Mycobacterium bovis (2005) (pdf, 49 KB, nicht barrierefrei)

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Az.: 6790-05-01-75
Mai 2005
Stellungnahme der ZKBS zur Risikobewertung von Mycobacterium bovis BCG mit dem
Listeriolysin-Gen aus Listeria monocytogenes
Der attenuierte Bakterienstamm Mycobacterium bovis Bacille Calmette-Guérin (BCG) wird seit
1928 als Lebendvakzine gegen die durch das nahverwandte Bakterium Mycobacterium tuberculosis verursachte Tuberkulose bei Kindern verwendet. Allerdings wirkt dieser Impfstoff nicht gegen
vermehrt auftretende Varianten dieses Erregers wie Beijing/W 1.
Ein Problem der Immunisierung mit M. bovis BCG ist, dass die mykobakteriellen Antigene am häufigsten von MHCII-Komplexen präsentiert werden, die nur CD4+-T-Zellen stimulieren. Die Immunantwort gegen M. tuberculosis wird aber zu einem großen Teil auch über MHCI-Komplexe erzeugt.
Obwohl beide Bakterien intrazellulär nur in den Phagosomen von Makrophagen überleben und
sich vermehren, induziert M. tuberculosis die Apoptose antigenpräsentierender Zellen (APZ) deutlich stärker als M. bovis BCG. Dabei kommt es zur Bildung von Membranvesikeln, die auch mykobakterielle Antigene enthalten. Diese Vesikel können von benachbarten APZ aufgenommen werden. So gelangt ihr Inhalt in das Zytosol der benachbarten APZ. Die mykobakteriellen Antigene
können nun über den MHCI-Komplex-Weg an die Zelloberfläche transportiert werden und CD8+-TZellen stimulieren. Dieses als cross priming bezeichnete Phänomen erklärt die Stimulation von
CD8+- und CD4+-T-Zellen durch M. tuberculosis und die reduzierte Immunisierung gegen den Tuberkuloseerreger durch M. bovis BCG.
Zur Verbesserung der Vakzinierung gegen Tuberkulose wurde M. bovis BCG gentechnisch modifiziert. Durch die Insertion von Listerolysin O (Hly) aus Listeria monocytogenes sollte der Eingang
mycobakterieller Antigene in den MHCI-Komplex-Weg verbessert werden. Listeriolysin O ist einer
der Hauptvirulenzfaktoren von L. monocytogenes. Dieses Protein gehört zu den Poren-formenden
Hämolysinen mit einem pH-Optimum bei pH5,8. Die pH-gesteuerte Aktivierung von Hly erfolgt
über die N-terminal gelegene PEST-Sequenz. Diese aus 19 Aminosäuren bestehende Sequenz
markiert Hly bei neutralem pH für den Abbau2. Bei der Verschmelzung von Phagosom und Lysosom wird Hly durch pH-Erniedrigung aktiviert und lysiert diesen Membrankomplex. Durch die Lyse
des Phagolysosoms verhindert L. monocytogenes die eigene Zersetzung durch die Wirtszelle und
gelangt ins Zytosol, wo es sich vermehrt, durch die Akquirierung von Aktin in die Nachbarzellen
ausbreitet und einen neuen Anpassungszyklus beginnt.
Zur Insertion des hly-Gens in M. bovis BCG wurde ein Fusionsprotein aus dem BCG-spezifischen
Signalpeptid Ag85B, dem hylA-Peptidlinker aus E. coli sowie dem hyl-Gen ohne Signalpeptid, aber
mit PEST-Sequenz aus L. monocytogenes konstruiert und unter die Kontrolle des mycobakteriellen hsp60-Promotors gestellt3. Dieses Konstrukt wurde in das integrative Plasmid pMV306 kloniert.
Dieser Vektor wurde in M. bovis BCG Danish transformiert, um den Stamm rBCG:hly zu erhalten.
Hier ist das hly-Konstrukt in die „attP-site“ des mykobakteriellen Bakteriophagen L5 inseriert.
Zur Optimierung der Hly-Aktivität im Phagosom wurde ein weiterer Stamm hergestellt, bei dem
das Gen ureC deletiert wurde. Das Gen ureC ist in einem Operon von sieben Genen organisiert
und kodiert für eine Ureaseuntereinheit. Das hly-Konstrukt wurde über homologe, subgenische
Nukleinsäureabschnitte von ureC entgegen der Transkriptionsrichtung des Urease-Operons an die
Stelle von ureC in das Genom von M. bovis BCG Pasteur insertiert1. Die zur Selektion anstelle der
Kanamycinresistenz eingebaute Hygromycinresistenz wurde mithilfe des Resolvasesystems entfernt. Erste Tests haben gezeigt, dass der so konstruierte Stamm M. bovis rBCG:∆ureC:hly
4
Hygromycin-negativ ist und auch keine weiteren Antibiotikaresistenzen enthält .
Entgegen der Funktion von Ureasen als Virulenzfaktoren in anderen pathogenen Bakterien ist die
Urease von M. bovis BCG nicht essentiell für die Vermehrung und das Überleben des Bakteriums
5
im Phagosom . Vielmehr scheint dieses Enzym an der Deaktivierung der Expression von MHCII+
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Komplexen und der CD8 -spezifischen Antigenpräsentation beteiligt zu sein . Die Deletion von
ureC hat neben der Optimierung des pH-Wertes für die Aktivität von Hly, wahrscheinlich zusätzlich
den Effekt einer besserten Antigenpräsentation über MHCII-Komplexe. Der Verlust von ureC führt
nur zu einer marginalen Verschlechterung der Persistenz und des Wachstums von M. bovis BCG.
Entscheidend für die Risikobewertung der hier konstruierten rekombinanten M. bovis BCGStämme ist der Einfluss des in das Genom insertierten Gens für Hly auf die Persistenz und die
Pathogenität von M. bovis BCG. In vitro Experimente mit THP-1 und J774A.1 Makrophagen zeigten, dass die Persistenz von rBCG:hly im Vergleich zum Wildtyp-BCG über einen Zeitraum von 15
Tagen signifikant verschlechtert war. Zytotoxizitättests bei denen die Aktivität der LaktatDehydrogenase im Überstand der Wirtszellen über einen Zeitraum von 24 h gemessen wurde,
ergaben keine erhöhte Lyse nach Infektion mit rBCG:hly. Die Daten legen nahe, dass die Sekretion von Hly nicht zu einer Erhöhung der Pathogenität von M. bovis rBCG:hly führt3. Für M. bovis
rBCG:∆ureC:hly standen keine Daten zum Überleben in Zellkulturen zur Verfügung, allerdings ist
davon auszugehen, dass auch hier die Persistenz im Vergleich zum Wildtyp-BCG verringert ist.
Entscheidend für diese Annahme ist das Fehlen weiterer Gene für das Überleben im Zytosol in
M. bovis rBCG:∆ureC:hly. Im Gegensatz zu Listeria monocytogenes ist es die Strategie von
M. bovis BCG sein intrazelluläres Überleben auf die Anpassung des Phagosoms zu konzentrieren.
Die Perforation der Phagosomenmembran durch Hly öffnet das ansonsten geschlossenen System
zum Zytosol und setzt M. bovis BCG zusätzlich Einflüssen aus. Die Studie von Goetz et al. zeigt,
dass intrazelluläre Pathogene Kompartiment-spezifische Anpassungsstrategien entwickelt haben7.
Zusätzlich induziert M. bovis rBCG:∆ureC:hly die Apoptose seiner Wirtszelle stärker als der Wild1
typ BCG und nimmt sich damit seinen eigenen Lebensraum. Die erhöhte Apoptoserate genau wie
die deutlich erhöhte Hämolyse von Schaferythrozyten im Vergleich zum Wildtyp-BCG, scheint in
vivo die Pathogenität von M. bovis rBCG:∆ureC:hly nicht signifikant zu beeinflussen. In drei unab8
hängigen Überlebensexperimenten wurden SCID-Mäuse intravenös mit ungefähr 10 CFU von
M. bovis BCG, rBCG:Hyl und rBCG:∆ureC:hly infiziert und die mittlere Überlebenszeit der infizierten Tiere (7 je M. bovis-Stamm und Versuch) ermittelt. Die Tiere, die mit einer der beiden rBCGVarianten infiziert waren, lebten bei einer mittleren Überlebenszeit von 65 Tagen (rBCG:hyl) und
80 Tagen (rBCG:∆ureC:hly) deutlich länger als die Tiere, die mit M. bovis BCG infiziert waren (unter 25 Tage)1. In Immunisierungsversuchen mit SCID-Mäusen, wurden die Tiere intravenös mit 106
CFU, einem 20-fachen der für den Menschen verwendeten Dosis, infiziert. Innerhalb dieser Immunisierungszeit starb keines der Tiere durch die Infektion mit M. bovis rBCG:hly oder
rBCG:∆ureC:hly4. Ähnliche Versuche wurden in anderen Laboren mit den gleichen Stämmen in
vergleichenden Studien an Makaken (3 Tiere) am niederländischen Primatenzentrum durchgeführt4. Im Rahmen des „Tuberculose Vakzin Cluster Project“ der EU wurden Immunisierungsver8
suche mit Meerschweinchen gemacht . Auch hier starb keines der Versuchstiere während der
Immunisierungsphase.
In weiteren Versuchen mit RAG1-/- Mäusen unterschied sich die CFU von M. bovis rBCG:hly und
rBCG:∆ureC:hly in Lunge und Milz nicht von M. bovis BCG. Für Experimente mit BALB/c Mäusen
wird ebenfalls erwähnt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den CFU von M. bovis
BCG, M. bovis rBCG:hly und rBCG:∆ureC:hly gab. Auch die Persistenz in den Organen war
gleich1. Die Ergebnisse zeigen, dass M. bovis rBCG:hly und M. bovis rBCG:∆ureC:hly durch die
Insertion des Hauptvirulenzfaktors Listeriolysin O von L. monocytogenes auch in vivo keine verstärkte Pathogenität entwickeln und wenigstens genauso stark attenuiert sind wie der Wildtypstamm M. bovis BCG.
In einem ersten Antrag für gentechnische Arbeiten (Az. 6790-01-938), bei denen M. bovis BCG
durch Insertion von hly aus L. monocytogenes modifiziert werden sollte, ordnete die ZKBS nach
§5 i.V.m. Anhang I Nr. 1 und Nr. 2 GenTSV GVO von M. bovis BCG mit insertiertem hly in die Risikogruppe 2 ein und alle Arbeiten mit diesen GVO nach § 7 Abs. 3 und Abs. 5 GenTSV in die
Sicherheitsstufe 2. Die mittlerweile zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten belegen,
dass durch die gentechnisch veränderten Stämme M. bovis rBCG:hly und M. bovis
2
rBCG:∆ureC:hly nicht von einer Gefährdung für Mensch und Umwelt auszugehen ist. Deshalb
stuft die ZKBS die Stämme M. bovis rBCG:hly und M. bovis rBCG:∆ureC:hly nach §5 i.V.m. Anhang I Nr. 1 und Nr. 2 GenTSV in die Risikogruppe 1 ein und gentechnische Arbeiten mit diesem
Organismus nach § 7 Abs. 2 und Abs. 3 GenTSV in die Sicherheitsstufe 1 ein.
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Bacille Calmette-Guérin mutants secreting Listeriolysin. submitted. (2005).
2. Decatur, A. L. & Portnoy, D. A. A PEST-like sequence in listeriolysin O essential for Listeria monocytogenes pathogenicity. Science 290, 992-995 (2000).
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5. Reyrat, J. M., Lopez-Ramirez, G., Ofredo, C., Gicquel, B. & Winter, N. Urease activity does not contribute dramatically to persistence of Mycobacterium bovis Bacillus Calmette-Guérin. Infect. Immun. 64,
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6. Sendide, K., Deghmane, A. E., Reyrat, J. M., Talal, A. & Hmama, Z. BCG urease attenuates major
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