden können
einen mittelgroßen Kadaver innerhalb von
ein bis zwei Wochen vollkommen verwerten. Nach sechs bis acht Tagen verpuppen
sich die Maden und nach weiteren acht
Tagen können aus den Puppen schon wieder Fliegen schlüpfen. Etwas später kommen verschiedene Aaskäfer an den Kadaver, die je nach Art oft erst zwei Tage nach
dem Graben eines Erdganges neben dem
Kadaver ihre Eier ablegen, aus denen dann
nach weiteren rund fünf Tagen die Larven
schlüpfen. Weltweit gibt es fast 200 Arten,
bei uns sind die Totengräber-Arten am
bekanntesten. Aaskäfer verteidigen besonders kleinere Kadaver gegenüber anderen
Arten, aber auch gegen Artgenossen. Manche Arten zeigen ein richtiges Brutpflegeverhalten, indem sie kleine Kadaver für
ihre Maden eingraben oder sogar die Larven füttern. Aaskäferlarven nutzen nicht
nur Aas, sondern einige Arten ernähren
sich auch von Fliegenmaden. Infolge der
langsameren „Eroberung“ des Kadavers
durch Aaskäferlarven sind die Fliegenmaden dann auch schon recht groß und bieten
neben dem gehaltvollen Aas eine ebenfalls
gute Nahrungsquelle. Die Larvenentwicklung über drei Larvenstadien dauert ein bis
zwei Wochen bis zur Verpuppung und nach
weiteren zwei Wochen schlüpfen wieder
Käfer aus den Puppen.Ameisen können
einen kleinen Kadaver bei Massenauftreten innerhalb weniger Tage skelettieren
und selbst Schnecken oder Ohrwürmer
sind gelegentlich an Kadavern anzutreffen.
Es sind aber nicht nur die kleinen Nutzer,
die Kadaver abbauen. Eine Reihe von Säugetieren (Füchse, Mäuse, Ratten, Dachse,
Wildschweine, Wölfe, Goldschakale usw.)
und Vögel (besonders Rabenvögel und
einige Greifvogelarten) leben teilweise als
Aasfresser, Geier haben sich überhaupt
auf diese Nahrungsquelle spezialisiert.
Außer den großen Aasfressern wie dem
Wolf haben die meisten Probleme mit dem
Aufreißen der Haut, weshalb der Fraß an
Körperöffnungen und an verletzten Körperstellen beginnt. Deshalb wird an Geierfutterplätzen bei Kadavern meist auch die
Haut der verendeten Tiere angeschnitten,
um einen leichteren Zugang zu gewähren.
Wird der Kadaver währen der Fäulnis nicht
durch Aasfresser vollkommen genutzt, so
geht die Fäulnis in Verwesung über. Bei
der Verwesung erfolgt nunmehr ein mehr
oxydativer Zerfall der schon recht trockenen
Gewebsreste bis zur Skelettierung.
Kriminologen nutzen Maden
Insektenlarven haben eine große Bedeutung zur Bestimmung des Todeszeitpunktes in der Humankriminologie. Fliegenmaden benötigen ungefähr einen Tag, um
aus den Eiern zu schlüpfen, und wachsen
dann – je nach Fliegenart – rund 1 mm pro
Tag, wie bereits erwähnt. Für eine exakte
Todeszeitpunktbestimmung ist es unerlässlich, Maden zu sammeln, diese verpuppen zu lassen und nach dem Schlupf
die Fliegenart zu bestimmen. Fliegen legen
die Eier auch nur in der Tageslichtphase
auf Leichen ab und nicht in der Nacht, was
zusätzlich bei der näheren Eingrenzung des
Todeszeitpunktes helfen kann.
FOTOS: A. DEUTZ, M. GARBER
Der Gemeine Totengräber und der Aasschildkäfer (links oben) sind die häufigsten Aaskäfer.
DER ANBLICK 8/2016
Fallwildhirsch (hoher Vorderlaufschuss, nicht nachgesucht), der innerhalb von einer Woche von
rund 20 Raben, mehreren Füchsen und Fliegenmaden schon fast vollkommen abgebaut war.
Ist alles Organische vom Skelett, beginnen
Mäuse mit dem Annagen der Knochen ...
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