Einführungsvortrag Meeresmüll @ Jan van Franeker (IMARES) Meeresumwelt-Symposium Hamburg, 27.Mai 2015 Dr. Lilian Busse Umweltbundesamt (UBA) Fachbereichsleitung Gesundheitlicher Umweltschutz & Schutz der Ökosysteme Gliederung Meeresmüll: Was, Wo, Warum Exkurs: Mikroplastik Maßnahmen und Aktionen Wissenslücken und UBA Forschungsprojekte Schlussfolgerungen Was ist Meeresmüll? Größenklassifikation 25 mm Makroplastik 5-25 mm Mesoplastik 1-5 mm große Mikro-Plastikpartikel < 1mm kleine Mikro-Plastikpartikel (EU AG mariner Müll, 2008) @ Plastic Planet, nigelsecostore.com & Lechner et al. 2014 Wo finden sich die Abfälle wieder? 15 % 15 % 70 % @http://blog.agquahealth.com; Garry Bell Corbis & http://coastalcare.org) Abfälle im Meer - Dominanz Kunststoffe a) OSPAR-Spülsaum-Monitorings entlang der Küsten der südlichen Nordsee (20022008) b) ICC-Kampagne im Mittelmeer (2002-2006) c) MARLIN Projekt Ostsee (20112014) (c) Häufig detektierte Kunststoffe in der Meeresumwelt Fischereigeräte und –netze - Polyethylen - Polypropylen - Nylon - Polyester @S. de Wolf (EcoMare) Plastikverpackungen - Polyethylen - Polypropylen - PVC - Polyester - Polystyrol @shiftethos.com @BBC @www.reluma.de @ Andrady 2005 Abbauzeiten verschiedener Abfallfunde @ UBA, 2013 Einige Zahlen zur marinen Müllbelastung Durchschnittlich 13.000 Plastikmüllpartikel auf jedem km² Meeresoberfläche (UNEP) @J. v. Franeker (IMARES), Fourthseabirdgroup Südliche Nordsee: o 236 Müllteile pro 100 Meter Strandlinie (OSPAR) o 11 kg Abfälle pro km² Meeresboden o 97,4 % der Nester in Basstölpelbrutkolonie auf Helgoland enthalten Kunststoffe o 96 % der Todfunde an Eissturmvögeln Kunststoffe im Magen, im Durchschnitt 25 Teile (UBA F&E) Ostsee: o Jährlicher Verlust von 5.500 - 10.000 Fischereinetzen (HELCOM 2014) o 76 Müllteile (an abgelegenen) bis zu 237 Müllteile (an urbanen Stränden) pro 100m Strandlinie (EU-Projekt MARLIN 2013) o Mikro-Partikel in der Wassersäule (Größenklasse 10-220 µm): Bis zu vier Fasern und 32 weitere Partikel anthropogenen Ursprungs pro Liter Meerwasser (Magnusson & Noren 2011) @ P.Hübner Kunststofffunde auch in Seen & Flüssen Imhof et al. (2013) – Mikroplastikbelastung im Gardasee höher als erwartet Eriksen, M. et al. (2013) - Neustonproben aus den „Great Lakes“: Durchschnittliche Abundanz 43.000 Mikroplastikpartikel/km² Free, C.M. et al. (2014) – Hohe Mikroplastikverschmutzung in großem, entlegenen Gebirgssee festgestellt Moore et al. (2011) Los Angeles Basin: 2 Milliarden Plastikpartikel in 3 Tagen aus 2 Flussmündungen Lechner et al. (2014) Donau: durchschnittlich 317 Plastikpartikel und nur 275 Fischlarven pro 1000 Kubikmeter Wasser. D.h. täglich rund 4,2 Tonnen Plastikmüll ins Schwarze Meer @ Eriksen et al. 2013, Lechner et al. 2014 Auswirkungen auf die marine Umwelt @ S. Werner, S. de Wolf (EcoMare), P. Quint • Aufnahme: 43% Wale & Delfine, alle Meeresschildkröten, 36% Seevögel, viele Fische und Invertebraten • Strangulation/Verstrickung: 136 marine Arten regelmäßig betroffen • Transport nicht einheimischer Arten in neue Habitate (darunter invasive Arten und Algen mit toxischen Blüten) • Verhärtung von benthischem Substrat & Bedeckung von Lebensgemeinschaften (CBD 2012) Sozioökonomische Auswirkungen @ Mouat 2010; Arcadis 2013; Reinhard et al. 2012 Quellen @ Ökoinstitut 2011 Mikroplastik • Plastikpartikel < 5 mm • Primär- und Sekundärquellen • Primärquellen: Kosmetika Mikroplastik bei mehr als 250 Arten nachgewiesen: Auswirkungen: • Mechanische Verletzungen des Verdauungstraktes • Polymere und Additive können toxisch sein oder hormonelle Wirkung entfalten • Persistente organische Schadstoffe können an der Oberfläche absorbieren • Plastik als potenzieller Vektor für invasive Arten und Pathogene @ C. Laforsch & M. Eriksen Strategien/ Maßnahmen zur Verminderung von Meeresmüll global → regional Honululu Strategy 2011 – Globaler Rahmen für einen Aktionsplan zur Vermeidung und zum Management von Meeresmüll Rio + 20 Deklaration 2012 – Vorgabe zur deutlichen Reduktion von Meeresmüll bis 2025 International Conference on Prevention and Management of Marine Litter in European Seas 2013 in Berlin – Identifikation von speziellen regionalen Aktionen (‚Regional Action Plans in the EU‘) G7 – prioritäre globale Aktionsfelder gegen Meeresmüll unter deutscher Präsidentschaft Aktionspläne gegen Meeresmüll der Regionalen Meeresschutzübereinkommen Barcelona Convention (Mittelmeer) – Aktionsplan 2013 OSPAR (Nordost-Atlantik) – Aktionsplan 2014 HELCOM (Ostsee) – Aktionsplan 2015 Bucharest Convention (Schwarzes Meer) – Meeresmüll als Teil einer allgemeines Meeresstrategie EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie – nationale Maßnahmen zur Reduktion von Meeresmüll, eng vernetzt mit globalen und regionalen Aktionsplänen Aufbau der Aktionspläne Allgemeine Strategie: geographischer Anwendungsbereich, Definitionen, Leitprinzipien Maßnahmen: Verringerung der seeseitigen Einträge Veringerung der Einträge von Landseite Reduzierung von vorhandenem Meeresmüll Bewußtseinsbildung Monitoring/Bewertung zur Dokumentation der Effektivität der Maßnahmen Umsetzung und Berichterstattung Struktur und Akteure BLANO FachAG (UBA-SH) Technische Arbeitsgruppe zu Meeresmüll (EU TG ML) (UBA, Co-Vorsitz) MSRL Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie HELCOM-Arbeitsgruppe (Marine Litter Network) OSPAR-Arbeitsgruppe zu Meeresmüll (ICG ML) HELCOM (Helsinki Kommission) OSPAR (Oslo-Paris) Verminderung von Meeresmüll Forschungsprojekte - Universitäten - Außeruniversitäre Forschung - Bund/Länder Nicht-RegierungsOrganisationen Verbände EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2020 Guter Umweltzustand 2016 Umsetzung der Maßnahmen 2010 Umsetzung in nationales Recht Zeit 2014 Start des Monitoring Programs 2018 Follow-up Bewwertung 2015 Entwicklung der Maßnahmen 2008 MeeresstrategieRahmenrichtlinie in Kraft getreten 2012 Erste Bewertung Bestimmen der of GES Zielsetzung und Indikatoren Umsetzung der Meeresstrategie -Rahmenrichtlinie in Deutschland Maßnahmenvorschläge zu Umweltziel 5: Meere ohne Belastungen durch Abfall Verankerung des Themas Meeresmüll in UZ5-01 Lehrziehlen, -plänen und -material UZ5-02 Modifikation/Substitution von Produkten unter Berücksichtigung einer ökobilanzierten Gesamtbetrachtung UZ5-03 Vermeidung des Einsatzes von primären Mikroplastikpartikeln UZ5-04 Reduktion der Einträge von Kunststoffmüll, z.B. Plastikverpackungen in die Meeresumwelt UZ5-05 Müllbezogene Maßnahmen zu Fischereinetzen und –geräten UZ5-06 Etablierung des „Fishing-for-Litter“-Konzepts UZ5-07 Reduzierung bereits vorhandenen Mülls im Meer UZ5-08 Reduzierung des Plastikmüllaufkommens durch lokale ordnungsrechtliche Vorgaben UZ5-09 Reduzierung der Emission und des Eintrags von Mikroplastikpartikeln 18 Überprüfung der Effektivität von Maßnahmen Strand • Spülsaummonitoring • Spülsaummonitoring für Abfälle im Mesobereich Meeresoberfläche und Wassersäule • Schiffsbasierte Surveys • Flugbasierte Surveys • Pelagische Schleppnetz-Surveys Meeresboden • Tauch-Surveys für Flachwasserbereiche • Grundschleppnetz-Surveys (z.B. IBTS) • Submersibles Mikromüll • Mikropartikel im Sediment • Mikropartikel in der Wassersäule • Erfassung Mikropartikel mit CPR Biologische Auswirkungen • Aufnahme von Meeresmüll (Eissturmvögel/ pelagische-benthische Fische) • Verstrickung in Meeresmüll: Brutkolonien (Basstölpel) • Meeresschildkröten Wissenschaftliche Lücken (EU TG ML 2013) 1) Verhalten von Plastik: - Evaluierung des Verhaltens von Abfällen (Schwimmfähigkeit, Dichte, Abbau) - Kunststoffpartikeln mit assoziierten Schadstoffen (Phtalate, Bisphenol A etc.) - Dosis-Wirkungs-Zusammenhänge für verschiedene Arten/Mengen von Meeresmüll zur Festlegung wissenschaftlich basierter Grenzwerte 2) Quellen und Zielorte: - Modellierungen zur Identifikation von Quellen und Zielorten von Meeresmüll - Identifizierung von Quellen für Mikroplastik 3) Ökologischen Konsequenzen: - Konsequenzen von Mikropartikeln für Organismen, Ressourcen, Nahrungsnetz - Quantifizierung (auf Physiologie, Überleben, Reproduktionsfähigkeit) - Evaluierung des Risikopotenzials durch den Transport von invasiven Arten 4) Überwachungssysteme/Monitoring: - Weiterentwicklung von automatischen Überwachungssystemen - Überwachung (Standards/Baselines, Datenmanagement, Qualitätskontrolle) 5) Kosten: - Direkte Kosten für verschiedene Sektoren, lokale Behörden und Regierungen in Relation zu Ökosystemserviceleistungen UBA Forschung Entwicklung von Konzepten und Methoden zur Erfassung und Bewertung ausgewählter anthropogener Belastungen im Rahmen der MSRL-Umsetzung: Entwicklung statistisch abgesicherter Verfahren zur Bewertung und Überwachung der MSRL D10 Indikatoren, Empfehlungen für effizientes und aussagekräftiges Monitoring (Meereskompartimente, biologische Auswirkungen) Bewertung und Quantifizierung von Auswirkungen mariner Abfälle auf Meeresorganismen: Belastungssituation benthischer und pelagischer Fische mit Kunststoffen und damit verbundene potenzielle Anreicherung von Weichmachern innerhalb des Nahrungsnetzes Kohärentes Monitoring der Belastungen deutscher Meeres- und Küstengewässer mit menschlichen Abfällen und der ökologischen Konsequenzen mit weiterem Fokus auf eingehender Identifizierung der Quellen: Pilotmonitoring für D10 der Meereskompartimente und biologischen Effekte zur Schaffung einer Bewertungsgrundlage und eingehenden Identifizierung der verursachenden anthropogenen Aktivitäten Weitere UBA-Forschung Endabnahme Gutachten: Untersuchung der Einsatzmengen von Mikroplastikpartikeln in kosmetischen Mitteln und Einschätzung des Einsatzes dieser Mikropartikel in anderen Anwendungsbereichen sowie Schätzung des Eintrags aus anderen Quellen Laufend Gutachten: Screening von Mikroplastik in verschiedenen wässrigen Medien (Trinkwasser, Niederschlagswasser und behandeltes Abwasser) Geplant F&E: Weiterführende Bewertung und Quantifizierung der Auswirkungen mariner Abfälle & Ermittlung Daten zu Littering @ S. Bredemeier @E.M. Huebner Schlussfolgerungen – „Take Home Messages“ • Marine Abfälle stellen ein globales Problem für die Meeresumwelt dar → InternaXonale KooperaXon verschiedenster verursachender und betroffener Sektoren notwendig • Quellen, Ursachen und Mengen von Meeresmüll bekannt → Sofortiges Handeln notwendig • Physikalische Auswirkungen auf Meeresorganismen → Chemische Effekte von Mikroplastik muss besser erforscht werden müssen • Entfernen von Müll aus der Meeresumwelt ist aufwendig, kostspielig und erreicht nur einen kleinen Teil des Mülls → EffekXve Maßnahmen bei einem nachhaltigen Design und der Vermeidung weiterer Einträge notwendig • Klare Handlungsnotwendigkeiten in regionalen Aktionsplänen und naXonalem Maßnahmenprogram dargelegt → Umsetzung dringend und schnell notwendig Danke für Ihre Aufmerksamkeit! @ J.v. Franeker (IMARES)