Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie bei malignen Hauttumoren

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ÜBERSICHT
Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie
bei malignen Hauttumoren
Helmut Breuninger, Birger Konz, Günter Burg
ZUSAMMENFASSUNG
SUMMARY
Einleitung: Die mikroskopisch kontrollierte Chirurgie ist definiert als eine Tumorexzision mit nachfolgender kompletter Darstellung der dreidimensionalen Schnittränder (3-DHistologie) ohne diagnostische Lücken. Zu unterscheiden
ist davon die konventionelle histopathologische Aufarbeitung mittels Querschnitten nach Art einer Brotlaibtechnik.
Dieses Verfahren weist diagnostische Lücken auf, die eine
R0-Resektion (histologisch im Gesunden) vortäuschen
können. Methoden: Die Autoren führten eine selektive Literaturrecherche in Medline durch. Ergebnisse: Die 3-D-Histologie ist hoch sensitiv bezüglich der Erkennung auch
schmalzapfiger Tumorausläufer, die dann topografiegerecht entfernt werden können. Dies ermöglicht, Tumoren
selektiv und gewebeschonend zu eliminieren mit ästhetisch und funktionell guten Ergebnissen nach plastischer
Rekonstruktion. Durch eine weitgehende Standardisierung
des Verfahrens mittels routinemäßiger Aufarbeitung des
Paraffinmaterials wurde eine allgemeine Anwendung ohne
bedeutenden Mehraufwand erleichtert. Diskussion: Die
Methode führt bei Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen,
bei lentiginösen Melanomen, dem Dermatofibrosarcoma
protuberans und einigen Adnextumoren zu sehr niedrigen
lokalen Rezidivraten. Ob die komplette Darstellung der
Schnittränder eines Exzidates mit der Aufarbeitungstechnik
der 3-D-Histologie auch bei anderen soliden, nicht dermatologischen Tumorentitäten nützlich sein könnte, ist zu
prüfen.
Dtsch Arztebl 2007; 104(7): A 427–32.
MICROSCOPICALLY CONTROLLED SURGERY IN
MALIGNANT TUMOURS
Introduction: Microscopically controlled surgery is defined
as histologically complete tumour excision in three dimensions, or "3D-histology," without diagnostic gaps. This
must be distinguished from the conventional histopathologic procedure of sequential sections leaving diagnostic
gaps, which can mimic the appearances of an R0 (histologically normal) resection. Methods: Selective literature
review in medline. Results: 3D histology has high sensitivity
in detecting cord-like, locally resectable tumour strands.
This allows for selective, tissue conserving resection with
good functional and esthetic results after reconstruction.
Standardizing this technique via routine paraffin based
processing allows for widespread, convenient application.
Discussion: Recurrence rates are low using this method for
basal cell and squamous cell carcinomas of the skin, of
lentiginous melanomas, dermatofibrosarcoma protuberans
and some adnexal tumours. Whether the technique may
prove useful in other non dermatological tumours is
not yet clear.
Dtsch Arztebl 2007; 104(7): A 427–32.
Key words: microscopically controlled surgery, micrographic
histographic surgery, 3D histology, skin cancer
Schlüsselwörter: mikroskopisch kontrollierte Chirurgie,
histographische-mikrographische Chirurgie, 3-D-Histologie,
maligne Hauttumoren
V
ielen malignen Hauttumoren liegt neben genetischen Faktoren die UV-Exposition als ein mehr
oder minder stark wirksamer äthiologischer Faktor zugrunde. Da die UV-Belastung der Haut durch das Freizeitverhalten der Menschen zugenommen hat, ist die
Inzidenz maligner Hauttumoren angestiegen. Sie beträgt in hiesigen Breitengraden zum Beispiel bei Basalzellkarzinomen circa 140 Tumoren auf 100 000
Einwohner und Jahr (1). Über 80 Prozent dieser Tumoren treten im Kopf-Hals-Bereich auf. Durch diese Häufigkeit im Gesichtsbereich kommt ihnen eine ästhetische und funktionelle Bedeutung zu. Ziel der Behandlung ist die lokale radikale Entfernung. Sie ist notwen⏐ Jg. 104⏐
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dig, weil gerade im Kopf-Hals-Bereich rezidivierende
Tumoren durch ausgedehnte Destruktionen erhebliche
Probleme für den Patienten bedeuten und wiederholte
Behandlungen Folgekosten nach sich ziehen.
Ein mitunter ausgeprägtes subklinisches Tumorwachstum spielt sich auf der zellulären Ebene ab, ist
also intraoperativ nicht erkennbar. Häufig ist es asymmetrisch und oft schmalstrangig, wenige Zelllagen
breit. Prätherapeutisch kann man es bis heute auch mit
modernsten Methoden nicht in seiner kompletten Ausdehnung feststellen. Allein eine histologische Untersuchung macht kontinuierliche Tumorausläufer in der
Peripherie diagnostizierbar.
UniversitätsHautklinik der
Eberhard-Karls
Universität Tübingen
(Prof. Dr. med.
Breuninger)
Dermatologische
Klinik der LudwigMaximilian-Universität,
München (Dr. med.
Konz)
Universitäts-Spital,
Dermatologische
Klinik, Zürich (Prof. Dr.
med. Burg)
A 427
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Unterschiedliche
histologische
Aufarbeitung bei
mikroskopisch
kontrollierter
Chirurgie (a, b, c)
GRAFIK 1
Normalerweise erfolgt zur Beurteilung des Tumors
eine konventionelle histologische Querschnittsuntersuchung, am besten mit einer topografischen Markierung, um Rand-bildende Anteile des Tumors zu erkennen. Je weniger Schnitte man nun durch das Exzidat
legt, umso höher ist die Gefahr, dass Tumorausläufer
histologisch nicht abgebildet, also R0-Resektionen
(histologisch im Gesunden) vorgetäuscht werden
(Grafik 1a). Der Fehler kann verkleinert werden durch
Vermehrung histologischer Schnitte. Dadurch erhöht
sich aber der Aufwand im Labor und bei der Befundung. Außerdem bleiben umso mehr diagnostische
Lücken, je größer das Exzidat ist. Deutlich sensitiver
sind histologische Verfahren, die die dreidimensionalen Schnittränder komplett darstellen und mit deren
Hilfe die mikroskopisch kontrollierte Chirurgie
(MKC) sehr erfolgreich ist.
Komplette dreidimensionale
Schnittrandhistologie – 3-D-Histologie
1941 führte der amerikanische Dermatologe Mohs
eine Art lückenlos histologisch kontrollierte Chemochirurgie mittels Zinkchloridätzung ein und nannte
sie „microcopic controlled surgery“ (2). 1963 publizierte der deutsche Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Drepper die Methode der systematischen histologischen Kontrolle des Tumorbettes mit Paraffinschnitten (3), Burg und Konz etablierten 1971 das
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Verfahren erstmals in Europa und entwickelten die
Kryostattechnik (4, 5, 6). 1986 veröffentlichte Breuninger die Methode der „Control of excisional margins by conventional histopathological techniques in
the treatment of skin tumours“ (7), die das Paraffinschnittverfahren als Routineaufarbeitung anwendet.
Als Abkürzung für alle ähnlichen Verfahren wurde der
Begriff „3-D-Histologie“ international anerkannt (8).
Die therapeutische Überlegenheit der 3-D-Histologie
gegenüber der konventionellen Histologie ist in
großen Vergleichsübersichten belegt (9) (Tabelle) und
auch plausibel, weil es keine diagnostischen Lücken
gibt.
Methoden der Aufarbeitung
Bei der Aufarbeitung der Schnittränder eines Tumorexzidates geht es darum, dessen dreidimensionale
Ränder komplett in zweidimensionalen histologischen Schnitten darzustellen. Der damit verbundene
zusätzliche Aufwand soll gering sein. Wichtig ist für
alle Präparate die nachvollziehbare topografische
Markierung. Bewährt hat sich eine Standardisierung,
indem diese Markierung immer bei 12 Uhr, bezogen
auf die Köperachse, mittels Faden oder tiefem Einschnitt erfolgt. Damit sind die späteren histologischen
Schnitte topografisch exakt zuzuordnen. Bei mehreren Exzidatstücken oder Abweichungen sind Skizzen
und weitere Markierungen notwendig.
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Für plastische Rekonstruktionen ist eine senkrechte
Schnittführung der seitlichen Tumorexzision sachgerecht. In diesem Fall trennt man die Exzidatkanten als
Streifen ab und bei dicken Exzidaten auch die Unterseite. Indem man nun die Außenseiten dieser Streifen plan
auf eine Ebene formt, werden die dreidimensionalen
Außenränder in die Zweidimensionalität einer histologischen Schnittebene gebracht (Grafik 1b). Die Größe
der Routinekassette bestimmt die Aufteilung des
Außenrandes und der Unterseite (Basis). Die Abbildung
zeigt ein 28 × 21 mm großes Exzidat, das mit den
kompletten Außenseiten zu vier Teilen in zwei Kassetten
passt. Bei der Befundung ist nur auf Tumoranschnitte zu
achten. Bei kleinen Exzidaten passen die Randstücke
und die Basis in eine Kassette und somit erfolgt die Beurteilung der kompletten Skalpellschnittränder an nur
einem einzigen Schnittpräparat. Diese Art der Aufarbeitung ist auch am fixierten Exzisionspräparat zum Beispiel nach Einsendung des Tumormaterials möglich (7).
Im Fall der „Mohs’ Mikrographische Chirurgie“
und im Kryostatverfahren wird das Exzidat schüsselförmig entnommen und im Kryostatverfahren aufgearbeitet. Damit ist das Planieren auf eine Ebene etwas
einfacher (Grafik 1c). Aber es wird dadurch die Junktionszone schräg dargestellt, es finden sich häufiger
Tumoranteile am Schnittrand und es können nur relativ kleine Stücke bearbeitet werden. Zudem muss man
die Schnittkante vor einem plastischen Verschluss begradigen. Eine modifizierte Version, bei der auch
senkrechte Ränder zu bearbeiten sind, haben Konz
und Burg beschrieben (6). Mit dem Kryostatschnittverfahren sind die Befunde schnell verfügbar, allerdings bei höherem personellen Aufwand.
a
d
TABELLE
Lokalrezidivraten nach 3-D-Histologie bei > als 1 000 Tumoren
Publikation
Anzahl
Patienten
bzw. Tumoren
Nachbeobachtungszeit
Lokalrezidivrate (%)
Rigel et al. (11)
1981
2 960 BCC
5 J.
Primär-Tu: 1,8
Rezidiv-Tu: 3,4
Roenigk et al. (12)
1986
1 620 BCC
bis zu 4 J.
29 % 3-D-Histo:
Primär-Tu: 1,4
Rezidiv-Tu: 4,2
71 % konventionell:
Primär-Tu: 2,9
Rezidiv-Tu: 15,5
Dinehart et al. (13)
1992
1 050 Patienten
5 Mon. bis
10,7 J.
a) Primär-Tu: 2,2
Rezidiv-Tu: 7,4
Miller et al. (14)
1992
2 265 Patienten
mit 2 614 BCC,
711 SCC und 30
anderen Tumoren
1 bis 6 J.
BCC: 0,88
SCC: 1,41
Leibovitch et al.
(15, 16) 2005
BCC 3 370
SCC 381
5 J.
5 J.
BCC-Primär: 1,4
BCC-Rezidiv-Tu: 4
SCC-Primär: 2,6
SCC-Rezidiv-Tu: 5,9
Mon., Monate; TU, Tumor; BCC, Basalzellkarzinome; SCC, Plattenepithelkarzinome; J, Jahre
Das Paraffinschnittverfahren hat den Vorteil der
Routineprozedur und besserer Schnittqualität, die für
die meisten Tumorentitäten erforderlich ist. Durch eine
Schnellfixierung für zwei Stunden in 60 °C warmer Formalinlösung können die Schnitte nach 20 Stunden fertig sein. Die 3-D-Histologie kann nur im Weichgewebe
angewendet werden. Bei knöchernen Infiltrationen ist
b
c
e
f
Abbildung: Komplette Darstellung der dreidimensionalen Schnittränder eines 28 mm großen Tumorexzidates mit nur zwei Schnittpräparaten. a) Basalzellkarzinom an
der Wange mit markiertem Exzisionsabstand und 12-Uhr-Position; b) Exzisionspräparat mit Einschnitt bei 12 Uhr; c) Abtrennung der Schnittrandkanten und der Tumormitte; d) Abtrennen der Unterseite; die dreidimensionalen Exzisionsschnittflächen liegen plan unten; e) die 4 Teile werden in nur 2 Routinekassetten zur Weiterverarbeitung eingelegt; f) 3-D-Histologie nach 20 h; nur 2 Schnittpräparate; Tumorausläufer bei 12–1 Uhr
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GRAFIK 2
KASTEN
Indikationen
> Basalzellkarzinome, insbesondere
Risikolokalisationen (zentrofazial, periokulär und
periaurikulär), bei Invasion tiefer Strukturen
und immer bei Rezidiven
> Plattenzellkarzinome
> Lentigo maligna und Lentiga-maligna-Melanom
> akral lentiginöses Melanom
> Dermatofibrosarkoma protuberans
> Merkelzellkarzinom
> mikrozystisches Adnexkarzinom
> extramammärer Morbus Paget
Wahrscheinlichkeit der subklinischen lateralen Infiltration beim Basalzellkarzinom in Abhängigkeit vom Tumordurchmesser (nach Breuniger und Diez [10])
eine komplette Darstellung der Resektionsränder allenfalls nach Entkalkung durchführbar. Nur diese Techniken der Komplettdarstellung der Resektionsränder erfüllen die Bedingungen der im Katalog der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) und im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) genannten „Histographischen- oder Mikrographischen Chirurgie“.
Infolge dieser Komplettdarstellung der Resektionsränder ist die Sensitivität der 3-D-Histologie, Tumorausläufer darzustellen, sehr hoch. Deshalb können die
Sicherheitsabstände der Exzision bei Bedarf klein gehalten werden, womit gesunde Haut geschont wird. Bei
sparsamer Exzision sind allerdings im Durchschnitt
mehr gezielte Nachoperationen notwendig. Die Grafik 2
(10) zeigt diese Wahrscheinlichkeit für Basalzellkarzinome. Wenn zur Defektdeckung Lappenplastiken
notwendig sein sollten, ist es günstiger den Defekt mit
einer temporären Wundabdeckung zu versorgen, wie
etwa mit Wundstrips, Fettgaze oder Polyurethanfolie.
Da am Verfahren ein Operateur und in der Regel ein
Histopathologe beteiligt sind, muss im Einzelfall die
Verteilung der Aufarbeitungsschritte abgesprochen werden. Entweder arbeitet der Operateur schon am OPTisch das Material auf und bringt es zur histopathologischen Untersuchung in die Kassetten oder er delegiert
dies an den Pathologen. Der Aufwand einer 3-D-Histologie im Praffinschnittverfahren ist gegenüber der konventionellen histologischen Serienschnittherstellung im Paraffinverfahren nicht unbedingt höher, deutlich höher ist
er jedoch beim Kryostatverfahren. Der Gesamtaufwand
der Tumorsanierung wird allerdings bei Exzisionen mit
gewebesparendem kleinen Exzisionsabstand durch häufigere Nachoperationen größer. Damit kann man aber gesunde Haut schonen, was in speziellen anatomischen Lokalisationen des Gesichtes sehr nützlich ist.
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> Morbus Bowen (perianal-genital)
Indikation für die 3-D-Histologie
Die 3-D-Histologie wird am häufigsten zur operativen
Behandlung des Basalzellkarzinoms im Kopf-HalsBereich eingesetzt (Kasten). Gerade bei diesem Tumor ist der Nutzen hinsichtlich der Sicherheit der
kompletten Exzision sehr gut dokumentiert. Große
Studien zeigen sehr niedrige Rezidivraten (Tabelle)
(11–16). Zur Literatur ist zu sagen, dass bisher ein
Evidenzlevel III nicht überschritten wurde, und dass
die Darstellung der konkurrierenden Verfahren mit
circa zehnfach kleineren Zahlen und kürzeren Nachbeobachtungszeiten erfolgt – was eine Selektion bedeutet. An randomisierten Studien liegt lediglich eine
mit kleinen Zahlen, kurzer Nachbeobachtung und
einem fragwürdigen Studiendesign vor. Der Unterschied zwischen konventioneller und 3-D-Histologie
ist auch im Hinblick auf die geringeren Exzisionsabstände bei der MKC und der damit verbundenen
Möglichkeit der Gewebeschonung komplex und in
randomisierten Studien noch nicht erarbeitet.
Die Tumorrückfälle sind bei Rezidiven deutlich
häufiger, sodass der Tumor-Erstbehandlung mittels 3D-Histlogie eine besondere Bedeutung zukommt. Die
Gewebeschonung erlaubt gute ästhetische Ergebnisse
der rekonstruktiven Operationsverfahren, was insbesondere im Kopf-Hals-Bereich sehr wichtig ist (Grafik 3) (17). Ähnliche Resultate (83 Prozent) werden in
einer Studie mit sehr kleinem Kollektiv (n = 97) für die
photodynamische Therapie berichtet, die eine höhere
Rezidivrate aufweist. Im Vergleich damit schneidet
die randomisiert geprüfte Chirurgie mit konventioneller Histologie mit 41 Prozent bei der Bewertung „gut“
und „sehr gut“ deutlich schlechter ab (18).
Der zweithäufigste Tumor ist das Plattenepithelkarzinom der Haut, das ebenfalls operativ mit dieser Me⏐ Jg. 104⏐
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thode lokal gut zu beherrschen ist (14, 16). Eine Ausnahme sind die Plattenepithelkarzinome vom desmoplastischen Typ, die eine signifikant höhere Rezidivrate auch mit dieser Methode aufweisen (19). Gut geeignet ist die 3-D-Histologie auch zur Behandlung des
seltenen aber sehr zu Rezidiven neigenden Dermatofibrosarcoma protuberans. Auch bei diesem Tumor
kann man mikroskopisch feinste Ausläufer – teils
mehrere Zentimeter lang – topografisch exakt unter
Schonung gesunden Gewebes eradizieren. Empfehlenswert sind Exzisionsschritte von 5 bis 10 mm. Die
Rezidvraten liegen erheblich unter denen bei konventioneller Histologie (20) mit größeren Exzisonsabständen (21).
Als weitere Indikation sind die Lentigo maligna
und die akral lentiginösen Melanome zu nennen, weil
sie im Gegensatz zu den superfiziellen und nodulären
Melanomen eine kontinuierliche zentrifugale subklinische Ausbreitung aufweisen (22). Die Lentigo maligna und das Lentigo-maligna-Melanom sind häufig im
Kopf-Hals-Bereich und an den Akren sind die akral
lentiginösen Melanome lokalisiert. In beiden Fällen
kann mithilfe der hoch sensitiven 3-D-Histologie gesundes Gewebe geschont werden, ohne die Lokalrezidivrate zu erhöhen (23). So sind heute beim Melanom
akrale Amputationen in aller Regel nicht mehr notwendig. Die Exzisionsabstände bei der Erstoperation
können je nach Lage mit wenigen Millimetern beginnen. Nachoperationen erfolgen nur an tumorpositiven
Randabschnitten. Dies gilt auch für den seltenen Adnextumor, den extramammären Morbus Paget. Bei
Letzterem bedarf es keiner histologischen Untersuchung der Exzidatunterseite. Er kann ebenfalls eine
erhebliche horizontale subklinische Ausbreitung von
mehreren Zentimetern aufweisen. Es empfehlen sich
daher Exzisionsschritte von 5 bis 10 mm (24). Auch
beim perianalen und genitalen Morbus Bowen ist die
Methode hilfreich. Für das Merkelzellkarzinom steht
der Nutzen noch nicht fest, es scheint jedoch auch eine Reduktion der Ausdehnung der Operation ohne
höheres Lokalrezidivrisiko möglich zu sein (25).
Resümee
Die 3-D-Histologie im Rahmen der mikroskopisch
kontrollierten Chirurgie (MKC) bietet bei einer Vielzahl maligner Hauttumoren die höchste Sicherheit,
um eine echte und nicht nur vorgetäuschte R0-Resektion nachzuweisen. Die Ablaufmodalitäten können
zwischen Operateur und Histologen variabel gestaltet
werden. Durch die hohe Sensitivität kann man gewebeschonend operieren. Bei sparsamer Exzision sind
im Durchschnitt mehr gezielte Nachoperationen notwendig. Dadurch kann sich der Gesamtaufwand für
eine Tumorsanierung erhöhen und muss in jedem Einzelfall überdacht werden. Immerhin lässt sich mit dem
Konzept der 3-D-Histologie die Forderung nach hoher
Rezidivfreiheit und guten Rekonstruktionsergebnissen verwirklichen. Nur die 3-D-Histologie erfüllt die
Bedingungen der im Katalog der OPS und im EBM
genannten „Histographischen- oder mikrographi⏐ Jg. 104⏐
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GRAFIK 3
Ästhetische
Ergebnisse nach
3-D-Histologie
schen Chirurgie“. Es ist zu prüfen, ob die komplette
Darstellung der Schnittränder eines Exzidates mit der
Aufarbeitungstechnik der 3-D-Histologie auch bei anderen soliden, nicht dermatologischen Tumorentiäten
von Nutzen sein könnte.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien
des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 10. 2. 2006, revidierte Fassung angenommen: 6. 7. 2006
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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Helmut Breuninger
Universitäts-Hautklinik
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Liebermeisterstraße 25, 72076 Tübingen
Internet: www.medizin.uni-tuebingen.de/mkc/
E-Mail: [email protected]
@
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt.de/english
KONGRESSBERICHT
Schlüsseltechnologie
Magnetresonanztomographie
Siebtes Frankfurter interdisziplinäres Symposium für
innovative Diagnostik und Therapie
Thomas J. Vogl, Jörn O. Balzer, Martin G. Mack
D
ie derzeit klinisch eingesetzten Magnetresonanztomographen variieren in den Feldstärken von
0,2 bis 3 Tesla; zu Forschungszwecken werden auch
Systeme mit bis zu 7 Tesla Feldstärke eingesetzt. Über
die Grundlagen, den Stellenwert und die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Magnetresonanztomographie (MRT) diskutierten Wissenschaftler und Ärzte
auf dem siebten FISI-Symposium am 13. und 14. Oktober 2006 in Frankfurt.
Die aktuellen Konzepte zur Ganzkörper-Magnetresonanztomographie erläuterte Heinz-Peter Schlemmer
(Tübingen) für das Screening, die Tumordiagnostik, die
Diagnostik von muskuloskelettalen Erkrankungen und
zum Nachweis von Entzündungen. Als problematisch
erweise sich der Umgang mit dem großen Datenvolumen der Ganzkörper-MRT und der Abklärung von Zufallsbefunden aus diesen Untersuchungen. Für das Tumor-Staging sei heute der hohe Stellenwert der Magnet-
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resonanztomographie belegt. Es fehlen jedoch, so
Schlemmer weiter, vergleichende Studien, in denen untersucht werde, ob der Einsatz von Hochfeldsystemen
mit mehr als 1,5 bis 3 Tesla eine weitere Verbesserung
der Diagnostik erwarten lässt oder ob die technologische Entwicklung in Richtung hochauflösender 1,5Tesla-Systeme gehen wird. Für die neuroradiologische
Untersuchung und die Diagnostik der Kopf-Hals-Region
favorisierte Klaus Sartor (Heidelberg) den integrierten
Einsatz von spezifischen MR-Sequenzen wie der MRAngiographie und der MR-Spektroskopie mit verbesserten Ergebnissen bei 3-Tesla-Systemen.
Kardio-MRT
Ein Schwerpunkt der modernen MRT-Bildgebung stelle
nach Auffassung von Dietbert Hahn (Würzburg) die
Kardio-MRT dar. Dies betreffe die MR-Perfusion und
die Stress-MRT. Trotz Entwicklung neuer Spezialspu⏐ Jg. 104⏐
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