Globale Seuchen Wie gefährlich sind die neuen Krankheiten? Seite 8 Impfen nach Plan Die wichtigsten Impfungen auf einen Blick Seite 20 www.beobachter.ch 30. Oktober 2009 Gesundheit Vorsicht, Viren! So schützt man sich vor Infektionen In Zusammenarbeit mit Grippe: Machen Sie den Impf-Check! www.pandemia.ch Risiken und Nebenwirkungen E INHALT s hüstelt, niest und schnieft wieder in Trams und Bussen. Die Grippe­ zeit bricht an. «Imp­fen oder nicht?» – die Frage stellt sich diesen Herbst noch dringlicher als in den letzten Jahren. An­­ge­ sichts der befürchteten Schweine­grippe­ pandemie raten die Weltgesund­heits­orga­ ni­sation und hiesige Be­hör­den sogar, sich ge­gen die saisonale und die Schweine­ grippe impfen zu lassen. Eine Mass­nahme, die Impfkritiker für über­trieben halten. Sie warnen vor «Alarm­ismus» und kritisieren, der H1N1-Impf­stoff sei ungenügend ge­ testet. Die Be­fürworter dagegen appellie­ ren an unsere Mitverantwortung. Wer an der Grippe erkranke, gefährde auch sein Umfeld: den Nachbarn im Rentenalter, die schwangere Frau im Zug oder den herz­ infarkt­gefähr­deten Arbeitskollegen. Was also tun? Dieses Beobachter-Extra kann Ihnen den Entscheid nicht abneh­ men. Wir möchten Ihnen aber Entschei­ dungsgrundlagen liefern: Wie gefährlich ist die Grippe? Wer sollte sich impfen las­ sen? Was sind die Argumente der Befür­ worter und Gegner? In diesem Heft ist aber nicht nur von der Grippe die Rede. Thematisiert werden generell die Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen. Und wir zeigen, worauf Eltern bei Kinder­ impfungen achten müssen, welche Reise­ impfungen man vornehmen sollte oder was es mit dem Humanen Papillomavirus auf sich hat, das Gebärmutterhalskrebs auslösen kann und gegen das sich viele junge Frauen impfen lassen. Titelbild: Corinna Staffe, Fotolia (2) Bei den meisten Menschen verläuft eine Grippeerkrankung ohne Komplikationen. Es gibt jedoch Gruppen, die bezüglich Ansteckung und Komplikationen anfälliger sind. Bei solchen Risikogruppen ist es besonders wichtig, die Gefahr einer Erkrankung und damit verbundener Komplikationen durch eine Impfung erheblich zu verringern. Der Impf-Check unter www.pandemia.ch hilft Ihnen bei der Einschätzung Ihres persönlichen Risikos. Hotline 031 322 21 00 Gesundheit 22 | 2009 Eine Entwarnung zum Schluss: Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn es um Sie herum hustet, rotzt und keucht. In den meisten Fällen handelt es sich nicht um eine Grippe, sondern um einen «grip­ palen Infekt» – eine Erkältung. Die «un­ echte Grippe» macht uns im Schnitt fünf­ mal pro Jahr das Leben schwer. Das ist kein Drama: In drei Tagen kommt sie, drei Tage bleibt sie – und nach drei weiteren Tagen ist der Spuk wieder vorbei. Remo Leupin 4Magazin Aktuelles aus der Welt der Viren und Bakterien. 6 Selbsttest Wie gut kennen Sie sich mit Hygiene im Alltag aus? 8 Globale Seuchen Die Globalisierung begünstigt die Verbreitung von Pandemien. Wie wir uns dagegen schützen können. Schwerpunkt 16Impfen – ja oder nein? Die Argumente der Impfkritiker und Impfbefürworter. 20Impfplan Eine Übersicht der vom Bund empfohlenen Impfungen. 22Impfstoffe So funktioniert das Impfen. Bilder in dieser Ausgabe Frankreich sei ein gutes Pflaster für ihre Arbeit, sagt die Illustratorin dieses Hefts, Corinna Staffe, 44. Das Material, das sie in ihren Collagen verarbeitet – vornehmlich in die ­Jahre gekommene Schwarzweiss­foto­grafien –, stöbert sie in kleinen Läden, auf Flohmärkten, in alten Foto­büchern und Bibliotheken auf. «Die Collage ist eine lebendige Kunstform, die fast alles zulässt», schwärmt die gebürtige Zürcherin, die seit zwei Jahren mit ihrer Familie in Lyon lebt. Im Januar 2010 wird sie erstmals Werke an einer Ausstellung zeigen, im japanischen Osaka. ­Selber hinfliegen wird sie nicht, nur ihre ­Figuren auf die Reise schicken, «das ist viel wichtiger». 26Kinderimpfungen Was Eltern darüber wissen müssen, inklusive der Argumente der Befürworter und Kritiker. 30Krebsvorsorge Vor Gebärmutterhalskrebs schützt eine Impfung. 32 Tropenkrankheiten Welche Impfungen es vor einer Reise ins Ausland braucht. 36 Zeckenkrankheiten Im Winter ist der richtige Zeitpunkt, sich gegen Zeckenenzephalitis impfen zu lassen. 38Weitere Informationen, Impressum Gesundheit 22 | 2009 grippeimpfung Gewappnet gegen die Grippe Fotos: Pasieka/Science Photo Library/Keystone, Christian Schnur/Keystone Für alle, die sich gegen Grippe impfen lassen wollen, bietet der nationale Grippeimpftag am 6. November Gelegenheit. Am Aktionstag ­bieten zahlreiche Hausärztinnen und ­Haus­­ärzte die Impfung ohne Anmeldung und zu einem reduzierten Preis an. Die Kosten für die Grippeimpfung werden Personen über 65 Jahren und Menschen mit einer ­chronischen Erkrankung, den Risikopersonen, von der Krankenkasse zurück­erstattet – falls die Franchise bereits erreicht wurde. Auch wenn derzeit die Schweinegrippe (H1N1) im Brennpunkt des Interesses stehe, dürfe die saisonale Grippe nicht vergessen gehen, so der Tenor der Fachleute. Die gewöhnliche Grippe ist nach wie vor eine unberechenbare Krankheit und ­verläuft für Betagte und geschwächte ­Personen alles andere als harmlos: Bei ­Risikopersonen kann sie zu Komplikationen oder sogar zum Tod führen. Tatsache ist, dass jedes Jahr mehrere hundert Menschen an der saisonalen Grippe sterben. Wahrscheinlich werde die saisonale Grippe diesen Winter parallel zur pandemischen Grippe (H1N1) zirkulieren, prognostiziert das Bundesamt für Gesundheit. Es empfiehlt daher allen Personen mit ­erhöhtem Komplikations­risiko und ihrem nahen ­Umfeld, sich mit einer ­Impfung vor der saisonalen Grippe zu ­schützen. www.grippe.ch, www.kollegium.ch hygiene Immunsystem Küssen ist besser als Händeschütteln Alkohol schwächt die Abwehrkräfte Infektionen werden am ­häufigsten über Hände, Händeschütteln und den gemeinsamen Kontakt mit Ober­flächen wie Türklinken übertragen. Forscher eines britisch-amerikanischen Medizinerteams haben in einer Studie herausgearbeitet, wie sich die Krankheitserreger im Haushalt und in öffentlichen Räumen ausbreiten. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass der Hand­kontakt mit Oberflächen bei der Übertragung von Erregern die grösste Rolle spielte, eine noch grössere Rolle als das ­Küssen. Eine gute Handhygiene ist daher das wirksamste Mittel, um Erreger von Erkältungskrankheiten, der Grippe und ­Magen-Darm-Infektionen ­einzudämmen. Nach Alkohol­exzessen droht nicht nur ein ­Kater, es wächst auch die ­Gefahr von Infektions­ krankheiten. Das ­haben USForscher bei Experimen­ten mit Mäusen heraus­gefunden. Die Auswirkungen von Bier, Wein und Schnaps halten an, auch wenn die Party längst vorbei ist: Der Alkohol ­blo­ckiere wichtige Komponenten des Immun­systems ­mindestens einen Tag lang. Quote Gesagt Mikroorganismen tropenkrankheit Pilze machen uns selten zu schaffen Mit Hustensaft gegen Malaria Auf die Tausende von Pilz­ sporen, die wir jeden Tag einatmen, reagiert unser Immunsystem in der Regel nicht. Erst wenn es gefährlich wird und die Sporen auskeimen, tritt die Abwehr in Kraft. Eine äusserst wirkungsvolle, ökonomi­ sche Strategie. Mit einem Wirkstoff, der auch in schleimlösenden Medikamenten vorkommt, ist es portugiesischen Forschern gelungen, die schlimmen Folgen einer Malariainfektion zu verhindern – in Experimenten mit Mäusen. Jetzt muss sich die Strategie nur noch beim Menschen als ebenso wirksam erweisen. «Lauftext enim «Wegen sowisi etwas ad minim veniam, wie dem Schweine­ quis nostrudhat exerci grippevirus es tation venmin» früher keine Nislscipit globale lobortis Aufregung Lorem ipsum mdolor ­gegeben.» Beda Stadler, Professor für Immunologie THEMA Bakterien Lebensraum Haut Die Zahl der Bakterien, die auf der menschlichen Haut leben, ist viel grösser als bisher ­angenommen. Amerikanische Wissenschaftler fanden bei der Untersuchung von zehn Testpersonen rund 112 000 Bakterien, die zu 1000 unterschiedlichen Sorten gehörten. Diese Zahl ist hundertmal grösser, als die Forscher der zur amerikanischen Gesundheitsbehörde gehörenden National Institutes of Health erwartet hatten. Die meisten Bakterien fanden die Wissenschaftler an ­feuchten und behaarten ­Körperteilen wie den Achseln. Die grösste Vielfalt an Mikroorganismen wurde ­jedoch überraschenderweise an trockenen und glatten Hautpartien gemessen, wie beispielsweise den ­Unterarmen. Mobiltelefonie Handys waschen! Wissenschaftler der türkischen Universität Ondokuz Mayıs testeten die Hände und ­Handys von 200 Krankenschwestern und Ärzten auf ­Intensivstationen und in ­Operationsräumen auf ­Bakterien. Das alarmierende Ergebnis: Auf 95 Prozent der Handys lebten verschiedene Arten von Bakterien, die ­unterschiedliche Infektionen auslösen können, unter ­anderem auch solche, die ­gegen Antibiotika resistent sind. Das Fazit der Studie: Die Handys von Spitalmitarbeitern sollten ebenso desinfiziert werden wie die Hände. Auch für alle anderen Handys gilt: regel­mässig mit einem ­Reinigungsmittel säubern. Gesundheit 22 | 2009 Wo lauern die meisten Keime? Händewaschen, Händeschüttelverbot, Desinfektionsmethoden – Hygienetipps haben derzeit Hochkonjunktur. Doch wissen Sie wirklich Bescheid über Keime, Bakterien und Viren? Hier erfahren Sie, ob Sie über das nötige Grundwissen verfügen. Zusammenstellung: Susanne Wagner Keime tummeln sich überall: im Haushalt, am Arbeitsplatz, in öffentlichen ­Gebäuden und Verkehrsmitteln. Dort, wo man am meisten davon vermuten würde – auf dem stillen Örtchen –, ist es hygienischer als anderswo: Gemäss einer ­Studie der Universität Arizona befinden sich im Kühlschrank mehr als tausendmal so viele Bakterien wie auf dem WC. Der Ort mit der grössten Bakteriendichte ist aber die Computertastatur. Überall, wo Leute denselben Computer benutzen, an Schulen oder in Internetcafés, kann es über die Tastatur theoretisch zur Übertragung von Krankheiten kommen. Doch Keime haben für uns nicht zwangsläufig gesundheitliche Probleme zur Folge. Der menschliche Körper schlägt sich tagtäglich mit unzähligen Viren, Bakterien, Parasiten und Pilzen herum, ohne krank zu werden – und trainiert so die ­Abwehrkräfte. Problematisch wird es erst, wenn ein gefährlicher Erreger in einer ­kritischen Menge auftaucht. Wer die wichtigsten Regeln zur Hygiene befolgt, kann das Risiko einer Infektion bereits deutlich senken. Allein mit häufigem, gründlichem Hände­waschen lässt sich die Übertragungskette der Krankn heitserreger durchbrechen. test 1. Wo finden sich die meisten Bakterien? a) Auf der WC-Schüssel und auf dem Spülkasten. b)Im Kühlschrank und auf der Computertastatur. c) Auf dem Küchenfussboden und auf Türklinken. 2. Welche Temperatur sollte im Kühl­ schrank herrschen, damit sich Keime möglichst wenig vermehren? a) Unter 7 Grad. b) Am besten zwischen 7 und 9 Grad. c) Die Temperatur im Kühlschrank spielt keine Rolle. 3. Welche Behauptung ist richtig? a) Viren überleben selbständig. b)Viren sind Schmarotzer und benötigen einen Wirt. c) Viren befallen nur Menschen und Tiere, aber keine Pflanzen. 4. Wie hoch muss die Vergrösserung mit dem Elektronenmikroskop sein, damit Viren sichtbar werden? a) 3000-fach. b)30 000-fach. c) 300 000-fach. 5. Sie fahren im Bus und müssen plötzlich husten oder niesen. Wie schaden Sie ­Ihren Mitmenschen am wenigsten? a) Ich niese oder huste in eine Ecke, wo niemand sitzt oder steht. b)Ich halte mir beim Niesen oder Husten natürlich die Hand vor den Mund, wie das wohlerzogene Menschen tun. c) Ich niese oder huste wenn möglich in mein Taschentuch, notfalls auch in den Ellbogen oder den Oberarm. 6. Mit welchen Massnahmen schützen Sie sich am besten vor Infektionen? a) Regelmässig und gründlich die Hände mit Seife waschen. Und bei der Begrüssung von Personen mit Grippesymptomen Händeschütteln, Küsschen und Umarmungen vermeiden. b)Sich alle vier Wochen vom Hausarzt untersuchen lassen. c) Viel Vitamin C schlucken und an die frische Luft gehen, auch im Winter. 7. Wie lange ist eine an der Schweine­ grippe (H1N1-Grippe) erkrankte Person für ­andere ansteckend? a) Einen Tag vor und drei bis sieben Tage nach Ausbruch der Krankheit. b)So lange, wie sie sich krank fühlt. c) Nach einem Tag ist die Gefahr vorbei. 8. In welcher Situation werden am meisten Viren verbreitet? a) Durch einen Zungenkuss. b)Durch das Händeschütteln. c) Durch einen Kuss auf die Wange. 9. Wann soll man die Hände waschen, um sich vor Krankheits­erregern zu ­schützen? a) Vor und nach jeder Mahlzeit. b)Nach der Benützung der Toilette, des öffentlichen Verkehrs, nach der Zubereitung von ­Nahrungsmitteln, nach dem Husten und Niesen. c) Nach dem Besuch bei Kranken. 10. Wie ist das Händewaschen am ­hygienischsten? a) Mit der Benützung eines Stücks Seife. b)Ohne Seife, denn sie bietet keinen Schutz vor Viren. c) Mit der Benützung von Flüssigseife aus einem Dispenser. 11. Wie reinigen Sie die Hände am ­gründlichsten? a) Mindestens 20 Sekunden lang mit warmem Wasser. Ich seife sie gründlich ein, spüle Seifenreste ab und trockne sie sorgfältig. b)Statt mit Wasser reinige ich die Hän­de mit Desinfektionsgel. c) Ich halte die Hände zehn Sekunden unter das fliessende, warme Wasser. 12. Welches sind die hygienischsten Arten, die Hände zu trocknen? a) Mit einem sauberen Handtuch, einem Wegwerfpapiertuch oder einer Stoffhandtuchrolle trocknen. b)An den Hosenbeinen abwischen. c) An der Luft trocknen lassen. 13. Bei welcher Temperatur werden Keime in der Waschmaschine abgetötet? a) Schon nach einer Wäsche bei 30 Grad gibt es keimfreie Wäsche. b)Eine Temperatur von 60 Grad reicht aus, um die meisten Keime ­abzutöten. c) Erst ab 95 Grad ist die Wäsche hygienisch sauber. 14. Wie viele Bakterien und Pilze enthält unbelastete Luft pro Kubikmeter? a) 10 bis 100 Bakterien und Pilze. b)100 bis 1000 Bakterien und Pilze. c) 1000 bis 10 000 Bakterien und Pilze. 15. Sie probieren barfuss neue Schuhe. Was kann passieren? a) In neuen Schuhen können von Vorgängern bereits Keime und Pilze vorhanden sein. Deshalb immer mit frischen Probiersocken hineinschlüpfen. b)Nichts, Keime würden auf den Schuhen höchstens ein paar Minuten überleben. c) Die neuen Schuhe könnten abfärben. 16. Welchen Nutzen haben Desinfektions- mittel im Haushalt? a) Nur die regelmässige Anwendung von Desinfektionsmitteln ist wirklich hygienisch. b)Normale Haushaltreiniger reichen für eine hygienische Reinigung. c) Keinen. Desinfektionsmittel bieten im Gegenteil sogar einen Nähr­ boden für Keime und Bakterien. 17. Warum sind Wischlappen und Schwäm­ me richtige «Keimschleudern»? a) Weil viele für Bad und Küche dieselben Tücher und Schwämme benutzen. b)Weil Mikroben eine feuchtwarme Umgebung lieben. c) Weil sich Mikroben in der Küche besonders wohl fühlen. 18. Wie lange und bei welcher Temperatur müssen Fleisch, Eier und Geflügel ­durchgebraten werden, um allfällige Keime ­abzutöten? a) 15 Minuten bei 65 Grad. b)5 Minuten bei 80 Grad. c) 10 Minuten bei 75 Grad. 19. Wie lange sind frische Mayonnaise und Desserts mit rohen Eiern (beispiels­weise Tiramisu) haltbar? a) Im Kühlschrank mindestens drei Tage lang. b)Gar nicht. Sie müssen möglichst rasch verputzt werden. c) Sofern sie im Kühlschrank ­aufbewahrt werden, müssen sie innerhalb von ein bis zwei Tagen konsumiert werden. 20. Wie oft sollte man sich beim Kochen die Hände waschen? a) Einmal gründlich waschen, bevor man loslegt, reicht völlig aus. b)Kommt darauf an. Wer rohes Fleisch, Geflügel oder Eierspeisen zubereitet, muss zwischendurch immer wieder die Hände waschen – nach jedem Arbeitsschritt. c) Gar nicht. Wofür hat man denn eine Kochschürze? 21. Worauf gilt es beim Rüstbrett zu ­achten? a) Dass es aus Holz ist. b)Dass man es nach Gebrauch immer feucht abwischt. c) Dass es möglichst keine Schnitte und Kerben hat, weil sich darin Keime ­ansammeln können. Auflösung 1b, 2a, 3b, 4c, 5c, 6a, 7a, 8b, 9b, 10c, 11a, 12a, 12c, 13b, 14b, 15a, 16b, 17b, 18c, 19c, 20b, 21c Gesundheit 22 | 2009 Wie Erreger um die Welt reisen PANDEMIEN In einer globalisierten Welt steigt die Gefahr von Pandemien – wie derzeit bei der Schweinegrippe. Warum immer neue Infektionskrankheiten entstehen und wie die Gesundheitsbehörden sie einzudämmen versuchen. Text: Ruth Jahn Unsere vernetzte Welt macht es Krankheitserregern leicht. In wenigen Stunden reisen sie um die ganze Welt. Der rege Flugverkehr mit zwei Milliarden Flugpassagieren jährlich, Megametropolen mit Millionen Menschen auf engstem Raum, eine globalisierte Landwirtschaft sowie Tier- und Fleischtransporte über Grenzen und Kontinente hinweg machen es möglich. Auch der Klimawandel unterstützt Viren und Bakterien bei ihrer Verbreitung: Die Erwärmung der Erdatmosphäre ­erschliesst subtropischen Keimen auch gemässigte Zonen als Lebensraum. Menschen dringen heute ausserdem in bislang unbewohnte Winkel der Urwälder vor – und kommen so erstmals in Kontakt mit andersgearteten Krankheitserregern. Erregern, die dem menschlichen Immunsystem fremd sind und gegen die wir zunächst einmal machtlos sind. wir immerhin zwei Kilogramm mit uns herumtragen. Beruhigend ist auch die Tatsache, dass die meisten Seuchen für uns Menschen glimpflich ausgehen, von schwe­ren Grippepandemien abgesehen. Denn Krankheitserreger haben kein Inte­ res­se daran, ihren Wirt zu vernichten. Am besten verbreitet sich ein Erreger, wenn er seinen Wirt möglichst lange am Leben lässt und dieser in Kontakt mit seinesgleichen bleibt. Denn damit ist auch gleich die Verbreitung des Keims sichergestellt. Zumindest gilt dies für den Hauptwirt des Krankheitserregers. Und der ist bei auf den Menschen adaptierten Grippe-Erregern der Mensch. Bei der Schweine- oder der Vogelgrippe sind wir Menschen derzeit nur Nebenwirte. Hier fehlt uns somit die Sonderstellung der Spezies, der eine Schonung zuteil wird. Grippeepidemien oder auch -pandemien, die man daran er- kennt, dass sie um den ganzen Erdball ziehen, sind seit dem 18. Jahrhundert verbrieft. Was nicht ausschliesst, dass es sie schon früher gab. Eine neue Grippepandemie steht der Menschheit gegenwärtig durchschnittlich alle 30 Jahre bevor, wie die WHO errechnet hat. Die verheerendste Pandemie bislang war die Spanische Grippe von 1918. Ihr ­Erreger war – wie bei der Schweinegrippe – eine Variante des H1N1-Grippevirus, der aber unmittelbar von einem Vogelgrippevirus abstammte. Die Pandemie, die unter anderem Spanien heimsuchte, raffte ­innert wenigen Monaten zwischen 20 und 75 Millionen Menschen dahin. Allein in ­Europa waren 20 Millionen Tote zu be­klagen. Aber auch in Amerika, Japan und Indien wütete die Seuche. Insgesamt wurden 500 Millionen Menschen infiziert, Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registriert seit den sechziger Jahren jedes Jahr die Entstehung von ein bis zwei neuen ansteckenden Krankheiten. Neben neuen Influenzatypen, also Grippe-Erregern, tauchen immer wieder neue krank machende Erreger auf (siehe «Globale Seuchen», Seite 10). Sie tragen klingende Namen wie Nipah-Virus, Westnil-Virus, Ebola-Virus oder Lassa-Virus. Gemäss ­Experten sei diese Entwicklung ein Novum in der Geschichte – und besorgnis­ erregend, wie sie betonen. Zwar ist es bisher keinem Erreger gelungen, die Menschheit auszurotten. Ausserdem sind die meisten Mikroorganismen uns sogar nützlich – wie die friedlichen Darm- oder Hautbewohner, von denen Grippeviren: Gefährliche Verwandlungskünstler Grippeviren sind stachelige Eiweisskügelchen von gerade mal einem Zehntausendstel ­Millimeter Grösse. Gefährlich macht sie ihre ­Wandlungsfähigkeit: Sie wechseln ihr Stachel­ kleid ständig. Unser Immunsystem, das uns vor den Eindringlingen schützen soll, wird so ausgetrickst, weil es die Viren nicht mehr ­erkennt. Eine erste Variante dieses Erschei­ nungswandels läuft kontinuierlich ab. Er führt unter anderem dazu, dass gegen die saisonalen Grippeepidemien jährlich neue Impfstoffe ­entwickelt werden müssen, die mit den gerade zirkulierenden Virusvarianten übereinstimmen. Eine zweite Variante der Verwandlung erfolgt sprunghaft, indem verschiedene Grippeviren untereinander Erbgut austauschen. Nicht ­selten entstehen so neue Kombinatio­ nen der «Stacheln» des Virus: Jeweils eine der 16 bekannten Varianten des Hämagglutinin (H) ­sowie eine der neun Neuraminidase-Varianten (N) werden auf der Hülle des Virus neu zusam­ mengemischt. Viren können so theoretisch ­aggressiver werden und einen schwereren ­Ver­lauf auslösen, besser übertragbar werden oder auf neue Wirte überspringen: etwa von Enten auf Schweine oder vom Tier auf den Menschen. 10 Gesundheit was einem Drittel der damaligen Welt­ bevölkerung entsprach. Tragischerweise starben damals vor allem jüngere, bis zu diesem Zeitpunkt ­gesunde Menschen mit gut funktionierendem Immunsystem – an Schüttelfrösten und blutigen Lungenentzündungen. Über die Gründe wird noch immer spekuliert: Vielleicht hatten damals ältere ­Menschen bereits Kontakt mit ähnlichen Viren gehabt und waren somit zumindest teilweise immun gegen den Erreger. Oder aber das Virus hat das gut funktionierende Immunsystem der Jüngeren zu einer Überreaktion verleitet, bei dem gesunde Zellen im Körper in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Erste Weltkrieg leistete der Seuche Vorschub: Viele Soldaten hatten sich in den Schützengräben oder Truppenunterkünften infiziert und lebten unter prekären ­ hygienischen Bedingungen. Auch die ­ Unterernährung in den Kriegsjahren machte die Bevölkerung anfälliger für Infektionen. Möglicherweise starben manche Grippekranke nicht an den Grippe­ viren selber, sondern an bakteriellen Se- kundärinfektionen, die heute mit Antibiotika behandelt werden könnten. Auch 1957 und 1968 kam es zu Grippepandemien, die sich aber weniger katastrophal auswirkten als die Spanische Grippe. Die Asiatische Grippe von 1957 forderte weltweit zwei Millionen Grippetote, zunächst Kinder, dann auch ältere Menschen. Die letzte Pandemie vor der derzeitigen Schweinegrippe war die HongkongGrippe, die sich 1968 weltweit verbreitete. Vor allem ältere Leute erkrankten, eine Million Menschen starben. Globale Seuchen: Wie gefährlich sind die neuen Krankheiten? Die Welt wird immer wieder von verheerenden Seuchen wie Aids, Ebola und Sars heimgesucht. Oft gelingt es, den neuartigen Krankheiten Einhalt zu gebieten. Doch die nächste Seuche kommt bestimmt. Die verhängnisvolle Beziehung von Mensch und Erreger begann vor rund 10 000 Jahren, als der Mensch sesshaft wurde. Er holte sich nicht nur Wölfe, Hühner und Pferde ins Haus, sondern auch deren Krankheitskeime. Die ersten Zoonosen entstanden – Seuchen, die vom Tier auf den Menschen überspringen oder zwischen Tier und Mensch hin und her pendeln. Die schlimmsten Krankheiten der Menschheitsgeschichte waren fast alle Zoonosen – von der Pest über Fleckfieber (Thyphus), Pocken, Masern, Ruhr bis zur Tuber­ kulose. Auch heute plagen die Welt ehemalige Tierseuchen: neben der Grippe etwa die Tollwut und seit einigen Jahren neue, bislang unbekannte Krankheiten wie Aids, Sars oder Ebola. Nachhaltig aufgeschreckt wurde die Weltgemeinschaft 1981 vom damals noch namenlosen HI-Virus. Ein afrikanisches Affenvirus hatte im Zuge der Globalisierung den Weg in die Städte und von dort in die Welt gefunden. Bisher sind 25 Millionen Menschen an der Krankheit gestorben, 33 Millionen Menschen sind infiziert. Antivirale Medikamente gegen Aids sind erhältlich, aber nicht für alle erschwinglich. Nur vier Millionen Aids-Kranke erhalten eine Therapie. Und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das wandlungsfähige ­Virus, das sich den Angriffen des 11 22 | 2009 Immun­systems mit einer ganzen Palette von Fluchtmechanismen entzieht, harzt. Doch nun wird, was bislang unmöglich schien – eine Impfung gegen Aids –, denkbar: Kürzlich fanden ­Forscher bei einem Afrikaner Antikörper gegen HIV, die viele Virenstämme ­neutralisieren – und als Ausgangspunkt für einen Impfstoff dienen könnten. Die Welt in Schrecken versetzten auch die Ebola-Ausbrüche im Kongo Mitte der neunziger Jahre. Das Virus führt zu einer Fiebererkrankung mit inneren Blutungen, die für mehr als jeden Zweiten tödlich verläuft. Auch dieses Virus kam aus dem afrikanischen Urwald und war dort bereits seit Jahrzehnten bekannt. Der Hauptwirt des Ebola-Erregers ist für einmal nicht ein Affe, sondern ein anderes Säugetier: der Flughund. Obwohl sich das Ebolafieber nur symptomatisch behandeln lässt, konnten die Ausbrüche dank Quarantäneund ­Hygienemassnahmen jeweils schnell gestoppt werden. Auch mit Sars, dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom, tauchte 2002 eine bisher unbekannte Infek­ tionskrankheit mit dem Potential zur weltumspannenden Seuche auf. Die Sars-Epidemie, die in der chinesischen Provinz Guangdong ihren Anfang nahm und von einem Hongkonger Hotel aus in die halbe Welt getragen wurde, ­forderte fast 1000 Tote. Man bekam das für die Lungenkrankheit verantwortlich ­gemachte Corona-Virus jedoch ­recht­zeitig in den Griff. Abgesehen von den tragischen Todesfällen war Sars auch ­eine Erfolgsgeschichte der ­Pandemievorsorge: Das Beispiel zeigt, dass die Welt neuartigen Infektionskrankheiten nicht schutzlos ausgeliefert ist und dass selbst Seuchen, für die es weder Impfstoff noch Therapien gibt, ausgemerzt werden können. Global gesehen heissen die drei v­ erheerendsten Infektionskrankheiten nach wie vor Aids, Tuberkulose und Malaria. Die drei Seuchen kosten jedes Jahr sechs Millionen Menschenleben. Doch Aids, Ebola und Sars waren wohl noch nicht alles. Es wäre naiv anzunehmen, dass es künftig keine weiteren neu­ artigen, ähnlich gefährlichen Krankheiten geben würde, hiess es letztes Jahr in einem Bericht der WHO. Sorge bereiten Medizinern auch ­Problembakterien, die nicht mehr auf das Antibiotikum der ersten Wahl ­ansprechen, weil sie gegen das Medikament resistent geworden sind. Zu ­diesen Bakterien zählen der Spitalkeim Staphylokokkus aureus, der Lungen­ entzündungen auslöst, oder Tuber­ kulosebakterien, die gleich mehreren Antibiotika trotzen. In den Jahren 1996 und 2003 trat das ­Vogelgrippevirus (H5N1) auf. Seitdem sind mehr als 250 Menschen daran gestorben, die meisten davon in Asien. Die Krankheit verläuft zwar viel schwerer als bisher die Schweinegrippe (H1N1), doch wird sie meist nur bei engem Kontakt zwischen infiziertem Geflügel und dem Menschen übertragen, und nur äusserst selten von Mensch zu Mensch. Der Entstehungsort nahezu aller neuartigen Grippeviren ist Asien, insbesondere China, wo die Haltung von Vögeln und Schweinen in engem Kontakt mit dem Menschen üblich ist. Eine Situation, die das Entstehen neuer Influenzavarianten begünstigt, weil es möglich wird, dass zwei verschiedene Viren gleichzeitig ein und dasselbe Lebewesen befallen. Am häufigsten ist dieses «lebende Reaktionsgefäss» das Schwein. Auch die Schweinegrippe könnte in einem Schwein entstanden sein: Das Virus ist eine Kombination aus zwei verschiedenen Schweinegrippeviren, einem Geflügelgrippevirus und einem Menschengrippevirus. In Zeiten der Vogelgrippe sorgten sich ­Expertinnen und ­ Experten, ob das Virus durch Niesen oder Husten von Mensch zu Mensch über­tragen werden könnte, ohne dabei an ­ Aggressivität einzubüssen. Bei der ­ Schweinegrippe stellt sich das Problem umgekehrt: Hier lautet die zentrale Frage, ob ein Virus, dass derart leicht übertragbar und nicht nur auf asiatische Hinterhöfe beschränkt ist, plötzlich so ­virulent werden könnte, dass Menschen rund um den Globus mit Mundschutz in den Bus steigen müssen. Pandemie eine andere Dimension zu erhalten, schrieb die WHO Ende August in einer Mitteilung zur Schweinegrippe. «Bei der Grippe geht es nie um die Frage, ob ­eine nächste Pandemie kommen wird. Sondern darum, wann die nächste kommt und wie schlimm sie sein wird», sagt der Impfexperte Robert Steffen von der Universität Zürich (siehe Interview auf Seite 14). Auch Patrick Mathys, der beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Grippepandemievorbereitung leitet, betont: «Die extrem rasche Ausbreitung des Virus lässt wenig Vorbereitungszeit. Taucht ein Virus auf, das resistent ist gegen antivirale Medikamente, und steht gleichzeitig noch ­keine Impfung zur Verfügung, stehen wir vor einem immensen Problem.» Nur noch auf die Schweinegrippe zu fo- Die weltweite Ausbreitung der Schwei- kussieren wäre aber die falsche Strategie. «Wir müssen immer alle Grippestämme, die gerade ­zirkulieren, im Auge behalten», sagt Impfexperte Steffen. Die Impfstoffproduktion gegen die saisonalen Grippeviren dürfe nicht einfach zugunsten der Schweinegrippeviren gestoppt ­ werden. Theoretisch kann eine ­gewöhnliche saisonale Grippe, die Vogelgrippe oder ­eine ihrer nicht weniger wandlungs­fähigen Verwandten gefährlicher werden als die ak­ tuel­le Schweinegrippe. Bis ein neuer Impfstoff zur Verfügung steht, braucht es allerdings rund fünf Monate Zeit – zu viel Zeit, während der sich das Virus ungehindert ausbreiten kann. Deshalb wird weltweit fieberhaft versucht, die Produktionskapazitäten mit modernen Herstellungsmethoden zu beschleunigen: weg vom umständlichen Züchten der Grippeimpfstoffe in Hühnereiern, hin zur Produktion in Zellkulturen. ­Ausserdem negrippe verfolgen die Epidemiologen mit Sorge: Die Krankheit verlief zwar in der ersten Welle der Erkrankungen eher mild. Aber verschiedene Bevölkerungsgruppen erkranken anscheinend eher und schwerer als andere – und manchmal sterben Betroffene auch daran. Es sind dies vor allem Kinder und jüngere Menschen, Schwangere, Mangelernährte sowie Menschen mit chronischen Krankheiten wie Asthma und anderen Lungenleiden, aber auch Personen mit Diabetes, Herzkreislauf­ erkrankungen und Übergewicht. Da solche Krankheiten heute weit verbreitet sind und auch Kinder schon von Asthma oder Diabetes betroffen sein können, drohe die Theoretisch kann eine ­saisonale ­Grippe oder die ­Vogelgrippe gefährlicher werden als die aktuelle ­Schweinegrippe. suchen Grundlagenforscher nach neuen antiviralen Medikamenten. Auch die Vi­ sion eines zukünftigen Grippeimpfstoffs, der stabile Strukturen der Viren angreift und somit nicht jedes Jahr neu zusammengestellt werden muss, ist noch nicht vom Tisch. Bis die Forschung aber so weit ist, ist die wirksamste Vorsorge bei Pandemien nach wie vor die Überwachung. Saisonale Grippevirenstämme registriert die WHO seit Jahrzehnten in einem Frühwarnnetz. Die Weltgesundheitsorganisa­ tion koordiniert gemeinsam mit den Behörden die Bedingungen für eine Zulassung neuer Impfstoffe und überwacht allfällige Resistenzen gegen Grippemedikamente. Auch bezüglich Schweinegrippe laufen die Fäden bei der WHO zusammen: Die meisten Länder der Weltgemeinschaft, darunter auch die Schweiz, haben sich verpflichtet, alle wichtigen Daten zur Schweinegrippe-Pandemie sofort zu übermitteln. Auch mit der EU steht das BAG wöchentlich in Kontakt, «denn Erreger kennen keine Landesgrenzen», sagt Grippe-Experte Patrick Mathys. Heute sei die Schweiz eines der am besten vorbereiteten Länder weltweit – was auch die WHO bestätigt. Wichtigste Bausteine der Schweizer Pandemievorsorge sind gemäss Mathys die Beschaffung von Impfstoff und Medikamenten sowie der sogenannte nationale Pandemieplan, der die Abläufe und Zuständigkeiten vor und während der Grippewellen regelt. Auch alle Kantone haben weitere Strategie- und Massnahmenpapiere erarbeitet. Gemeinsam wird festgelegt, welche Fälle mit welchen Fristen zentral gemeldet werden müssen und welche Therapie die Pa­tien­ ten und deren Kontaktpersonen erhalten sollen. Dem BAG ist die Sensibilisierung der Bevölkerung wichtig; sie rechtfertige den grossen Informationsaufwand. «Unser Ziel ist, dass die Menschen selber abschätzen können, ob sie sich gegen das H1N1-Schweinegrippevirus impfen lassen wollen oder nicht», sagt Mathys. Der Bund hat Impfstoff bestellt, der ausreicht, um 80 Prozent der Bevölkerung gegen das Schweinegrippevirus (H1N1) zu impfen. «Wir gehen nicht davon aus, dass sich 100 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer impfen lassen möchten. Und einen Impfzwang wird es nicht geben», erklärt Mathys. Man setzt auf die Selbstvern antwortung der Bevölkerung. Gesundheit 13 22 | 2009 Infektionskrankheiten fordern jährlich Millionen von Menschen­leben Weltweite Seuchen Tuberkulose, Malaria und Aids sind die gefährlichsten ­Infektionskrankheiten. Mit der Schweinegrippe ist ein neuer Erreger aufgetaucht, der die ­Gesundheitsbehörden in Atem hält. Zusammenstellung: Tatjana Stocker; Infografik: Daniel Röttele Tuberkulose: Weltweit geht man von rund 1,6 Millionen Todesfällen aus. In jenen Teilen der Welt, wo die HIV-Infektionsrate hoch ist, Aids: Seit den frühen achtziger Jahren hat sich die Krankheit zu einer weltweiten Epidemie mit mehr als 40 Millionen Aidskranken und HIV-Infizierten entwickelt. In der Schweiz sind über 25 000 Menschen mit dem HI-Virus infiziert oder an Aids erkrankt. hat auch die Tuberkulose wieder zugelegt. In der Schweiz erkranken daran jedes Jahr rund 500 Menschen, meist Immigranten. 7 2 9 1 3 4 3 6 7 9 2 5 8 5 8 10 Neue Tuberkulosefälle (aller Formen) pro 100 000 Einwohner (Schätzungen), Jahr 2007 300 und mehr 25–49 100–299 0–24 50–99 keine Angaben verfügbar 10 4 6 1 uberkulosefälle T (Schätzungen), Jahr 2007 1. Indien 3,30 Millionen 2,58 Millionen 2. China 0,77 Millionen 3. Nigeria 4. Bangladesch 0,61 Millionen 0,57 Millionen 5. Indonesien 0,48 Millionen 6. Äthiopien 0,44 Millionen 7. Philippinen 8. Dem. Rep. Kongo0,42 Millionen 0,37 Millionen 9. Pakistan 0,34 Millionen 10. Südafrika Anteil der HIV-Infizierten unter den 15- bis 49-Jährigen (Schätzungen), in Prozent, Jahr 2007 15%–28% 5%–14,9% 0,1%–0,4% 1%–4,9% unter 0,1% 0,5%–0,9% keine Angaben verfügbar HIV-Infizierte ab 15 Jahren (Schätzungen), Jahr 2007 1. Südafrika 5,40 Millionen 2,40 Millionen 2. Nigeria 2,30 Millionen 3. Indien 1,40 Millionen 4. Mosambik 1,30 Millionen 5. Tansania 1,20 Millionen 6. Simbabwe 1,10 Millionen 7. USA 0,98 Millionen 8. Sambia 0,89 Millionen 9. Äthiopien 0,84 Millionen 10. Malawi Malaria: Gemäss Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr eine Million Menschen an den Folgen der Malaria. Schweinegrippe: Experten gehen davon aus, dass sich der H1N1-Virus ­in der kalten Jahreszeit in Europa stark ausbreiten wird. Am stärksten betroffen sind Indien und Afrika, dort vor allem die Länder der südlichen Sahara. Die Schweiz zählt rund 200 Fälle pro Jahr. Derzeit rüsten sich die Staaten für eine Pandemie. In der Schweiz wurden bis Anfang Oktober über 1240 Schweinegrippefälle registriert. 8 1 3 2 6 7 4 9 5 10 G ebiete, in denen Malaria übertragen wird G ebiete, in denen ein beschränktes Risiko besteht, dass Malaria übertragen wird keine Malariagebiete Malariafälle (Schätzungen), Jahr 2008 636 Millionen 1. Indien 57,5 Millionen 2. Nigeria 30,4 Millionen 3. Sudan 26,2 Millionen 4. Thailand 5. Dem. Rep. Kongo23,6 Millionen 6. Bangladesch 19,0 Millionen 18,8 Millionen 7. Myanmar 12,9 Millionen 8. China 12,4 Millionen 9. Äthiopien 11,5 Millionen 10. Tansania quelle: WHo 12 Da die Länder nicht länger verpflichtet sind, ­die Fälle zu rapportieren, führt die WHO nur noch über Todesfälle Statistik. Anfang Oktober waren es über 3900 Grippetote. Anzahl der gemeldeten Todesfälle (Anfang Oktober 2009) über 100 51–100 keine Todesfälle gemeldet 1–50 keine Angaben verfügbar Gesundheit Auf eine Pandemie sei die Schweiz sehr gut ­vorbereitet, sagt der Präventivmediziner Robert Steffen. Dennoch rechnet er mit dem Schlimmsten. Interview: Ruth Jahn Beobachter: Seit Monaten rüsten Gesundheitsexperten weltweit für eine Seuche, von der die meisten Menschen hierzulande noch wenig merken. Kommen Sie sich ­ da nicht vor, als kämpften Sie gegen Windmühlen? Robert Steffen: Nein, keinesfalls. Seit Jah­ ren haben wir uns auf eine mögliche Pandemie vorbereitet, nun ist die ­ Pan­de­mie mit der Schweinegrippe H1N1 da. Die ­Verantwortlichen nehmen die Seuche ernst. Man muss mit dem schlimmst­ möglichen Szenario rechnen. Besonders, um Engpässe in der medi­zi­nischen Ver­ sorgung zu verhindern. Wenn es weniger schlimm kommen sollte, als wir befürchtet hatten, sind wir zufrieden. Das ist doch nicht ungewöhnlich. An der Grippe sterben in der Schweiz jedes Jahr 400 bis 1000 Menschen. Stimmt. Aber im Unterschied zur ­saisonalen Grippe sind von der Schweinegrippe deutlich mehr jüngere Menschen betroffen, und zwar Kinder und Erwachsene bis etwa 50 Jahre. Ältere Menschen dagegen erkranken seltener. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt bisher bei der H1N1-Pandemie bei 37 Jahren, dasjenige der Patienten, die ins Spital ­verlegt werden mussten, bei 20 Jahren. Bei der normalen Influenza sind die ­Todesfälle fast ausschliesslich bei Betagten und schwer chronisch Kranken zu beklagen. An H1N1 werden wohl auch bis dahin ­völlig gesunde junge Menschen sterben. Wo liegen mögliche Engpässe? Sofern tatsächlich ein Viertel unserer ­Bevölkerung innerhalb von wenigen ­Wochen erkrankt, wird es bei gewissen Dienstleistungen zu Engpässen kommen. Vielleicht müssen öffentliche Verkehrs­ betriebe ihren Fahrplan – ähnlich wie während der Sommerferien – ausdünnen. Arztpraxen, Apotheken und Spitäler ­werden zum Teil bis an die Kapazitätsgrenzen und darüber ausgelastet sein, und auf die kritische Situation bezüglich der Beatmungsgeräte wurde mehrfach hingewiesen. schen, die noch keinen Kontakt mit dieser Art Virus hatten, fehlt dieser Vorsprung. Die kommenden Monate sind die Hauptgrippezeit. Was kommt auf uns zu und ­wie gefährlich wird es? Die Schweinegrippe wird im Winter in ­einer zweiten Welle über den Globus ­ziehen. Daten von der Südhalbkugel, aus Australien, wo man den Winter längst ­hinter sich hat, zeigen, dass sie relativ mild verläuft und dass unsere Ausbreitungs­ modelle in etwa stimmen. Eine neue Erkenntnis ist, dass 15 Prozent der hospi­ta­ lisierten Fälle intensivmedizinische Betreuung benötigten, weil sie künstlich ­beatmet werden müssen. Auf ­diese Situation müssen sich Schweizer ­ Spitäler einstellen. Was kann der Einzelne tun? Erstens kann jeder sich selber schützen, indem er sich häufiger die Hände wäscht. Das Virus kann bis zu 24 Stunden und ­länger auf Türklinken überdauern und wird auch ohne direkten Kontakt weitergegeben. Besonders in öffentlichen ­Toiletten sollten nur noch Einweghand­ tücher zum Händetrocknen benutzt Und wie steht es um die gewöhnliche, ­saisonale Grippe? Neben der Schweinegrippe werden wie gewohnt ein oder zwei saisonale Influenza­ stämme kursieren. Möglicherweise werden diese aber vom H1N1-Virus weit­ gehend verdrängt. «Man muss mit dem schlimmstmöglichen Szenario rechnen, um Engpässe in der Versorgung zu verhindern.» Robert Steffen, emeritierter Professor für Sozial- und Präventiv­medizin Woran mag das liegen? Das ist noch nicht klar. Ein möglicher Grund liegt in der Ähnlichkeit des H1N1Virus mit Grippeviren von früheren ­Pandemien, etwa der von 1976. Das Immunsystem der Menschen über 40 kennt diesen Erreger eventuell schon und kann rasch Antikörper herstellen, um das Virus in den Griff zu kriegen. Jüngeren Men- Experten befürchten, dass durch den ­Gentausch zwischen dem H1N1-Virus und ­anderen Grippeviren eine gefährlichere ­Super-Grippe entstehen könnte. Die Befürchtung ist berechtigt. Falls das H1N1-Virus so leicht übertragbar bleibt und dazu virulenter, sprich: aggressiver wird, wären die aktuellen Hochrechnungen überholt, und wir müssten die ­Erkrankungs- und Sterberaten für die zweite Pandemie nach oben korrigieren. Aber wir dürfen nicht ­ vergessen: Jedes Grippevirus hat ein ­ gewisses Pandemiepotential. Und selbst das fast schon ­vergessene ­ Vogelgrippevirus führt vor allem in Asien weiter zu Opfern. Wie gut ist die Schweiz auf die drohende Pandemie vorbereitet? Unser Land ist den Umständen entsprechend sehr gut vorbereitet. Laut Umfragen wissen 98 Prozent der ­ Bevölkerung wenigstens grundlegend ­ Bescheid über die Schweinegrippe. Medizinisches Personal und ­ Risikopersonen wie Schwangere, ­Kinder und chronisch Kranke können ­hoffentlich schon bald geimpft werden, und Erkrankte erhalten die Medikamente rasch nach Beginn der Symptome, denn später ­wirken sie nicht mehr. ­ erden – und keine Gebläse mehr. Auch w auf die üblichen Begrüssungszeremonien mit Händeschütteln und Küsschen wird man verzichten müssen, sobald die Zahl der Erkrankungen klar ansteigt. Zweitens sollte man, um andere zu schützen, immer in ein Einwegtaschentuch ­ niesen oder husten und dieses dann ­wegwerfen. Hat man keines zur Hand, niest man in den Ellenbogen. Wer sich plötzlich krank fühlt, sollte den Griffel ­sofort fallen lassen – und nicht erst ein Dutzend Mitarbeiter instruieren, was bei der krankheits­ bedingten Abwesenheit zu tun ist. Dafür gibt es heute E-Mails. Ebenso logisch ist es, dass, wenn die ­ Pandemie uns überschwemmt, auf die Teilnahme an Grossveranstaltungen verzichtet wird. Vor allem, wenn man keinen Sicherheits­ abstand von einem Meter ­einhalten kann. Wer soll sich impfen lassen? Klar Vorrang haben medizinisches Personal und Risikogruppen, also Kinder, I Schwangere oder chronisch Kranke. ­Sobald genügend Impfstoff für die übrige Bevölkerung vorhanden ist, sollte eine ­allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen werden. Denn auch wenn die ­allermeisten Patienten keine Komplika­ tionen erleiden: Eine Grippe ist eine ­ernstzunehmende Infektion, die oftmals mehrere Wochen andauert. Deshalb rate ich jedem, sich auch dieses Jahr gegen Grippe impfen zu lassen. Die Standardimpfung schützt zwar nicht vor der Schweinegrippe, aber sie hilft Doppel­ infektionen zu reduzieren: Je weniger Menschen grippeinfiziert sind, desto ­weniger Viren begegnen sich und desto kleiner ist das Risiko, dass sich durch Genaustausch neue, vielleicht gefährlichere n Grippestämme bilden. Robert Steffen arbeitete am ­Institut für Sozialund Präventivmedizin der ­Universität Zürich. Der emeritierte Professor ist ein international ­renommierter Grippespezialist. Water Der einfachste Weg zur eigenen Wellness-Oase. Mit einem Geberit AquaClean WC-Aufsatz bringen Sie ohne Umbau neuartigen Komfort in Ihr Bad. Der warme Duschstrahl reinigt Sie schonend und wohltuend. Das ist Körperpflege, die mehr als ein kurzes Frischegefühl hinterlässt. Antwortcoupon Herr Ich wünsche Unterlagen Name: Ich möchte testen und 30 Tage probeduschen für nur CHF 300.– Vorname: Telefon: Strasse: PLZ/Ort: Frau Raffiniertes Duschprinzip Passt auf jedes WC E-Mail: Die multifunktionale Dusche schenkt unvergleichliche Reinheit und Frische. Der WC-Aufsatz lässt sich mit wenigen Handgriffen installieren. Ideal auch für Mietwohnungen. Bitte einsenden an: Geberit Vertriebs AG, Soorpark, CH-9606 Bütschwil. Mehr Infos erhalten Sie auch unter www.i-love-water.ch oder 0800 432 432. ✂ BEII09 «Jedes Grippevirus hat Pandemiepotential» Wie sieht das schlimmstmögliche Szenario für unser Land aus? In der Schweiz würden 25 Prozent der Menschen an der Schweinegrippe erkranken, in städtischen Ballungsräumen ­möglicherweise sogar 30 Prozent. Und sehr wahrscheinlich würden insgesamt ­mehrere Dutzend Menschen an der ­Erkrankung sterben. 15 22 | 2009 Foto: Patrick b. KrÄmer/Keystone 14 16 Impfen 22 | 2009 Impfen statt durchseuchen STREITFRAGE Welche Infektionskrankheiten sind harmlos? Und gegen welche Erreger sollte man sich impfen lassen? Viele Menschen sind verunsichert – und Impfbefürworter und -gegner liefern sich heftige Debatten. Das sind die Argumente. Text: Ruth Jahn Beim Impfen scheiden sich die Geister. Soll man sich impfen lassen? Oder ist es besser, ungefährliche Krankheiten durch­ zumachen? Diese Frage sorgt immer wie­ der für heftige Debatten zwischen Impf­ gegnern und -befürwortern. Bei harm­ losen Krankheiten wie den Wind­pocken, mit denen sich fast alle im Kindesalter ein­ mal infizieren und die meist ohne Kompli­ kationen verlaufen, ist eine Impfung nicht notwendig. Das sehen auch Impfbefür­ worter so. Doch wie sieht es bei anderen Krankheiten aus? Das Problem beginnt schon bei der Defi­ nition von «harmlos»: Menschen, die Ma­ sern, Keuchhusten oder Mumps glimpf­ lich überstanden haben, werden «harm­ los» anders interpretieren als Eltern, deren Säugling wegen Keuchhusten künstlich beatmet werden musste oder deren Kind eine Hirnhautentzündung durchmachte. Anders auch als eine Schwangere, die sich Basisimpfungen: Wofür die Krankenkassen zahlen Manche Impfungen werden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Eidgenössischen Kom­mission für Impffragen (EKIF) als Standard für alle empfohlen. Zu den Basisimpfungen, mit denen im Säuglingsalter begonnen wird, ­gehören die Impfungen gegen Diphtherie, ­Starrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung, ­Masern, Mumps und Röteln sowie die Impfung gegen das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib). Die Kosten für diese Impfungen werden von der Grundversicherung übernommen. Auch ergänzend empfohlene Impfungen für Babys gegen Pneumokokken und Meningokokken übernehmen alle Kassen sowie Impfungen, die Jugendlichen empfohlen werden – etwa ­gegen die Humanen Papillomaviren (HPV), ­Hepatitis B und Windpocken. Andere Impfungen werden nur für bestimmte Risikogruppen als sinnvoll erachtet. Auch die Kosten für solche Impfungen übernimmt in der Regel die Grundversicherung. Zum Beispiel die Impfung gegen die von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) für Personen, die sich in Risikogebieten aufhalten. Oder die Grippeimpfung für über 65-Jährige oder Menschen mit chronischen Leiden. Einen Anspruch auf Kostenübernahme haben Versicherte auch, wenn Impfungen nachgeholt werden müssen (spätestens bis fünf Jahre nach dem vom BAG empfohlenen Alter bei der Impfung). Oder wenn ein Impfschutz aufgefrischt werden soll. Darüber Auskunft geben kann der Hausarzt. Manche Krankenkassen haben zudem weitere Impfkosten in ihr Leistungsangebot aufgenommen, beispielsweise die kombinierte Impfung für Hepatitis A und B. Welche Impfkosten zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen übernommen werden, erfahren Ver­ sicherte direkt bei ihrer Kasse. Eine Aus­nahme sind Reiseimpfungen: Für sie kommt die Grundversicherung nicht auf. Die Kosten für arbeits­medizinische Impfungen (etwa Hepatitis- oder Grippeimpfungen für das Medizinal­personal) muss der Arbeitgeber übernehmen. um ihr Ungeborenes sorgt, weil ihr erstes Kind einen Kindergarten besucht, in dem die Masern kursieren. Bei der Frage «Impfen oder Durchseu­ chen?» geht es also nicht nur um den Schutz von Individuen, sondern auch um den Gruppenschutz. Impfkampagnen ­haben zum Ziel, Krankheiten entweder auf lange Sicht ganz auszurotten oder zu­ mindest die sogenannte Herdimmunität zu erreichen – also einen genügend gros­ sen Prozentsatz der Bevölkerung gegen eine bestimmte Krankheit zu impfen, da­ mit die Ansteckungsgefahr für Nicht­ geimpfte stark verringert wird. Was spricht sonst noch für das Impfen? Erstens beugen Impfungen gefährlichen Infektionskrankheiten vor, gegen die es keine oder keine sichere Behandlung gibt. Schwere Erkrankungen, die bleibende Schäden verursachen oder sogar zum Tod führen, lassen sich so verhindern. Zwei­ tens gilt: Je mehr Personen geimpft sind, desto seltener tritt eine Krankheit auf. Viele Krankheiten wie Kinderlähmung oder Diphtherie konnten in der Schweiz und anderen Ländern dank Impfpro­gram­ men fast gänzlich zurückgedrängt werden. Drittens schützt man mit einer Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere vor Krankheiten, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden (mit Aus­ nahme von Frühsommer-Meningo­enze­ phalitis oder Starrkrampf). Vom Impfschutz anderer profitieren gleich mehrere Gruppen: w Menschen mit Krankheiten des Immun­ systems, fortschreitenden Nervenkrank­ Beobachter Gesundheit 17 heiten, Leukämie oder Allergien gegen Impfstoffe sowie Menschen, die sich aus anderen Gründen nicht impfen las­ sen können; w Babys, die keinen Nestschutz der Mutter mehr haben und ohne ausreichenden Impfschutz sind; w nicht geimpfte Kinder; w nicht geimpfte Erwachsene, die die Krankheit als Kind nicht durchgemacht haben, oder Menschen, die aus einem Herkunftsland ohne entsprechendes Impfprogramm in die Schweiz gekommen sind; w Schwangere und ihre Ungeborenen (vor allem bei Röteln). Das Rötelnvirus ist für Kinder nicht gefährlich, wohl aber für ungeimpfte Schwangere (beispielsweise Migrantinnen): Fehlgeburten und Missbildungen des Ungeborenen sind möglich. w Personen mit schweren chronischen Erkrankungen wie Lungenkrankheiten oder Herzkreislauferkrankungen sowie Menschen, die sich einer Antikrebstherapie unterziehen: In­ fektionskrankheiten können bei ihnen zu gravierenden Komplikationen führen. Als weiteres Argument führen Befürworter ins Feld, dass Impfreaktionen zumeist mild und vorübergehend sind. Un­ ter den 266 unerwünschten Wirkungen von Impfstoffen, die 2008 beim schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic gemeldet wurden, wurden am häufigsten Fieber, Unwohl­ sein und grippeartige Symptome genannt. Oft berichtet wur­ de auch über Kopfweh und Schwindel sowie über Lokal­ reaktionen wie Rötungen und Schmerzen an der Einstich­ stelle. Die schweren Nebenwirkungen der Impfungen sind viel seltener als die schweren Auswirkungen der Krankhei­ ten. Bei der Masern-Mumps-Röteln-Impfung zum Beispiel ist das Risiko, sogenannte Impfmasern und damit eine Ge­ hirnentzündung zu bekommen, 1000-mal kleiner als bei ­einer Masernerkrankung: Es steht bei etwa 1:1 Million statt – wie bei der Erkrankung – 1:1000. Auch das Risiko, einen vorübergehenden Mangel an Blut­ plättchen (Thrombozytopenie) zu bekommen, ist zehnmal kleiner, und in Bezug auf Fieberkrämpfe ist das Risiko rund 40-mal kleiner. Nebenwirkungen, die das Impfen auslösen kann, müssen in der Schweiz übrigens vom Arzt dem Heil­ mittelinstitut Swissmedic, das Impfstoffe zulässt und über­ wacht, gemeldet werden. Deshalb sollte man seinem Arzt respektive dem Arzt seines Kindes unbedingt jede unge­ wöhnliche Reaktion auf eine Impfung melden. Eines der Argumente, die Impfgegner ins Feld führen, betrifft die unerwünschten Nebenwirkungen. Tatsächlich kann jede Impfung leichte, vorübergehende, aber auch schwere Ne­ benwirkungen haben. Zum Beispiel erleidet nach der DTP- Wir haben etwas für alle Fälle. Und auf alle Fälle günstig. Mit 55 Wirkstoffen und 260 verschiedenen Darreichungsformen hält unser Sortiment für fast jeden Fall das richtige Medikament bereit. Und da wir zu den drei günstigsten Anbietern von Generika in der Schweiz gehören, helfen Sie mit der Wahl von Helvepharm-Produkten, die Gesundheitskosten niedrig zu halten. Helvepharm, das bescheidene Pharmaunternehmen. www.helvepharm.ch 18 Impfen Impfung gegen Diphtherie, Starrkrampf (Tetanus) und Keuchhusten (Pertussis) unter einer Million Geimpften im Durch­ schnitt eine Person einen sogenannten anaphylaktischen Schock, der lebens­ bedrohlich sein kann. In der Arztpraxis, wo geimpft wird, kann sofort mit Medika­ menten darauf ­reagiert werden. 30 Perso­ nen unter einer Million DTP-Geimpften erleiden zudem eine hypoton-hypo­ responsive Episode, die sich unter ande­ rem in vorübergehender Apathie äussert – glücklicherweise eine Nebenwirkung ohne Langzeitfolgen. Ausserdem leiden nach der DTP-Impfung – wiederum auf eine Million Geimpfte bezogen – 400 Säug­ linge während Stunden an sogenanntem untröst­barem Weinen. Bedenken haben Impfgegner auch ge­ Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selber vor ansteckenden Krankheiten, sondern auch andere. bedingte Spuren von Antibiotika oder ­Aluminiumsalzen. Der Grund: Alumi­ni­ um verstärkt die Wirksamkeit ver­schie­ dener Impfungen, indem es die Immun­ antwort des Körpers verstärkt. Es kann aber unter Umständen einen schädi­ genden Effekt auf Nervenzellen haben und steht im Verdacht, Autoimmun­ erkrankungen zu fördern. Allerdings kommt Aluminium in vergleichbarer Menge auch in der Nahrung und in der Muttermilch vor. Beobachter Gesundheit 19 «Infektionsland» Schweiz Weiter argumentieren Impfskeptiker, dass jede Impfung einen Eingriff ins Im­ munsystem darstelle, bei dem neben den erwünschten positiven auch negative Ef­ fekte auftreten. Impfungen stehen immer wieder im Verdacht, an Autismus, Aller­ gien, Diabetes, multipler Sklerose, Poly­ arthritis und anderen chronischen Krank­ heiten Mitschuld zu tragen. Wissenschaft­ lich erhärten liessen sich diese Verdächti­ gungen bislang allerdings nicht. Dass Impfungen aufgefrischt werden müssen, wird ebenfalls ins Feld geführt. Es stimmt zwar, dass Impfungen teilweise nicht lebenslang schützen und keinen ab­ soluten Schutz bieten. Bei den meisten Impfungen bleibt beim Kontakt mit dem entsprechenden Krankheitserreger ein Er­ krankungsrisiko von fünf Prozent. Aller­ dings verlaufen Erkrankungen bei Ge­impf­ n ten in der Regel weniger schwer. Unser Land exportiert Infektionskrankheiten wie die Masern, weil die Impfrate sehr tief ist. Jetzt fordern Politiker Massnahmen. Beat Schlatter engagiert sich für ein verbreitetes Cholesterinbewusstsein in der Bevölkerung und spendet an die Schweizerische Herzstiftung. «Richtig shoppen tut gut. Auch meinem Cholesterin.» Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Masern bis 2010 europaweit zu eliminieren, schien zu Anfang dieses Jahrzehnts zum Greifen nah. Doch zu tiefe Impfraten in Ländern wie der Schweiz, Deutsch­ land, Rumänien, Italien und Grossbritannien durch­ kreuzten den Plan. Die WHO betitelte diese Staaten als «Infektionsexportländer», da Masern­fälle aus Europa in Länder mit schlechteren Gesundheitssyste­ men verschleppt worden sind. Die Schweiz verzeichnete während der Masernepide­ mie der Jahre 2006 bis 2009 teilweise über 40 Prozent aller Infektionen in Europa. Eine Motion, die diesen März eingereicht wurde, verlangt vom Bundesrat des­ halb einen schweizerischen Eliminationsplan der Ma­ sern nach WHO-Vorbild. «Durch die Opposition einer kleinen Minderheit der Bevölkerung gegenüber der Masernimpfung sind in der Schweiz jährlich 2000 bis 3000 Personen gefährdet», argumentierte der FDP­Politiker und Mediziner Felix Gutzwiller im Vorstoss. © Antistress AG ImholzDesign genüber kleinen Dosen potentiell giftiger Zusatzstoffe, die manche Impfstoffe ent­ halten. Zwar sind darunter keine Queck­ silberspuren mehr, dafür oft produktions­ 22 | 2009 Von Impfmüdigkeit will in der Schweiz auf Behör­ denseite trotzdem niemand sprechen. «Die Mehrheit der Eltern lässt ihre Kinder gegen ­Masern, Mumps, Rö­ teln und andere Krankheiten impfen», sagt Catherine Bourquin vom Bundesamt für Gesundheit. Nur eine Minderheit fürchte sich vor Nebenwirkungen oder stelle den Sinn von Impfungen gänzlich in Frage. Viel­ mehr gingen einzelne Impfdosen zuweilen vergessen. Laut Erhebungen über das Impfverhalten sind hierzu­ lande 71 Prozent der Kleinkinder zweimalig gegen Ma­ sern geimpft. Die erste Impfung wird meist im Alter von zwölf Monaten verabreicht, die zweite Dosis mit 20 Monaten. Um Epidemien verhüten zu können, müssten 95 Prozent der Kinder zweimal geimpft sein. Auffallend ist das unterschiedliche Impfverhalten in den verschiedenen Landesteilen: «In der welschen und italienischen Schweiz werden Kinder deutlich häufiger geimpft als in der Deutschschweiz», sagt Phung Lang vom Institut für Sozial- und Präventiv­ medizin der Uni Zürich. Ein «Impfgraben» tut sich auf: In Kantonen wie Freiburg oder Jura werden Klein­ kinder deutlich häufiger geimpft als in Luzern oder Uri, die am Schluss der Rangliste stehen. Den Haupt­ grund für diesen Graben sehen Forscher im relativ starken Einfluss der impfkritischen Komplementär­ medizin, speziell der Homöopathie und der anthropo­ sophischen Medizin in der Deutschschweiz. Tut gut. Burgerstein Vitamine Burgerstein Vitamine. Erhältlich in Ihrer Apotheke und Drogerie. www.burgerstein.ch Beat Schlatter weiss: Eine ausgewogene Ernährung kann den Cholesterinspiegel günstig beeinflussen. Aber er tut noch mehr. Mit einer täglichen Portion Benecol. Diese Joghurtdrinks enthalten Pflanzenstanole, die wissenschaftlich erwiesen die Aufnahme von Cholesterin in den Körper vermindern. PROBIEREN SIE ES AUCH! Mehr unter www.emmi-benecol.ch oder 0080 0090 00100 Beobachter Gesundheit 20 Diese Krankheiten lauern 22 | 2009 Gefährlich ist die Grippe vor allem wegen ihrer Komplikationen; häufig ist eine durch Bakterien hervorgerufene Lungenentzündung. Grippe Fieber und Lungenentzündung Die ansteckende Viruserkrankung löst Fieber und Ausschlag aus. Für Erwachsene ist das Risiko von Komplikationen höher als bei Kindern. Windpocken (Wilde Blattern) Juckender Ausschlag Diphtherie Entzündung der Atemwege Das Bakterium produziert ein Gift, das Husten auslöst. Komplikationen bei Kindern: Krampfanfälle, Lungenentzündung, Hirnschädigung. Keuchhusten Husten, Lungenentzündung ergänzende Impfungen Basisimpfungen 4 Bei 2 Monate 4 Monate 6 Monate 12 Monate 12–15 Monate 11–15 Jahre > 20 Jahre ≥ 65 J. für Jugendliche, die die Windpocken nicht durchgemacht haben. 4–7 Jahre 3 Empfohlen 15–24 Monate Impfungen sollten ab dem 20. Lebensjahr alle zehn Jahre wiederholt werden. 2 Impfung zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs für Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren. Neugeborenen als ergänzende Impfung, ab 65 als Basisimpfung empfohlen. 5 Nach dem 20. Geburtstag muss von Fall zu Fall für oder gegen eine Impfung entschieden werden. 1 Diese Diphtherie1 Starrkrampf (Tetanus)1 Keuchhusten Kinderlähmung Hib (Haemophilus influenzae Typ b) Hepatitis B Masern, Mumps, Röteln Humane Papillomaviren (HPV)2 Windpocken (Wilde Blattern)3 Pneumokokken4 Grippe Pneumokokken4 Meningokokken C Humane Papillomaviren (HPV)5 Geburt Der Impfplan des Bundesamts für Gesundheit und der Eidgenössischen Kommission für Impffragen gibt eine Übersicht über die in der Schweiz empfohlenen Impfungen. Basisimpfungen gelten als für die individuelle und öffentliche Gesundheit unerlässlich, ergänzende Impfungen sollen einen optimalen individuellen Schutz bieten und/oder werden bestimmten Risiko- oder Altersgruppen empfohlen. empfohlene Impfung und Termine für die Wiederholungen beziehungsweise die Auffrischung Impfung empfohlen bei einem erhöhten Risiko für Komplikationen (u.a. bei Neugeborenen von Müttern, die an einer Hepatitis-B-Infektion leiden) Die Polio-Virus-Infektion kann milde verlaufen; bei 10 Prozent der Fälle kommt es zu einer Hirnhautentzündung, bei einem Prozent zu Lähmungen, eventuell auch zu Invalidität. Poliomyelitis Kinderlähmung Masern, Mumps und Röteln werden durch Viren ausgelöst, verlaufen mild. Bei Masern besteht die Gefahr von Hirnhaut-, Lungenentzündung. Masern, Mumps, Röteln Entzündungen Das Bakterium befällt primär die oberen Atemwege. Sein Gift führt zu Rachen-, Nasenentzündungen, Husten und Atmungsproblemen. Das Bakterium verursacht Entzündungen im Atmungssystem (Nase, Rachen, Luftröhre), bei Kleinkindern auch Hirnhautentzündungen. Schweizerischer Impfplan 2009: Zu welchen Impfungen die Behörden raten Papillomaviren werden sexuell übertragen und können Gebärmutterhalskrebs auslösen. Humane Papillomaviren Gebärmutterhalskrebs Die lebensgefährliche Infektionskrankheit kann Lähmungen, Muskelkrämpfe, Wirbelsäulenbrüche und Atemstillstand auslösen. Starrkrampf Muskelkrämpfe, Ersticken Jugendliche sind besonders gefährdet, an der Leberentzündung Hepatitis B zu erkranken. Die Spätfolgen sind Leberzirrhose und Leberkrebs. Haemophilus influenzae Hirnhautentzündung Meningo- und PneumokokkenBakterien können Lungenentzündungen, Blutvergiftungen und Hirnhautentzündung auslösen. Meningo-, Pneumokokken Entzündungen VIREN & CO. Ein Überblick über die häufigsten Infektionskrankheiten: Welche Symptome sie auslösen und wann man sich wogegen impfen lassen sollte. Text: Tatjana Stocker; Infografik: Daniel Röttele Hepatitis B Leberentzündung IMPFEN QUELLE: BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT (STAND: JANUAR 2009) Beobachter Gesundheit 22 | 2009 impfen Kleiner Stich mit grosser Wirkung IMPFSTOFFE Jeder kennt ihn, den kleinen Piks. Doch was geschieht beim Impfen genau? Ein Überblick über die verschiedenen Impftechniken und Impfstoffe, bei deren Herstellung die Gentechnik eine immer wichtigere Rolle spielt. Text: Ruth Jahn Der Effekt des Impfens lässt sich vergleichen mit einer Krankheit, die man durchmacht. Impfungen erzeugen im Körper eine spezifische Immunität gegen Viren oder Bakterien. Das heisst: Der Geimpfte ist für eine gewisse Zeit, manchmal für das ganze Leben, vor der Ansteckung durch diesen Krankheitserreger geschützt. Diese Immunität lässt sich im Körper entweder aktiv oder passiv erzeugen. Bei einer aktiven Immunisierung (hier spricht man von eigentlicher «Impfung») werden abgetötete oder abgeschwächte Erreger oder deren unschädlich gemachte Gifte verabreicht. Unser körpereigenes Immun­system wird sozusagen mit einer harmlosen Variante des Erregers respektive seines Giftes in Kontakt gebracht. Das System registriert charakteristische Strukturen des Keims oder seines Gifts und produziert spezifische Antikörper, die zusammen mit den weissen Blutkörperchen fortan Wache halten. Die Antikörper passen wie ein Schlüssel zu den Strukturen auf der Oberfläche der Erreger. Dadurch kleben die Eiweisse an den Eindringlingen. Beim Kontakt mit dem betreffenden Krankheitskeim wird dieser sofort als unerwünscht erkannt und eliminiert. Die Folge: Der Betroffene ist gegen den Erreger immun geworden. Bei einer passiven Immunisierung werden fertige Antikörper oder Antitoxine gespritzt, die gegen einen Erreger wirken. Das Immunsystem braucht also keine eigenen Antikörper zu produzieren: Es kann passiv bleiben. Zwar hält der Impfschutz bei passiven Impfungen nur wenige Wochen an, dafür setzt er sofort ein: Ein zwei- ter Kontakt zum Erreger ist nicht nötig. Die passive Immunisierung wenden Ärzte ­etwa nach dem Biss eines tollwütigen Tieres an, oder um jemanden nach einer Verletzung vor dem Tetanus-Erreger zu schützen. Heute werden hierzu sogenannte humanisierte Antikörper verwendet - von Tieren stammende Antikörper, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren menschlichen Antikörpern ähnlich gemacht ­werden. Oder es werden Antikörper ge­spritzt, die von Menschen stammen, die die ­betreffende Erkrankung bereits durch­ gemacht haben. Sogenannte Lebendimpfstoffe enthalten Erreger, die sich vermehren können. Krank machen sie nicht, sie können allerdings zu leichten Beschwerden führen. Ein Beispiel dafür sind die Impfmasern, die in der Regel harmlos verlaufen. Für die Impfung werden abgeschwächte Erreger aus­ gewählt, die ihre krank machenden Hintergrund Kleine Geschichte des Impfens Indische Brahmanen sollen erstmals auf die Idee einer Impfung gekommen sein: Sie rieben ihren Versuchspersonen ein wenig vom Inhalt eines getrockneten ­Pockenbläschens unter die Nase oder in die angeritzte Haut. Die Methode kam im 18. Jahrhundert nach Europa, funktionierte aber mehr schlecht als recht: Viele der Behandelten starben. Dem Prinzip der Impfung zu mehr Beachtung verhalf Edward Jenner. Der englische Landarzt ­führte 1796 ein riskantes Experiment durch: Er infizierte einen Achtjährigen absichtlich mit den ­weniger gefährlichen Kuhpocken und einige Wochen später mit echten Pocken. Der kleine James litt zwar an einer lokalen Pockenreaktion an der Impfwunde, gegen die echten Pocken ­hingegen war er durch die Behandlung mit den Kuhpocken immun geworden. Jenner ­nannte seine Impfung Vaccination (lat. «vaccinus»: «von Kühen stammend»). Dass Bakterien und Viren die Ursache von Infektionskrankheiten sind, wusste Jenner noch nicht. Erst die Versuche des Franzosen Louis Pasteur und des Deutschen Robert Koch konnten Mitte des 19. Jahrhunderts nachweisen, dass Keime die Auslöser von Krankheiten wie Tuberkulose sind. ­Pasteur entwickelte Impfstoffe ­gegen Milzbrand, Geflügelcholera und Tollwut. In vielen Ländern wurden wenige Jahre später erste Impfprogramme gestartet. Dabei kam es auch zu schwerwiegenden Folgen: So starben 1930 bei der «Lübecker Impfkatastrophe» 77 Babys nach einer Tuberkuloseimpfung. Der Impfstoff war mit krank machenden Tuberkulosebazillen ­verunreinigt. Ab 1950 entwickelten Pharmafirmen Impfstoffe gegen diverse Infektionskrankheiten, die zu einem Rückgang vieler Krankheiten führten. Seit 1967 macht sich die Weltgesundheits­ organisation für internationale Impfprogramme stark. Die Kinderlähmung (Polio) konnte dank weltweiten Impfprogrammen fast überall zurückgedrängt werden. In den letzten Jahren kam es jedoch in Ländern wie Indien und Nigeria wieder zu ­Epidemien. Die Pocken hingegen sind ausgerottet: 1977 kam es in Somalia zum letzten Pockenfall. 23 Publireportage Beobachter Gesundheit Die Darmflora: Hilfe und Abwehr für den Organismus ­ igenschaften verloren haben. AbgeE schwächte Impfstämme von Viren werden in Hühnerembryonen oder menschlichen Zell­linien vermehrt, Impfstämme von Bakterien in Kulturen dieser Bakterien. Die Impfstämme können auch durch gentechnische Manipulation abgeschwächt werden, ­indem einzelne Gene aus dem Erbgut des Erregers entfernt werden. Lebend­ impfstoffe werden zum Schutz vor ­Viren eingesetzt, die ­ Röteln, Mumps, Masern oder Windpocken auslösen. Die Darmflora ist ein Mini-Ökosystem aus Milliarden von Mikroorganismen, die zu unserem Wohlbefinden beitragen. Diese Mikroorganismen spielen eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Gesundheit. Man kann sogar sagen, dass das Leben ohne die Darmflora unmöglich wäre. Die bakterielle Flora des Darms spielt insbesondere eine wichtige Entgiftungsrolle, indem sie die Elimination schädlicher Substanzen aktiviert. Sie produziert verschiedene für den Organismus nützliche Substanzen, darunter Vitamine, bei denen es sich um unerlässliche regulierende Faktoren der Lebensvorgänge handelt. Dank spezifischen, von den Bakterienzellen produzierten Enzymen, werden die mit der Nahrung zugeführten Nährstoffe vom Organismus besser aufgenommen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Darmflora ist es, uns zu schützen. Sie bildet eine echte biologische Barriere, welche die krankheitserregenden Keime daran hindert, in den Organismus einzudringen und sich dort zu vermehren. Die Darmflora: ein zu schützendes Ökosystem Beim Menschen sorgt die Darmflora für ein labiles Gleichgewicht, das es ständig zu schützen gilt. Eine unausgewogene Ernährung, Veränderungen des Klimas oder der Ernährungsweise, Krankheitserreger und Arzneimittel (insbesondere Antibiotika) sind Faktoren, die die Darmflora schädigen und schwächen und dadurch ganz verschiedene Störungen hervorrufen: Durchfall, Bioflorina ist ein Medikament ohne bekannte Nebenwirkungen und Anwendungseinschränkungen (von einer Überempfindlichkeit gegen einen der Inhaltsstoffe abgesehen). Ausserdem kann es von der ganzen Familie angewendet werden, vom Säugling bis zur Grossmutter. BioflorinaTM wirkt gegen den Durchfall und normalisiert die gestörte Darmflora, z.B. bei einer Infektion durch Keime oder auch bei einer Behandlung mit Antibiotika (geschwächte Darmflora). Auf Reisen kann das Medikament auch vorbeugend gegen Durchfall eingenommen werden. Zur Erleichterung der Einnahme von BioflorinaTM können diese geöffnet und der Inhalt in kalter oder lauwarmer Flüssigkeit aufgelöst werden. Um die vollständige Wiederherstellung der Darmflora zu gewährleisten, sollte die Behandlung 5-7 Tage dauern. Achten Sie dabei auch auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr! TM Totimpfstoffe enthalten abgetötete­ ist ohne Rezept in Ihrer Apotheke oder Drogerie erhältlich. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihren Apotheker oder Drogisten und lesen Sie die Packungsbeilage. sanofi-aventis (schweiz) ag Vergiftungserscheinungen, Unwohlsein und Schwäche, Blähungen und Sättigungsgefühl. ein biologischer Schutz für die Darmflora BioflorinaTM enthält ein Probiotikum: das lebende Bakterium Enterococcus faecium des Stammes SF68. Enterococcus faecium bildet zusammen mit einigen weiteren Bakterien die physiologische Darmflora, die vielfältige Funktionen im Immunsystem, im Stoffwechsel und im Verdauungsprozess wahrnimmt. CH-BIO 08.05.03 BioflorinaTM: Er­reger, die in Hühnerembryonen oder Zelllinien vermehrt, ­ gereinigt und abgetötet werden. Da Totimpfstoffe eine schwächere Immunantwort auslösen als lebende, enthalten sie eine höhere Konzentration der Er­ reger. Impfungen mit Totimpfstoffen sind etwa Impfungen gegen Kinder­ lähmung oder FSME (FrühsommerMeningoen­ze­pha­li­tis,siehe«Hirnhaut­ entzündung», Seite 36). Totimpfstoffe, die nur Teile von Erregern enthalten, heissen Spaltimpf­stof­ fe. Hier kommt die Gentechnik zum Einsatz: Hefezellen etwa wird ein Gen für einen Baustein aus der Hülle eines Virus eingesetzt, worauf die ­Hefe diesen Baustein massenweise produziert. Ein Beispiel dafür ist die Impfung gegen Humane Papillomaviren (siehe «Krebs­vorsorge», Seite 30). Grippe­ impfstoffe sind meist Spalt­impfstoffe, werden aber meist auf Hühnerembryo­ nen produziert; ebenso die HepatitisB-Impfung oder die Impfung gegen Keuchhusten. Bei Konjugat-Impfstoffen werden Teile der Hülle des Erregers an ein Trägereiweiss gebunden. Gewisse Bakterien tragen auf der Oberfläche Zuckermoleküle, und Impfstoffe, die auf den Zuckern basieren, sind zwar bei Erwachsenen wirksam, nicht aber bei Kindern unter zwei Jahren. Dadurch, dass die Zuckermoleküle an ein Trägereiweiss gekoppelt werden, kann das Immunsystem der Kinder reagieren und eine Immunität aufbauen. Konjugat-Impfstoffe kommen gegen Haemophilus influenzae b (Hib), Pneumokokken und Meningokokken zum Einsatz - Bakterien, die Hirnhautentzündung auslösen. 22 | 2009 impfen 25 Auch Gifte der Krankheitserreger können für Impfungen verwendet werden. Und zwar dann, wenn nicht der Erreger krank macht, sondern sein Gift. Auf zuvor entgifteten Toxinen bauen zum Beispiel die Impfungen gegen Diphtherie oder Tetanus auf. DNS-Impfstoffe befinden sich noch in der Entwicklung. Solche Impfstoffe enthalten Stücke des Erbguts (DNS) der Viren oder Bakterien, die zuvor gentechnisch verändert wurden. Das Prinzip der Impfung funktioniert so: Die Erbgutinformationen des Virus gelangen mit der Impfung in die menschlichen Zellen – und darauf stellt der Körper seinen Impfstoff quasi selbst her. Die Zellen vervielfachen das Virenerbgut und produzieren, gemäss der DNS-Bauanleitung, ­Eiweisse, transportieren diese nach aussen und kleben sie an die Zellaussenwand. Da die Eiweisse die gleiche Struktur wie die Erregereiweisse haben, wird im Körper eine Immunantwort ausgelöst. Ähnliches geht vor, wenn wir eine Viruserkrankung durchmachen. Der Vorteil der Methode liegt in der einfachen Herstellung des Impfstoffs und im langwährenden Kontakt des Immunsystems mit den Bestandteilen des Erregers. Mögliche Risiken sind Schäden am Erbgut der menschlichen Zellen oder ein ungewollter dauerhafter Einbau des Erregererbguts. Forscher testen derzeit DNS-Impfstoffe gegen Aids-auslösende HI-Viren, Grippeviren oder das Masernvirus. Verabreicht werden Impfstoffe, indem man sie in einen Muskel oder in die Unterhaut spritzt. Der Impfstoff wird dort vom Immunsystem aufgenommen, in die Lymph­drüsen transportiert, und die Immun­antwort wird eingeleitet. Eine weitere Möglichkeit ist die Schluckimpfung. Viele Erreger dringen über die Schleimhäute ein, über die Atemwege oder den Darm, wie der Erreger der Kinderlähmung (Polio). Auch die Impfung durch die Nase soll den natürlichen Infektionsweg imitieren: Masern- oder Grippe­ impfungen könnten künftig per Spray verabreicht werden. Der Impfstoff wird somit dort aufgenommen, wo n die Immun­antwort wirken soll. Tinnitus Ohrensausen Neue Studien belegen: Selbstbehandlung mit Softlaser ist erfolgreich! Nachdem in den vergangenen Jahren bereits über 20’000 Betroffene von Tinnitus und ähnlichen Innenohrerkrankungen wie tinnitusbedingter Schwerhörigkeit, Druck im Ohr, Morbus Ménière (Schwindel), Hörsturz und Hörverzerrung erfolgreich mit dem TinniTool EarLaserSystem behandelt wurden, belegen jetzt zwei neue klinische Studien den Erfolg der Lasertherapie: Das Zentrum für Behandlung von Tinnitus der HNOAbteilung der Klinik von Piacenza hat, im Rahmen einer Doppel-Blind-Studie, einen Behandlungserfolg bei rund 88% aller Betroffenen festgestellt. Im Weiteren hat eine Studie der Mailänder Universitätsklinik San Raffaele aufgezeigt, dass mit dem TinniTool EarLaser Anzahl und Dauer von Schwindelanfällen bei Morbus Ménière signifikant reduziert werden kann. Die täglich ca. 20-minütige Anwendung erfolgt vom Betroffenen selbst, bequem und kostengünstig zu Hause (ohne Fachkenntnisse) und ist völlig sicher und schmerzlos. Das konzentrierte Licht des EarLasers stimuliert die Zuckerverbrennung und verbessert somit die ATP-Versorgung der Zellen. ATP (Adenosintriphosphat) ist eine Schlüsselsubstanz der menschlichen Körperzellen. Die Regeneration der unterversorgten und damit geschädigten Hörsinneszellen kann somit mit der Softlasertherapie beschleunigt werden. Der batteriebetriebene EarLaser sitzt bequem am Kopf und kann genau in die zu behandelnde Ohrzone eindringen. Der Laserstrahl durchdringt selbst tiefere Unterhautschichten und wirkt so als heilsame Biostimulation direkt auf den Stoffwechsel im Ohr. TinniTool EarLaser CHF 460.- oder Miete für 3 Monate: CHF 229.DisMark GmbH Rellikonstrasse 7 CH-8124 Maur Tel: 043 / 366 06 66 [email protected] www.tinnitus-hilfe.ch Beobachter Gesundheit 22 | 2009 Impfen Die grosse Sorge um die Kleinen KINDERIMPFUNGEN Viele Eltern wollen ihren Lieblingen den Piks ersparen oder sie erst später impfen lassen – aus Angst vor Impfschäden. Damit setzen sie nicht nur ihr Kind, sondern auch sein soziales Umfeld Krankheitsrisiken aus, warnen Ärzte. Text: Ruth Jahn Das Dilemma, vor dem Eltern stehen, be­ ginnt wenige Wochen nach der ­Geburt ih­ res Kindes: Sollen sie das Baby gegen Diphtherie, Hirnhautentzündun­g, Kinder­ lähmung und andere Krankheiten impfen lassen? Und vielen graut es bei der Vorstel­ lung, ihrem Schützling in den ersten zwei Lebensjahren 14 Spritzen gegen acht Krank­heiten setzen zu lassen, wie es die Gesundheitsbehörden empfehlen (siehe «Impfplan», Seite 20). Eine Haltung, die bei vielen Medizinern auf Verständnis stösst. «Eine skeptische Haltung gegenüber Impfungen darf nicht verwechselt werden mit Uneinsichtigkeit oder gar Verantwortungslosigkeit», sagt der Berner Arzt Peter Klein, Mitglied der Arbeitsgruppe für differenzierte Imp­ fungen. Als Familienarzt mache er die Er­ fahrung, dass gerade diejenigen Eltern, die verstehen wollen, worum es bei den einzelnen Impfungen geht, ihre Verant­ wortung gegenüber den Kindern ausge­ sprochen ernst nehmen würden. Manche Eltern haben Bedenken, in das Immunsystem des Kindes «künstlich ein­ zugreifen». Oder es fällt ihnen schlicht schwer, ihr Baby piksen zu lassen. Sie fra­ gen sich, ob ihr Kind die impfbaren Krank­ heiten nicht auch gefahrlos überstehen könnte. Und warum es so früh gleich so viele Impfungen sein müssen. Der Impfplan des Bundesamts für Gesund­ heit sieht die ersten Impfungen im Alter von zwei Monaten vor. Eine Empfehlung, die von Skeptikern teilweise infrage ge­ stellt wird. «Abgesehen von der ­ Impfung gegen Hämophilus-Bakterien, Keuch­hus­ ten und allenfalls gegen Pneu­mo­kok­ken gibt es keinen absoluten Grund, schon im ersten Lebensjahr zu impfen», sagt Peter Klein. Impfbefürworter hingegen sind der Mei­ nung, «dass theoretisch schon Neugebo­ rene geimpft werden könnten, weil ihr Im­ munsystem dafür bereit wäre», so Hans Binz, Vizepräsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF). Die Kommission setzt sich aus unabhängigen Experten zusammen, die bei Impffragen ­zwischen Behörden, Fachkreisen und der Bevölkerung vermitteln und Empfehlun­ gen für oder gegen bestimmte Impfungen ausarbeiten. Neugeborene sind durch den sogenann­ ten Nestschutz geschützt: durch die müt­ terlichen Antikörper, die das Kind wäh­ rend der Schwangerschaft via Nabel­ schnurblut erhalten hat und nach der Ge­ burt über die Muttermilch erhält. Doch nach ungefähr einem halben Jahr versiegt diese von der Mutter geliehene Immuni­ Impfschutz: Auch für Erwachsene ein Thema Ob Erwachsene gegen Krankheiten wie D­ iph­therie, Starrkrampf, Keuchhusten und ­Kinderlähmung geschützt sind, hängt davon ab, ob «die Grundimmunisierung im Kindesalter ­gemacht worden ist», sagt Hans Binz, Vizepräsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen. «Dann ist auch der Erwachsene ­gegen Diphtherie, Starrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung geschützt.» Allerdings müssen die Diphtherie- und Starrkrampf­ impfungen alle zehn Jahre aufgefrischt werden. Die Impfung gegen Keuchhusten braucht nicht aufgefrischt zu werden, die Impfung gegen ­Kinderlähmung nur, wenn der Betref­ fende in Länder reist, in denen Kinderlähmung vorkommt. Auf eine Hepatitis-B-Impfung können Erwachsene verzichten, falls kein spezielles Risiko vorliegt. Ein erhöhtes Ansteckungsrisiko ­haben etwa das Medizinal- und Pflegepersonal, Konsumenten von injizierbaren Drogen, enge Kontaktpersonen von Patienten mit Hepatitis B, Sozialarbeiter, Polizeiangestellte oder Personen aus Ländern, in denen Hepa­titis B häufig vorkommt – etwa China, der Nahe und Mittlere ­Osten oder Teile Afrikas. Ebenso kann auf die Impfung gegen die von ­Zecken übertragbare Frühsommer-Meningoenzepha­litis verzichtet werden, wenn man sich nicht in Regio­nen aufhält, wo infizierte Zecken vorkommen (siehe «Hirnhautentzündung», Seite 36). Sich gegen die saisonale Grippe impfen zu lassen ist für gesunde Erwachsene unter 65 Jah­ren nicht zwingend. Für Risikopersonen oder Ältere ist die Grippe jedoch eine ernste Krankheit: Für diese Menschen und deren Umfeld macht eine Impfung Sinn. Leute, die durch eine Grippeerkrankung gefährdeter sind als ­andere, sind etwa chronisch Kranke sowie Per­ so­nen, die an Herz- oder Lungenkrankheiten, Niereninsuffizienz, Diabetes oder Blutkrankheiten leiden. Ebenfalls impfen lassen sollten sich Personen mit einem geschwächten Immunsystem – etwa nach einer Organtransplantation. 27 28 Impfen tät. «Damit Säuglinge den Krankheiten nicht schutzlos ausgeliefert sind, werden sie ab dem zweiten Monat mit den ersten Dosen geimpft und erhalten dann zwei weitere Dosen, so dass sie in der Regel mit sechs Monaten durch ihr eigenes Immun­ system geschützt sind», erklärt der ­Impfspezialist Binz, der im Spital in Solo­ thurn tätig ist. Ausserdem beobachte man im Säuglings­ alter am wenigsten Neben­wirkungen bei Impfungen. Kindern unter eineinhalb Jah­ ren mache zudem das ­Stechen beim Kin­ derarzt deutlich weniger Angst. Zweifel an Impfungen werden durch Kri­ tiker genährt, die die fehlende Unabhän­ gigkeit der Impfforschung von der Phar­ maindustrie bemängeln oder auf die sehr seltenen, aber möglichen schweren Ne­ benwirkungen von Impfungen und auf Beobachter Gesundheit 29 22 | 2009 mögliche Langzeitschäden durch Zusatz­ stoffe in den Impfungen hinweisen (siehe «Streitfrage», Seite 16). Es gibt auch Gegner, die jenseits ratio­ naler oder wissenschaftlich überprüfbarer Thesen argumentieren. Sie behaupten, dass das Impfen für eine ganze Reihe von Phänomenen und Krankheiten verant­ wortlich sei – von ­Autismus, Diabetes und Allergien über das Aufmerksamkeitsdefi­ zit ADHS bis hin zur Homosexualität. In­ fektionskrankheiten durchzumachen sei zudem ein nötiger Schritt in der Entwick­ lung des Kindes. Sogar Masern- und Wind­pocken-Kinder­ partys werden auf einschlägigen Internet­ seiten empfohlen: Diese sollen den ­Kindern eine Ansteckung mit einem be­ stimmten Erreger «ermöglichen», der ge­ rade kursiert. Das Motto lautet: durch­ Impfen Wann ist der richtige Zeitpunkt? Vielen Eltern erscheint das Hinauszögern der Impfung als guter Kompromiss zwischen Impf­ verweige­rung und offiziellem Impfplan (siehe «Impfplan», Seite 20). Eine Strategie, die sich jedoch als Trugschluss erweist. Bei Masern, Mumps oder Röteln beispielsweise steigt die Komplikationsrate mit zunehmendem ­Alter an. Weshalb manche impfkritischen Ärzte vorschlagen, Kinder nicht wie empfohlen schon mit zwölf Monaten, sondern erst als Kindergarten- oder Schulkind oder erst bei einer lokalen Masernoder Mumpsepidemie zu impfen. Das Problem: Bis zur Impfung fehlt dem Kind somit ein Schutz. Zudem ist es fraglich, ob sich Kinder bis zum Bekanntwerden einer Epidemie nicht bereits angesteckt haben. Denn vor allem Masern sind hochansteckend und werden vor dem typischen Hautausschlag an andere weitergegeben. Zudem häufen sich seit einigen Jahren Fälle von Masern in der Schweiz. Auch gegen Diphtherie und Starrkrampf könnte später geimpft werden, also nicht wie im Impfplan vorgesehen schon im Alter von zwei Monaten, sondern erst mit zwölf Monaten. Denn Diphtherie gibt es in der Schweiz nicht mehr. Für Babys, die noch nicht krabbeln oder laufen ­können, ist die Verletzungsgefahr und damit die Gefahr, sich mit dem Starrkrampfbakterium zu ­infizieren, viel geringer als bei älteren Kindern. Aber: Diphtheriebakterien zirkulieren noch in ­einigen Ländern wie Russland oder Nordafrika und könnten eingeschleppt werden – was auch bei Reisen zu bedenken ist. Und: Trotz Behandlung mit Antibiotika verläuft die Diphtherie bei einem von zehn Kindern tödlich. Bei vorläufigem Verzicht auf die Tetanusspritze müssen Eltern beachten, dass Starrkrampfbakterien überall vorkommen: in der Erde, im Pferdestall und im Strassenstaub. Auch dieses Bakterium kann mit einer Antibiotikaund Antitoxintherapie nicht immer in Schach gehalten werden: In einem von vier Fällen verläuft die Infektion tödlich. Eine andere Alternative sieht vor, Kinder nur bei erhöhtem Risiko gegen Keuchhusten und ­Haemophilus influenza b (Hib) impfen zu lassen. Zum Beispiel bei früher Geburt, Ernährung mit ­Flaschenmilch, wenn das Kind bereits als Baby Krippe oder Spielgruppe besucht oder wenn es ­mehrere Geschwister hat. Was Eltern hierbei bedenken müssen: Beide Erkrankungen sind vor allem für Babys gefährlich. Bei einer Infektion mit dem Bakterium Hib kann es zu einer Hirnhautent­ zündung oder einer Kehlkopfdeckelentzündung mit Erstickungsgefahr kommen. Trotz Antibiotikatherapie haben zehn Prozent der infizierten Kinder Dauerschäden. Auch Keuchhusten wird in seiner Gefährlichkeit meist unterschätzt: Gefürchtete Komplikationen sind Lungenentzündungen und Krampfanfälle. In Industrieländern führt Keuchhusten bei 2 von 1000 Erkrankten zum Tod. gemacht ist durchgemacht. «Das sind alles Behauptungen ohne wissenschaft­ liche Belege», kontert der Impfspezialist Hans Binz. Viele Eltern verhalten sich paradox und unterschätzen die Gefährlichkeit von Kin­ derkrankheiten. Die Vorstellung, ihrem Sprössling mit dem Piks beim Kinderarzt womöglich einen Impfschaden zuzufü­ gen, bereitet ihnen schlaflose Nächte. Dass ihr ungeimpftes Kind aber einen Ma­ sernerreger oder ein Teta­nus­-Bakterium auflesen und daran er­kranken könnte, vergessen sie dabei oft – oder sie nehmen es als etwas Natur­ge­gebenes hin. Sachlichen Kriterien hält ­diese Sicht nicht stand. Keine Impfung ist ganz ohne Risiko, aber die Gefahren sind viel geringer als bei einer natürlichen Erkrankung. So ist etwa das Risiko, durch die sogenannte MMRImpfung ­ gegen Mumps, Masern und Rö­ teln eine Gehirnentzündung zu erleiden, 1000-mal kleiner als bei einer Erkrankung an Masern. Keine Impfung ist ohne Risiko, aber die Gefahren sind viel geringer als bei einer natürlichen Erkrankung. Eltern wissen oft nicht, dass etwa die Ma­ sern schwerste Lungenentzündungen und lebensgefährliche Hirnentzündungen auslösen können und wegen Komplika­ tionen immer wieder Kinder ins Spital müssen – oder gar sterben. Und dies nicht nur in Ländern mit Unterernährung oder mangelhafter Gesundheitsversorgung: «Man hegt die Illusion, wir könnten hier­ zulande alle auftretenden Infektionen me­ dikamentös beherrschen», sagt der Zür­ cher Präventivmediziner Robert Steffen. Dem sei nicht so: Die Masern sind auch in der Schweiz in einem von 3000 Fällen töd­ lich, und auch an Keuchhusten sterben hierzulande noch Babys (zwischen 1995 und 2005 waren es drei Todesfälle). Wie erklärt sich in diesem Zusammen­ hang die vor allem in der deutschen Schweiz vorkommende Skepsis gegen­über dem Impfen? «Impfungen sind Opfer ih­ res eigenen Erfolgs geworden», glaubt Hans Binz von der EKIF. Heute seien schwere Krankheiten aus unserem Be­ wusstsein verschwunden – dank Imp­ fungen. «Die Menschen heute kennen die Missbildungen bei Kindern nicht mehr, die durch eine pränatale Infektion mit Rö­ teln entstehen. Oder sie haben nicht mit­ erlebt, dass jemand mit Starrkrampf oft 30 Tage lang auf der Intensivstation zubrin­ gen musste – falls der Patient die Erkran­ kung überhaupt überlebte.» Todesfälle wegen Röteln gibt es heute zum Glück nicht mehr, und Starrkrampf tritt hierzulande nur noch selten auf – und nur bei ungenügend oder nicht geimpften Personen. Auch Robert Steffen betont: «Dank Impfungen ist in der Schweiz seit mehr als 25 Jahren niemand an Diphthe­ rie gestorben.» Und ebenso lange sei es her, dass ein Kind in der Schweiz eines Morgens vollkommen gelähmt im Bett er­ wachte, weil es sich mit dem Erreger der Kinderlähmung angesteckt hatte. Doch warum soll man sein Kind gegen na­ hezu ausgerottete Krankheiten impfen? «Impfungen sind nach wie vor unerläss­ lich», sagt Steffen: «Damit diese Krank­ heiten in Zukunft nicht wieder vermehrt auftreten, sind hohe Durchimpfungsraten wichtig – je nach Krankheitserreger von 80 bis 95 Prozent.» Die seit 2003 in der Schweiz in Wellen auftretende Masernepi­ demie zeige, dass Erreger schnell die Über­ hand gewinnen, wenn nicht genügend Kin­ der geimpft sind. Zudem könnten Krank­ heiten wie die Kinderlähmung, die es bei uns nicht mehr gibt, aus Regionen wie ­Indien oder Afrika wieder eingeschleppt werden. «Die Eltern eines ge­impften Kin­ des werden nie wissen, ob ihr Kind ohne Impfung erkrankt wäre – und dies allen­ falls mit Todesfolge», bringt der Präventiv­ mediziner die Krux mit dem Impfen auf den Punkt. Und fügt an: «Deshalb werden n sie dies der Impfung nie danken.» Diese Impfungen empfehlen Mediziner In der Schweiz ist es Eltern freigestellt, ihr Kind impfen zu ­lassen. Dennoch rufen Kinderärzte dazu auf. Denn je mehr Kinder geimpft sind, desto seltener treten Infektionskrankheiten auf. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt 2009 – im Einklang mit Kinderärztinnen und -ärzten ­sowie nationalen und internationalen Gremien wie der Weltgesundheits­ organisation –, Kinder gegen Diph­ therie, Starrkrampf, Keuch­husten, Kinderlähmung, Hirnhaut­ent­zün­dung und Kehlkopfdeckelent­zündung durch das Bakterium Haemophilus influenzae b (Hib) sowie ­gegen Ma­ sern, Mumps und Röteln (MMR) imp­ fen zu lassen. Ausserdem rät das BAG je nach ­Wohnregion in der Schweiz – und frühestens ab sechs Jahren – zur Impfung gegen die von Zecken über­ tragbare Frühsommer-Meningo­ enzephalitis (FSME) (siehe «Hirnhaut­ entzündung», Seite 36). Ergänzend vorgesehen sind für ­ ltern, die auf Nummer sicher gehen E wollen, Impfungen gegen Pneumo­ kokken und Meningokokken. Pneu­ mokokken sind bei Kindern unter zwei Jahren die häufigste Ursache für akute bakterielle Hirnhautentzün­ dung, Meningokokken wiederum können Blutvergiftungen oder Hirn­ hautentzündung auslösen. Bei be­ sonders gefährdeten Kindern, zum Beispiel bei Kindern mit speziellen Vorerkrankungen oder bei Früh­ geborenen, rät der offizielle Impfplan (siehe Seite 20) zu weiteren Imp­ fungen: gegen Hepatitis A und B, Grippe und Windpocken. Eine Tuberkuloseimpfung wird für Neugeborene und Säuglinge unter zwölf Monaten empfohlen, die aus osteuropäischen, asiatischen oder ­anderen Ländern kommen, in denen die Tuberkulose verbreitet ist. Vor der Pubertät werden weitere Impfungen empfohlen: 11- bis 15-Jäh­ rigen die Impfung gegen Hepatitis B, ein ­Virus, das sexuell oder durch Blut übertragen wird. Hepatitis B kann eine Leber­zirrhose oder gar Leberkrebs nach sich ziehen. Mädchen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren empfiehlt das BAG die Impfung gegen Huma­ne Papil­lomaviren (HPV) ­(siehe «Krebs­vorsorge», Seite 30). Die­ se ­Viren sind sexuell übertragbar, weit verbreitet und werden für Ge­bärmut­ terhalskrebs verantwortlich ­gemacht. 15- bis 19-Jährige, die bisher nicht geimpft worden sind, können die Imp­ fung nachholen. Ausserdem raten Ärztinnen und Ärzte heute ­Jugendlichen, die die Windpocken (Spitze respektive Wilde Blattern) noch nicht durchgemacht haben, zu einer Impfung. Die Krank­ heit ist bei Kindern zwar meist harm­ los, im Erwachsenenalter aber ist das Kom­plikationsrisiko erhöht: Es kann zu ­Mittelohr-, Lungen- oder ­Gehirnentzündung kommen – und bei schwangeren ­Frauen auch zu Schädigungen des ­Ungeborenen. Was oft vergessen geht: Impfungen ­gegen Diphtherie und Tetanus sollten im Alter von 11 bis 15 Jahren erneuert werden, damit der Impfschutz weiter­ hin gewährt ist. Preiselbeeren können einen Beitrag zur Gesunderhaltung der Blase leisten. ALPINAMED Trink-Konzentrat s Kapseln s Trinkgranulat natürlich gesund In Apotheken und Drogerien. www.alpinamed.ch 30 Impfen Wenn Liebe gefährlich wird KREBSVORSORGE Das Humane Papillomavirus kann Gebärmutterhalskrebs ­verursachen. Gegen die sexuell übertragbare Viruserkrankung lassen sich immer mehr junge Frauen impfen. Wie weit damit das Krebsrisiko sinkt, ist nicht restlos erforscht. Text: Walter Aeschimann Humanes Papillomavirus? Noch nie gehört. So geht es vielen. Das Virus ist noch kaum bekannt, obschon sehr verbreitet – und gefährlich. Infektionen mit dem HPVirus, die zu den sexuell übertragbaren Viruserkrankungen gehören, können Gebärmutterhalskrebs auslösen. In der Schweiz erkranken jedes Jahr über 300 – meist jüngere – Frauen an dieser Krebsart. Etwa 90 sterben daran. Nicht alle dieser Viren, die meist durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, sind gleich gefährlich. Je nach Virenart lösen HP-Viren unterschiedliche Erkrankungen aus. Von den mehr als 100 Unterarten des Virus verursachen etwa 40 eine Infektion der Haut- und Schleimhaut­ zellen im Genitalbereich und Anus. Die meisten Infektionen lösen keine Beschwerden aus und werden deshalb auch nicht erkannt. Durch einige Niedrigrisiko-Virentypen entstehen Warzen (Feigwarzen oder Kondylome) im Genitalbereich. Genitalwarzen sind Geschwülste, die an den äusseren Geschlechtsorganen (Vulva, Penis), im oder um den Scheiden- oder After­eingang, in der Harnröhre, am Gebärmutterhals oder an den Oberschenkeln erscheinen. Sie können gewölbt oder flach, klein oder gross sein, und sie können einzeln oder zu mehreren auftreten. Feigwarzen heilen in vielen Fällen ohne Behandlung ab. Weil sie sich schnell ausbreiten, ist es aber wichtig, diese regelmässig kontrollieren zu lassen. Wichtig ist es auch, dass sich alle Sexualpartner behandeln lassen. Weniger harmlos sind die HP-Viren der «Hochrisikogruppe»: Diese stehen im ­Verdacht, an der Entstehung von bösarti­ gen Erkrankungen beteiligt zu sein. Bewie­ sen ist mittlerweile der Zusammenhang einer Infektion mit bestimmten HP-Viren und Gebärmutterhalskrebs. Wie es zu ­einer bösartigen Entartung infolge einer HPV-Infektion kommt, ist allerdings nicht vollständig geklärt. Bei den meisten Be- Beobachter Gesundheit 31 22 | 2009 troffenen bleibt die Infektion vorerst unbemerkt, verschwindet wieder oder bleibt im Körper, jedoch ohne grossen Schaden anzurichten. Bei jeder fünften Frau hingegen, die mit einem Hochrisikotyp des Virus infiziert ist, ­entwickelt sich eine Krebsvorstufe oder Krebs. In der Schweiz werden jährlich 5000 Krebsvorstufen diagnostiziert. Bei Frauen unter 50 ist Gebärmutterhalskrebs nach Brust-, Darm- und Gebärmutterkrebs die viert­häufigste Krebsart. Am ­häufigsten erkranken Frauen im Alter ­zwischen 40 und 55 Jahren sowie nach dem 60. ­Lebensjahr. Eine Infektion mit dem Virus wird meist anhand von Hautveränderungen festgestellt. Manchmal sind diese nur sehr geringfügig und mit blossem Auge nicht wahrnehmbar. Doch mit Hilfe eines Essigsäuretests lassen sich auch unauffällige Hauterscheinungen sichtbar machen. Um bösartige Veränderungen auszuschliessen, wird zusätzlich eine Gewebeprobe entnommen. Später lassen sich die Viren nur mehr bedingt nachweisen: Ein bis INFOs Bundesamt für Gesundheit w Richtlinien, Empfehlungen, Factsheets; Infos zur Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenversicherung: www.bag.admin.ch (Themen → ­Krankheiten und Medizin → Infektionskrankheiten → Humane Papillomaviren); Impf-Infoline: Telefon 0844 448 448 (Beratung gratis, Telefongebühren Fernbereich Schweiz) www.tellsomeone.ch w Informationsseite über Gebärmutterhalskrebs und Humane Papillomaviren www.sprechzimmer.ch w Informationen zu Gebärmutterhalskrebs zwei Jahre nach der Infektion sind die ­Viren bei der Mehrheit der infizierten Frauen nicht mehr belegbar. Studien ­zeigen, dass 64 bis 70 Prozent der männlichen ­Beziehungspartner von Frauen mit einer HPV-Erkrankung ihrerseits von denselben Viren verursachte kleinste ­Verletzungen am Penis aufweisen. Verletzungen, die oftmals nicht erkannt werden. Bei Männern verursacht HPV jedoch ­selten ernsthafte Gesundheitsprobleme, insbesondere bei jenen, die über ein ­gesundes Immunsystem verfügen. Die effektivste Massnahme, um sich vor einer HPV-Infektion zu schützen, wäre Enthaltsamkeit. Denn «Safer Sex» und Kondome reichen bei HP-Viren nicht immer aus. Der Erreger ist hochansteckend und sehr verbreitet. Daher ist es kaum möglich, sich beim Geschlechtsverkehr hundertprozentig vor einer Infektion zu schützen. Das Virus kann mehrere Jahre lang «still» sein, bevor es durch einen Test entdeckt wird. Eine Möglichkeit, sicher festzustellen, wann und von wem man angesteckt worden ist, gibt es nicht. Behandelt werden kann eine HPV-Infek­ tion auf verschiedene Arten. Der Erfolg hängt vom Schweregrad und vom Stadium der Krankheit ab. In leichten Fällen helfen beispielsweise Salben, das Wachstum der Viren zu hemmen. Die Patientin kann diese Salben selber auftragen. Beim Arzt wird die Erkrankung unter anderem mit hochkonzentrierter Trichloressigsäure oder Lasertherapie behandelt. In schweren Fällen müssen Hautveränderungen operativ entfernt werden. Da es zu einem weiteren Auftreten der HPV-Infektion kommen kann, sind Nachkontrollen nötig. Die prophylaktische HPV-Impfung mit den gentechnisch hergestellten Stoffen Gardasil und Cervarix ist seit September 2006 von der europäischen Arzneimittel­ agen­tur zugelassen. In der Schweiz ist derzeit Gardasil freigegeben. Das Bundesamt für Gesundheit und die Eidgenössische Kommission für Impf­ fragen empfehlen ­eine generelle Impfung für alle Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren. 15- bis 19-jährigen Frauen, die noch nicht geimpft worden sind, wird eine Nachholimpfung empfohlen. Die Kosten werden von den Krankenkassen im Rahmen von kantonalen Impfprogrammen übernommen. Am besten fragt man in der Apotheke, beim Haus- oder Kantonsarzt nach dem aktuellen Programm. Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs umfasst drei Injektionen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Mit dieser Impfung kann man sich nach heutigen ­Erkenntnissen vor vier HP-Viren schützen, die an der Entstehung von 70 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs (HPV­Typen 16, 18) sowie bei 90 Prozent aller Genitalwarzen (HPV-Typen 6, 11) beteiligt sind. Es gibt etwa 15 Typen des HP-­Virus, die ­Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Cervarix und Gardasil wurden zum Schutz vor zwei respektive vier Virentypen entwickelt. Sie können Frauen aber nicht vollständig gegen die übrigen 30 Prozent der Gebärmutterhalskrebs­erkrankungen schützen, die von anderen HochrisikoViren­typen verursacht werden. Gynäko­ logische Kontrollen zur Früh­erken­nung von HPV-Infektionen sind ­ aus diesem Grund auch bei geimpften Frauen ­ eine Not­wendigkeit. Die Impfstoffe wirken vorbeugend. Eine bereits bestehende HPV-Infektion kann demzufolge weder behandelt noch beseitigt werden. Ebenso wenig können die ­bereits existierenden Folgen einer solchen Infektion, wie etwa Gebärmutterhalskrebs oder dessen Vorstufen, ­ mittels einer ­Impfung behandelt werden. Unbekannt ist auch, ob später im Leben Auffrisch­ impfungen nötig sind, um den Fortbestand des Impfschutzes zu ­ge­währ­leisten. Bisher zeigen Studien, dass der Impfstoff ­mindestens fünf Jahre ­ anhält. Obwohl sich mittlerweile in rund 80 Ländern Mil­ lio­nen von jungen Frauen gegen das Virus haben impfen lassen, ist die Impfung noch nicht ganz etabliert. Umstritten ist sie vor allem, weil noch keine Langzeitdaten bezüglich ihrer Wirksamkeit gegen Krebs vorliegen und die Nebenwirkungen nicht restlos erforscht sind. Neuste Studien geben nun aber tenden­ ziell Entwarnung: Die Schwere und Häufigkeit der Nebenwirkungen lag in der im Fachmagazin «JAMA» jüngst veröffentlich­ ten Studie im Bereich der etablierten Impfungen. In sechs Prozent traten schwere Nebenwirkungen wie Ohnmachtsanfälle, Blutgerinnsel, allergische Reaktionen oder Autoimmunstörungen auf. Trotzdem blieben viele Fragen offen, heisst es im Kommentar zur Studie. Zwar habe sich die Impfung als effektiv gegen eine Infektion mit dem Virus erwiesen. Inwieweit sie das spätere Krebsrisiko der geimpften jungen Frauen wirklich senke, könnten jedoch n erst Langzeitstudien zeigen. DIE NATÜRLICHSTE ART, GESUND DURCH DEN WINTER ZU KOMMEN. IM EINKLANG MIT MENSCH UND NATUR Eine geschwächte Abwehr macht unseren Körper anfällig für Erkrankungen. Weleda Arzneimittel auf der Basis von Natursubstanzen behandeln nicht nur die Symptome einer Erkältung oder einer Grippe, sie regen zudem die Selbstheilungskräfte des Organismus an. Das WELEDA HUSTENELIXIER lindert Hustenbeschwerden bei akuter oder chronischer Entzündung der Atemwege sowie Reizhusten. Bei Hals- und Rachenentzündungen wirken ECHINADORON LUTSCHTABLETTEN entzündungshemmend und stimulieren das Immunsystem. So hilft Weleda in einem umfassenden Sinn, Gesundheit und Wohlbefinden zu bewahren. Seit über 80 Jahren. Im Einklang mit Mensch und Natur. www.weleda.ch Dies sind Arzneimittel. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage. Weleda AG, 4144 Arlesheim Beobachter Gesundheit 22 | 2009 Impfen Zuerst impfen, dann verreisen TROPENKRANKHEITEN In den Wintermonaten flüchten viele Schweizerinnen und Schweizer in wärmere Gefilde. Für die Gesundheit kann dies riskant sein: In den Tropen sind viele ­Erreger heimisch. Impfungen beugen dem Schlimmsten vor. Text: Walter Aeschimann Schweizerinnen und Schweizer leiden an Reisefieber: Über 21 Millionen Mal im Jahr packen sie die Koffer, um die Welt zu ent­ decken. In den Wintermonaten zieht es sie oft in wärmere, südliche Gegenden. Doch ­gerade tropische und subtropische Länder und Zonen gelten als Gefahrenherd: Dort lauern Infektionserreger, die die Gesund­ heit massiv angreifen können. Die Ratschläge der Experten zu befolgen kann vor miesen Reisesouvenirs schützen – und unter Umständen gar lebenswichtig sein. Viele ­ Infektionskrankheiten können ohne Impfung ­ einen schweren Verlauf nehmen, ­einige sogar tödlich enden. Da­ bei lässt sich das Infektionsrisiko durch ­einfache Vorsichtsmassnahmen im Reise­ land ­ vermindern. Dazu gehören: Hände regelmässig waschen; nur Mineralwasser aus versiegelten Flaschen trinken; nur ge­ kochte Speisen essen sowie bei sexuellen Kontakten Präservative gebrauchen. Die richtigen Vorkehrungen treffen kann nur, wer auch die möglichen Risiken kennt. Die optimale Vorbereitung beginnt deshalb mit der gründlichen Information über das Reiseland und die dortige ­Gesundheitsvorsorge. Hinweise dazu fin­ den sich auf Internetseiten wie www.safe­ travel.ch (siehe «Infos»). Verlassen sollte man sich nur auf unabhängige oder offi­ ziel­le Quellen wie behördliche Stellen, Impfzentren oder Tropeninstitute. Doch selbst die beste Reisevorbereitung kann den Besuch beim Arzt nicht erset­ zen. Mindestens sechs bis acht Wochen vor der Reise sollte man ein Beratungs­ gespräch vereinbaren. Denn gewisse Imp­ fungen benötigen mehrere Impfdosen. Auch Spontanreisende, die sich für eine Last-Minute-Reise entscheiden, sollten davor unbedingt einen Arzt aufsuchen (Impfausweis mitnehmen!). Die weitver­ breitete Meinung, die verbleibende Zeit reiche sowieso nicht aus, um sich noch impfen zu lassen, stimmt so nicht. «Besser spät als nie», lautet die Empfehlung der Fachleute. Ist die Zeit knapp, besteht die Möglichkeit einer Auffrischimpfung, die rasch einen genügenden Schutz bietet. Ausserdem existieren beschleunigte Impf­ schemata, bei denen Impfungen in kurzer Zeit durchgeführt werden können. Heute lassen sich mehrere Impfungen gleichzei­ tig vornehmen. Vor Reiseantritt sollten alle in der Schweiz üblichen Basisimpfungen wie Masern, Mumps, Röteln, Windpocken oder Hepa­ titis B den aktuellen Empfehlungen ent­ sprechen. Fehlende Basis­impfungen müs­ sen nachgeholt werden. Alle zehn Jahre aufgefrischt werden sollte beispielsweise der Schutz gegen Diphtherie und Tetanus. Impfen lassen kann man sich ausser bei der Hausärztin auch bei einem Tropenarzt oder in einem Impfzentrum. Einzig die Gelbfieberimpfung wird nur in Impf­ zentren und von bestimmten Impfärz­ tinnen durchgeführt. Ob Impfungen bei Auslandsreisen ange­ zeigt sind, hängt von verschiedenen Fak­ toren ab: von den Einreisevorschriften des entsprechenden Landes, aber auch von den reise- und umgebungsspezifischen Aspekten. Ob man zu einem Städtetrip nach New York oder zu einer Expedition ins Amazonasgebiet aufbricht, macht ­einen Unterschied; die epidemiologische Lage vor Ort ist komplett verschieden. Auch die Aufenthaltsdauer (sind es Kurz­ ferien oder ist es ein sechsmonatiger Auf­ enthalt?) sowie der Reisestil (ist es eine Trekkingreise oder wird in Fünfsterne­ hotels logiert?) müssen in die Überlegun­ gen miteinbezogen werden. Nicht zuletzt entscheiden persönliche Kriterien über die Notwendigkeit von Impfungen: etwa das Alter des Reisenden (Kleinkind oder Se­nior), der allgemeine Gesundheits­ zustand, eine mögliche Schwangerschaft, bestehende Allergien oder Impfunverträg­ lichkeiten sowie die Medikamente, die man bereits einnimmt. Während einige Impfungen allen Reisen­ den empfohlen werden, sind andere ab­ hängig von der Wahl des Reiselands und den Reisebedingungen. Auf der Website www.safetravel.ch kann man sich einen Überblick über die jeweiligen Impf­ vorschriften des Reiselands verschaffen. Die Auflagen werden durch das Land er­ lassen und laufend an die bestehenden Risiken angepasst. Die meisten Länder richten sich nach den Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation, welche die aktuellen Infektionsherde und Ende­ miegebiete regelmässig bekanntgibt. Die Gelbfieberimpfung beispielsweise wird für alle Reisenden in die Amazonas­ regionen, nach Zentralamerika und in Ge­ biete südlich der Sahara empfohlen. Für einige west- und zentralafrikanische ­Regio­nen ist die Impfung obligatorisch. Eine Schutzimpfung gegen Gelbfieber ist auch kurz vor einer Last-Minute-Reise wirksam, selbst wenn die Reise in weniger als zehn Tagen beginnt. Wissen sollte man 33 Beobachter Gesundheit allerdings, dass sich der Impfschutz erst langsam aufbaut und der vollständige Schutz erst frühestens eine Woche nach der Impfung erreicht ist. Für Reisen in Risikoländer – dazu zählen Mittel- und Südamerika, Afrika, Osteuro­ pa oder Asien – wird die Hepatitis-A-Imp­ fung empfohlen. Sie bietet einen wirk­ samen Schutz: Bereits zwei Wochen nach der ersten Injektion besteht bei 95 bis 99 Prozent der geimpften Personen ein Anti­ körperschutz. Das Virus, das eine Leber­ entzündung verursacht, kommt zwar weltweit vor; am häufigsten aber dort, wo die sanitären Bedingungen schlecht und die Trinkwasserkontrollen mangelhaft sind. Übertragen wird es durch verunrei­ nigtes Trinkwasser, nur ungenügend ge­ kochte Nahrung oder durch Kontakt mit infizierten Personen. In der Praxis bedeutet dies: nur Getränke aus versiegelten Flaschen, gut gekochte, noch heisse Speisen und Früchte, die man selber geschält hat. «Peel it, cook it or ­leave it» (schäl es, koch es oder vergiss es) – die simple Regel, die jeder Rucksacktourist verinnerlicht haben sollte, gilt es in Risiko­ ländern strikt zu befolgen. Das bedeutet konsequenterweise auch den Verzicht auf Eiswürfel, Glacé, Salat, Frucht­salat, Klein­ gebäck und Milchprodukte. Durch verschmutztes Trinkwasser oder verseuchte Lebensmittel kann man sich auch mit Thyphus anstecken. Die Infek­ tion wird durch ein Bakterium aus der ­Familie der Salmonellen verursacht und äussert sich zu Beginn durch hohes Fieber, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und oft auch Hautausschlag; gefolgt von starkem Durchfall. Behandeln lässt sich die Krank­ heit mit Antibiotika. Doch so weit muss es nicht kommen. Wer in Entwicklungslän­ dern unterwegs ist – vor allem bei schlech­ ten hygienischen Bedingungen – oder plant, sich in einem solchen Land länger als 30 Tage aufzuhalten, sollte sich vorgän­ gig gegen Typhus impfen lassen. Bei ­Reisen in Hochrisikoländer – zu diesen zählen Pakistan, Nepal und Indien – wird die Impfung ebenfalls empfohlen. Noch keine Impfung gibt es gegen Mala­ ria, eine Krankheit, die in vielen tropischen und subtropischen Ländern verbreitet ist. In Hochrisikogebieten ist die Einnahme von Malariamedikamenten unerlässlich, so die Eidgenössische Kommission für 22 | 2009 Impffragen. Je nach Medikament muss die Einnahme über einen festen Zeitraum er­ folgen, da sonst die Wirksamkeit nicht ­gewährleistet ist. Doch mit der medikamentösen Vorsorge allein ist es nicht getan. Der bestmögliche Schutz ergibt sich nur kombiniert mit ­weiteren Massnahmen vor Ort, der soge­ nannten Expositionsprophylaxe. Die beste Vorsichtsmassnahme ist immer noch, sich gegen die nachtaktiven Mücken, die Mala­ ria übertragen, zu schützen – durch Mos­ kitonetze, Kleidung und wirksame, tropen­ taugliche Sprays. Die Impfungen, die für Reisende bestimmt sind, müssen in der Regel selbst bezahlt werden (wobei einige Zusatzversicherungen auch diese Kosten übernehmen). Nur die im schweizerischen Impfplan empfohlenen Basis­impfungen werden durch die obligatorische Kranken­ kasse vergütet. Wichtig: w Nehmen Sie den Impfausweis auch auf die Reise mit. Impfen w Lassen Sie sich vom Hausarzt oder Apotheker eine Reiseapotheke für das ­entsprechende Land zusammenstellen. Grundsätzlich ­raten Fachleute zwar davon ab, sich ohne Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker selbst zu behandeln. Al­ lerdings bleibt Reisenden manchmal nichts anderes übrig, als auf eine Selbst­ medikation zurückzugreifen. Die häufigsten Beschwerden auf Reisen sind allerdings harmloserer Natur: Zu­ oberst auf der Liste der unerwünschten ­Nebenwirkungen stehen Entzündungen der oberen Atemwege, sprich: banale Er­ kältungen oder Grippe. An zweiter Stelle folgt Durchfall, eine an sich ungefährliche Erkrankung, die durch Mikroorganismen in Speisen oder Wasser verursacht wird und sich wie viele Infektionskrankheiten durch minimale Massnahmen verhindern liesse: durch Hygienebewusstsein sowie eine erhöhte Vorsicht beim Essen und Trinken, getreu der Regel: «Schäl es, koch n es oder vergiss es». INFOs Service der Apotheken w www.pharmasuisse.org: die Informa­ tions­seite des Schweizerischen Apotheker­ verbands zu aktuellen Gesundheitsthemen und laufenden Gesundheitsförderungs­ kampagnen in den Mitgliedsapotheken w www.impfberatung.ch: Vom 12. Oktober bis 7. November bieten 500 Apotheken schweiz­weit Impfberatungen an. Dabei kön­ nen Kunden abklären lassen, welche Imp­ fungen sie nachholen oder auffrischen soll­ ten. Die Aktion richtet sich an Jugend­liche und Erwachsene, die wissen wollen, wie es um ihren Impfschutz steht. Lanciert wurde die Kampagne vom Schweizerischen Apo­ thekerverband Pharmasuisse in Zusammen­ arbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit. Medizinische Reisevorbereitung w www.safetravel.ch: reisemedizinische Beratung w www.infovac.ch: Informationen und Beratungen zu Impffragen w www.osir.ch: Ostschweizer Infostelle für Reisemedizin w www.sti.ch: Das Schweizerische Tropen­ institut in Basel berät Reisende, die Aufent­ halte in den Tropen planen, informiert über Präventivmassnahmen, betreut Patienten, die aus tropischen oder sub­tropischen Län­ dern zurückgekehrt sind, und verfügt über einen 24-Stunden-Dienst für Notfälle. w www.ispmz.ch/impfzentrum.cfm: Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich. Hirschengraben 84, 8001 Zürich. Keine Anmeldung notwendig (dienstags, samstags und sonntags geschlossen). Tonbandauskunft (unentgeltlich): Tel. 044 634 51 51; telefonische Impfbera­ tung: Tel. 0900 57 51 31 (Fr. 2.69/Minute) w www.bag.admin.ch: Bundesamt für ­Gesundheit, Informationen und Merkblätter zu den einzelnen Impfungen. Gratis zum Down­loaden oder Bestellen unter der EMail-Adresse: ­[email protected] w www.who.int: World Health Organization. ­Informationen zu Gesundheit, Infektions­ herden und Impf­empfehlungen Politische Länderinformationen w www.eda.admin.ch/reisehinweise: Reisehinweise des Bundes in den Bereichen Politik und Kriminalität Buchtipp w Franziska Saxer, Christoph Hatz: «Gesund reisen»; Verlag Editions à la Carte, 2007, Fr. 7.90. Bestellen über www.ipsag.ch 35 36 Impfen Die Gefahr lauert im Unterholz HIRNHAUTENTZÜNDUNG Zecken werden immer mehr zum Risiko: Bereits jedes dritte ­Tier überträgt gefährliche Krankheiten auf den Menschen. Wer sich in den Wintermonaten impft, ist im Frühjahr, wenn die Blutsauger aktiv werden, schon geschützt. Text: Susanne Wagner Zecken springen Menschen an oder lassen sich von Bäumen fallen, so die weitverbreitete Befürchtung. Beides stimmt nicht. Vielmehr lauern die winzigen Blutsauger auf Sträuchern und Gräsern auf ihre Opfer, um sich im richtigen Moment an ein vorbeistreifendes Lebewesen zu heften – und zuzustechen. Der Angriff ­erfolgt still und meist schmerzlos. Ein kleiner Stich, der fatale Folgen haben kann. Denn mit Viren und Bakterien infizierte Zecken geben damit den Erreger in die Haut weiter. Auf diese Weise werden zwei gefährliche Krankheiten übertragen: Borreliose und Zeckenenzephalitis, auch Hirnhautentzündung oder FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME) genannt. Impfen lassen kann man sich nur gegen die Zeckenenzephalitis – am besten in den Wintermonaten, weil man dann im kommenden Frühjahr bereits geschützt ist. Der Zürcher Norbert Satz, Mediziner mit dem Spezialgebiet Zeckenerkrankungen, legt diese Vorsichtsmassnahme besonders Senioren ans Herz. Denn die Frühsommer-Meningoenzephalitis verläuft bei älteren Menschen oft besonders aggressiv. Zwar sind Todesfälle in Mitteleuropa selten. Weniger als ein Prozent der FSME- Beobachter Gesundheit 37 22 | 2009 Fälle verlaufen tödlich. Dafür erleiden rund ein Drittel der Menschen, die an ­FSME erkranken, bleibende Schäden. Schäden, die zur teilweisen oder gar vollständigen Invalidität führen können. Das Virus, das die Hirnhautentzündung auslösen kann, ist deutlich weniger stark verbreitet als das Borreliose-Bakterium: Nur rund ein Prozent der Zecken in den betroffenen Gebieten trägt das gefährliche Virus in sich. Wie eine Karte des Bundesamts für Gesundheit (siehe «Infos») zeigt, sind heute aber deutlich mehr Gebiete ­betroffen als noch vor zehn Jahren. Auch die Zahl der Krankheitsfälle nimmt zu: Mit bis zu 250 Fällen pro Jahr haben die FSMEErkrankungen 2005 und 2006 stark zugenommen. Zum Vergleich: In den Jahren davor waren es erst rund 100 Fälle. An Borreliose erkranken deutlich mehr Menschen: Jährlich sind es rund 3000 Personen, so eine Schätzung des Bundesamts für Gesundheit. Die schwerwiegende Erkrankung kann auf das Nervensystem, den Bewegungsapparat, das Herz und weitere Organe übergreifen und bleibende Schäden verursachen. Im Vergleich zu früher sind heute immer mehr Zecken mit dem Bakterium infiziert, was die Gefahr einer Tipps Achtung, Blutsauger! So können Sie Zecken aufspüren und entfernen Zecken stechen am liebsten auf warmen, feuchten und dünnen Hautpartien zu wie Achselhöhlen, Schultern, Nacken, Haaransatz, Bauchnabel, Kniekehle und Armbeuge. Bei Kindern stechen die ­Zecken oft auch in die Kopfhaut. Mit rund sechs Millimetern sind Zecken sehr klein. Achten Sie besonders auf die hellbraunen, noch nicht ausgewachsenen Tiere. Haben Sie eine Zecke entdeckt, ziehen Sie sie mit einer Pinzette aus der Haut (ohne Drehbewegung). Wenn der Kopf der Zecke in der Haut steckenbleibt, ist dies nicht tragisch. Erreger können so nicht mehr übertragen werden. Meist wird das, was vom Parasiten übriggeblieben ist, vom Körper selbst herausgearbeitet. Wenn innerhalb von drei Wochen nach dem Stich folgende Beschwerden auftauchen, sollten Sie den Arzt aufsuchen: Rötung am Einstichort, grippeartige Beschwerden, Schwindel, Gelenk- und Kopfschmerzen, Übelkeit. Da die Beschwerden auch erst nach Monaten oder Jahren auftreten ­können, sollten Sie das Datum des Stichs notieren und die Zecke in einem Döschen aufbewahren. Das erleichtert dem Arzt später die Diagnose. Ansteckung erhöht. «Bereits jede dritte Zecke hierzulande trägt das ­ BorrelioseBakterium », sagt Norbert Satz. Vor 20 Jahren war erst jede fünfte Zecke Träger des Erregers. Die Verbreitung wird weiter zunehmen: Fachleute schätzen, dass in 20 Jahren jede zweite Zecke befallen sein wird. Gefährlich wird es, wenn Lyme-Borreliose nicht rechtzeitig erkannt wird – was oft der Fall ist. Sobald die Krankheit diagnostiziert wird, kann sie mit Antibiotika behandelt werden. Eine Impfung dagegen gibt es ­allerdings nicht. Die Ausbreitung der Zecken wird vom Klimawandel, also der Klimaerwärmung, begünstigt. Die Spinnentiere fühlen sich in gemässigtem Klima am wohlsten. Das bedeutet, dass sich bei steigenden Temperaturen die Zeckenpopulationen verschieben und die Blutsauger in neue Gebiete vordringen. Selbst in alpinen ­ Gebieten und bis in Höhen von 1500 ­ Metern sind die achtbeinigen Winzlinge vereinzelt schon zu finden. Auf Wanderschaft waren Zecken schon immer. Und seit sie in einer frühen Stufe der Evolution eine Symbiose mit Viren und Bakterien eingegangen sind, wandern die Krankheitserreger mit ihren Wirten um die Welt. Die Wanderbewegungen lassen sich nachvollziehen: Die Bewegung des FSME-Virus beispielsweise erfolgt von Osten nach Westen. Wie der Zeckenspezia­ list Norbert Satz weiss, wanderte das ­Virus nach der letzten grossen Eiszeit vor 10 000 Jahren mit den Rehen und Vögeln dem Taigagürtel entlang und gelangte schliesslich bis nach Mitteleuropa und an den Rhein. Eine Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen ist: Bis in 100 Jahren werden die Zecken möglicherweise den Rhein überquert und sich in Frankreich ausgebreitet haben. In der Schweiz sind die infizierten Zecken heute im ganzen Mittelland vom Bodensee bis nach Genf verbreitet, so Norbert Satz. Das hat zur Folge, dass die befallenen Gebiete immer weniger gut eingegrenzt werden können. Und dass bei all jenen, die sich in der Natur oder im Wald auf­ halten, Vorsichtsmassnahmen angebracht sind – nicht mehr nur bei Forstarbeitern und Sportlern. Die Zecke hat Zeit: Sie braucht in ihrem Leben gerade mal drei Blutmahlzeiten, um sich fortpflanzen zu können. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie ihre Überlebensstrategie perfektioniert. Auf dem Wirt angekommen, sucht die Zecke in aller Ruhe eine Stelle, wo sie ihren Rüssel in die Haut bohren und Blut saugen kann. Mit Hilfe winziger Widerhaken hält sie sich in der Haut fest – das erklärt die Tatsache, dass sich Zecken nur schwer entfernen lassen. Doch warum können Zecken stundenlang Blut saugen, ohne dass wir etwas davon bemerken? Die Zecke hat vorgesorgt und sondert während des Saugvorgangs spezifische Stoffe ab: eine Substanz, die die Haut an der Einstichstelle betäubt, sowie einen weiteren Stoff, der das Blut am Gerinnen hindert. So kann sie ungestört Blut zapfen – den Saft, den sie für ihre Entwicklung benötigt. Bis zu elf Tage lang labt sich eine ausgewachsene Zecke an ihrem Wirt und saugt sich voll, bis sie hundertmal mehr wiegt als vor dem Stich. Das Risiko eines Zeckenstichs lässt sich bereits durch wenige Verhaltensregeln einschränken. Als Erstes sollte man beim Zeckenimpfung: Im Winter ist der richtige Zeitpunkt Die Impfung gegen Zeckenenzephalitis, auch Hirnhautentzündung oder FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME) genannt, empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit allen ­Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren, die in Risiko­gebieten leben und sich zeitweise in der Natur aufhalten. Eine Übersicht über die Endemiegebiete findet man auf www.bag.admin.ch (Stichwort «Frühsommer-Meningoenzephalitis ­FSME»). Die Kosten der FSME-Impfung ­übernehmen die Krankenversicherer im ­Rahmen der Grundversicherung. Die Impfung, die vom Hausarzt durchgeführt werden kann, besteht aus drei Impfdosen. Zwei erfolgen im Abstand von einem bis drei Monaten, die dritte Impfung folgt nach fünf bis zwölf Monaten nach der zweiten. Nach der ­dritten Impfung hält der Impfschutz zehn Jahre an. Wer sich in den ­Wintermonaten impft – das betrifft die ersten zwei Dosen –, ist im ­kommenden Frühjahr ­bereits geschützt. ­Besonders aktiv sind Zecken im Mai/Juni und im September/Oktober. Bei Temperaturen über 25 Grad verkriechen sie sich in den Boden. Wandern und Spielen möglichst nicht an Sträuchern und Büschen entlangstreifen. Zweitens trägt man im Wald mit Vorteil ­geschlossene Schuhe, lange Hosen und Oberteile mit langen Ärmeln und stülpt die Hosen in die Socken. Das erschwert es den Krabbeltieren, auf die Haut zu gelangen. Auf heller Kleidung sieht man die Zecken übrigens besser als auf dunkler (weitere Ratschläge zum Umgang mit ­Zecken siehe «Tipps»). Ein Zeckenschutzmittel ersetzt obige Verhaltensregeln allerdings nicht. Das Mittel, das man auf ungeschützte Hautpartien ­sowie auf Socken, Hosen und Ärmel auftragen kann, ist lediglich eine zusätzliche Vorsichtsmassnahme. n INFOs w www.bag.admin.ch Informationen des BAG zu Frühsommer­Meningoenzephalitis und Borreliose, mit Karte zu Endemiegebieten (Themen → Krankheiten und Medizin → Infektionskrankheiten → Infektionskrankheiten A–Z) w Zeckenstiche: Apotheken bieten eine um­fassende Beratung zu Schutz- und Verhaltensmassnahmen. Buchtipp w Norbert Satz: «Zecken-Krankheiten»; ­Hospitalis, ­2005, Fr. 36.90 Schmerzen zerschmelzen zen oder ze zerbrausen? rbra r usen? ra DAFALGAN ODIS® oder DAFALGAN plus C ® Schmelztabletten für unterwegs gegen Schmerzen und Fieber. Brausetabletten gegen Schmerzen und Fieber bei Erkältungskrankheiten. Dies sind Arzneimittel. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage. Bristol-Myers Squibb SA, Neuhofstrasse 6, 6341 Baar 38 Gesundheit 22 | 2009 Beobachter-Ratgeber Service Apotheken www.impfberatung.ch: Bis 7. November ­bieten 500 Apotheken Impfberatungen an. Kampagne des Schweizerischen Apothekerverbandes pharmaSuisse in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit. www.pharmasuisse.org: Informationsseite des Schweizerischen Apothekerverbandes Nationaler Grippeimpftag (6. November) www.bag.admin.ch: Bundesamt für Gesundheit (Themen → Krankheiten und Medizin → Infektionskrankheiten → In­fektions­krank­ heiten A–Z → Saisonale Grippe → Nationaler ­Grippeimpftag 2009) www.pandemia.ch: Informationsseite des Bundesamts für Gesundheit www.grippe.ch: Arbeitsgruppe «Gemeinsam gegen die Grippe» www.influenza.ch: Nationales ­Grippe­zentrum der Schweiz Impfungen Impffreundliche Informationsquellen: www.sichimpfen.ch und www.bag.admin.ch/sichimpfen: w Bundesamt für Gesundheit: Information zu Infektionskrankheiten, zu Impfungen für ­Kinder und Jugendliche, Impfungen für ­Erwachsene, Reiseimpfungen w BAG-Infoline: Telefon 0844 448 448 (Beratung ­gratis, Telefongebühren Fern­bereich Schweiz) w Schweizerischer Impfplan 2009 w Allgemeine Empfehlungen zu Impfungen (auch zu unerwünschten Impferscheinungen) Humane Papillomaviren www.bag.admin.ch: Bundesamt für Ge­sund­heit (Themen → Krankheiten und Medizin → Infektionskrankheiten → Infektionskrankheiten A–Z → Humane Papilloma­viren) www.swisscancer.ch: Krebsliga Schweiz (­ Krebsarten → Gebärmutterhalskrebs) www.tellsomeone.ch: HPV-Vorsorge­ programme (Seite eines Impfstoffherstellers) Reisen www.savetravel.ch: Reisemedizinische Tipps gemäss dem Expertenkomitee für Reise­­medizin und dem Bundesamt für ­Gesundheit Zecken www.bag.admin.ch: Bundesamt für Ge­sund­heit (Themen → Krankheiten und Medi­zin → Infektionskrankheiten → Infek­tionskrankheiten A–Z → Zecken­ enzephalitis, FSME) Apotheken: Informationen und Beratung zu Schutz- und Verhaltensmassnahmen bei ­Zeckenstichen www.borreliose.ch: Selbsthilfegruppe für Lyme-Borreliose-Betroffene «Krankenkasse optimieren. Idealer Versicherungsschutz, tiefere Prämien»; der Rat­ geber gibt Auskunft, welche Impfungen die Kasse zahlt. 2009, 120 Seiten, 24 Franken Ruth Jahn: «Rezeptfrei gesund mit Schweizer Hausmitteln»; 2. Auflage, 2008, 336 Seiten, mit zahlreichen Farbfotos, 45 Franken (für Beobachter­Mitglieder 38 Franken) zt? t ü h c s e g Noch Impfberatung Jetzt in jeder Apotheke mit dem grünen Schirm! Diphtherie Mumps Röteln Ruth Jahn: «Kinder sanft und natürlich heilen»; das Nachschlage- Masern werk mit Hausmitteln und Behandlungen moderner Komplementärmedizin. 2008, 368 Seiten, 45 Franken Literaturtipps Hansueli Albonico, Martin Hirte: «Impfen – Grundlagen für einen persönlichen ­Impfentscheid»; 2006. Bestellen unter: www.konsumentenschutz.ch www.kinderimpfen.ch: Forum Praxis­ pädiatrie (u.a. auch Liste der ­Zusatzstoffe) www.infovac.ch: Seite der Universität Genf, des BAG und der Schweizerischen ­Gesellschaft für Pädiatrie Brigitte Strasser-Vogel, Nicole Schaenzler: «300 Fragen zum Impfen»; Gräfe und ­Unzer, 2008, Fr. 18.90 www.ekif.ch: Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) Stefan H. E. Kaufmann: «Wächst die ­Seuchengefahr? Globale Epidemien und Armut: Strategien zur Seuchen­­­ eindämmung in ­einer vernetzten Welt»; Fischer, 2008, Fr. 18.90 Walter Doerfler: «Viren»; Fischer­ Taschenbuch, 2002, Fr. 38.90 Hepatitis B Kinderlähmung Windpocken Beobachter-Buchverlag: Telefon 043 444 53 07 www.beobachter.ch/buchshop Grippe Starrkrampf www.zecken.ch: Arzt-Homepage zu Zecken Martin Hirte: «Impfen Pro und Contra. Das Handbuch für die individuelle ­Impfentscheidung»; Knaur, 2008, Fr. 20.90 Impfkritische Informationsquellen: www.impfo.ch: Arbeitsgruppe für ­differenzierte Impfungen (unter anderem mit generellen Überlegungen zum mündigen Impfentscheid) Urs Zanoni: Keuchhusten Impressum DER SCHWEIZERISCHE BEOBACHTER 83. Jahrgang; Axel Springer Schweiz AG, Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich Telefon Redaktion 043 444 52 52 Leserbriefe: [email protected] Telefon Anzeigen 043 444 54 46 Chefredaktion Balz Hosang (publizistischer Leiter) Andres Büchi (Chefredaktor) Matthias Pflume (Stellvertreter), Remo Leupin (Leiter Projekte), Toni Wirz (Leiter Beratung) Redaktion, Produktion und Grafik Leitung: Remo Leupin Redaktion: Tatjana Stocker Textproduktion: Tatjana Stocker Korrektorat: Rolf Prévôt (Leitung), Markus Schütz Art Director: Andrea Schamaun; Layout: Samuel Jordi Bildredaktion: Adele Bachmann Verlag Verlagsleiter: Roland Wahrenberger Internet Monica Muijsers (Leitung) Auflage 308 527 Exemplare (WEMF-beglaubigt 2009); 933 000 Leserinnen und Leser (MACH Basic 2009-2) Gebärmutterhalskrebs Pneumokokken Eine Gesundheitsförderungskampagne des Schweizerischen Apothekerverbandes www.impfberatung.ch In Zusammenarbeit mit: SCHÖNHEIT IST SELBSTVERTRAUEN NEU STRAHLEND SCHÖN MIT VOLLEM, KRÄFTIGEM HAAR Das neue NIVEA Beautiful Age Shampoo mit wertvollem Granatapfel-Extrakt Granat apfel-Extrakt und Q10 stärkt und verdickt feines, anspruchsvolles Haar. 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