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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
Quelle: http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/produktion//qualitative/qualitative-titel.html
Ernst Halbmayer und Jana Salat
Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien
Kapitelübersicht
1
1.1
1.2
2
2.1
2.2
2.3
3
3.1
3.2
4
4.1
4.2
4.2.1
4.3
4.4
4.4.1
4.4.2
4.4.3
5
5.1
5.1.1
5.1.1.1
5.1.1.1.1
5.1.1.2
5.1.1.2.1
5.1.1.3
5.1.1.4
5.1.1.5
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5.1.2.1.4
5.1.2.1.5
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5.1.2.2
5.1.2.2.1
5.1.2.2.2
5.1.2.2.2.1
5.1.2.2.2.2
5.1.2.2.3
5.1.2.2.3.1
5.1.2.2.3.2
5.1.2.2.3.3
Was ist ein Forschungsprojekt?
Inhaltlich-methodische Voraussetzungen eines Forschungsprojekts
Literatur
Arten des Schlussfolgerns
Induktives Schlussfolgern
Deduktives Schlussfolgern
Abduktives Schlussfolgern
Sampling
Theoretisches bzw. gezieltes Sampling
Literatur
Daten und Artefakte
Qualitative und quantitative Daten
Formen qualitativer Datendokumentation und Arten qualitativer Daten
Schreiben
Selbst erhobene und bereits vorliegende Daten
Institutionelle Archivierung kultur- u. sozialanthropologischer Artefakte und Daten
Eine Auswahl ethnographischer Museen
Phonogrammarchiv
Institut für Kultur- und Sozialanthropologie
Der Prozess der Datenerhebung
Strategien der Datenerhebung
Formen der Beobachtung
Standardisierte Formen der Beobachtung
Nicht standardisierte Formen der Beobachtung
Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung
Beobachtungsrollen
Direkte und indirekte Beobachtung
Offene und verdeckte Beobachtung
Literatur
Formen von Befragungen
Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews
Strukturierung
Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen
Form und Medium der Befragung
Stil der Kommunikation
Frageformen
Zielsetzung
Beispiele für qualitative Interviewverfahren
Biographische Interviews
Formen informeller Gespräche
Das rezeptive Interview
Das ero-epische Gespräch
Formen formeller Interviews
Das ExpertInneninterview
Das problemzentrierte Interview
Das narrative Interview
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5.1.2.3
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5.2.1.1
5.2.1.1.1
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5.2.1.4
5.2.1.4.1
5.2.1.4.2
5.2.1.4.2.1
5.2.1.5
5.2.1.5.1
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5.2.2.1.1.5
5.2.2.1.1.5.1
5.2.2.1.1.5.2
5.2.2.1.1.5.3
5.2.2.1.2
5.2.2.1.2.1
5.2.2.1.2.2
5.2.2.1.2.3
5.2.2.1.2.4
5.2.2.1.2.5
5.2.2.1.2.6
5.2.2.1.2.7
5.2.2.1.3
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5.2.3.4.1
5.2.3.4.1
5.2.3.4.2
5.2.3.4.2.1
5.2.3.4.2.2
5.2.3.4.2.2.1
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Das ethnographische Interview
Formen der Transkription von qualitativen Interviews
Literatur zum Thema Befragungen
Methodentriangulation
Ethnographie als Prozess der Datenerhebung
Forschungsdesign klassischer Ethnographien
Historischer Partikularismus - Franz Boas
Franz Boas
Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus
Methoden und Techniken des historischen Partikularismus
Funktionalismus - Bronislaw Malinowski
Bronislaw Malinowski
Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus
Methoden und Techniken des Funktionalismus
Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock
George P. Murdock
Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF
Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz
Clifford Geertz
Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie
Beispiel für eine dichte Beschreibung
Anthropology at Home
Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home
Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home
Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung
Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?
Fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung
Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Position
Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken
Erwerb von Regionalkenntnissen
Erwerb von Sachkenntnissen
Sprachliche Vorkenntnisse
Sprachen europäischen Ursprungs
Lokale Verkehrssprachen und Pidgin
Lokale bzw. indigene Sprachen
Praktisch-organisatorische Vorbereitung
Projektanträge
Kontakte zu Institutionen im Forschungsland
Empfehlungsschreiben
Reisemodalitäten
Unterbringungsmöglichkeiten
Medizinische Maßnahmen
Technische Ausrüstung
Persönliche Vorbereitung: Selbstreflexion der ForscherIn
Wie schreibt man Feldnotizen?
Headnotes und Fieldnotes
Von der ethnographischen Erfahrung zu den Feldnotizen
Feldnotizen als Daten
Fieldnotes als unterschiedliche Textsorten
Stichwortzettel
Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern
Ausgearbeitete fieldnotes
Das Ausarbeiten der Fieldnotes
Stile und Strategien des Verfassens von Fieldnotes
Beschreibungsperspektiven
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5.2.3.4.2.2.3.3
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5.2.3.4.2.2.3.2
5.2.3.4.3
5.2.3.4.4
5.2.3.4.5
5.2.3.4.6
5.2.3.4.7
5.2.3.4.8
5.2.3.5
5.2.3.5.1
5.2.3.5.2
5.2.3.5.3
5.2.3.5.3.1
5.2.3.5.3.2
5.2.3.5.3.3
5.2.3.5.3.3.1
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5.2.4
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Echtzeit- und Endpunkt-Beschreibungen
Die Darstellung von Szenen
Veranschaulichung
Dialog
Charakterisierung
In-Beziehung-Setzung von Szenen
Bedeutungen der lokalen AkteurInnen
Organisation der fieldnotes
Transkripte
Spezialisierte Datensammlungen
Metadatendokumentation
Schriftliche Interaktionen aus dem Feld
Literatur
Analyse der Fieldnotes
Das Lesen der Feldnotizen als Daten
Das Stellen von Fragen an die Fieldnotes
Das Kodieren der Feldnotizen
Offenes Kodieren
Rekodieren: von allegemeinen zu spezifischen Kodes oder umgekehrt?
Kodieren vor dem Hintergrund von Konzepten und Fragestellungen
Axiales Kodieren in der Grounded Theory
Thematisches Kodieren
Kodieren vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer erthnographischen Erzählung
Das Verfassen von Memos
Literatur
1 Was ist ein Forschungsprojekt?
Um die Frage „Was ist ein Forschungsprojekt?“ zu beantworten, ist einerseits zu klären, was ein Projekt ist und
andererseits was unter Forschung verstanden werden kann.
Ein Projekt ist eine zeitlich begrenzte und zielgerichtete Unternehmung, die zur Bearbeitung neuer
Fragestellungen bzw. Probleme eingerichtet wird und mit bestimmten, zumeist begrenzten Ressourcen
(Arbeitsmittel, Zeit, Geld, MitarbeiterInnen, Infrastruktur) ausgestattet ist.
Unter Forschung versteht man ein spezifisches, zielgerichtetes, von einer Forschungsfrage geleitetes
Verfahren zur Generierung von neuem Wissen und Erkenntnissen. Die inhaltlich- methodischen
Voraussetzungen von Forschung bestehen in einer spezifischen Verbindung von
Theorien,
Begriffen,
methodischen Verfahren und
Daten.
Zielgerichtete Forschung wird zumeist projektförmig durchgeführt. Basis sind Projektpläne, in denen neben
den inhaltlich-methodischen auch die organisatorischen Voraussetzungen von Forschungsprojekten festgelegt
werden.
Organisatorisch sind Forschungsprojekte sowohl zeitlich strukturiert, wie sozial differenziert. Die Abfolge
unterschiedlicher Projektphasen führt zu einer zeitlichen Strukturierung, während es auf der sozialen Ebene zu
einer Herausbildung unterschiedlicher Rollen, Funktionen und Verantwortlichkeiten innerhalb eines Projektes
kommt.
Komplexe, d.h. zeitlich strukturierte und/oder sozial differenzierte Projekte bedürfen einer Koordination bzw.
Steuerung, die auch als Projektmanagement bezeichnet wird.
1.1 Inhaltlich-methodische Voraussetzungen eines Forschungsprojekts
Die inhaltlich-methodischen Voraussetzungen von Forschung bestehen in einer Verbindung von
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Theorien
Begriffen
methodischen Verfahren und
Daten.
Im Zuge der Entwicklung eines Forschungsprojektes müssen grundlegende Entscheidungen in allen vier
Bereichen getroffen werden:
Ein Ausgangspunkt kann etwa eine etablierte Theorie und von ihr abgeleitete, d.h. deduzierte Hypothesen
sein, die im Zuge eines Forschungsprojektes anhand einer zumeist quantitativen Untersuchung eines
bestimmten Phänomenbereichs überprüft werden. Aber nicht alle Forschungsprojekte gehen deduktiv[1] vor
und zielen auf Hypothesen- bzw. Theorieprüfung ab. Qualitative Forschungsprojekte zielen vielmehr auf die
induktive[2] Entwicklung von Theorien und Hypothesen aus qualitativen empirischen Daten ab.
Ein anderer Ausgangspunkt eines Forschungsprojektes kann eine Präferenz für eine bestimmte Form von
Daten sein, die im Zuge des Forschungsprojektes produziert werden sollen. Dabei kann es sich z.B. um
qualitative ethnographische Beschreibungen spezifischer Lebenszusammenhänge handeln, aber auch um
quantitative Daten, die Zusammenhänge in Zahlen wiedergeben.
Je nach Fragestellung und Intention können unterschiedliche methodische Verfahren eingesetzt und auch
miteinander kombiniert werden (Methodentriangulation[3]).
Den Begriffen kommt in diesem Rahmen eine zentrale Stellung als Schnittstelle zwischen der Theorie und den
Daten zu. Solche Begriffsdefinitionen bzw. -bestimmungen können auf unterschiedliche Art und Weise
vorgenommen werden.
De facto gibt es zahlreiche Möglichkeiten die vier genannten Bereiche überzeugend aufeinander abzustimmen.
Dies liegt daran, dass in den Kultur- und Sozialwissenschaften zeitgleich verschiedene
theoretische Zugänge
Arten der Begriffsbestimmung bzw. Operationalisierung
Methoden der Datenerhebung[4] und -analyse sowie
Formen von Daten[5] (z.B. visuelle, auditive, deskriptive, numerische)
Verwendung finden.
Weitere Möglichkeiten ergeben sich dadurch, dass Forschung von jedem der vier oben genannten Punkte
ausgehen kann.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 2.2
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 5.1.3
[4] Siehe Kapitel 5
[5] Siehe Kapitel 4.2
1.2 Literatur
Kuster, Huber, Lippmann, Schmid, Schneider, Witschi, Wüst (2006) Handbuch Projektmanagement. Springer:
Berlin.
Patzak, Gerold und Günter Rattay (2004) Projektmanagement. Linde: Wien.
2 Arten des Schlussfolgerns
Idealtypisch können drei Arten des Schlussfolgerns unterschieden werden:
Vom Besonderen auf das Allgemeine[1] (Induktion)
Vom Allgemeinen auf das Besondere[2] (Deduktion)
Vom Überraschenden auf ein Fallverständnis und eine Regel[3] (Abduktion)
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Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.2
[3] Siehe Kapitel 2.3
2.1 Induktives Schlussfolgern
Als Induktion (vom lat. inductio = hineinführen) bezeichnet man eine Art des Schlussfolgerns, die vom
Besonderen auf das Allgemeine schließt. Es werden allgemeine Erkenntnisse bzw. Theorien aus der
Verallgemeinerung bzw. Abstraktion von Einzelphänomenen gewonnen.
Beispiel für die Logik induktiven Schlussfolgerns:
Amseln, Rotkehlchen, Adler und Enten können fliegen. Daraus ließe sich der induktive Schluss ziehen, dass
Vögel fliegen können. Dies wäre eine falsifizierbare These, da bei näherer Überprüfung deutlich wird, dass
auch Vögel existieren, die nicht fliegen können (Strauss, Pinguin, etc.).
2.2 Deduktives Schlussfolgern
Die Deduktion (vom lat. deducere = herabführen) ist eine Art der Schlussfolgerung, die vom Allgemeinen auf
das Besondere schließt. Es werden Einzelerkenntnisse bzw. Hypothesen aus allgemeinen Theorien abgeleitet.
Beispiel für die Logik des deduktiven Schlussfolgerns:
Alle Säugetiere sind Warmblüter. Wale sind Säugetiere. Daraus folgt: Wale sind Warmblüter.
2.3 Abduktives Schlussfolgern
Die Abduktion (lat. abductio = Wegführung; engl. abduction) ist eine von Charles S. Peirce formulierte
Schlussweise, die neben der Induktion[1] und der Deduktion[2] steht.
Die Abduktion „sucht angesichts überraschender Fakten nach einer sinnstiftenden Regel, [...], welche das
Überraschende an den Fakten beseitigt“ (Reichertz 2003: 43) und klar macht, was der Fall ist. „Endpunkt dieser
Suche ist eine [...] (sprachliche) Hypothese. Ist diese gefunden, beginnt der Überprüfungsprozess“ (ebd.).
Es handelt sich dabei also um ein hypothesen- bzw. regelgenerierendes Verfahren, welches im Gegensatz
zur Deduktion nicht von existierenden Theorien ausgeht, sondern bislang noch nicht bekannte Regeln bzw.
Hypothesen formuliert, die gleichzeitig ein Fallverständnis ermöglichen. Die Abduktion schließt somit von einer
bekannten Größe (überraschende Fakten) auf zwei unbekannte Größen, nämlich auf die Regel und den Fall.
Mittels dieser neuen sinnstiftenden Regel wird eine Weltdeutung geschaffen, die „würde sie sich als richtig
erweisen, uns bei Problemen handlungsfähig macht, angesichts derer wir zuvor handlungsunfähig waren“
(Reichertz 2003: 57) und die nun überprüft werden muss.
Abduktives Folgern ist formallogisch nicht zu begründen, da sich die neue Regel aus dem überraschenden
Ereignis nicht logisch stringent ableiten lässt, sondern nur eine theoretisch mögliche Erklärung ist. Ob diese
zutreffend ist und inwieweit sie über den konkreten Fall hinaus Gültigkeit beanspruchen kann, muss
empirisch überprüft werden.
Abduktive Schlüsse beziehen ihre Gültigkeit also nicht aus der formalen Logik ihres Zustandekommens,
sondern aus der empirischen Überprüfung der durch sie generierten Regeln.
Literatur:
Reichertz, Jo. (2003) Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Leske & Budrich: Opladen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.2
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3 Sampling
Unter einem Sample (der Stichprobe) versteht man die Auswahl der zu untersuchenden Fälle aus einer
Grundgesamtheit[1]. Wenn z.B. die Studierenden der Universität Wien untersucht werden sollen, so sind
diese die Grundgesamtheit. Eine Untersuchung wird im Normalfall keine Totalerhebung dieser
Grundgesamtheit durchführen, sondern eine Auswahl der zu untersuchenden Studierenden treffen.
In der quantitativen Sozialforschung ist die Repräsentativität der Stichprobe ein zentrales Qualitätskriterium.
Eine Stichprobe ist dann repräsentativ[2], wenn sie ein verkleinertes unverzerrtes Abbild der
Grundgesamtheit darstellt. Dies ist die Voraussetzung, um von einer untersuchten Stichprobe mit einer
gewissen Irrtumswahrscheinlichkeit[3], auf die Gesamtpopulation (Grundgesamtheit) schließen zu können.
Innerhalb der quantitativen Sozialforschung gibt es unterschiedliche Verfahren, um repräsentative
Stichproben zu ziehen[4], z.B.:
Zufallsauswahl (random sampling)
geschichtete Zufallsauswahl
Klumpenauswahl
mehrstufige Stichproben
Quotenverfahren
systematische Auswahl
Innerhalb der qualitativen Sozialforschung, die auf die verstehende Analyse vergleichsweise weniger Fälle
abzielt, werden hingegen in der Regel keine repräsentativen Stichproben gezogen. Die Auswahl der zu
untersuchenden Einheiten erfolgt vielmehr nach theoretischen Überlegungen (theoretical sampling[5]).
Einführende Literatur:
Atteslander, Peter (2000) Stichproben. In: ders. Methoden der empirischen Sozialforschung. Walter de Gruyter:
Berlin, New York. 9.Auflage.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-10.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-24.html
[3] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-8.html
[4] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-13.html
[5] Siehe Kapitel 3.1
3.1 Theoretisches bzw. gezieltes Sampling
Innerhalb der qualitativen Sozialforschung versteht man unter theoretischem Sampling (Glaser und Strauss
1998 [1967]) die Auswahl einer Datenquelle, eines Falles, einer Stichprobe bzw. eines Ereignisses vor dem
Hintergrund theoretischer Überlegungen. Die zentrale Fragestellung ist dabei, welche Fallauswahl für die
Spezifizierung von Konzepten im Rahmen einer zu entwickelnden Theorie am gewinnbringendsten ist.
Die Fallauswahl hängt also von den bereits entwickelten Konzepten und Theorien ab und dient deren
Weiterentwicklung.
Innerhalb der Grounded Theory steht das theoretische Sampling in engem Zusammenhang mit dem iterativen
Prozess des Forschungsablaufes. Das Sample ist dabei nicht von vornherein festgelegt, sondern wird vor dem
Hintergrund zu lösender theoretischer Probleme ausgewählt. Diese Vorgangsweise ist Ausdruck eines
zirkulären Forschungsablaufs.
Will man die allgemeinen Aspekte eines Konzeptes erschließen, so sollte man möglichst heterogene Fälle
berücksichtigen. Will man hingegen überprüfen, ob ein für einen Phänomenbereich (z.B. PrimarärztInnen)
entwickeltes Konzept auch für einen anderen (z.B. Stationsschwestern) Gültigkeit besitzt, so wird man bewusst
Personen aus diesem Bereich für die weitere Untersuchung auswählen.
Theoretisches Sampling bezieht sich in der Grounded Theory nicht nur auf die Auswahl der zu untersuchenden
Personen oder Ereignisse (Datenerhebung), sondern auch auf die Auswahl jener Konzepte und Kategorien,
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die im Zuge der Datenanalyse weiterentwickelt werden.
In der neueren Literatur wird auch von "gezieltem Sampling" gesprochen (Patton 1990).
3.2 Literatur
Atteslander, Peter (2000) Stichproben. In: ders. Methoden der empirischen Sozialforschung. p. 290-302. Walter
de Gruyter: Berlin, New York. 9. Auflage.
Glaser, Barney und Anselm Strauss (1998) Theoretisches Sampling. In: dies. Grounded Theory. Strategien
qualitativer Forschung. Aldine de Gruyter: New York, S. 53-84.
Patton, M.Q. (1990) Qualitative Sampling and Research Methods. Sage: London. 2. Auflage.
Strauss, Anselm und Juliet Corbin (1996) Theoretisches Sampling. In: dies. Grundlagen Qualitativer
Sozialforschung. Beltz, Psychologie Verlags Union: Weinheim, S.148-165.
4 Daten und Artefakte
Unter Daten versteht man im Allgemeinen „aus Messungen, Beobachtungen und Ähnlichem gewonnene
Angaben und Informationen“. Innerhalb der Wissenschaft ist vor allem die Dokumentation der gewonnenen
Informationen für weitere Analysen zentral. Daten sind also kein „Ding an sich“, sondern entstehen erst als
dokumentierte (z.B. verschriftlichte) Beobachtungsleistung.
Wissenschaftliche Daten beruhen auf systematischer Datendokumentation!
Wenn solche Beobachtungsleistungen im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte organisiert werden,
spricht man von Datenerhebung[1], die auf unterschiedlichen Methoden beruhen kann. Daten können in
einem Forschungsprojekt selbst erhoben werden, eine Untersuchung kann aber auch bereits vorliegende
Daten[2] analysieren. Erfolgt die Datenerhebung mittels standardisierter Instrumente (Waage, Thermometer,
Fragebogen etc.), wird sie auch Messung genannt.
Da man mit unterschiedlichen Sinnen und Instrumenten beobachten kann, gibt es auch unterschiedliche
Formen von Daten. Einerseits werden qualitative (nicht standardisierte) Daten von quantitativen
(standardisierten, numerischen) unterschieden, andererseits kann man innerhalb der qualitativen Daten
verschiedene Formen unterscheiden. Diese Formen beziehen sich einerseits auf die menschlichen Sinne (z.B.
visuell, akustisch) und andererseits auf die Art der Datendokumentation[3] (deskriptiv, auditiv, visuell, audiovisuell).
Im Gegensatz zu den anderen Sozialwissenschaften und einigen Geisteswissenschaften erhebt und analysiert
die Kultur- und Sozialanthropologie aber nicht nur qualitative und quantitative Daten, sondern sammelt auch
systematisch materielle Artefakte. So werden einerseits von Menschen produzierte Objekte als
Ausdrucksweisen der untersuchten Kulturen gesammelt und in eigenen Museen[4] archiviert, wissenschaftlich
bearbeitet und ausgestellt.
Andererseits werden z.B. in der Ethnobotanik und Ethnomedizin systematisch natürliche Materialien und
Lebewesen (Pflanzen, Tiere, etc.) gesammelt und ihre lokalen Verwendungsweisen dokumentiert. So werden
etwa Herbarien für Pflanzensammlungen angelegt, um diese botanisch bestimmen und auf
Pflanzeninhaltsstoffe untersuchen zu können.
Diese materiellen Artefakte dienen einerseits als Basis für wissenschaftliche Untersuchungen und der
Produktion von Daten, andererseits werden sie wie Daten (Fotos, Filme, Tonaufnahmen, ...) zur Repräsentation
soziokultureller Lebensformen eingesetzt.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5
[2] Siehe Kapitel 4.3
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 4.4
4.1 Qualitative und quantitative Daten
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In den Sozialwissenschaften wird im Normalfall zwischen qualitativen und quantitativen Daten
unterschieden. Eine Art der Unterscheidung stellt darauf ab, ob es sich um numerische, das heißt in Zahlen
transformierte quantitative Daten handelt oder um nicht-numerische Daten in z.B. verschriftlichter oder audiovisueller Form. Die andere Unterscheidung, die zumeist aus der Perspektive der quantitativen Sozialforschung
getroffen wird, macht die Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Daten nicht primär an der
numerischen Ausprägung, sondern am Skalenniveau[1] der Daten fest. Nominalskalierte[2] Daten werden
aus einer solchen Position manchmal als qualitative Daten bezeichnet, auch wenn ihre Ausprägungen in
Zahlenwerten zum Ausdruck kommen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-49.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-51.html
4.2 Formen qualitativer Datendokumentation und Arten qualitativer Daten
Im Rahmen der qualitativen Datenerhebung werden mittels bestimmter Verfahren, wie (teilnehmender)
Beobachtung[1], Befragung[2], Feldforschung[3], Experimente etc. Wahrnehmungen, Aussagen und
Erfahrungen zu Daten transformiert. Dabei kann es sich um die eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen
handeln, die in Form von Feldnotizen[4] verschriftlicht werden, oder aber um die Wahrnehmungen, Aussagen
und Erfahrungen anderer, welche beobachtet werden oder in Befragungen zum Ausdruck kommen.
Zentral ist, dass es im Zuge dieses Prozesses zu einer mehrfachen Selektion kommt: Erstens haben wir es
notgedrungen immer mit selektiven Wahrnehmungen komplexer Situationen zu tun, und zweitens kommt es
während der Transformation solcher Wahrnehmungen und Erfahrungen in Aussagen und Daten zu einer
weiteren Auswahl. Wenn der/die ForscherIn die Aussagen dritter dokumentiert und verschriftlicht, kommt es zu
weiteren Selektionen. Die dokumentierten Daten zeigen deshalb immer nur einen von dem/der ForscherIn und
Beforschten gestalteten Ausschnitt der realen Feldsituation in Form von verschriftlichten Daten, Bildern, Filmen,
Fotos, und Tonaufnahmen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2
[4] Siehe Kapitel 5.2.3
4.2.1 Schreiben
Eine zentrale Strategie, Wahrnehmungen, Aussagen und Erfahrungen in Daten zu transformieren ist,
Verschriftlichungen in Form von Transkripten[1], Protokollen[2] und Feldnotizen[3] anzulegen. Von
Interviews, die mittels audio-visueller Methoden aufgenommen wurden, fertigt man im Normalfall
Transkriptionen an, während von Gesprächen und Interviews, die nicht aufgezeichnet wurden, nachträglich
Interview- bzw. Gesprächsprotokolle angefertigt werden. Im Rahmen einer Feldforschung sind diese Teil der
umfassenderen Feldnotizen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/schreiben/schreiben-83.html
[3] Siehe Kapitel 5.2.3
4.3 Selbst erhobene und bereits vorliegende Daten
Neben den mittels unterschiedlicher Datenerhebungsverfahren im Laufe eines Forschungsprozesses
selbsterhobenen Daten können auch bereits vorliegende oder von anderen erhobene Daten im Rahmen
eines Forschungsprojektes einer Analyse unterzogen werden. Zu solchen nicht selbst erhobenen Daten, die
mittels eigener analytischer Verfahren untersucht werden können, gehören z.B.:
Dokumente,
Akten,
Artefakte,
Tagebücher,
Teilbereiche unterschiedlicher Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Filme, aber auch das Internet
aber auch vorliegende Daten aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen, die einer Reanalyse
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unterzogen werden können.
4.4 Institutionelle Archivierung kultur- u. sozialanthropologischer Artefakte und Daten
Die institutionelle Archivierung kultur- und sozialanthropologischer Artefakte und relevanter Daten findet auf
unterschiedlichen Ebenen statt:
in ethnologischen bzw. völkerkundlichen Museen[1]
in audio-visuellen Archiven[2]
in den Sammlungen ethnologischer und kultur- und sozialanthropologischer Institute[3]
in spezialisierten Archiven für anthropologische Feldnotizen und Manuskripte[4]
sowie zum Teil in naturhistorischen Museen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 4.4.1
[2] Siehe Kapitel 4.4.2
[3] Siehe Kapitel 4.4.3
[4] http://www.nmnh.si.edu/naa/
4.4.1 Eine Auswahl ethnographischer Museen
EUROPA
Österreich:
Wien:
Museum für Völkerkunde[1]
Volkskundemuseum[2]
Schwaz/Tirol:
Haus der Völker[3]
Deutschland:
Berlin:
Ethnologisches Museum[4]
Museum europäischer Kulturen[5]
Dresden:
Museum für Völkerkunde[6]
Frankfurt/Main:
Museum der Weltkulturen[7]
Hamburg:
Museum für Völkerkunde[8]
Heidelberg:
Völkerkundemuseum[9]
Köln:
Rautenstrauch-Joest-Museum[10]
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Leipzig:
Museum für Völkerkunde[11]
München:
Staatliches Museum für Völkerkunde[12]
Stuttgart:
Linden-Museum[13], Staatliches Museum für Völkerkunde
Wuppertal:
Archiv- und Museumsstifung der VEM[14]
Frankreich:
Paris:
Musée du quai Branly[15]
Musée national des Arts d’Afrique et d’Océanie[16]
Das Musée des arts et traditions populaires (MNATP) in Paris, ein Volkskunde-Museum (französische
Volkskultur), wurde 2005 geschlossen. Die Exponate wurden ins neue Musée des Civilisations de l'Europe
et de la Méditerranée (MuCEM) in Marseille überführt.
Bordeuax:
Musée d’ethnographie[17]
Marseille:
Musée d’Arts Africains, Océaniens et Amérindiens[18]
Musée des Civilisations de l'Europe et de la Méditerranée (MuCEM)[19]
Schweiz:
Basel:
Museum der Kulturen[20]
Burgdorf:
Museum für Völkerkunde[21]
Genf:
Musée d’ethnographie de Genève[22]
Neuchâtel:
Musée d’ethnographie de Neuchâtel[23]
Zürich:
Völkerkundemuseum[24] der Universität Zürich
England:
London:
The British Museum[25]
Camebridge:
Peabody Museum of Archaeology and Ethnology[26]
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
Liverpool:
World Museum[27]
Portugal:
Lissabon:
National Ethnology Museum[28]
Niederlande:
Leiden:
Rijksmuseum voor Volkenkunde[29]
Rotterdam:
Wereldmuseum - Völkerkundemuseum[30]
Kroatien:
Zagreb:
Ethnographic Museum[31]
NORDAMERIKA (Links[32])
USA:
Los Angeles:
UCLA Fowler Museum of Cultural History[33]
Washington:
Museen derSmithsonian Institution[34], insbesondere das Museum of African Art[35]
Chicago:
The Field Museum[36]
LATEINAMERIKA
Mexiko:
Mexiko City:
Museo Nacional de Antropología[37]
Kolumbien:
Bogotá:
Museo del Oro[38]
ASIEN
Japan:
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
Osaka:
National Museum of Ethnology[39]
Vietnam:
Hanoi:
Vietnam Museum of Ethnology[40]
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.khm.at/de/museum-fuer-voelkerkunde
[2] http://www.volkskundemuseum.at/
[3] http://www.hausdervoelker.com
[4] http://www.smb.spk-berlin.de/smb/sammlungen/details.php?lang=de&objID=56&n=1&r=4
[5] http://www.smb.spk-berlin.de/smb/sammlungen/details.php?objectId=10
[6] http://www.voelkerkunde-dresden.de/
[7] http://www.mdw-frankfurt.de/Deutsch/
[8] http://www.voelkerkundemuseum.com/index.php?id=41
[9] http://www.voelkerkundemuseum-vpst.de/
[10] http://www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/
[11] http://www.mvl-grassimuseum.de/
[12] http://www.voelkerkundemuseum-muenchen.de/inhalt/html/home.html
[13] http://www.lindenmuseum.de/html/deutsch/home/home.php
[14] http://www.ams-vemission.org//
[15] http://www.quaibranly.fr/
[16] http://www.museums-of-paris.com/musee_fr.php?code=274
[17] http://www.meb.u-bordeaux2.fr/
[18] http://www.museoartpremier.com/Marseille-MAAOA.html
[19] http://www.musee-europemediterranee.org/fr
[20] http://www.mkb.ch/de/home.html
[21] http://www.kulturschloss.ch/view.php?n=3&p=5
[22] http://www.ville-ge.ch/meg/index.php
[23] http://www.men.ch
[24] http://www.musethno.uzh.ch/de/museum/das_museum.html
[25] http://www.britishmuseum.org/default.aspx
[26] http://www.peabody.harvard.edu/
[27] http://www.liverpoolmuseums.org.uk/wml/
[28] http://www.mnetnologia-ipmuseus.pt/
[29] http://www.rmv.nl/
[30] http://www.wereldmuseum.nl/
[31] http://www.mdc.hr/etno/eng/index.html
[32] http://www.cyberpursuits.com/anthro/lib-anth.asp
[33] http://www.fowler.ucla.edu/incEngine/?content=main
[34] http://www.si.edu/Museums/
[35] http://www.nmafa.si.edu/index2.html
[36] http://www.fieldmuseum.org/research_collections/anthropology/default.htm
[37] http://www.mna.inah.gob.mx/
[38] http://www.banrep.org/museo/esp/home.htm
[39] http://www.minpaku.ac.jp/english/
[40] http://www.vme.org.vn/aboutus_history.asp
4.4.2 Phonogrammarchiv
Eine wichtige Institution im Hinblick auf die Archivierung akustischer Daten ist das Phonogrammarchiv[1] der
österreichischen Akademie der Wissenschaften, welches auch eine technische Beratung sowie die
Unterstützung von Forschungsvorhaben bietet.
Weitere Kontaktstellen im deutschsprachigen Raum sind:
Das Berliner Lautarchiv[2]
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
Das Phonogrammarchiv der Universität Zürich[3]
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.pha.oeaw.ac.at/
[2] http://publicus.culture.hu-berlin.de/lautarchiv/
[3] http://www.phonogrammarchiv.uzh.ch/index.html
4.4.3 Institut für Kultur- und Sozialanthropologie
Auch das Wiener Institut für Kultur- und Sozialanthropologie[1] besitzt eine Sammlung ausgewählter
ethnographischer Objekte, von denen ein Teil in einer kleinen Schausammlung im Sitzungszimmer des Instituts
ausgestellt ist.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/
5 Der Prozess der Datenerhebung
Der Prozess der Datenerhebung kann sozialwissenschaftliche Verfahren, wie unterschiedliche Formen der
Beobachtung[1], der Befragung[2], von Experimenten, aber auch nicht reaktive Verfahren umfassen.
Innerhalb der Kultur- und Sozialanthropologie ist die ethnographische Feldforschung[3] das methodische
Kernstück der Datenerhebungsverfahren. Innerhalb der ethnographischen Feldforschung kommen im Sinne
einer impliziten, flexiblen und am Feld orientierten Methodentriangualtion[4] unterschiedliche
Erhebungsstrategien zum Einsatz, welche die teilnehmende Beobachtung, unterschiedliche Formen von
Befragung, aber auch die Analyse und Dokumentation von schriftlichen Dokumenten und Artefakten umfasst.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2
[4] Siehe Kapitel 5.1.3
5.1 Strategien der Datenerhebung
Die Strategien der Datenerhebung in der qualitativen Sozialforschung beruhen im Normalfall auf spezifischen
und gezielten Anwendungen von Verfahren, die wir tagtäglich einsetzen, um uns in unserer sozialen Umwelt
zu orientieren und zurechtzufinden sowie Informationen über sie in Erfahrung zu bringen. Solche Strategien
sind zum Beispiel Beobachten, Befragen, Diskutieren, gezieltes Lesen und Experimentieren.
Im Gegensatz zum Alltag werden in der empirischen Sozialforschung solche Verfahren einerseits bewusst und
gezielt eingesetzt, andererseits wurden innerhalb der Bereiche von Beobachtung, Befragung,
Gruppendiskussion[1], Experiment und Textanalyse unterschiedliche methodische Strategien entwickelt und
normiert.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2
5.1.1 Formen der Beobachtung
Die Beobachtung ist ein Akt der Kenntnisnahme eines Phänomens und des Sicherns von Eindrücken und
Kenntnissen für wissenschaftliche oder andere Zwecke. Diese Kenntnisnahme kann auf Basis aller
menschlichen Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken) erfolgen, aber auch mittels technischer
Hilfsmittel wie Photographie, Audio- und Videoaufzeichnungen.
Es können unterschiedliche Formen der Beobachtung unterschieden werden:
standardisierte vs. nicht standardisierte Beobachtung
offene vs. verdeckte Beobachtung
teilnehmende vs. nicht teilnehmende Beobachtung
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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direkte vs. indirekte Beobachtung
5.1.1.1 Standardisierte Formen der Beobachtung
Wie auch bei anderen Datenerhebungsverfahren (z.B. Befragung[1]) kann Beobachtung sowohl standardisiert,
wie nicht standardisiert durchgeführt werden.
Bei einer standardisierten Beobachtung werden im Vorfeld der Beobachtung die relevanten Indikatoren und
Kriterien festgelegt und diese in Form von Beobachtungsbögen (z.B. Beobachtungsbogen zur Erstellung
eines Entwicklungsprofils von Kindern[2]), die bei der Datenerhebung zum Einsatz kommen, verschriftlicht.
Standardisierte Beobachtung kommt vor allem im Rahmen der quantitativen Forschung zum Einsatz.
Innerhalb der ethnographischen Methoden kommen hingegen zumeist nicht standardisierte Formen der
Beobachtung zum Einsatz.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2
[2] Siehe Kapitel
5.1.1.1.1 Nicht standardisierte Formen der Beobachtung
Nicht standardisierte Formen der Beobachtung finden im natürlichen Kontext der alltagsweltlichen Ereignisse
ohne Einschränkung durch vorgefertigte Kategorien, Indikatoren oder spezifisch inszenierte
Beobachtungsarrangements wie bei standardisierter Beobachtung, Experimenten oder Labor-Studien statt.
Im Rahmen der ethnographischen Feldforschung[1] werden nicht standardisierte Formen der Beobachtung
dazu eingesetzt, um die lebensweltlichen Konzepte, Erfahrungen und Strategien von AkteurInnen im Feld
kennen und nachvollziehen zu lernen und deskriptiv dokumentieren[2] zu können.
Obwohl diese Form der Beobachtung offen und nicht standardisiert ist, so ändert sich im Laufe der
Feldforschung das Ausmaß der Fokussierung der Beobachtung.
So unterscheiden etwa Adler und Adler (1998: 87)
Anfangsbeobachtungen
fokussierte Beobachtungen
und selektive Beobachtungen.
Die Anfangsbeobachtung ist primär deskriptiv, unfokussiert und generell orientiert. Sie orientiert sich an
allgemeinen Fragestellungen und der/die ForscherIn versucht sich in dieser Phase eine erste
Grundorientierung im Feld zu verschaffen.
Wenn man mit dem Feld vertrauter ist und zentrale soziale Gruppen und/oder Personen identifiziert hat, geht
man im Normalfall zu einer fokussierten Beobachtung über. Das heißt, um bestimmte Phänomene besser zu
verstehen richtet man die Aufmerksamkeit auf einen begrenzteren Ausschnitt des Feldes um ein tieferes
Verständnis von diesem zu erlangen. Im Bezug auf eine bestimmte Gruppe von Personen kann dies bedeuten,
dass man im Detail verstehen und beschreiben will, wie sie sich verhalten, Räumlichkeiten nützen, Gefühle
ausdrücken, welche Strukturen sie im Umgang miteinander ausbilden, wie sie die Welt wahrnehmen und ihr
gegenüber handeln etc.
Auf Basis solcher Beobachtungen werden sich Grundannahmen des/der ForscherIn verändern, er/sie wird
neue Hypothesen für das Verständnis des Feldes generieren, welche schließlich in selektiven
Beobachtungen genauer überprüft und verfeinert werden. Die Selektivität dieser Beobachtung besteht also in
ihrem Bezug auf expliziten Annahmen und Hypothesen[3] und nicht unbedingt in einer noch engeren
Fokussierung auf begrenzte Teilausschnitte des Feldes.
In dieser Phase kann es vielmehr auch darum gehen, Annahmen über Beziehungen zwischen einzelnen
Teilbereichen des Feldes ethnographisch zu überprüfen und dokumentieren.
Verweise in diesem Kapitel:
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[1] Siehe Kapitel 5.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.3
[3] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/ksamethoden/ksamethoden-49.html
5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung
Die Unterscheidung zwischen teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung bezieht sich auf die Rolle
des/der ForscherIn im Feld und das Ausmaß seiner/ihrer Involviertheit in die dort stattfindenden Aktivitäten.
Diese Unterscheidung ist nicht als dichotome Differenz zu verstehen, vielmehr handelt es sich um ein
Kontinuum, dessen Endpunkte einerseits die reine Beobachtung und andererseits die völlige Teilnahme
darstellen.
Als ForscherIn kann man also unterschiedliche Beobachtungsrollen einnehmen und diese im Laufe der
Feldforschung auch verändern. Üblicherweise wechseln sich im Verlauf einer Feldforschung Phasen der
intensiven Teilnahme mit solchen der distanzierteren Beobachtung der Vorkommnisse im Feld ab.
5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen
Üblicherweise nimmt man im Laufe einer Feldforschung zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche
Rollen ein:
völlige Teilnahme
teilnehmende Beobachtung
beobachtende Teilnahme
nicht teilnehmende Beobachtung
Gerade aus diesem Rollenwechsel zwischen distanzierter Betrachtung und Reflexion und dem Aufgehen im
Feld als lokale/r AkteurIn (going native) entsteht ein umfassendes und vielschichtiges Bild des untersuchten
Feldes.
Aus der Sicht ethnographischer Feldforschung sind Beobachtungen, die ausschließlich auf nicht
teilnehmender Beobachtung oder auf völliger Teilnahme beruhen, problematisch.
Ausschließlich nicht teilnehmende Beobachtung bedeutet keinerlei direkten Kontakt, emotionale Beziehungen
und persönliche Auseinandersetzungen mit den Personen im Feld einzugehen. Dies hat im Normalfall ein
Festhalten an eigenen Beobachtungskategorien zur Folge, wobei Chancen für deren interaktive
Überprüfung und Revidierung in direkter Auseinandersetzung mit den Personen im Feld ungenutzt bleiben.
Im Gegensatz dazu birgt die völlige Teilnahme ohne Wechsel in andere Rollen die Gefahr in sich, dass es
zwar zu intensivem direktem Kontakt, emotionalen Beziehungen und persönlichen Auseinadersetzungen
kommt, diese aber über die Ebene oft nicht weiter reflektierter, persönlicher Erfahrungen nicht hinaus gehen.
Eine dauerhafte völlige Teilnahme ohne systematische (Selbst-)Beobachtung schließt auch aus, dass es zu
einer Transformation von gemachten Erfahrungen in analysierbare Daten kommt. Damit wäre eine zentrale
Grundlage der ethnographischen Feldforschung als Datenerhebungsstrategie nicht gewährleistet.
5.1.1.3 Direkte und indirekte Beobachtung
Während sich die Unterscheidung von teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung[1] auf das
Ausmaß der Involviertheit des/der ForscherIn im Feld bezieht, geht es bei der Unterscheidung zwischen direkter
und indirekter Beobachtung um die Frage, ob der/die ForscherIn während der Beobachtung auch für die
Beobachteten wahrnehmbar und präsent ist. Bei indirekter Beobachtung ist eine solche wahrnehmbare
Präsenz nicht gegeben. Dies ist z.B. in Laborversuchen der Fall oder aber bei Beobachtungen via Audio- bzw.
Videoübertragungen bzw. von - Aufzeichnungen. Im Normalfall ist eine indirekte also eine nicht teilnehmende
Beobachtung.
Im Rahmen ethnographischer Feldforschung haben wir es im Normalfall mit direkten Beobachtungen zu tun.
Unter Bedingungen neuer technischer Möglichkeiten und Kommunikationsmedien besteht die Möglichkeit, dass
sich dieses Verhältnis im Rahmen der Cyber- und Media Anthropology auch anders gestaltet.
Verweise in diesem Kapitel:
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
[1] Siehe Kapitel 5.1.1.2
5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung
Die Unterscheidung zwischen offener und verdeckter Beobachtung bezieht sich auf die Offenlegung der Rolle
des/der ForscherIn. Bei verdeckter Beobachtung sind die Beobachteten nicht über die Forschungstätigkeit
aufgeklärt. In wieweit verdeckte Beobachtung legitim ist, ist eine forschungsethische Frage und hängt vom
Untersuchungsgegenstand ab. Wenn man sich z.B. der ethnographischen Erforschung öffentlicher Plätze
widmet, wird und kann die Beobachtung nicht durchgehend offen erfolgen. Als sensible/r ForscherIn sollte man
sich aber bewusst sein, dass die Grenze zwischen öffentlich und privat kulturell unterschiedlich gezogen wird
und innerhalb öffentlicher Räume auch private bzw. intime "Bereichsblasen" (Lofland 1994) geschaffen werden.
Jenseits der Unterscheidung von offener und verdeckter Beobachtung stellt sich insbesondere im Rahmen der
ethnographischen Feldforschung die Frage der Informationspolitik gegenüber den Beforschten, deren
Zustimmung und Möglichkeiten zur Mitbestimmung, das heißt zur Partizipation und aktiven Mitgestaltung des
Forschungsprozesses.
5.1.1.5 Literatur
Lofland, L. (1994) Observations and observers conflict: Field research in the public realm. In S. Cahill & l.
Lofland (Hg.), The community of the streets. Greenwich, CT: JAI.
Adler, Patricia A. und Peter Adler (1998) Observational Techniques. In: Denzin, Norman K. & Yvonna S. Lincoln
(Hg.): Handbook of Qualitative Research. Sage: London, S. 377-392.
5.1.2 Formen von Befragungen
Grundlage einer Befragung ist mittels sprachlicher Interventionen (mündlich bzw. schriftlich) Reaktionen bei
den Interviewten auszulösen, mit dem Ziel, bestimmte inhaltlich thematische Angaben und Informationen
zu gewinnen.
In der sozialwissenschaftlichen Methodenliteratur wird eine enorme Vielfalt unterschiedlicher
Befragungstechniken bzw. Interviewarten[1] unterschieden. Zentrale Dimensionen, die diesen verschiedenen
Befragungsarten zu Grunde liegen, sind:
Art und Ausmaß der Standardisierung[2]
Stil der Kommunikation [3]
Einzel- vs. Gruppeninterview[4]
Form und Medium[5] der Kommunikation
Zielsetzung[6] des Interviews
Die meisten der in der Literatur unterschiedenen Interviewarten beziehen sich zumindest auf eine der
genannten Dimensionen. So verweisen Begriffe wie offenes, teilstandardisiertes oder standardisiertes
Interview auf die erste der oben genannten Dimensionen. Die Unterscheidung von harten, neutralen und
weichen Interviews bezieht sich auf den Stil der Kommunikation, während sich z.B. mündliche, schriftliche,
postalische, telefonische und face-to-face Interviews auf die Form und das verwendete Medium der
Kommunikation beziehen. Die Zielsetzungen von Befragungen können sich auf die quantitative Feststellung
empirischer Varianz oder das verstehende Nachvollziehen lebensweltlicher Zusammenhänge beziehen.
Etliche Interviewarten definieren sich nicht nur in Bezug auf eine dieser Dimensionen, sondern kombinieren
spezifische Ausprägungen dieser Dimensionen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2
[2] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1
[3] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
[4] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2
[5] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3
[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.6
5.1.2.1 Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews
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Qualitative Interviews können
insbesondere:
nach
verschiedenen
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Kriterien
unterschieden
werden.
Dazu
zählen
das Ausmaß der Standardisierung (Strukturierung),
die Frage ob eine oder mehrere Personen gleichzeitig interviewt werden (Einzel- vs. Gruppeninterview),
ob die Befragung mündlich und face-to-face oder technisch vermittelt und schriftlich durchgeführt
wird (Form und Medium der Kommunikation),
Stil der Kommunikation,
die Frageform und
die Zielsetzung des Interviews.
5.1.2.1.1 Strukturierung
Befragungen können in unterschiedlichem Ausmaß strukturiert sein. So kann man aus der Sicht des/der
InterviewerIn
informelle Gespräche
nichtstrukturierte
teilsturkturierte
und vollstrukturierte Interviews unterscheiden.
Je
weniger
eine
Befragung
von
dem/der
InterviewerIn
vorstrukturiert
ist,
Strukturierungsmöglichkeiten werden im Zuge der Befragung dem/der Interviewten eingeräumt.
desto
mehr
An einem Ende des Kontinuums befinden sich vollstrukturierte schriftliche Fragebögen mit geschlossenen
Fragen, das heißt vorgegebenen Antwortkategorien. Der Freiheit des/der Interviewten eigene Ideen, Themen
oder Ansichten einzubringen und über diese in eigenen Kategorien zu berichten wird hier kein Platz
eingeräumt. Diese Art der vollstandardisierten Befragung kommt in groß angelegten Untersuchungen im
Rahmen der quantitativen Sozialforschung zum Einsatz.
Am anderen Ende des Kontinuums befinden sich informelle Interviews bzw. Gespräche[1], die sich völlig
unstrukturiert und zufällig in unterschiedlichen sozialen Feldern ergeben. Dafür werden in der Literatur
unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Bernard (2002: 204) spricht vom informellen Interviewen, Lamnek
(2005) vom rezeptiven Interview[2] und Girtler (2001) vom ero-epischen Gespräch[3]. Da diese Gespräche in
keinem speziell vereinbarten Rahmen (Zeitpunkt, Ort des Interviews) stattfinden und die
GesprächspartnerInnen die Situation nicht immer als Forschungssituation wahrnehmen, handelt es sich um
ungeplant stattfindende Gespräche im Zuge der ethnographischen Feldforschung. Eine Strategie, informelle
freundschaftliche Gespräche in formelle Interviews zu transformieren, stellt das ethnographische Interview[4]
nach Spradley (1979) dar.
Im Gegensatz zu diesen ungeplanten Befragungen, empfiehlt es sich, bei geplanten und vereinbarten
Befragungen von Interviews zu sprechen. Diese können in unterschiedlichem Ausmaß und nach
unterschiedlichen Kriterien strukturiert sein. Das betrifft das Ausmaß der Fokussierung auf einen bestimmten
Themenbereich, die Anzahl im Vorfeld explizierter Fragen, die Abfolge dieser Fragen und die Offenheit bzw.
Geschlossenheit der Antwortmöglichkeiten. Bei unstrukturierten offenen und/oder narrativen Interviews[5]
beschränkt sich die Standardisierung auf die Festlegung eines Themas und die Formulierung eines
Eingangsstatements, welches den/die Interviewte/n auffordert zu erzählen. Im weiteren Interviewverlauf
werden von dem/der InterviewerIn Interventionen gesetzt, die den Fortgang des Erzählflusses unterstützen, zu
weiteren Spezifizierungen auffordern, etc. Es ist aber der/die Interviewte, welcheR die Strukturierung der
Erzählung vornimmt.
Bei teilstrukturierten Interviews bedient man sich eines Interviewleitfadens, der die Fragen, nicht aber die
Antwortmöglichkeiten vorgibt. Auch beim Einsatz eines Interviewleitfadens kann in unterschiedlichem Ausmaß
strukturiert bzw. unstrukturiert erfolgen. In seiner unstrukturiertesten Anwendungsweise stellt der Leitfaden nur
einen Pool von Fragen zur Verfügung, die nach Möglichkeit gestellt werden sollen. In einer strukturierteren
Form müssen zumindest alle Fragen des Leitfadens gestellt werden und in der strukturiertesten Form müssen
nicht nur alle Fragen des Leitfadens gestellt werden, sondern auch eine vom Leitfaden vorgegebene Abfolge
der Fragen muss eingehalten werden.
In der qualitativen Sozialforschung kommen Fragen mit bereits im Vorfeld definierten Antwortkategorien kaum
zum Einsatz.
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2
[2] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1
[3] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.2
[4] Siehe Kapitel 5.1.2.2.4
[5] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3
5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen
Mittels qualitativer Befragungen können sowohl Einzelpersonen wie auch Gruppen untersucht werden. In
Feldforschungssituationen ist diese Trennung nicht immer leicht herzustellen. Wenn man ganz gezielt
Einzelinterviews führen will, sollte man gewährleisten, dass diese außerhalb des üblichen sozialen
Umfeldes (Familie, Freunde, etc.) stattfinden. Gründe, die für ein solches Vorgehen sprechen, können sein:
dass man die persönliche Meinung eines/r Befragten jenseits eines sozialen Gruppendrucks erkunden
will.
Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn man bestimmte Personengruppen (Frauen, Jugendliche,
Kinder,...) befragen will, denen auf Grund existierender soziokultureller Hierarchien die Kompetenz
abgesprochen wird, zu einem bestimmten Thema ihre Meinung zu äußern.
Gegen eine streng individualisierte Befragung spricht jedoch, dass der natürliche lebensweltliche soziale
Kontext, der selbst eine reichhaltige Informationsquelle darstellt, verloren geht. Bei Gruppenbefragungen
werden immer auch die soziale Dynamik und die sozialen Beziehungen innerhalb der Gruppe unabhängig
vom spezifischen Thema der Befragung sichtbar. Es ist auch zu beachten, dass sich Meinungen, Einstellungen
und
Orientierungen
oft
erst
situativ
innerhalb
des
von
dem/der
ForscherIn
initiierten
Gruppendiskussionskontextes herausbilden. Die Kultur- und Sozialanthropologie versucht Gruppeninterviews
und Gruppendiskussionen zumeist innerhalb natürlich vorkommender sozialer Gebilde (Vereine,
Kooperativen, Familien, Freundeskreisen, etc.) durchzuführen und damit die kollektiv verankerten
Orientierungen dieser Gruppe zu ergründen. Im Gegensatz dazu stehen Verfahren, die solche Gruppen nach
bestimmten vorher festgelegten Kriterien zusammensetzen, wie dies etwa bei Fokusgruppen[1] der Fall ist.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel
5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung
Die Form der Befragung kann schriftlich oder mündlich erfolgen und sich dabei unterschiedlicher Medien
bedienen.
Mündliche Befragungen können in face-to-face Interaktionen durchgeführt werden, es kann sich aber auch
um technisch vermittelte Befragungen wie Telefoninterviews oder Interviews via Internet und Webcams
handeln. Das heißt, qualitative mündliche Befragungen beruhen auf räumlicher oder virtueller Kopräsenz, die
eine unmittelbare gegenseitige Wahrnehmbarkeit des/der Interviewten und des/der InterviewerIn
ermöglichen.
Nicht- oder teilstrukturierte schriftliche Befragungen können innerhalb der qualitativen Sozialforschung
sowohl asynchron z.B. in Form von Briefen, e-Mails, oder Diskussionsforen, wie auch synchron in Form von
Chats zum Einsatz kommen.
5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation
Man kann Interviews auch nach dem Stil der Kommunikation, also nach dem Interviewerverhalten
unterscheiden.
Lamnek (2005: 343f) unterscheidet etwa
weiche,
harte
und neutrale Interviews
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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und stellt gleichzeitig fest, dass die in der qualitativen Sozialforschung anwendbare Methode „nur die weichen
bis neutralen Interviews“ umfasst. Während das neutrale Interview „den unpersönlich-sachlichen Charakter
der Befragung, die Einmaligkeit der Kommunikation und die soziale Distanz zwischen den
Befragungspartnern betont“ (Koolwijk 1994: 17 zit. nach Lamnek 2005: 344), versucht das weiche Interview
„das sympathisierende Verständnis für die spezielle Situation des Befragten zum Ausdruck zu bringen“ (ebd.:
343) und ein Vertrauensverhältnis zum/zur Befragten zu entwickeln (siehe auch Bernard 1998: 346).
5.1.2.1.5 Frageformen
Während in der quantitativen Sozialforschung vorwiegend geschlossene Fragen mit vorgegebenen
Antwortkategorien Verwendung finden, ist der Interviewverlauf innerhalb der qualitativen Sozialforschung
durch die Verwendung offener Fragen charakterisiert. Offene Fragen geben keine Antwortmöglichkeiten vor
und lassen dem/der Befragten größeren Spielraum mittels eigener Formulierungen, Fakten und illustrativen
Beispielen die für ihn/sie relevanten Bedeutungszusammenhänge darzustellen. Bei offenen, unstrukturierten
Befragungen, die wie z.B. das narrative Interview[1] darauf abzielen, Erzählungen zu generieren,
beschränken sich die Interventionen des/der InterviewerIn auf so genannte erzählungsgenerierende
Einstiegsfragen und auf Interesse und Aufmerksamkeit signalisierende Äußerungen, die den Erzählfluss
stimulieren und aufrechterhalten, aber auch weitere Explikationen anregen sollen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3
5.1.2.1.6 Zielsetzung
Während in der quantitativen Sozialforschung das Ziel der Befragung die Feststellung der Häufigkeit
empirischer Ausprägungen an Hand vordefinierter Indikatoren und Fragestellungen ist, wird in der qualitativen
Forschung das Ziel verfolgt, die Lebenswelten, Sichtweisen und die emischen Kategorien der Interviewten
verstehend zu erschließen.
5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren
In der sozialwissenschaftlichen und insbesondere soziologischen Methodenliteratur findet sich ein Wildwuchs
unterschiedlicher Interviewarten, von denen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit exemplarisch einige
genannt werden sollen:
ExpertInneninterview[1]
ethnographisches Interview
diskursives Interview
episodisches Interview
evaluatives Interview
fokussiertes Interview
problemzentriertes Interview[2]
narratives Interview[3]
biografisches Interview
informatorisches Interview
analytisches Interview
diagnostisches Interview
klinisches Interview
Struktur- oder Dilemmainterview
rezeptives Interview[4]
assoziatives Interview
ero-episches Gespräch[5]
Tiefeninterview
ermittelndes Interview
freies Interview
gelenktes Interview
halbstandardisiertes Interview[6]
hartes Interview[7]
individuelles Interview
neutrales Interview[8]
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offenes Interview[9]
persönliches Interview
postalisches Interview
schriftliches Interview[10]
standardisiertes Interview[11]
strukturiertes Interview[12]
unstrukturiertes Interview[13]
telefonisches Interview[14]
weiches Interview[15]
zentriertes Interview
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.2
[3] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3
[4] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1
[5] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.2
[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5
[7] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
[8] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
[9] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5
[10] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3
[11] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5
[12] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1
[13] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1
[14] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3
[15] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
5.1.2.2.1 Biographische Interviews
Literaturhinweise:
Fischer-Rosenthal, Wolfram und Gabriele Rosenthal (1997) Narrationsanalyse biographischer
Selbstpräsentation. In: Hitzler, R.; Honer, A. (Hg.) Sozialwissenschaftliche Hermeneutik. Eine Einführung.
Opladen, S. 133-165.
Fischer-Rosenthal, Wolfram und Gabriele Rosenthal (1997) Warum Biographieforschung und wie man sie
macht. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie17, S. 405-427.
Schütze, Fritz (1983) Biographieforschung und narratives Interview. In: Neue Praxis 3, S. 283-293.
5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche
Hauptkriterium informeller Interviews bzw. Gespräche ist, dass sie sich zufällig in unterschiedlichen sozialen
Feldern ergeben. Sie zeichnen sich durch eine weitgehende Unstrukturiertheit von Seiten des/der
InterviewerIn aus. Es sind vielmehr die Befragten, die den zentralen Beitrag zur Strukturierung des
Gesprächs leisten.
Formen informeller Interviews unterscheiden sich insbesondere durch das Ausmaß der Beteiligung und des
aktiven Beitrags des/der Forschers/in am Gespräch. Während sich beim rezeptiven Interview der/die
InterviewerIn als SprecherIn weitgehend zurücknimmt und zuhört, hat er/sie beim ero-epischen Gespräch eine
aktive Rolle inne und bringt seine/ihre eigene Geschichte und Meinung ins Gespräch mit ein. Das Konzept des
ero-epischen Gesprächs geht davon aus, dass man seine Rolle als FeldforscherIn[1] im Feld bereits definiert
und explizit gemacht hat, weshalb diese im Rahmen des Gesprächs thematisiert werden kann, aber nicht zum
Thema werden muss. Das rezeptive Interview kann hingegen auch verdeckt eingesetzt werden.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1.2.1
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview
Das rezeptive Interview (nach Kleining 1988) zeichnet sich, wie der Name bereits impliziert, dadurch aus, dass
die interviewende Person vornehmlich als ZuhörerIn auftritt und sich als FragestellerIn vollkommen
zurück nimmt. Somit kann es in seiner einseitigen Kommunikationsbeziehung als eine Extremform der
qualitativen Befragung betrachtet werden, da es durch seine Befragtenzentriertheit neben den
Antwortmöglichkeiten sogar die Themenwahl den befragten Personen überlässt und somit vollkommen von
deren Lebenswelt determiniert ist.
Voraussetzung für diese Form des einseitigen Gesprächs ist ein lockeres und nicht autoritäres Klima zwischen
ForscherIn und befragter Person, da ohne diese eine asymmetrische Kommunikation, in der "der/die
Interviewte" einfach erzählt und der/die InterviewerIn nur zuhört, unwahrscheinlich ist.
Der Intervieweinstieg kann von der Auskunftsperson selbst übernommen werden, in dem sie von sich aus ein
Gespräch beginnt oder aber die/der ForscherIn leitet durch eine sehr allgemeine, aber gleichzeitig
gegenstandsorientierte Frage ein Gespräch ein, das sich in Folge in ein rezeptives Interview transformiert. Für
beides gilt, dass sich die ForscherInnen zurücknehmen, verbal möglichst wenig eingreifen und den Erzählfluss
durch aktives Zuhören (eine positiv bestärkende Mimik und Gestik) stimulieren. Vor allem sollte der Eindruck
vermieden werden, dass die befragte Person „ausgehorcht“ (Lamnek 2005: 379) wird.
In seiner an Alltagskommunikation orientierter Form eignet sich das rezeptive Interview besonders für schwer
zugängliche und tabuisierte Untersuchungsgegenstände und besitzt exploratives Potential.
Im Unterschied zu den meisten anderen Interviewtechniken werden die Personen im rezeptiven Interview nicht
über Inhalt, Gegenstand und Form der Befragung aufgeklärt, was laut Kleining den Vorteil bringt, dass die
Natürlichkeit des sozialen Feldes nicht verändert wird und somit die sonst gegebene Reaktivität und den
Einfluss des/der Befragenden minimal gehalten werden können. Insofern wird es auch im Rahmen verdeckter
Forschung [1] eingesetzt, die besondere ethische Probleme aufwirft.
Lamnek, Siegfried (2005) Qualitative Sozialforschung. Beltz PVU: Weinheim, Basel. S. 373-382.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1.4
5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch
Der Begriff des ero-epischen Gesprächs (nach Girtler) setzt sich aus den zwei altgriechischen Wörtern
Erotema (Frage) bzw. erotemai (fragen, befragen, nachforschen) und Epos (Erzählung, Nachricht, Kunde, aber
auch Götterspruch) zusammen.
Grundlegend für diese Art des Forschungsgesprächs ist, dass sich sowohl der/die Befragte als auch der/die
ForscherIn öffnen und ins Gespräch einbringen. Dadurch, dass der/die ForscherIn auch von sich erzählt (z.B.
über die Arbeitsweise, das Forschungsinteresse oder von eigenen Erlebnissen das Thema betreffend) wird
einerseits eine lockere, vertraute und persönliche Gesprächsebene geschaffen und gleichzeitig der/die
GesprächspartnerIn angeregt, von sich selbst zu erzählen. Die Fragen ergeben sich aus der Situation und
werden nie im Vorhinein festgelegt. Zudem bringt der/die Fragende das Gegenüber nie in Zugzwang und unter
Antwortdruck (wie es bei anderen Interviewarten wie z.B. dem narrativen Interview[1] der Fall ist), die
Personen sollen von selbst zu erzählen beginnen, wobei sich der/die ForscherIn von dem/der
GesprächspartnerIn leiten lässt. Problematisch ist, dass laut Girtler auch die Anwendung von Suggestivfragen
erlaubt ist, was zu tendenziösen Forschungsergebnissen führen kann. Girtler hingegen betrachtet
Suggestivfragen als oftmals sehr aufschlussreich, da sie zu weiteren bisher noch nicht gegebenen
Informationen ermuntern können ("Suggestivfragen bzw. ähnliche das Gespräch diktierende Fragen sind auch
dann zu empfehlen, wenn der Interviewer durch eine bewusst falsche Unterstellung den Interviewten zu
weiteren Informationen anregen will." [Girtler 2001: 160]). Bedeutend ist jedoch, den/die Befragte/n als
gleichwertige/n GesprächspartnerIn und ExpertenIn des Feldes anzusehen.
Girtler, Roland (2001) Methoden der Feldforschung. Böhlau: Wien, S. 147-168.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3
5.1.2.2.3 Formen formeller Interviews
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Im Gegensatz zur Unstrukturierteheit und dem zufälligen Zustandekommen der informellen Gespräche
zeichnen sich formelle Interviews durch eine bewusste Planung aus. Diese beginnt mit der Vereinbarung
eines Interviewtermins bzw. der gemeinsamen Definition einer Interviewsituation. Sowohl InterviewerIn wie
Interviewte/r sind sich also darüber im Klaren, dass es sich um ein Interview, das heißt eine Befragungssituation
handelt, die sich von üblichen alltagsweltlichen Kommunikationsformen unterscheidet. Die Gestaltung dieser
Befragungssituationen kann deutliche Unterschiede aufweisen, in Bezug auf
die Strukturierung [1] des Interviews,
die Anzahl der interviewten Personen[2],
die eingesetzten Medien und die Form der Befragung[3],
den Stil der Kommunikation[4],
die Frageformen[5],
und die Zielsetzungen[6].
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3
[4] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
[5] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5
[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.6
5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview
Bei ExpertInneninterviews handelt es sich im Normalfall um Leitfaden gestützte, offene Interviews, das heißt,
man versucht im Vorfeld eine Vorstrukturierung zentraler Fragestellungen und Themen vorzunehmen, um
gegenüber den ExpertenInnen auch als kompetente/r GesprächspartnerIn auftreten zu können. Der Leitfaden
wird in der Regel flexibel und nicht als standardisiertes Frageschema eingesetzt. Als InterviewerIn ist man offen
für neue Themen und Inhalte, die durch den/die Interviewte/n eingebracht werden.
Die Unterscheidung zwischen ExpertInnen und Laien ist nicht immer eindeutig und einfach zu treffen, im
Normalfall geht man davon aus, dass ExpertInnen über eine besondere Expertise und damit verbundenes
Sonderwissen verfügen, welches oft an bestimmte sozial institutionalisierte Rollen (Berufe, DorfvorsteherIn,
HeilerInnen etc.) gebunden ist. Zudem wird der/die ExpertIn nicht als Einzelfall, sondern als RepräsentantIn
einer Gruppe bestimmter ExpertInnen betrachtet.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem ExpertInneninterview als eigenständige Interviewform findet sich
unter
http://www.qualitative-research.net/organizations/or-exp-d.htm[1].
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://217.160.35.246/organizations/
5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview
Im Gegensatz zum narrativen Interview[1], bei dem methodologisch streng induktiv vorgegangen wird (d.h.
eine anfängliche konzeptuelle Festlegung durch den/die ForscherIn vermieden wird), zeichnet sich das
problemzentrierte Interview durch einen Mittelweg aus. Das problemzentrierte Interview kombiniert
induktives[2] und deduktives[3] Vorgehen, indem die ForscherInnen zwar mit einem theoretisch
wissenschaftlichen Vorverständnis in die Befragung gehen, die Äußerungen der Befragten jedoch von
grundlegender Bedeutung für die weitere Modifikation der Konzepte sind. Die ForscherInnen bleiben offen für
die Bedeutungsstrukturierung des Problembereichs/der sozialen Lebenswelt durch die befragte Person und
teilen ihr theoretisches Konzept im Interview nicht mit, da es nur vorläufig ist und die Interviewten nicht
suggestiv beeinflussen soll.
Nach der einleitenden Eingrenzung des Problembereiches regen die InterviewerInnen durch ein Erzählbeispiel
oder eine offene Frage die narrative Phase des Interviews an. Zentral für die ForscherInnen ist es, die
Erzählsequenzen und Darstellungen der Befragten nachzuvollziehen und zu verstehen. Dies können sie auf
drei verschiedene Arten tun:
In Form einer Zurückspiegelung teilen die InterviewerInnen in eigenen Worten eine Interpretation der
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Ausführungen mit und bieten so den Befragten die Möglichkeit, die Interpretationen der ForscherInnen zu
korrigieren und zu modifizieren
die ForscherInnen können aber auch mittels Verständnisfragen Widersprüche oder ausweichende
Aussagen thematisieren, oder aber
die Befragten direkt mit den aufgetretenen Ungereimtheiten konfrontieren.
Abschließend kann der/die InterviewerIn mittels Ad-hoc-Fragen von den Befragten bisher noch nicht
angesprochene Themenbereiche behandeln. Hierfür kann ein im Vorhinein festgelegter Leitfaden als
Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen fungieren.
Am Beginn des problemzentrierten Interviews kann den zu befragenden Personen auch ein standardisierter
Kurzfragebogen vorgelegt werden, um eine erste inhaltliche Auseinandersetzung mit den in der Befragung
geplanten Problembereichen anzuregen und um den Einstieg in das Gespräch zu vereinfachen.
Literatur:
Lamnek, Siegfried (2005) Qualitative Sozialforschung. Beltz PVU: Weinheim, Basel, S. 363-368.
Witzel, Andreas (2000) Das problemzentrierte Interview. In: Forum: Qualitative Sozialforschung 1(1).
http://www.qualitative- research.net/fqs-texte/1-00/1-00witzel-d.htm[4]
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 2.2
[4] http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132
5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview
Im narrativen Interview wird von den Befragten eine Erzählung erwartet, in welcher einerseits die
Orientierungsmuster ihres Handelns deutlich werden und zugleich rückblickend Interpretationen dieses
Handelns erzeugt werden.
In vertrauter kollegial freundschaftlicher Atmosphäre und mit einem weichen bis neutralen[1] Interviewstil
versucht, biographische Erzählungen der Befragten anzuregen, wobei der Detaillierungsgrad
Ausführungen vollkommen den interviewten Personen überlassen bleibt. Im Idealfall beginnen
ForscherInnen die Datenerhebung ohne ein im Vorhinein festgelegtes wissenschaftliches Konzept
entwickeln dieses induktiv[2] aus den Äußerungen der Befragten.
wird
der
die
und
Nach einer Erklärungs- und Einleitungsphase, in der die Interviewten über Erwartungen der ForscherInnen
in punkto Erzählrahmen, wichtige Dimensionen und Aspekte in der Geschichte aufgeklärt werden, soll eine
möglichst offen formulierte Einstiegsfrage die befragten Personen zum zwanglosen Erzählen bewegen und
ihnen genügend Raum für ihre Beschreibungen und Begründungen geben. Die Erzählphase kann durchaus
von Pausen und Schweigen durchdrungen sein, den InterviewerInnen kommt die Rolle der aufmerksamen
Zuhörenden zu, die versuchen den Erzählfluss durch Aufmerksamkeit bezeugende Äußerungen („hm, hm“)
oder Gesten (Kopfnicken) zu unterstützen. Die Erzählphase gilt erst dann als beendet, wenn der/die Befragte
selbst darauf hinweist. Falls erforderlich, können in einer Nachfragephase noch unklar gebliebene Fragen oder
Widersprüchlichkeiten der Erzählung klargestellt werden und abschließend in einer Bilanzierungsphase direkt
die Motivation und Intention der interviewten Personen angesprochen werden und der Sinn der Erzählung mit
den Personen gemeinsam beleuchtet und diskutiert werden.
Literatur:
Lamnek, Siegfried (2005) Qualitative Sozialforschung. Beltz PVU: Weinheim, Basel S. 357-361.
Zu den Narrativen Methoden im Allgemeinen, ihren theoretischen Perspektiven, methodischen Verfahren, der
Oral history und zur Performanz von Narrationen siehe:
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
Atkinson, Paul und Sara Delamont (Hg.) (2005) Narrative methods. SAGE: London.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4
[2] Siehe Kapitel 2.1
5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview
Das ethnographische Interview ist an die Feldforschungssituation angepasst und gibt methodische
Anweisungen, wie freundliche Unterhaltungen und sich ergebende Gespräche im Feld zu Interviews gestaltet
werden können. Ausgehend von einer informellen Gesprächssituation versucht man sowohl einen expliziten
Zweck des Gespräches einzuführen, wie die GesprächspartnerInnen über das Ziel des Projektes zu
informieren. Dazu gehören auch Informationen warum man welche Informationen aufzeichnet und wie man das
Interview führt. Man macht im Zuge eines solchen Gesprächs auch die eigene Rolle als ForscherIn transparent.
Im Gegensatz zu einer freundlichen Unterhaltung oder einem rezeptiven Interview[1] übernimmt im
ethnographischen Interview allerdings der/die ForscherIn die Strukturierung des Gesprächs und stellt fast
alle Fragen.
Ein Ziel des ethnographischen Interviews ist das sich im Zuge eines Gesprächs oft einstellende Gefühl eines
(scheinbaren) gegenseitigen Verständnisses, durch den Einsatz von Wiederholungen und verschiedenen
Fragearten, zu unterlaufen.
Durch den bewussten Einsatz von Wiederholungen (von Fragen und Aussagen des/der InformantIn), statt
deren im normalen Gespräch üblichen Vermeidung. Ziel dieser Wiederholungen ist es, weitere Ausführungen
und Explikationen anzuregen. Anstatt sich kurz zu halten, regt der/die EthnographIn die InformantInnen dazu
an, möglichst ausführlich und detailreich zu erzählen. Die Interpretation des Gesagten wird somit nicht zu
einem anderen Zeitpunkt und wie manche Interpretationsstrategien vorschlagen, von anderen Personen
vorgenommen. Vielmehr wird diese in Auseinandersetzung mit den InformantInnen im Zuge des
ethnographischen Interviews von diesen selbst vorgenommen.
Spradley unterscheidet drei zentrale Arten von Fragen:
deskriptive Fragen
strukturelle Fragen und
Kontrastfragen.
Bei den deskriptiven Fragen ist es notwendig zumindest einen Bereich zu kennen, in dem der/die InformantIn
routinemäßige Handlungen ausführt und sich diese beschreiben zu lassen.
Ziel von strukturellen Fragen ist es herauszufinden, wie der/die InformantIn sein/ihr Wissen in bestimmten
kulturellen Bereichen (domains) organisiert.
Bei den Kontrastfragen geht es darum herauszufinden, was der/die InformantIn mit den verschiedenen
Begrifflichkeiten meint, die er/sie in seiner/ihrer Sprache verwendet und wie sich diese von einander
unterscheiden.
Literatur:
Spradley J. P. (1979) The ethnographic interview. Holt, Rinehart & Winston:New York.
Flick, Uwe (2002) Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Rowohlt: Reinbeck bei Hamburg.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1
5.1.2.3 Formen der Transkription von qualitativen Interviews
Um qualitative Interviews analysieren zu können ist es notwendig, eine schriftliche Transkription der
Interviews anzufertigen. Hierfür existieren unterschiedlich genaue Transkriptionssysteme (siehe dazu Dittmar
2004; Kowal u. O´Connell 2003), ohne dass sich ein verbindlicher Standard durchgesetzt hätte. Dies liegt vor
allem auch daran, dass unterschiedliche textanalytische Verfahren verschiedene Transkriptionsstandards
erfordern. Somit ist vor dem Hintergrund der jeweiligen Analysemethode zu entscheiden, welche Form der
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Transkription gewählt werden sollte. Insgesamt ist ein pragmatisches Vorgehen ratsam und sollte der
Genauigkeitsgrad der Transkription (Länge der Pausen, Tonfall, Tonstärke, nonverbale Aspekte der
Kommunikation, Interaktion zwischen InterviewerIn und interviewter Person etc.) über das notwendige Maß des
Forschungsinteresses und der Analysemethode nicht hinausgehen. Froschauer & Lueger (2003: 223) führen
einige einfache und pragmatische Richtlinien für die Gesprächstranskription an. Dazu gehören:
die Zeilennummerierung
die Kodierung der GesprächsteilnehmerInnen z.B. für InterviewerInnen I1, I2...; für Befragte B1, B2,...)
Pausen (pro Sekunde ein Punkt) = . .. . (oder Zeitangabe)
Nichtverbale Äußerungen wie Lachen oder Husten in runder Klammer angeben = (B1 lacht)
situationsspezifische Geräusche in spitzer Klammer angeben = >Telefon läutet<
Hörersignale bzw. gesprächsgenerierende Beiträge als normalen Text angeben = mhm, äh
Auffällige Betonung unterstreichen = etwa so
Unverständliches als Punkte in Klammer, wobei jeder Punkt eine Sekunde markiert = (.. .)
Vermuteter Wortlaut bei schlechtverständlichen Stellen in Klammer schreiben = (etwa so)
sehr gedehnte Sprechweise mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben = e t w a s o
Ein weiterer Hinweis dieser AutorInnen, die Interviews möglichst exakt unter Beibehaltung sprachlicher
Besonderheiten ohne Annäherung an die Schriftsprache vorzunehmen, macht auf die besondere Situation
und Problematik von Transkriptionen innerhalb der Kultur- und Sozialanthropologie aufmerksam. Denn in der
Kultur- und Sozialanthropologie "A transcription always raises questions about translation." (Clifford 1990: 58).
Sehr oft werden Interviews in einer Sprache durchgeführt, die nicht die Muttersprache des/r InterviewerIn ist
und in der zumeist auch die Forschungsergebnisse nicht publiziert werden. Die Fähigkeit, Interviews zu führen
und vor allem auch die kulturspezifischen Nuancen von Aussagen der InterviewpartnerInnen zu verstehen,
hängt also von der Sprachkompetenz des/der ForscherIn ab. Oft wird insbesondere in der Anfangsphase der
Feldforschung auch mit ausgewählten mehrsprachigen InformantInnen und ÜbersetzerInnen gearbeitet. Bei
der Transkription stellt sich die Frage, ob die Interviews in der Sprache, in der sie geführt wurden, transkribiert
werden, oder ob Übersetzungen angefertigt werden.
Bei ausreichenden Sprachkenntnissen[1], deren Erwerb oft eine zentrale Aufgabe zu Beginn der
Feldforschung ist, sollten - insofern es sich um eine Schriftsprache handelt - die Transkriptionen in der
Originalsprache vorgenommen werden. Schwieriger gestaltet sich die Transkription von Befragungen und
Erzählungen in Sprachen, die keine Schriftsprachen sind. Hier gilt es, in einem ersten Schritt ausfindig zu
machen, ob lokale Notationssysteme entwickelt wurden, auf die man zurückgreifen kann oder ob man eine
phonetische Transkription[2] der Texte vornimmt, was aber nur im Bereich der linguistischen Anthropologie
und ethnolinguistischer Arbeiten absolut notwendig ist.
Mittlerweile stehen auch unterschiedliche Softwareprogramme zur Transkription von Sprachaufnahmen zur
Verfügung. Eine hilfreiche Freeware zur Segmentierung und Transkription von aufgenommenen Interviews ist
z.B. der Transcriber[3].
Literatur:
Dittmar, Norbert (2004) Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. VS Verlag
für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5
[2] http://www.langsci.ucl.ac.uk/ipa/
[3] http://trans.sourceforge.net/en/presentation.php
5.1.2.4 Literatur zum Thema Befragungen
http://www.qualitative-research.net/organizations/or-exp-d.htm[1].
Bernard, H. Russell (2002) Interviewing: Unstructured and Semistructured In: ders. Research Methods in
Anthropology. Altamira Press: Walnut Creek, CA, S. 210-250.
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qualitative - Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html
Bogner, Alexander (Hg.) (2005) Das Experteninterview. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.
Fontana, Andrea und James H. Frey (1994) Interviewing. In: Denzin, Norman K. & Yvonna S. Lincoln (Hg.)
Handbook of Qualitative Research. Sage: London, S. 361-376.
Froschauer, Ulrike und Manfred Lueger (2003) Das qualitative Interview. WUV UTB: Wien.
Flick, Uwe (2002) Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Rowohlt: Reinbeck bei Hamburg.
Girtler, Roland (2001) Methoden der Feldforschung. Böhlau: Wien, S. 147-211; 168.
Lamnek, Siegfried (2005) Qualitatives Interview. In: ders.Qualitative Sozialforschung. Beltz PVU: Weinheim,
Basel, S. 329-402.
Levy, Robert I. und Douglas W. Hollan (1998) Person-centered Interviewing and Observation. In: Bernard, H.
Russell (Hg.) Handbook of Methods in Cultural Anthropology. Altamira Press: Walnut Creek, CA, S.333-364.
Spradley J. P. (1979) The ethnographic interview. Holt, Rinehart & Winston: New York .
Witzel, Andreas (2000) Das problemzentrierte Interview. In: Forum: Qualitative Sozialforschung 1(1).
http://www.qualitative- research.net/fqs- texte/1-00/1-00witzel-d.htm[2]
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://217.160.35.246/organizations/
[2] http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132
5.1.3 Methodentriangulation
Unter Methodentriangulation versteht man den bewussten Einsatz unterschiedlicher Erhebungsverfahren[1]
(Beobachtung[2], Befragung[3], Experiment, etc.) im Rahmen eines Forschungsprojektes, was in der
englischsprachigen Literatur auch als mixed methods approach bezeichnet wird.
Literatur:
Flick, Uwe (2004) Triangulation. Eine Einführung. Verlag für Sozialwissenschaft: Opladen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-2.html
[2] Siehe Kapitel 5.1.1
[3] Siehe Kapitel 5.1.2
5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung
Eine ethnographische Untersuchung zielt in der Regel darauf ab, Menschen über einen längeren Zeitraum in
ihrem alltäglichen Leben zu beforschen. Das heißt, der/die EthnographIn bzw. FeldforscherIn nimmt physisch
mit der Gesamtheit seiner/ihrer Person über einen längeren Zeitraum an ausgewählten Lebenswelten teil,
mit dem Ziel, Daten zu erheben und Beschreibungen anzufertigen, die als Grundlage für spätere Analysen
dienen.
Ethnographische Feldforschung ist, wie andere sozialwissenschaftliche Verfahren (z.B. Fragenbogenerhebung,
teilstrukturierte Interviews,...), eine Methode der Datenerhebung, die sich aber in zumindest zwei Bereichen
grundlegend von anderen Verfahren unterscheidet. Diese ergeben sich daraus, dass Methoden nicht nur
Verfahren der Datenerhebung sind, sondern auch Verfahren der In-Beziehung-Setzung zum Feld. Das
heißt, Methoden legen bestimmte Formen der Interaktion mit dem Untersuchungsfeld nahe. Ethnographische
Feldforschung zeichnet sich durch eine besonders intensive und langfristige, über die reine Datenerhebung
hinausgehende In-Beziehung-Setzung zum Untersuchungsfeld aus. Dies ist ein zentrales Qualitätskriterium
ethnographischer Forschung. Ethnographische Feldforschung ist somit nicht nur ein Verfahren der
Datenerhebung, sondern vor allem auch ein Verfahren zur Generierung von Erfahrungen und Erlebnissen,
welche den/die FeldforscherIn zunehmend zu einem Teil des Feldes machen.
Ein zentrales Moment des Feldforschungsprozesses besteht darin, diese Erfahrungen und Erlebnisse durch
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das systematische Anlegen und Ausarbeiten von Feldnotizen[1] in Daten zu transformieren. Im Gegensatz
zu anderen Methoden determiniert bei der ethnographischen Feldforschung das Feld selbst in einem viel
größeren Ausmaß den Einsatz und die Anwendbarkeit von Forschungsstrategien und Methoden.
Insgesamt bedarf ethnographische Feldforschung einer gezielten Vorbereitung[2], welche unter anderem den
Erwerb von sachlichem[3] und regionalem Know-How[4] und sprachlich-kommunikativen Kompetenzen[5]
umfasst. Am Beginn der Feldforschung steht die Herausforderung, einen Zugang zum Feld zu finden, die
Definition der eigenen Rolle[6] in Auseinandersetzung mit dem Feld vorzunehmen und die Zusammenarbeit
mit InformantInnen auf eine tragfähige Basis zu stellen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.4
[4] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.3
[5] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5
[6] Siehe Kapitel 5.1.1.2.1
5.2.1 Forschungsdesign klassischer Ethnographien
Das Forschungsdesign einer Ethnographie wird bestimmt durch:
das Forschungsziel,
die theoretischen Grundannahmen,
die methodische Ausrichtung und ihre entsprechenden Techniken
sowie die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen im ForschungsEthnographIn.
wie
Ursprungsland
der
Unterschiedliche Forschungsdesigns klassischer Ethnographien werden an folgenden Beispielen deutlich.
5.2.1.1 Historischer Partikularismus - Franz Boas
Der historische Partikularismus wurde Ende des 19. Jahrhundert von Franz Boas[1] im Gegensatz zu den
spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten und ihrer vergleichenden Methode (comparative method)
entwickelt.
Er forderte bei der historischen Rekonstruktion von Kulturen die Beschränkung auf eine bestimmte Kultur bzw.
auf ein Kulturareal. (Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus[2])
Boas forderte ein induktives Vorgehen in der Kulturanthropologie; allgemeine Schlussfolgerungen seien nur
auf Grund ausreichend gesammelten Feldforschungsmaterials zulässig. (Methoden und Techniken des
historischen Partikularismus[3])
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3
5.2.1.1.1 Franz Boas
Franz Boas (1858 - 1942) wurde in Deutschland geboren und naturwissenschaftlich ausgebildet (Physik,
Geographie und Mathematik).
Schon bei seinen ersten (geographischen) Forschungen 1883 bei den Inuit auf Baffin Island und ab 1886 bei
den NW-Küstenindianern British Columbia's (hauptsächlich den Kwakiutl) erkennt Boas, dass kulturelle
Faktoren eine wesentlichere Rolle spielen als geographische.
Er habilitiert bei A. Bastian in Berlin und geht ab 1887 in die USA. Dort unterrichtet er ab 1896 an der
Columbia University in New York und wird zur dominanten Figur in der amerikanischen Anthropologie und
patriarchalischer Lehrer mehrerer SchülerInnengenerationen, welche ihm an Bedeutung und Prominenz kaum
nachstehen (Benedict, Kroeber, Sapir, Herskovits, Lowie, Radin, Wissler, Mead u.v.a.).
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Abbildung: Franz Boas. Quelle: Boas vertritt die so genannte four-field-anthropology. Darunter ist eine
allgemeine Anthropologie bestehend aus Rasse/physische Anthropologie,
Mead 1972: 126
Sprache, Kultur und Archäologie zu verstehen, wobei jeder dieser
Teilbereiche getrennt und mit jeweils anderen Methoden zu studieren ist. (Methoden und Techniken des
historischen Partikularismus[1])
Im Rahmen der Kulturanthropologie wendet er sich gegen die spekulativen Erkenntnisse der Evolutionisten
und fordert eine Beschränkung der historischen Rekonstruktion auf eine bestimmte Kultur bzw. ein Kulturareal.
Unter Boas wird das intensive Sammeln von ethnographischem Material durch die Feldforschung zur
unerlässlichen Basis der Kulturanthropologie; erst bei ausreichender Datenlage und unter gebotener Vorsicht
können Generalisierungen ins Auge gefasst werden. (Theoretische Grundlagen des historischen
Partikularismus[2])
Boas war Begründer der American Anthropological Association und gab die Zeitschrift American Anthropologist
heraus.
Seine bedeutendsten Werke sind The Central Eskimo (1888), The Social Organization and Secret Societies of
the Kwakiutl Indians (1897), The Mind of Primitive Man (1911), Primitive Art (1927), Anthropology and Modern
Life (1928), Race, Language and Culture (1940), Race and Democratic Society (1945).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2
5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus
Die Grundzüge des historischen Partikularismus nach Franz Boas[1] bestanden aus folgenden theoretischen
Grundannahmen:
Im Gegensatz zu den spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten und ihrer vergleichenden
Methode sind nur auf eine bestimmte Kultur oder ein Kulturareal (culture area) begrenzte historische
Rekonstruktionen zu vertreten.
Jede Kultur besteht aus Kulturelementen, welche durch Diffusion von anderen Kulturen übertragen
wurden.
Jedes durch Diffusion übernommene Kulturelement wird überformt, um in die neue Kultur zu passen.
Dieser Prozess verläuft aber nie vollständig, so dass Kultur immer nur ein lose organisiertes Gebilde
und kein eng geknüpftes System darstellt.
Das soziale Leben wird bestimmt von Sitten und Gebräuchen (nicht von Rationalität und Nützlichkeit).
Jede Kultur ist einzigartig, da sie das Resultat von diffusionistischen Prozessen und lokalen
Bedürfnissen darstellt.
Wenn jede Kultur einzigartig ist, können keine allgemeinen Urteile über eine bestimmte Kultur gefällt
werden; sie kann nur aus dem kulturellen Kontext, in dem sie situiert ist, verstanden werden.
Betonung der emischen Analyse (Perspektive der AkteurInnen einer Kultur) gegenüber der etischen
(Perspektive der ForscherInnen von außen); bedeutend sind die Werte, Normen und Emotionen der
untersuchten Kultur.
Deshalb können auch nur schwer Verallgemeinerungen zwischen Kulturen getroffen werden; wenn, dann
nur mit Vorsicht und bei ausreichender Datenlage.
Betonung der Feldforschung, um möglichst viele Daten zu sammeln.
Induktives Vorgehen; ohne vorgefasste Theorien in die Feldforschungssituation; wenn allgemeine
Erklärungen erfolgten, dann nur auf Grund einer großen Menge an gesammelten Daten (Methoden und
Techniken des historischen Partikularismus[2]).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3
5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus
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Im Gegensatz zu den spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten und ihrer vergleichenden
Methode beschränkt Franz Boas[1] die historische Rekonstruktion auf eine bestimmte Kultur bzw. ein
Kulturareal.
Die Feldforschung wird betont, um möglichst viele empirische Daten zu sammeln und Spekulationen
zu vermeiden (positivistisch).
Im Sinne eines induktiven Vorgehens geht Boas ohne vorgefasste Theorien in die
Feldforschungssituation und trifft nur bei ausreichendem Datenmaterial sehr vorsichtig formulierte
generalisierende Aussagen.
Boas vertritt die sog. four-field-anthropology. Darunter ist eine allgemeine Anthropologie bestehend aus
Rasse/physische Anthropologie, Sprache, Kultur und Archäologie zu verstehen, wobei jeder dieser
Teilbereiche getrennt und mit jeweils anderen Methoden zu studieren ist.
Kultur wird von ihm bzw. seinen SchülerInnen nach Verbreitungsmerkmalen (Diffusion) von
Kulturelementen und nach holistischen Mustern (patterns) untersucht
Boas nimmt eine Vielzahl an indigenen Texten (Mythen, Erzählungen, Erinnerungen an die
Vergangenheit u.a.) in der Originalsprache auf, versehen mit interlinearer englischer Übersetzung
durch InformantInnen oder DolmetscherInnen.
Boas' wichtigster Mitarbeiter wird George Hunt, ein Mann von schottischer und Tlingit Herkunft, der in
einem Kwakiutl-Dorf herangewachsen und der Kwakwala-Sprache mächtig war. Er wird von Boas in der
richtigen Aufnahme der Texte und ihrer Transkription unterwiesen, in einigen der publizierten Texte
fungiert er auch als Co-Autor. Der Kontakt von Boas zu Hunt bleibt auch nach dieser Zusammenarbeit
über mehr als 30 Jahre aufrecht.
Weitere von Boas angewandte Techniken sind (teilnehmende) Beobachtung, Aufnahme von
Lebensgeschichten (life histories), unstrukturierte Interviews.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
5.2.1.2 Funktionalismus - Bronislaw Malinowski
Bronislaw Malinowski[1] gilt als Begründer der modernen ethnographischen Datenerhebung.
Entgegen den spekulativen Rekonstruktionen der armchair-anthropologists wird durch ihn das Sammeln von
first-hand Daten im Feld zum gültigen Standard und die von Malinowski programmierte participant
observation zu „der“ Methode der Kultur- und Sozialanthropologie (Methoden und Techniken des
Funktionalismus[2]).
Der (strukturale) Funktionalismus als theoretische Strömung wird ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts (1922)
zur zentralen Ausrichtung innerhalb der britischen Sozialanthropologie. Während Malinowski's Kulturtheorie
bereits gegen Ende der 1930er Jahre abgelehnt wird, behält der strukturale Funktionalismus von
Radcliffe-Brown bis in die 1960er Jahre seine Bedeutung.
Von naturwissenschaftlichen Vorstellungen geleitet geht der Funktionalismus von der Beziehung (Funktion)
einzelner Teile innerhalb einer übergeordneten Ganzheit bzw. zu dieser aus (Organismusanalogie).
(Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus[3])
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3
[3] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2
5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski
Bronislaw Malinowski (1884 - 1942) zählt gemeinsam mit A. R. Radcliffe-Brown zu den Begründern der
britischen Sozialanthropologie. Sein Bekanntheitsgrad reicht weit über das Fach hinaus, so greift u.a. S.
Freud auf Malinowskis Arbeiten zurück.
Malinowski gilt als der Initiator der modernen ethnographischen Datenerhebung und des Funktionalismus
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als theoretische Strömung innerhalb der Sozialanthropologie. (Theoretische Grundannahmen des
Funktionalismus[1])
Er studiert zunächst Mathematik, Physik und Philosophie in seiner
Geburtsstadt Krakau, danach in Leipzig bei W. Wundt Psychologie
und schließlich in London Anthropologie bei E. Westermarck und C.
G. Seligman.
1914 findet seine erste Feldforschung bei den Mailu (Australien)
statt, gefolgt von mehrmonatigen Aufenthalten auf den Trobriand
Inseln (PNG). Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges wird Malinowski auf
Grund seiner polnischen Nationalität (Polen war zu diesem Zeitpunkt
der K&K Monarchie Österreich-Ungarn eingegliedert) zum
Staatsfeind, der zwar nicht ausreisen, aber seinen Forschungen frei
nachgehen darf.
Dieser unfreiwillig verlängerte Aufenthalt legt den Grundstein für den
Mythos Malinowski: Er entwickelt die sog. participant observation
(teilnehmende Beobachtung), welche ein über einen längeren
Zeitraum hinweg intensives Zusammenleben mit der untersuchten
Bevölkerung
vorsieht.
(Methoden
und
Techniken
des
Funktionalismus[2])
Später unternimmt Malinowski kürzere Feldforschungen in
verschiedene Gebieten Afrikas (meist im Rahmen von Besuchen
seiner forschenden StudentInnen) und in Mexiko.
Abbildung: Bronislaw Malinowski. Quelle:
Silverman 1981: 100
Von 1923 bis 1938 unterrichtet Malinowski an der London School of Economics (ab 1927 als Professor) und
wird zum charismatischen Lehrer bedeutender VertreterInnen der Sozialanthropologie (z.B. Firth, EvansPritchard, Nadel, Meyer-Fortes, Schapera, Richards, Kaberry u.v.a.). Ab 1939 bis zu seinem Tode lehrt er in
Yale, New Haven, in den Vereinigten Staaten.
Seine bedeutendsten Werke sind Argonauts of the Western Pacific (1922), Crime and Custom in Savage
Society (1926), Sex and Repression in Savage Society (1927), The Sexual Life of Savages in North-Western
Melanesia (1929), Coral Gardens and Their Magic (1935), A Scientific Theory of Culture (1944), Freedom and
Civilization (1944), Magic, Science and Religion (1948), A Diary in the Strict Sense of the Term (1967).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3
5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus
Die Grundzüge des (strukturalen) Funktionalismus sind:
Wie die Theoretischen Grundannahmen des historischen Partikularismus[1] richtete sich der
Funktionalismus gegen die spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten und die vergleichenden
Methode der armchair-anthropologists.
Entgegen den Annahmen von Franz Boas[2] ist der Funktionalismus ahistorisch eingestellt, da die
historische Perspektive nur bei Vorhandensein exakter schriftlicher Belege angestrebt werden kann.
Organismusanalogie: die Gesellschaft wird mit einem biologischen Organismus verglichen, in dem die
einzelnen Organe zusammenwirken müssen (Funktion), um den Erhalt des gesamten Körpers (Struktur)
sicherzustellen.
Gesellschaften bzw. ihre Teile zielen nach Ordnung (Equilibrium) und verlaufen nach bestimmten
Mustern; der harmonische Zustand ist relativ stabil, Konflikte tendieren zu einem neuerlichen
Equilibriumszustand.
Das soziale Leben ist empirisch mittels ethnographischer Datenerhebung fassbar und für
wissenschaftliche Analysen geeignet (Methoden und Techniken des Funktionalismus[3]).
Ziel ist das Herausfinden von Gesetz- bzw. Regelmäßigkeiten des sozialen Lebens im
naturwissenschaftlichen Sinne.
Im Mittelpunkt der Forschungen stehen die sog. Institutionen als Kristallisationspunkte (nach Durkheim);
die Kulturtheorie von Bronislaw Malinowski[4] leitet die wesentlichen Institutionen als Kulturreaktionen
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auf menschliche Grundbedürfnisse ab
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3
[4] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1
5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus
Bronislaw Malinowski[1] gilt als Begründer der modernen ethnographischen Datenerhebung.
Gemäß den theoretischen Grundannahmen des Funktionalismus[2] wird in der britischen
Sozialanthropologie die empirische Datengewinnung zum Ausgangspunkt aller wissenschaftlichen Analysen
über das soziale Leben.
Jede/r Forscher/in hatte zunächst möglichst viel Material über ein bestimmtes Areal oder eine Ethnie
zusammenzutragen
(induktives
Vorgehen),
woraus
eine
Vielzahl
an
bemerkenswerten
"Stammesmonographien" resultierte.
Als Feldforschungsgebiete dienten die ehemaligen britischen Kolonien in den Überseegebieten.
Obwohl Malinowski seinen eigenen Ansprüchen über die Qualität einer Ethnographie nicht immer gerecht
werden konnte (vgl. seine Tagebuchnotizen in A Diary in the Strict Sense of the Word, 1967 posthum ohne
Zustimmung publiziert), gelten diese auch heute noch als Standard.
Malinowski's Richtlinien für ethnographische Erhebungen lauteten:
Feldaufenthalt über einen längeren Zeitraum hinweg (zumindest für ein Jahr, um den gesamten
Jahreszyklus dokumentieren zu können);
planmäßiger Abbruch aller Kontakte des/r Forschers/in zur eigenen Kultur;
Erlernen der "Eingeborenensprache";
zum Kernstück wird die sog. participant observation (teilnehmende Beobachtung), die zu einem
weitgehenden Einleben und Verstehen der fremden Kultur durch den/die ForscherIn führen soll ("We
have to become They");
Ziel ist die vollständige Integration des/der Forschers/in in die untersuchte Kultur; die Anwesenheit
des/der Ethnographen/in muss so selbstverständlich sein, dass er/sie nicht mehr als störend empfunden
wird;
die Person des/der Forschers/in wird zum Messinstrument im Feld (im naturwissenschaftlichen Sinn);
Trotz dieser hohen Ansprüche war auch Malinowski auf die Mitarbeit von InformantInnen und
DolmetscherInnen angewiesen.
Neben der teilnehmenden Beobachtung führte er (üblicherweise unstrukturierte) Interviews, sammelte
Genealogien und Lebensgeschichten (life histories).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2
5.2.1.3 Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock
Die Human Relations Area Files (HRAF) sind eine Datenbank, in welcher systematisch geordnetes
ethnographisches Datenmaterial von rund 400 Kulturen für weitere statistische Auswertungen zur Verfügung
steht. (Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF[1])
Die HRAF wurden 1949 von George P. Murdock[2] gegründet und gingen aus dem 1937 entwickelten CrossCultural Survey hervor.
Verweise in diesem Kapitel:
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[1] Siehe Kapitel 5.2.1.3.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3.1
5.2.1.3.1 George P. Murdock
George Peter Murdock (1897 - 1985) war ein amerikanischer Anthropologe, der zum Schülerkreis von Franz
Boas[1] zählte. Im Gegensatz zu seinem Lehrer versuchte er die vergleichende Methode (comparative
method) wieder in die Anthropologie einzuführen und diese als nomothetische Wissenschaft zu etablieren.
Murdock lehrte in Yale und Pittsburgh. 1937 richtete er in Yale den Cross-Cultural Survey als Datenbank für
ethnographisches Material ein, aus welchem 1949 die Human Relations Area Files (HRAF) hervorgingen.
(Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock[2], Theoretische Grundannahmen, Methoden
und Techniken der HRAF[3])
1962 gründete Murdock die Zeitschrift Ethnology mit dem Ziel, die ethnographische Datenproduktion und
-kommunikation zu steigern.
Ebenso förderte er ethnographische Datenerhebungen im Pazifik und entwickelte ein Programm, das vom
Office of Naval Research unterstützt wurde.
Seine bedeutendsten Werke sind Our Primitive Contemporaries (1934), Social Structure (1949), Outline of
South American Cultures (1951), Outline of World Cultures (1954), Africa: Its People and Their Cultural History
(1959), Culture and Society (1965), Atlas of World Cultures (1981).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3
[3] Siehe Kapitel 5.2.1.3.2
5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF
Im Gegensatz zu seinem Lehrer Franz Boas[1] bemühte sich George P. Murdock[2] um eine
Wiedereinführung der vergleichenden Methode (comparative method) im Sinne von Morgan und Tylor in die
Anthropologie und um deren Ausrichtung als nomothetische Wissenschaft.
Zu diesem Zweck entwickelte er 1937 zunächst den Cross-Cultural Survey, aus welchem 1949 die Human
Relations Area Files (HRAF) hervorgingen. Bei beiden handelt es sich um eine Datenbank, in der systematisch
(nach einem ethnographischen Index) gesammeltes Material von rund 400 Kulturen bereitgestellt ist.
Das Datenmaterial sollte anderen ForscherInnen für statistische Auswertungen zur Verfügung stehen, um
Verteilungen von Kulturmerkmalen und historische Beziehungen für bestimmte Kulturareale oder für
ähnliche Kulturtypen zu konstruieren.
In seinem bekanntesten Werk, Social Structure (1949), untersucht Murdock ein Sample von 250
repräsentativen Gesellschaften z.B. nach dem Zusammenhang von Deszendenzregeln und postmaritalen
Heiratsregelungen. So kann er bereits früher vermutete Zusammenhänge zwischen patrilinearer Deszendenz
und virilokaler Residenz bzw. zwischen matrilinearer Deszendenz und uxori-lokaler oder viri-avunculokaler
Residenz mittels präziser Korrelationen bestätigen. Diese Muster setzt er wiederum statistisch zu anderen
Mustern
(z.B.
Subsistenzformen
oder
Verwandtschaftsterminologien)
in
Beziehung,
um
(multi-)evolutionshistorische Entwicklungen aufzuzeigen.
Die Files bieten eine wertvolle Basis für vergleichende quantifizierende Untersuchungen in der Kultur- und
Sozialanthropologie.
Ihre Vorteile liegen in:
Zugriffsmöglichkeit für alle Subskribenten (Institutionen, WissenschaftlerInnen) auf Xerox oder
Mikrofiche-Basis; neuere Teile sind unter eHRAF[3] abrufbar.
identes Ausgangsmaterial für vergleichende Studien, u.a. basierend auf einem einheitlichen
Kodeschema, dem so genannten Outline of Cultural Materials (Inhaltsverzeichnis[4]).
umfangreiches Datenmaterial
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Qualität und Tiefe der Informationen gingen bereits in der Initialphase über das bisherige Niveau hinaus,
da nach einem ethnographischen Index gesammelt wurde
das Anwachsen der Files war mit der zunehmenden Bereitschaft von EthnographInnen verbunden,
auch quantifizierende Methoden in ihre Forschungen miteinzubeziehen
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3.1
[3] http://www.library.illinois.edu/edx/hrafgui.htm
[4] http://www.library.illinois.edu/edx/hraf_ocm.pdf
5.2.1.4 Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz
Der amerikanische Kulturanthropologe Clifford Geertz[1] vergleicht die Feldforschungssituation mit einem
literarischen Text, voll von Bedeutungen, die der/die ForscherIn eher interpretieren als erklären kann
(Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[2]).
Die in den 1970er Jahren formulierte interpretative Anthropologie leitete das Postmoderne Denken in der
Kulturanthropologie ein und führte zu einer Betonung von Schreiben und Text, Bedeutung (meaning) und
Interpretation im Gegensatz zu Struktur und Kausalität.
Geertz richtet sein Augenmerk weg von generalisierenden Aussagen auf die tiefe Durchdringung einzelner
Fälle (thick description oder dichte Beschreibung[3]).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1
5.2.1.4.1 Clifford Geertz
Clifford Geertz (1926 - 2006) war ein bedeutender amerikanischer Kulturanthropologe, der über sein Fach
hinaus Beachtung erlangte und Einfluss auf Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte, Geographie,
Ökologie, Politikwissenschaft u.a. nahm.
Ausgebildet in Harvard unterrichtete er zunächst in Berkeley und Chicago, ab 1970 bis zu seinem Tode (als
Emeritus) an der School of Social Science at the Institute for Advanced Study an der Universität von
Princeton, N.Y..
Seine Themenschwerpunkte waren u.a. Kultur (allgemein), Religion (speziell der Islam), ökonomische
Entwicklungen, traditionelle politische Strukturen, Dorf- und Familienleben.
Geertz führte intensive ethnographische Forschungen auf Java, Bali und in Marokko durch.
Er vergleicht die Feldforschungssituation mit einem literarischen Text, voll von Bedeutungen, die der/die
ForscherIn eher interpretieren als erklären kann. Den Höhepunkt seines Schaffens erreicht Geertz in den
1970er und 80er Jahren mit der Begründung der interpretativen Anthropologie. (Theoretische
Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[1])
Er richtet sein Augenmerk weg von generalisierenden Aussagen auf die tiefe Durchdringung einzelner Fälle
(thick description oder dichte Beschreibung[2]).
Seine bedeutendsten Werke sind The Religion of Java (1960), Agricultural Involution (1963), Islam Observed:
Religious Development in Morocco and Indonesia (1968), The Interpretation of Cultures: Selected Essays (1973,
2000), Negara: The Theatre State in Nineteenth Century Bali (1980), Works and Lives: The Anthropologist as
Author (1988), The Politics of Culture, Asian Identities in a Splintered World (2002).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1
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5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen
Anthropologie
Ausgangspunkt für Clifford Geertz[1] bildet die symbolische Anthropologie, wonach jede Kultur eine relativ
autonome Ganzheit, ein System von Bedeutungen darstellt, welches der/die Anthropologe/in durch dekodieren
und interpretieren erschließen kann.
In seinem Werk The Interpretation of Cultures (1973) vergleicht Geertz die ethnographische Analyse mit der
Durchdringung eines literarischen Dokumentes, voll von Bedeutungen, die der/die ForscherIn eher
interpretieren als schlüssig erklären kann. (deshalb die Bezeichnung interpretative Anthropologie).
Die in einer Ethnographie dargestellte Kultur ist als ein Zusammenbau verschiedener Texte zu verstehen:
der Interpretationen der untersuchten Personen über Phänomene ihrer Lebenswelt in Zeit und Raum;
Geertz bezeichnet diese als Interpretationen erster Ordnung
der Interpretationen der InformantInnen über Phänomene der Lebenswelt in Zeit und Raum; Geertz
bezeichnet diese als Interpretationen erster oder zweiter Ordnung
der Interpretationen der EthnographInnen über Phänomene von Lebenswelten, die von deren
intellektuellem Hintergrund in Zeit und Raum geleitet werden; Geertz bezeichnet diese als
Interpretationen zweiter oder dritter Ordnung.
Die Zusammenführung und Überlagerung dieser einzelnen Interpretationen nennt Geertz thick description
oder dichte Beschreibung[2].
Dichte Beschreibungen sind nach Geertz keine „einfachen Beschreibungen“, sondern eine Kombination
von Beschreibung und Interpretation.
Den Ausdruck thick description übernimmt Geertz vom Sprachphilosophen Gilbert Ryle, der damit eine
schnelle Augenlidbewegung in einer Runde von Knaben beschreibt: nur das interpretative, schnelle Erfassen
der Gesamtsituation lässt Wesentliches von Irrelevantem unterscheiden. Ebenso verfährt der/die EthnographIn
bei der Zusammenführung aller verfügbaren Interpretationen.
Der tiefen, mikroskopisch genauen Durchdringung einzelner Fälle (dichtes Beschreiben) gibt Geertz den
Vorzug gegenüber generalisierenden Aussagen.
Wesentliche Bedeutung für die Präsentation der Ethnographie kommt dem Akt und der Art des Schreibens zu,
durch den die dichten Beschreibungen zum Ausdruck kommen. Ethnographische Schriften sind nach Geertz
Fiktionen, weil sie etwas künstlich Geschaffenes sind, müssen aber nicht unbedingt falsch sein. Geertz vertritt
die Ansicht, dass auch Interpretationen wissenschaftlich sein können.
Die interpretative Anthropologie leitete das Postmoderne Denken in der Kulturanthropologie ein und führte
zu einer Betonung von Schreiben und Text, Bedeutung (meaning) und Interpretation im Gegensatz zu Struktur
und Kausalität.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1
5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung
Textprobe für eine "dichte Beschreibung" nach Clifford Geertz[1] (siehe
Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[2]):
auch
Theoretische
"Der Kampf.
Hahnenkämpfe (tetadjen; sabungan) werden in einem Ring abgehalten, der ungefähr fünfzig Fuß im Quadrat
mißt. Gewöhnlich beginnen sie am späteren Nachmittag und dauern drei oder vier Stunden bis zum
Sonnenuntergang. Was den allgemeinen Ablauf betrifft, so sind die Kämpfe völlig gleich: es gibt keinen
Hauptkampf, keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Kämpfen, keine formalen Unterschiede nach
Größen, und ein jeder wird völlig ad hoc arrangiert. Sobald ein Kampf zuende ist und die emotionalen Trümmer
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beiseite geräumt sind - die Wetten ausbezahlt, die Flüche ausgesprochen und die toten Hähne in Besitz
genommen -, begeben sich sieben, acht, vielleicht ein Dutzend Männer unauffällig mit ihren Hähnen in den Ring,
um dort einen passenden Gegner für sie zu finden. Dieser Vorgang, der selten weniger als zehn Minuten dauert,
oft sogar länger, findet in einer sehr scheuen, verstohlenen, oft sogar verheimlichenden Weise statt. Die nicht
unmittelbar Beteiligten schenken dem Ganzen eine allenfalls versteckte, beiläufige Beachtung; diejenigen, die zu ihrer Verlegenheit - beteiligt sind, tun irgendwie so, als geschähe das alles überhaupt nicht.
Wenn ein Paar zusammengestellt ist, ziehen sich die anderen Aspiranten mit derselben betonten Gleichgültigkeit
zurück. Dann legt man den ausgewählten Hähnen ihre Sporen (tadji) an - rasiermesserscharfe, spitze
Stahldolche von vier oder fünf Zoll Länge ...
Sind die Sporen angelegt, werden die Hähne in der Mitte des Ringes von den Hahnenführern (die nicht immer
identisch mit den Besitzern sind) einander gegenüber in Stellung gebracht. Eine Kokosmuß, in die ein kleines
Loch gebohrt ist, wird in einen Eimer mit Wasser geworfen, in dem sie etwa nach einundzwanzig Sekunden
untergeht, eine Zeitspanne, die tjeng genannt wird und deren Anfang und Ende durch das Schlagen eines
Schlitzgongs angezeigt wird. Während dieser einundzwanzig Sekunden ist es den Führern (pengangkeb) nicht
gestattet, ihre Hähne zu berühren. Wenn es, was zuweilen geschieht, in dieser Zeit zu keinem Kampf zwischen
den Tieren gekommen ist, nimmt man sie wieder an sich, sträubt ihre Federn, zieht an ihnen, sticht sie und
ärgert sie noch auf andere Weise, und setzt sie dann zurück in die Mitte des Ringes, wo der Vorgang von neuem
beginnt. Manchmal weigern sie sich selbst dann noch zu kämpfen, oder einer rennt ständig davon; in solch einem
Falle werden sie zusammen unter einen Korbkäfig gesteckt, was sie dann für gewöhnlich zum Kämpfen bringt.
In den meisten Fällen jedoch fliegen die Hähne beinahe sofort aufeinander los, in einer flügelschlagenden,
kopfstoßenden und um sich tretenden Explosion tierischer Wut, so rein, so absolut und auf ihre Weise so schön,
dass sie fast abstrakt zu nennen wäre, ein platonischer Begriff des Hasses."
in: Geertz, Clifford (1983) "Deep Play": Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf. In: ders. Dichte
Beschreibung. Frankfurt am Main: Suhrkamp (orig. engl. 1973), S. 214-216
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2
5.2.1.5 Anthropology at Home
Anthropology at Home oder auto-anthropology (nach Edward Ardener) bedeutet ethnographische
Forschung, die im Heimatgebiet der EthnographInnen durchgeführt wird.
Anthropology at Home kann als Überbegriff für unterschiedliche kultur- und sozialanthropologische Studien
verstanden werden (siehe Vor- und Nachteile der Anthropology at Home[1]), der sich aus den
gesellschaftspolitischen Voraussetzungen[2] des Forschungskontextes ableitet.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.5.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.5.1
5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home
Im Gegensatz zur sog. exotischen Anthropologie, welche ihre Forschungsgebiete vornehmlich in
Überseeländern suchte, betreibt die Anthropology at Home[1] ihre Untersuchungen im Heimatgebiet der
EthnographInnen.
Trotz einzelner Studien führte die mainstream Kultur- und Sozialanthropologie bis zu Beginn der 1970er Jahre
ihre Erhebungen vorwiegend in Überseegebieten durch.
Einreisebeschränkungen in viele der ehemaligen (kolonialen) Forschungsländer, bei gleichzeitigem rasantem
Ansteigen an ausgebildeten AnthropologInnen führten vermehrt dazu, den ethnographischen Blick weg von
exotischen Gebieten auf die eigene Kultur/Subkulturen zu richten. Zudem begannen immer mehr indigene, an
westlichen Universitäten ausgebildete Kultur- und SozialanthropologInnen, ihre eigenen Heimatgebiete zu
erforschen.
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Stanley
R.
Barrett
unterscheidet
nach
den
gesellschaftspolitischen
Forschungsbedingungen unterschiedliche Typen von Anthropology at Home:
Voraussetzungen
der
Insider Anthropology wird von EthnographInnen betrieben, die aus den das Forschungsgebiet
dominierenden Gruppen stammen.
Native Anthropology wird von EthnographInnen betrieben, die aus Minderheiten-Gruppen im
Forschungsgebiet stammen.
Indigenous Anthropology wird von so genannten „3.Welt-AnthropologInnen“ betrieben, die Forschung
in ihrem Heimatland betreiben.
Bei dieser Dreiteilung von Barrett wird deutlich, dass sich die Differenz zwischen Insider und Native
Anthropology innerhalb der Indigenous Anthropology der 3.Welt-AnthropologInnen wiederholt.
Anthropology at Home kann als Überbegriff für unterschiedliche kultur- und sozialanthropologische Studien
verstanden werden (siehe Vor- und Nachteile der Anthropology at Home[2]).
Literatur:
Barrett, Stanley R. (1996) Anthropology. A Student´s Guide to Theory and Method. Toronto: University of Toronto
Press
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.1.5
[2] Siehe Kapitel 5.2.1.5.2
5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home
Anthropology at Home kann als Überbegriff für unterschiedliche kultur- und sozialanthropologische Studien
verstanden werden, der sich aus den gesellschaftspolitischen Voraussetzungen des Forschungskontextes
ableitet.
Im Rahmen der Anthropology at Home können bei ethnographischen Untersuchungen sowohl qualitative wie
quantitative Methoden herangezogen werden.
Die Vorteile für Anthropology at Home sind:
Wegfall langer Anreisen und erheblicher Reisekosten,
linguistische Kompetenz,
kein bedingungsloses Angewiesensein auf InformantInnen,
als Insider leichteres Verständnis der kulturellen Problematik,
sowie größere Kapazität, kulturelle Nuancen von non-verbalen und verbalen Daten wahrzunehmen.
Die Nachteile für Anthropology at Home sind:
Auf Grund der Vertrautheit werden viele Dinge des Alltagslebens von den ForscherInnen nicht hinterfragt
und analysiert.
Zu geringe soziale Distanz zur untersuchten Gruppe kann einem unparteiischen Verhalten der
ForscherInnen entgegenstehen.
Fehler im Verhalten der EthnographInnen werden nicht toleriert, da erwartet wird, dass die sozialen
Regeln bekannt sind.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel
[2] Siehe Kapitel
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5.2.2 Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung
Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung beginnt bereits zuhause im Rahmen einer
gezielten Vorbereitung. Vor Ort kommt die Umsetzung der Feldforschung nicht nur im Einsatz verschiedener
Forschungsmethoden[1] und dem Anlegen von Feldnotizen[2] zum Ausdruck sondern auch im Umgang
und der Zusammenarbeit mit InformantInnen, der Definition der eigenen Rolle im Feld und dem Aufbau eines
Netzwerkes persönlicher Beziehungen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3
5.2.2.1 Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?
Vor dem Beginn einer empirischen Datenerhebung im Feld sollten Sie sich bereits zu Hause mit
der fachlich-wissenschaftlichen Vorbereitung[1],
der praktisch-organisatorischen Vorbereitung[2],
sowie ihrer persönlichen Vorbereitung[3] beschäftigen und über diese Bereiche Klarheit gewinnen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.3
5.2.2.1.1 Fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung
Die fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung der Feldforschung soll durch Literatur- und Sprachstudium zur
Herausbildung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des gewählten Themas beitragen.
Zum wissenschaftlichen Vorverständnis zählen die Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen
Position[1], die Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken[2], der Erwerb von
Regionalkenntnissen[3], der Erwerb von Sachkenntnissen[4] sowie sprachliche Vorkenntnisse[5].
Neben der fachlich-wissenschaftlichen Vorbereitung müssen die praktisch-organisatorische Vorbereitung[6]
und die persönliche Vorbereitung[7] einer Feldforschung durchgeführt werden.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.3
[4] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.4
[5] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5
[6] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2
[7] Siehe Kapitel 5.2.2.1.3
5.2.2.1.1.1 Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Position
Zur Herausarbeitung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des Forschungsthemas zählt die Abklärung
der wissenschaftstheoretischen Position, die der Feldforschung zu Grunde liegt.
Wenn ich z.B. eine Mythenforschung plane, wird zunächst mein theoretischer Zugang (historisch,
strukturalistisch etc.) festzulegen sein.
Die gewählte theoretische Ausrichtung bestimmt die Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und
Techniken[1].
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.2
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5.2.2.1.1.2 Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken
Zur Herausarbeitung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des Forschungsthemas zählt nach erfolgter
Ausarbeitung einer wissenschaftstheoretischen Position[1] die Ausarbeitung der anzuwendenden
Methode(n) und Techniken.
Wenn ich z.B. eine Mythenforschung im Sinne der theoretischen Position des Strukturalismus plane, werde ich
mich bei meinen Erhebungen der strukturalistischen Methode und ihrer Techniken bedienen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.1
5.2.2.1.1.3 Erwerb von Regionalkenntnissen
Zur Herausarbeitung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des gewählten Themas zählt die Aneignung
von umfassenden Regionalkenntnissen des Gebietes, wo die Feldforschung stattfinden wird.
5.2.2.1.1.4 Erwerb von Sachkenntnissen
Zur Herausarbeitung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des gewählten Forschungsthemas zählt die
Aneignung von umfassenden Sachkenntnissen jener Themen, welche im Rahmen der Feldforschung
untersucht werden sollen, wie z.B. Migration, Religion, Kunst etc.
5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse
Zur Herausarbeitung eines wissenschaftlichen Vorverständnisses des gewählten Themas zählt die Aneignung
von Vorkenntnissen jener Sprache(n), welche im Forschungsgebiet gesprochen wird (werden).
Die Sprache ist das erste und wichtigste Kommunikationsmittel zwischen ForscherIn und untersuchter
Gesellschaft. Sie vermittelt den Zugang zu jener sozialen Realität, welche studiert werden soll.
Kultur- und SozialanthropologInnen stehen im Rahmen der weltweit über 6900 lebenden Sprachen[1] in der
Regel mehrere Möglichkeiten zur verbalen Kommunikation offen:
die Arbeit mit einer auch lokal verbreiteten Sprache europäischen Ursprungs[2],
die Arbeit mit einer lokalen Verkehrssprache[3]
oder die Arbeit in der lokalen bzw. indigenen Sprache[4], welche im Forschungsgebiet gesprochen wird.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.ethnologue.com/web.asp
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.2
[4] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.3
5.2.2.1.1.5.1 Sprachen europäischen Ursprungs
Im Zuge des Kolonialismus wurden europäische Sprachen (z.B. Englisch, Spanisch, Französisch,
Portugiesisch, Russisch etc.) in weiten Teilen der Welt verbreitet und auch zu offiziellen Sprachen der neu
entstandenen Nationalstaaten.
Die Arbeit mit einer auch lokal verbreiteten Sprache europäischen Ursprungs hat den Vorteil, dass sie den
ForscherInnen leicht zugänglich ist. Der Nachteil der Kommunikation mit der europäischen Sprache liegt
darin, dass sie in der Regel die Bildungssprache nur bestimmter, oft privilegierter Schichten ist. Einem/einer
ForscherIn, die nur in dieser Sprache kommuniziert, ist der Zugang zu all jenen (Alltags-)Bereichen und
Personengruppen verwehrt, innerhalb derer andere Sprachen gesprochen werden.
Die Notwendigkeit des Erwerbs unterschiedlicher Sprachkenntnisse hat sich deshalb immer am zu
untersuchenden Feld zu orientieren. Ohne Kenntnis der im Alltag verwendeten Sprachen ist es nicht möglich,
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die lokalen Konzepte und Strategien der Akteure zu erfassen.
Deshalb ist neben der Kommunikation in der Sprache europäischen Ursprungs der Erwerb von sprachlichen
Vorkenntnissen in einer lokalen Verkehrssprache[1] und/oder der indigenen Sprache[2] sinnvoll.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.3
5.2.2.1.1.5.2 Lokale Verkehrssprachen und Pidgin
Der Erwerb von Vorkenntnissen der lokalen Verkehrssprache (lingua franca bzw. Pidgin), welche im
Forschungsgebiet gesprochen wird, ist neben der Verwendung einer Sprache europäischen Ursprungs[1]
und der lokalen bzw. indigenen Sprache[2] eine Möglichkeit zur Kommunikation im Rahmen der
Feldforschung.
Lokale Verkehrssprachen werden in einem weiten Regionalgebiet als Handelssprachen und zur
interethnischen Kommunikation von mehreren Gruppen verwendet, die aber an sich jede eine andere
Sprache sprechen. Lingua franca bzw. Pidgin sind deshalb aus der Sicht der SprecherInnen immer
Zweitsprachen und keine Muttersprache.
So gilt z.B. das Arabische in weiten Teilen Ost-Afrikas als lingua franca; ebenso das Spanische bzw.
Portugiesische für gewisse Indigene in Meso- und Süd-Amerika.
Der Nachteil der Arbeit mittels einer Verkehrssprache besteht darin, dass zwar interethnische
Kontaktsituationen verstanden und erforscht werden können, der muttersprachliche Alltag ohne die Kenntnis
der lokalen bzw. indigenen Sprache aber nicht bzw. nur unzureichend erfasst werden kann.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.3
5.2.2.1.1.5.3 Lokale bzw. indigene Sprachen
Neben der Arbeit mittels Sprache europäischen Ursprungs[1] und lokaler Verkehrssprache[2] besteht die
Möglichkeit zur Kommunikation in der lokalen bzw. indigenen Sprache. Dabei kann es sich auch um CreolSprachen[3] handeln, die zur Muttersprache bestimmter Bevölkerungsgruppen geworden sind.
Die Arbeit mit der indigenen Sprache hat den Vorteil der unverzerrten Artikulation seitens der untersuchten
Personen, wodurch die dahinter liegenden Denkkategorien ungefiltert zum Ausdruck kommen und erforscht
werden können.
Ein weiterer Vorteil liegt in der besseren sozialen Einbindung der ForscherIn in die Gruppe, da das
Sprechen der Muttersprache oft als ein Akt der Höflichkeit und des Interesses gewertet und honoriert wird.
Der Nachteil besteht darin, dass die Möglichkeit des Lernens einer indigenen Sprache, die nicht schriftlich fixiert
ist, nur selten vor der Abreise zur Feldforschung gegeben ist.
In diesem Falle lohnt sich als Vorbereitung die Aneignung bestimmter Lerntechniken im Rahmen der
allgemeinen Sprachwissenschaft (z.B. Gudschinsky, Sahra C. [1971] How to Learn an Unwritten Language. New
York: Holt, Rinehart und Winston).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5.2
[3] http://www.ethnologue.com/15/show_family.asp?subid=90083
5.2.2.1.2 Praktisch-organisatorische Vorbereitung
Neben der fachlich-wissenschaftlichen Vorbereitung[1] und der persönlichen Vorbereitung[2] einer
Feldforschung ist ebenso die praktisch-organisatorische Vorbereitung durchzuführen.
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Die praktisch-organisatorische Vorbereitung einer Feldforschung umfasst in erster Linie administrative
Tätigkeiten. Diese sollten am besten in Form einer check-list zunächst übersichtlich dargestellt und im Zuge
der Vorbereitung nach Erledigung abgehakt werden.
Die check-list soll zumindest die detaillierten Rubriken Projektanträge[3], Kontakte zu Institutionen im
Forschungsland[4], Empfehlungsschreiben[5], Reisemodalitäten[6], Unterbringungsmöglichkeiten[7],
medizinische Maßnahmen[8] und technische Ausrüstung[9] umfassen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.3
[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.1
[4] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.2
[5] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.3
[6] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.4
[7] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.5
[8] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.6
[9] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.7
5.2.2.1.2.1 Projektanträge
Projektanträge auf die Gewährung von Fördermitteln, etwa im Rahmen von Stipendien[1], für das
Forschungsvorhaben sollen möglichst früh bei den zuständigen Stellen eingereicht werden, um über den
finanziellen Rahmen des Projektes Bescheid zu wissen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://studieren.univie.ac.at/?id=33
5.2.2.1.2.2 Kontakte zu Institutionen im Forschungsland
Es ist empfehlenswert, bereits vom Heimatort aus Verbindung zu österreichischen Botschaften, Kulturinstituten,
Handelsdelegationen etc. sowie Universitäten im Land, wo die Feldforschung stattfinden soll, aufzunehmen.
Diese
Kontakte
können
sich
für
wertvolle
Forschungshinweise,
aber
auch
für
Unterbringungsmöglichkeiten[1] oder im Falle von Krankheit oder anderen Schwierigkeiten als sehr wertvoll
erweisen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.5
5.2.2.1.2.3 Empfehlungsschreiben
Empfehlungsschreiben maßgeblicher österreichischer Institutionen (z.B. der Universität Wien) können sich im
Forschungsland als überaus nützlich erweisen.
Sie umreißen kurz das wissenschaftliche Anliegen des geplanten Projektes und ersuchen um weitest
gehende Unterstützung der ForscherIn.
5.2.2.1.2.4 Reisemodalitäten
Zeitgerecht vor Antritt der Feldforschung ist die (kostengünstigste) An- und Rückreisemöglichkeit bzw. die
Reiseroute festzulegen.
Beachten
Sie
unbedingt
Aufenthaltsgenehmigung etc.)!
die
Einreisebedingungen
des
Forschungslandes
(z.B.
Visum,
5.2.2.1.2.5 Unterbringungsmöglichkeiten
Es ist empfehlenswert, bereits vor Antritt der Reise die Unterbringungsmöglichkeiten im Forschungsland
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(zumindest für die ersten Tage) zu organisieren.
Kontakte zu Institutionen im Forschungsland[1] können sich diesbezüglich als nützlich erweisen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2.2
5.2.2.1.2.6 Medizinische Maßnahmen
Informieren Sie sich rechtzeitig, welche ärztlichen Vorsorgemaßnahmen (z.B. Impfungen) für ihr
Forschungsland vorgeschrieben sind!
Diesbezügliche Informationen erteilen die Gesundheitsämter der Gemeinden, die Wiener Tropen- bzw.
Hygiene-Institute u.a. öffentliche und private Stellen.
Da einige Impfungen eine längere Vorlaufzeit brauchen bzw. wiederholt werden müssen, um wirksamen
Schutz zu bieten, ist unbedingt auf eine zeitgerechte Durchführung zu achten!
Ebenfalls ist die Zusammenstellung einer geeigneten Reiseapotheke zu planen, da in manchen
Feldforschungsgebieten die medizinische Versorgung kaum oder nur mangelhaft gewährleistet ist.
5.2.2.1.2.7 Technische Ausrüstung
Überprüfen Sie vor Antritt der Feldforschung unbedingt die Funktionstüchtigkeit der technischen
Ausrüstung (Notebook, Fotoapparat, Filmkamera, Diktiergerät etc.) und achten Sie auf das nötige
Zusatzmaterial.
5.2.2.1.3 Persönliche Vorbereitung: Selbstreflexion der ForscherIn
Neben der fachlich-wissenschaftlichen Vorbereitung[1] und der praktisch-organisatorischen Vorbereitung
[2] einer Feldforschung ist auch die persönliche Vorbereitung der ForscherInnen in Form einer
Selbstreflexion von Bedeutung:
Die Zeit der Feldforschung bedeutet für alle ForscherInnen auch eine große persönlich-menschliche Erfahrung,
die vielfach mit einer Initiationsphase verglichen wird.
Wie letztere birgt sie viele neue Erfahrungen, Unerwartetes, physisch wie psychisch Belastendes.
Deshalb empfehlen insbesondere amerikanische Methodenlehrbücher sich vor einer Feldforschung einer
Analyse bei einem/einer Therapeuten/In zu unterziehen, um eigene Aggressionspunkte, Projektionen etc.
auszuloten.
Zur Selbstreflexion der EthnographInnen siehe auch folgende Literatur: Barrett, Stanley R. (1996) A Student´s
Guide to Theory and Method. Toronto: University of Toronto Press; Davies, Charlotte Aull (2007) Reflexive
Ethnography. A guide to researching selves and others. London: Routledge.
Auch ohne fachliche Unterstützung empfiehlt es sich in jedem Falle mittels Selbstreflexion seine eigenen
Schwächen und Stärken und die daraus resultierenden Reaktionen unter unüblichen Konditionen kennen
zu lernen.
Auch während des Feldforschungsaufenthaltes sollte diese Selbsttherapie durch die Führung eines
persönlichen Tagebuches fortgesetzt werden.
Durch das spontane Aufschreiben aller persönlichen Betroffenheiten, Emotionen und Handlungen des
abgelaufenen Tages lässt sich somit eine gewisse Distanz schaffen, um individuelle Befindlichkeiten und
wissenschaftliche Fakten zu entwirren.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1.2
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5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?
Das Verfassen von Feldnotizen gehört neben anderen Strategien (Aufnehmen von Interviews, Fotografieren,
Filmen, etc.) zu den zentralen ethnografischen Verfahren der Datendokumentation. Der Kern dieses
Verfahrens besteht darin, Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungen, die man als FeldforscherIn im Feld
macht, systematisch in brauchbare Daten zu transformieren. Dabei stellen sich unterschiedliche Fragen:
Wie stellt sich das Verhältnis von verschriftlichten Daten und Erinnerungen[1] dar?
Was kann ich tun, damit ich mich an das Beobachtete und Erlebte wieder erinnere[2] ?
Wie kann ich die Beobachtungen zu vernünftigen schriftlichen Feldnotizen ausarbeiten[3] ?
Aus welchen Textgattungen[4] bestehen Feldnotizen?
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.1
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.4
5.2.3.1 Headnotes und Fieldnotes
Ein
zentrales
Moment
des
Feldforschungsprozesses
besteht
in
der
Transformation
von
Feldforschungserfahrungen in verschriftlichte Feldforschungsnotizen, die dann für weitere Analysen verwendet
werden können. Als FeldforscherIn kommt man aber nicht nur mit fieldnotes aus dem Feld zurück, sondern
auch mit "headnotes", das heißt sowohl mit verschrifltichten Daten, wie mit einem Pool von Erfahrungen und
Erinnerungen. Während die verschriftlichten Daten bleiben wie sie sind, ändern sich die headnotes im Laufe
der Zeit und damit auch die retrospektive Interpretation der fieldnotes. Wie Sanjek (1990: 93) unter Verweis auf
Ottenberg feststellt, ist Ethnographie daher ein Produkt dieses Wechselverhältnisses zwischen fieldnotes
und headnotes.
5.2.3.2 Von der ethnographischen Erfahrung zu den Feldnotizen
Nachdem der Zugang zu einem Feld geschaffen wurde, beginnt man auf unterschiedliche Art und Weise in
diesem zu interagieren und zu partizipieren. Dabei kann es sich zu Beginn um informelle Gespräche und
Beobachtungen handeln, welche zu einem allmählichen Kennenlernen von lokalen Routinen und einem lokalen
Alltagsverständnis führen. Dies führt in weiterer Folge zu einem "Eintauchen" in andere Lebenswelten und die
lokale Kultur. Die zentrale Strategie ist eine "teilnehmende Beobachtung[1] ", wobei der Anteil der
Beobachtung und der Teilnahme sich je nach Phase der Feldforschung unterschiedlich gestalten wird.
Im Zuge dieser ethnographischen Erfahrung wird nicht nur explizites Wissen generiert, sondern auch
implizites, so genanntes "tacit knowledge", das heißt verinnerlichtes Wissen, welches zu einem Teil der
Persönlichkeit des/der ForscherIn wird und mit der Übernahme von Regeln und Verhaltensweisen der
jeweiligen Kultur einhergeht. Bei diesem impliziten "tacit konwledge" handelt es sich um eine zum Teil
unbewusste bzw. halb-bewusste Verinnerlichung (embodyment) anderer kultureller Praktiken. Im
Gegensatz dazu stehen die bewussten Erfahrungen und die sich im Laufe der Zeit verändernden Erinnerungen
(headnotes[2]).
Der zentrale Punkt der diese ethnographische Erfahrung zu einem Teil eines wissenschaftlichen, methodischen
Vorgehens macht, besteht darin, diese Erfahrung fest zu halten, explizit zu machen und zu verschriftlichen. In
diesem Prozess werden diese Erfahrungen in Daten in Form von Feldnotizen transformiert. Methodisch
betrachtet handelt es sich dabei um einen Kernprozess der Feldforschung.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1.2
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.1
5.2.3.3 Feldnotizen als Daten
Wie alle anderen Daten beinhalten auch Feldnotizen sowohl Informationen, Beschreibungen und Aussagen
über ein Feld, als auch über die Art der Beobachtung, in diesem Fall des/der EthnographIn. Deshalb
beinhalten Feldnotizen durchaus auch intime Informationen über den/die FeldforscherIn, seine/ihre
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Befindlichkeit, Ängste, Wünsche und Hoffnungen.
Innerhalb eines Forschungsprozesses machen Feldnotizen retrospektiv die eigenen Vorannahmen deutlich.
Dies kommt z.B. dadurch zum Ausdruck, dass man beschreibt was man als neu und überraschend erlebt. Aus
einem analytischen Blickwinkel macht dies (implizite) Erwartungshaltungen und möglicherweise unbewusste
Grundannahmen sowie eigene Kategorien und Bewertungsschemata deutlich.
Feldnotizen veranschaulichen aber auch die Sensibilitäten des/der FeldforscherIn. Sie machen deutlich, was
man zu Beginn einer Feldforschung wahrgenommen hat und was gegen Ende, was man zu gewissen Zeiten
noch nicht bzw. nicht mehr - weil es selbstverständlich geworden ist - gesehen hat. Sie veranschaulichen,
wofür man sensibilisiert wurde und was man in Interaktion mit dem Feld gelernt hat.
Feldnotizen machen aber auch die interaktiven Prozesse der Rollendefinition, das heißt das "role making"
und "role taking", des/der FeldforscherIn deutlich. Welche Rollen sind im Feld für den/die ForscherIn
vorhanden, welche bekommt er/sie zugeschrieben, wie geht er/sie damit um, was heißt dies für die
Möglichkeiten der Forschung und Datengewinnung und wie verändert sich die Rolle, die man als
FeldforscherIn einnimmt im Laufe der Zeit?
Feldnotizen können die ethnographische Erfahrung aber nie ungefiltert wieder geben. Die ethnographische
Erfahrung selbst beruht bereits auf einer selektiven Wahrnehmung von den im Feld stattfindenden
Ereignissen. Im Zuge einer Feldforschung ändert sich die Selektivität mit der man Ereignisse im Feld
wahrnimmt, da diese von Wissen und Erfahrung abhängig sind.
Bei der Transformation der ethnographischen Erfahrung in verschriftlichte Daten kommt es unweigerlich zu
einer weiteren Selektion: Einerseits werden nicht alle Erfahrungen verschriftlicht (d.h. sie bleiben im besten Fall
headnotes[1], z.B. weil gewisse Ereignisse als nicht relevant erscheinen), andererseits bieten sich
unterschiedliche Möglichkeiten der Beschreibung einer Erfahrung bzw. eines Ereignisses. Es stellt sich also die
Frage, welche Strategien[2] man sowohl im Feld, wie beim Ausarbeiten der Feldnotizen am Schreibtisch[3]
anwenden kann, um möglichst qualitätsvolle Aufzeichnungen zu produzieren.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.1
5.2.3.4 Fieldnotes als unterschiedliche Textsorten
Der Charakter von Feldnotizen unterscheidet sich nicht nur individuell und Anlass bezogen je nach
ForscherIn und Projekt, sondern fieldnotes bestehen im Normalfall aus sehr unterschiedlichen und sich
gegenseitig ergänzenden Formen des Schreibens und resultierender Textsorten.
So unterscheidet Clifford (1990) drei Arten des Schreibens:
1) aufschreiben[1] (inscribing): das Aufschreiben eines Wortes oder einer Phrase, um eine Beobachtung
festzuhalten oder um sich daran zu erinnern, was jemand gesagt hat.
2) transkribieren[2] (transcribing): das Verschriftlichen von Erzählungen, Mythen, Erklärungen etc. mit Hilfe
von InformantInnen und/oder vom Band.
3) beschreiben[3] (describing): die Produktion einer mehr oder weniger kohärenten Repräsentation der
beobachteten kulturellen Realität.
Zu den Textsorten, welche die fieldnotes umfassen, gehören u.a.:
Stichwörter[4],
ausgearbeitete Feldnotizen[5],
Transkripte[6],
spezialisierte Datensammlungen[7],
Memos[8],
eine Metadatendokumentation[9] sowie
schriftliche Interaktionen aus dem Feld[10].
Verweise in diesem Kapitel:
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[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.1
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[5] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2
[6] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
[7] Siehe Kapitel 5.2.3.4.5
[8] Siehe Kapitel 5.2.3.5.4
[9] Siehe Kapitel 5.2.3.4.6
[10] Siehe Kapitel 5.2.3.4.7
5.2.3.4.1 Stichwortzettel
Ein zentraler Aspekt der Verschirftlichung und des Ausarbeitens von Feldnotizen ist die Notwendigkeit sich an
die Ereignisse und Erlebnisse so detailgetreu wie möglich zu erinnern. Neben Mnemotechniken kommen dabei
auch andere Erinnerungshilfen, wie z.B. das Aufschreiben (inscribing[1]) von Stichwörtern, zum Einsatz.
Klassischerweise macht man sich auf kleinen Stichwortzetteln Notizen, die das nachträgliche Ausarbeiten der
Feldnotizen unterstützen. Heutzutage kann es sich aber auch um kurze, in ein Diktiergerät gesprochene
Sätze oder in ein Handy getippte Notizen handeln. Je nach Feldsituation ist zu entscheiden, ob, wann, wie
offen und wie[2] solche Erinnerungshilfen angelegt werden können.
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Abbildung: Stichwortzettel von Margaret Mead vom Feldforschungsaufenthalt bei den Tchambuli im
Frühling 1933. Quelle
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Abbildung: Stichwortzettel von Margaret Mead vom Feldforschungsaufenthalt bei den Tchambuli im
Frühling 1933. Quelle
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
5.2.3.4.1 Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern
Um möglichst lebendige und beschreibende fieldnotes zu produzieren geben Emerson et al (1995: 32ff)
folgende Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern. Man sollte:
Kernelemente beobachteter Szenen und Interaktionen festhalten, etwa Fragmente von Handlungen bzw.
Gesprächen;
allgemeine generalisierende Charakterisierungen vermeiden, z.B. einen Arbeitsprozess nicht als
"geschickt" bzw. "ungeschickt" charakterisieren, sondern Stichwörter festhalten, die es erlauben den
Prozess als solchen zu beschreiben;
konkrete Sinneseindrücke im Bezug auf Handlungen und Gespräche festhalten, z.B. nicht bloß
behaupten, dass jemand verärgert ist, sondern seine/ihre Reaktionen und Äußerungen beschreiben und
dadurch den emotionalen Zustand nachvollziehbar machen. Der Fokus sollte darauf liegen, wie Gefühle
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zum Ausdruck gebracht werden und nicht darauf, was vermeintliche Gefühle sind.
jene Sinneseindrücke festhalten, die zentral sind, aber die man leicht vergessen würde. Dazu ist es
notwendig, die Selektivität der eigenen Erinnerung kennen zu lernen.
Stichwörter sollen generelle Eindrücke und Gefühle signalisieren auch wenn man sich in der Situation
noch nicht über deren Relevanz im Klaren ist.
5.2.3.4.2 Ausgearbeitete fieldnotes
Im Gegensatz zu den Erinnerungen (headnotes)[1], dem erworbenen "tacit knwoledge[2] " und den
Stichwortzetteln[3] handelt es sich bei den ausgearbeiteten fieldnotes nicht um rohe, einfach nur
aufgeschriebene Daten, sondern um die Produktion einer kohärenten Beschreibung. Diese ist zentral im
Feldforschungsprozess und solche Beschreibungen müssen produziert werden, können akkumuliert, später
kodiert bzw. indiziert werden und bilden die Grundlage für jedwede weitere Analyse. Ausgearbeitete
fieldnotes repräsentieren somit nicht nur mechanisch Erinnertes, vielmehr sind die präsentierten Fakten
ausgewählt, fokussiert und bereits ansatzweise interpretiert.
Sie entstehen nicht nur aus einem Prozess des Auf- bzw. Niederschreibens (write down bzw. inscription[4])
sondern in einem schriftlichen Ausformulieren (wirte up bzw. description), welches bewusst zusammengesetzte
(dichte) Beschreibungen produziert. Im Prozess der Ausarbeitung können unterschiedliche Schreibstile und
Strategien[5] angewandt werden.
"PARTIAL TRANSCRIPTION OF PAGE:
Consider difference [between?] boys + girls in affective vs. cognitive culture. Diff. strong Arapesh, Mundugumor
Tjambuli (less)?
Iatmul Diff. slighter - Manus(?)
Bali Samoa Manus and Tj. are borderline cases.
Due to early affective assimilation of girls to adult female standard -impossible for boys- Perhaps differential
intellectual curiosity of boys + girls may be partly laid to this rather than to drive."
(Quelle: http://www.loc.gov/exhibits/mead/...[6] 06.04.2007)
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Abbildung: Fieldnotes von Margaret Mead, "Iatmul field
notes for May 5, 1938.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.4
[5] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2
[6] http://www.loc.gov/exhibits/mead/field-iatmul.html
5.2.3.4.2.1 Das Ausarbeiten der Fieldnotes
Das Ausarbeiten der fieldnotes ist im Normalfall ein zeitaufwendiger Prozess und man sollte davon
ausgehen, dass für jede Stunde Beobachtungszeit zumindest eine weitere Stunde benötigt wird um die
Beobachtungen in einer schriftlichen Form auszuarbeiten. Heute können solche fieldnotes zum Teil mittels
Spracherkennungssoftware diktiert werden. In der Literatur findet sich die Empfehlung, fieldnotes so rasch wie
möglich zu verfassen, damit der Eindruck des Erlebten möglichst „frisch“ und unverändert ist. Gespräche über
erlebte Ereignisse führen dazu, das Verständnis des Erlebten zu transformieren bzw. bereits selektiv zu
interpretieren, weshalb empfohlen wird, die Feldnotizen zu verfassen, bevor eine solche Transformation
stattfindet. In der Praxis eines permanenten Feldaufenthaltes erweist es sich zumeist als schwierig, mit seinen
fieldnotes up to date zu sein und erfordert oft äußerste Disziplin.
Die Art und Weise, wie die fieldnotes verfasst werden, ist natürlich auch vom intendierten bzw. imaginierten
Publikum abhängig. Also von der Frage, ob sie anderen zur Verfügung gestellt werden, oder ob es sich um rein
persönliche und intime Aufzeichnungen handelt. Wichtig ist, dass die fieldnotes auch ausreichende Details
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und Hintergrundinformationen beinhalten, so dass sie auch nach Jahren noch sinnvoll interpretierbar sind,
wenn der unmittelbare Eindruck der Feldsituation bereits verblasst ist. Wenn man Feldnotizen im Bewusstsein
verfasst, dass diese für ein breiteres Publikum bestimmt sind, so werden die Aufzeichnungen im Normalfall
reichhaltiger sein, mehr Hintergrund- und Kontextinformationen beinhalten und vermeintlich selbstverständliche
Details expliziter ausführen.
Abbildung: Gregory Bateson und Margaret Mead beim Ausarbeiten der Fieldnotes
im R22;MoskitozimmerR20; bei den Iatmul 1938. Quelle
5.2.3.4.2.2 Stile und Strategien des Verfassens von Fieldnotes
Es existieren unterschiedliche Strategien, die Feldnotizen auszuarbeiten. Ausgangspunkt des Ausarbeitens
sind die Stichwörter[1] und Notizen, welche man z.B. im Laufe eines Tages verfasst hat. Ausgehend davon
kann man chronologisch vorgehen und die Ereignisse des Tages in ihrer Abfolge beschreiben oder aber das
Ausarbeiten der Feldnotizen nach thematischen Prinzipien organisieren. Darüber hinaus kann man auch mit
einer möglichst detaillierten lebendigen Beschreibung besonderer Ereignisse beginnen, welche dann im
Rahmen der sonstigen Tagesereignisse bzw. thematischen Zusammenhänge verankert werden.
Ziel ist, aus der fragmentierten und zerstückelten Information, welche die Stichwörter darstellen, eine kohärente
Beschreibung anzufertigen. Dabei ist zu beachten, dass der Großteil der Information der zu erstellenden
Beschreibung nicht in den Stichwörtern festgehalten wurde, denn diese stellen nur Hilfen dar, um
Erinnerungen reaktualisieren und verschriftlichen zu können. Dementsprechend werden direkte Zitate in diesen
Beschreibungen nur dann eingesetzt, wenn es sich um Aussagen handelt, die direkt im Feld aufgezeichnet
wurden, nicht aber, wenn es sich um eine gedächtnisgestützte Rekonstruktion des Gesagten handelt. Beim
Ausarbeiten der fieldnotes handelt es sich bereits um eine erste vorläufige Interpretation in der Erfahrungen
geordnet und Interaktionsmuster benannt werden. Möglicherweise werden nicht alle stichwortartigen
Aufzeichnungen in die ausgearbeiteten fieldnotes inkludiert, da sie zu einem gewissen Zeitpunkt noch keinen
Sinn machen, das heißt noch nicht sinnvoll interpretiert werden können. Mit großer Wahrscheinlichkeit können
sie aber zu einem späteren Zeitpunkt für die Analyse des Materials relevant werden. Deshalb ist es ratsam auch
vage, scheinbar unwichtige, nicht oder nur ansatzweise verstandene Details festzuhalten, da diese auf
Phänomene verweisen können, die sich zu einem späteren Zeitpunkt als zentral erweisen.
Die konkreten Beschreibungen können auf doppelte Weise unterschiedlich organisiert sein: Einerseits kann die
Beschreibung aus unterschiedlichen Perspektiven[2] erfolgen, andererseits kann der zeitliche Ablauf[3] der
Beschreibung variieren. Weiters kann man Szenen mittels unterschiedlicher Verfahren darstellen[4] und
diese Szenen miteinander in Beziehung setzten[5].
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.2
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3
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[5] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.4
5.2.3.4.2.2.1 Beschreibungsperspektiven
Die Beschreibung kann grundsätzlich aus drei unterschiedlichen Perspektiven erfolgen: aus der Perspektive
des Ich- Erzählers, aus der Position dritter Personen bzw. aus einer „Allwissenden Perspektive“ (Emerson et al
1995: 52ff):
Aus der Perspektive des Ich-Erzählers kann man als EthnographIn die eigene Geschichte darstellen, in
dem man festhält, was man weiß, erfahren und gefühlt hat, während man mit Anderen interagiert hat.
Diese Perspektive ermöglicht es, die eigenen Erfahrungen und Reaktionen in Auseinandersetzung mit
den Handlungen und Gesprächen im Feld darzustellen. Wie Emerson et al feststellen, ist diese
Perspektive besonders effizient, wenn der/die EthnographIn ein Mitglied jener Gruppe ist, die er/sie
studiert. Die Perspektive des Ich-Erzählers ermöglicht in diesem Fall eine „Insider-Sichtweise auf
Handlungen, die durch ihr ethnographisches Interesse gefiltert ist“ (Emerson et al 1995:53). Durch diese
Perspektive kann auch der natürliche Fluss der Ereignisse aus der Sicht des Gruppenmitglieds dargestellt
werden. Man kann nicht nur festhalten, was Personen im Feld getan oder gesagt haben, sondern auch
vermitteln, wie man sich angesichts dieser Handlungen und Aussagen gefühlt hat und wie man darauf
reagiert hat. Diese Position macht es möglich, die Erfahrung des/der AutorIn, nicht nur als Mitglied einer
Gruppe, sondern auch als involvierte/r teilnehmende/r BeobachterIn, im Sinne einer Selbst-Reflexionen
über diese teilnehmende Beobachtung darzustellen.
Aus der Positionen der dritten Person beschreibt man, was die anderen tun und sagen. Man berichtet
dabei, was man von Anderen im Zuge der Beobachtung gesehen oder gehört hat. Dabei kann sich der/die
SchreiberIn als teilnehmende/r BeobachterIn in die Szene inkludieren und die eigenen Antworten und
Reaktionen in Nebenbemerkungen anführen, die wiederum in der ersten Person geschrieben sind. Beim
Schreiben aus der Position der dritten Person, sollte man Andere nur durch jene Aktivitäten und
Aussagen charakterisieren, die man wirklich gesehen und gehört hat. Interpretationen sind zu
vermeiden. Die Beschreibung fokussiert darauf, was Personen gesehen, gesagt und getan haben. Man
sollte vermeiden über die Motive oder die Gedanken der Anderen zu spekulieren, die Beschreibung auf
tatsächlich Beobachtetes beschränken und zeigen, was getan und gesagt wurde. Die wörtliche
Wiedergabe von Aussagen gemeinsam mit einer Beschreibung der Gesten und der Mimik ist eines der
effektivsten Mittel, um eine Person zu portraitieren. Durch diese Strategie stellt man eine andere Person
ins Zentrum der Beobachtung und charakterisiert sie durch ihre Handlungen und Äußerungen. Dies führt
zu einer Beschreibung aus einer „fokussierten Position der dritten Person“ (Emerson et al 1995: 57).
Ethnographische Beschreibungen können auch so organisiert sein, dass man unterschiedliche solcher
fokussierten Positionen dritter Personen gegenüberstellt und dadurch die unterschiedlichen Standpunkte
und multiplen Stimmen im Feld vermittelt.
Im Gegensatz zur Position des Ich-Erzählers oder jener der dritten Person, nimmt man in der
„Allwissenden Perspektive“ eine losgelöste Position „über bzw. außerhalb“ der Ereignisse ein. Man
kann frei von einem Ort oder Zeitpunkt zum anderen sowie zwischen den Charakteren wechseln. Bei
dieser Position werden realistische Erzählungen in einem „objektiven“ Tonfall und Stil erstellt, in denen
nicht nur ein Zugang zu den offenkundigen Handlungen und Aussagen der AkteurInnen möglich ist,
sondern auch zu ihren Gedanken, Gefühlen und Motiven. Es wäre nicht möglich eine solche allwissende
Darstellung zu verfassen, hätte man nicht viele Stunden damit verbracht die Leute zu interviewen und sie
auch in Bezug auf ihre Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen über bestimmte Ereignisse zu
befragen. Dieser allwissende Stil produziert Feldnotizen, in welchen sich die partizipative Erfahrung
des/der EthnographIn mit den Berichten der anderen vermischt. Sie reduziert und verbindet multiple
Perspektiven und Beschreibungen und bringt so eine einzige, allwissende Stimme zum Ausdruck, was
allerdings dazu führt, die unterschiedlichen Interpretationen konkurrierender Versionen der Welt zu
ignorieren.
Bei der Ausarbeitung von Feldnotizen sind diese Perspektiven unterschiedlich einsetzbar und auch
miteinander kombinierbar. Insgesamt sollten die Feldnotizen eine Balance zwischen der Sensitivität
gegenüber der Erfahrung der Anderen im Feld und einer selbst-reflexiven Aufmerksamkeit des/der
FeldforscherIn im Bezug auf die eigenen Wahrnehmungen und Reaktionen diesen Anderen gegenüber
zum Ausdruck bringen. Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Perspektiven und Positionen, die in den
Feldnotizen zum Ausdruck kommen, verdeutlicht diese selbst-reflexive Sensitivität gegenüber den
Anderen.
Neben der Möglichkeit, die Beschreibung aus unterschiedlichen Perspektiven vorzunehmen, kann auch
der zeitliche Ablauf[1] der Beschreibung variieren.
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Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.2
5.2.3.4.2.2.2 Echtzeit- und Endpunkt-Beschreibungen
Die konkreten Beschreibungen können unterschiedlich organisiert sein, so kann etwa der zeitliche Ablauf der
Beschreibung variieren:
Beschreibungen können in Echtzeit angefertigt werden, das heißt, den realen Verlauf der Ereignisse
nachvollziehbar machen. Diese Nachvollziehbarkeit beruht auf einer zum Zeitpunkt des Ereignisses
jeweils unvollständigen Perspektive und einem nur teilweisen Verständnis der Situation. In diesem Fall
versucht man die Ereignisse zu charakterisieren, indem man die Entwicklung des Ereignisses selbst von
einem Standpunkt aus nachvollziehbar macht, der immer nur das jeweilige Vorverständnis miteinschließt,
welches man selbst zu diesem Zeitpunkt hatte.
Im Gegensatz dazu wird eine Endpunkt-Beschreibung von dem Verständnis aus angefertigt, welches
man letztlich von einem Ereignis erlangt hat. Hier werden also gezielt Fakten oder Interpretationen
eingeführt, um vor deren Hintergrund zu beschreiben und zu charakterisieren, was in früheren Phasen
des Ereignisses vor sich gegangen ist.
Bei Beschreibungen kann nicht nur der zeitliche Ablauf variieren, sondern diese können auch aus
unterschiedlichen Perspektiven[1] erfolgen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.1
5.2.3.4.2.2.3 Die Darstellung von Szenen
Zentrales Anliegen eines/r EthnographIn ist es, eine soziale Welt und ihre Menschen zu beschreiben, was
durch die Darstellung unterschiedlicher Szenen dieser Welt geschehen kann.
Bei der Darstellung solcher Szenen geht es um eine Veranschaulichung der grundlegenden Charakteristika
des Umfelds[1], um in diesem die wichtigsten Personen des Feldes[2] zu charakterisieren und den Dialog
zwischen den Personen[3] darzustellen.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3.3
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3.2
5.2.3.4.2.2.3.1 Veranschaulichung
Die Veranschaulichung der Charakteristika des Umfelds erfolgt durch die Vermittlung konkreter sinnlicher
Details der grundlegenden
Szenen,
Menschen,
Objekte
sowie der Handlungen,
die beobachtet werden. Diese möglichst bildhaften Beschreibungen sind ein Teil der Dokumentation von
Tagesereignissen. In der Schilderung dieser Aspekte stehen konkrete sinnliche Details im Zentrum, wie z.B.
Farbe, Form, Größe, Besonderheiten der Geräusche oder des Klangs, der Gerüche, der Gesten, Bewegungen
und Gesichtsausdrücke. Solche sinnlichen Eindrücke werden miteinander kombiniert, um eine Szene
möglichst bildhaft und lebendig zu beschreiben. Eine Szene sollte auch durch ihre Interaktion dargestellt
werden. Bei längeren Szenen sollte man Übergangsmarkierungen benützen, wenn Zeit, Platz oder Personen
sich abwechseln.
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Es ist manchmal besonders schwierig, solche Beschreibungen in einer lebendigen und aussagekräftigen Art
und Weise anzufertigen, was daran liegt, dass wir Fremde auf stereotype Art und Weise wahrnehmen und
sie z.B. nur in Bezug auf Geschlecht, Alter, Hautfarbe oder andere physische Merkmale charakterisieren. So
liest man oft von „einer jungen Frau“ einem „älteren Mann mit grauen kurzen Haaren“.
Auszug aus einer Beschreibung einer Szene:
... Istvan sitzt, wie jeden Tag, am Fuße des Denkmals
und lässt sich von der Seite die Morgensonne auf den
Rücken scheinen. Mit angezogenen Beine, leicht
vorgebeugt und die Hände auf seine Knie gestützt, blickt
er mit halbgeschlossenen Augen auf die am frühen
Morgen nicht all zu häufigen Passanten. Sein
entspannter Gesichtsausdruck und sein zahnloses
Oberkiefer lassen in seinem unrasierten Gesicht das
Kinn markant nach vorne und im Profil vor die Nase
treten. Wie immer, wenn er aus dem Obdachlosenheim
hierher kommt, ist er mit einer Decke, seiner warmen
Jacke und, wenn er am Vortag Glück hatte und es sich
leisten konnte, mit einer Packung Zigaretten
ausgerüstet. Seine Kleidung, eine alte dunkle Hose und Foto: Istvan. Quelle
ebensolche Turnschuhe, sind ebenso wie seine Jacke
hellgrau bis schwarz. Die orange Wolldecke - die er
gemeinsam mit seiner Jacke ordentlich zu einer Sitzunterlage gefaltet hat - ist der einzige Farbakzent in seiner
Erscheinung. Zu dem gesellt sich neben der roten Zigarettenpackung noch ein rot-weißer McDonald’s-Becher,
den er sich, bevor er hier Stellung bezieht, von der Filiale auf der anderen Seite des Platzes von einem der
Tabletts besorgt und der ihm für den Rest des Tages als zentrales Arbeitsmittel dient, mit dem er schweigend die
Spenden der Passanten sammelt ...
5.2.3.4.2.2.3.2 Dialog
Dialoge sollten so exakt wie möglich wiedergegeben werden.
Dies kann durch direkte Zitate[1] und indirekte Zitate[2], durch die Wiedergabe der Aussagen Dritter durch
Anwesende im Feld (z.B. Die Lisi sagte, dass Peter gestern gemeint hat, dass das Ganze "nur ein Schmäh"
war.) sowie durch Paraphrasierung geschehen. Dabei sollte nicht nur der verbale Verlauf des Gesprächs
wiedergegeben werden, sondern auch Gesten, Körperhaltungen, Gesichtsausdrücke etc. mitberücksichtigt
werden. Dies kann besondere Schwierigkeiten erzeugen, solange der/die ForscherIn nicht die Sprache der
Personen im Feld spricht und auch die Bedeutung der Gesten noch nicht richtig interpretieren kann. Eine
Möglichkeit diese Problematik in der Anfangsphase einer Feldforschung zu umgehen besteht darin, neben den
Feldnotizen Tonband- und Videoaufnahmen zu machen und diese dann (mit Hilfe eines/einer InformantIn) zu
transkribieren[3] und interpretieren. Unklarheiten können so durch zusätzliche Fragen erörtert und geklärt
werden.
Um Dialoge möglichst exakt rekonstruieren zu können, sollten wenn möglich, Stichworte[4] von den zentralen
Interaktionssequenzen notiert werden.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/schreiben/schreiben-44.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/schreiben/schreiben-45.html
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
5.2.3.4.2.2.3.3 Charakterisierung
Eine Person nur zu beschreiben ist niemals so effektiv, als darzustellen, wie sie tatsächlich lebt und dies kann
durch eine Interaktion besser gezeigt werden, als durch eine isolierte Beschreibung. Für gewöhnlich werden
Personen, die aktiv im Vordergrund des Ereignisses stehen detaillierter beschrieben als andere. Eine solche
Beschreibung inkludiert auch die Bemerkungen dritter Personen im Feld zur Charakterisierung einer Person.
Wenn bereits Charakterisierungen einer Person im Rahmen der fieldnotes vorliegen, kann sich die Darstellung
einer neuen Situation auf die aktuellen Aussagen und Verhaltensweisen dieser Person beschränken.
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5.2.3.4.2.2.4 In-Beziehung-Setzung von Szenen
Umfassende Beschreibungen einer Szene können verschiedene Momente umfassen. Skizzen umfassen einen
Ausschnitt des Lebens, wie er in einer bestimmten Szene beobachtet wurde, während Episoden und
ausführlichere Erzählungen über Interaktionen und Ereignisse einer sich entwickelnden und dynamischen
Ereignisabfolge berichten.
Bei den Skizzen handelt es sich daher eher um statische "Schnappschüsse" bzw. Stillleben (Emerson
et al 1995: 86f), in denen die Abfolge der Aktionen keine dominante Rolle spielt.
In einer Episode schildert der/die FeldforscherIn einen Vorfall als kontinuierliche Handlung oder
Interaktion, z.B. bei simultanen, aber unterschiedlichen Interaktionen zur selben Zeit am gleichen Ort, wie
sie etwa bei Beobachtung einer Schulklasse auftreten.
Bei Erzählungen handelt es sich um zusammenhängende Episoden, die aufgrund der AkteurInnen
oder ähnlicher Aktivitäten chronologisch gereiht sind. Dabei ist es nicht zentral, eine einheitliche
Geschichte zu erzählen, vielmehr geht es darum zusammenhängende Episoden nebeneinander zu
stellen. Es handelt sich dabei um einen lose strukturierten "episodic (...) string of action chunks put down
on the page one after an other" (Emerson et al 1995: 90).
5.2.3.4.2.2.3.2 Bedeutungen der lokalen AkteurInnen
Eine zentrale Aufgabe der Feldnotizen ist es, die Bedeutung, welche die lokalen AkteurInnen mit ihren
Handlungen verbinden, zu dokumentieren.
Dabei sollte man vermeiden, in den klassischen Ethnozentrismus zu verfallen und Kategorien, Standards
oder Bedeutungen der eigenen Kultur zu verwenden, um Ereignisse in einer anderen zu beschreiben. Ebenso
sollte man vermeiden, die Kategorien einer lokalen Kultur zur Beschreibung einer anderen lokalen Kultur zu
verwenden. Weiters sollte vermieden werden, eine (ab)wertende Haltung gegenüber den Bedeutungen der
lokalen AkteurInnen einzunehmen und diese etwa als vage, widersprüchlich oder trügerisch zu interpretieren.
Dies kann verhindern, die Alltagseffizienz dieser Auffassungen zu erfassen. Weitere Hindernisse die
Bedeutung, welche die lokalen AkteurInnen mit ihren Handlungen verbinden, zu erfassen, bestehen in einer
normativen Voreingenommenheit, welche festlegt, was die offizielle, authentischen bzw. legitime Version
eines Phänomens ist. Ein weiteres Problem kann eine theoretische Voreingenommenheit darstellen, die
theoretische Unterscheidungen und Kategorien auf das Feld projiziert, welche vor Ort in dieser Form jedoch
keine Relevanz besitzen.
Die lokalen Bedeutungen kommen auf vielfältige Art und Weise in alltäglichen Interaktionen zum Ausdruck:
Dies beginnt bereits bei Anrede- und Grußformen, welche den relativen Status der AkteurInnen in
Begrifflichkeiten der Hierarchie, der Nähe, des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Achtung aber
auch der Freundschaft und Feindschaft zum Ausdruck bringen.
Für alltägliche Fragen (z.B. Wie geht es?) und die Antworten, die darauf gegeben werden, gilt
Ähnliches. Sie bringen das Verhältnis der AkteurInnen zum Ausdruck und vermitteln Einsichten in die
Relevanz zentraler Themen, wie etwa Familie, Gesundheit, Arbeit, etc.
Weiters ist man als EthnographIn mit natürlich vorkommenden Beschreibungen der AkteurInnen im Feld
konfrontiert. Die AkteurInnen liefern z.B. solche Beschreibungen ihrer Umwelt, ihres Wohnorts bzw. ihrer
Familie, wenn sie Außenstehende in diese Bereiche einführen und ihnen die Besonderheiten dieser
vorführen.
Solche Beschreibungen können aber auch während alltäglicher Gespräche zum Ausdruck kommen und
sie zeigen sich insbesondere, wenn Außenstehenden erklärt wird, „wie Dinge zu tun sind“. Dabei sollte
der/die FeldforscherIn aber nicht von vornherein davon ausgehen, dass über dieses „WIE“ bei allen
AkteurInnen im Feld eine einheitliche Meinung besteht.
Lokale Bedeutungen kommen auch in Geschichten der AkteurInnen zum Ausdruck, in denen sie z.B.
Ereignisse beschreiben, die sie beobachtet oder erlebt haben und/oder die Taten anderer kommentieren
(Tratsch).
In den Berichten und Aussagen der AkteurInnen kommen auch spezifische Termini, Typen und
Typologien zum Ausdruck, die auf zentrale lokale Unterscheidungen verweisen. Diese können aber von
unterschiedlichen AkteurInnen im Feld mit verschiedenen Bedeutungshorizonten verwendet werden.
Ein weiterer Punkt sind indigene Kontraste, welche Einsichten in die Wahrnehmung und Beurteilungen
der AkteurInnen im Feld ermöglichen.
Als EthnographIn sollte man aber auch danach trachten, komplexere lokale Erklärungen wann, wie und
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warum bestimmte Dinge auf bestimmte Art und Weise gemacht werden, zu erhalten und nach Möglichkeit
die lokalen Theorien und Rationalisierungen für diese Tätigkeiten in Erfahrung bringen.
5.2.3.4.3 Organisation der fieldnotes
Die Organisation der fieldnotes kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen und beginnt textintern
bereits mit der unterschiedlichen Darstellung und Verknüpfung von Szenen[1].
In Bezug auf die Organisation eines größeren und im Laufe der Feldforschung wachsenden Pools von
Feldnotizen können unterschiedliche Strategien verfolgt werden. Die Grundlogik des Verfassens der
fieldnotes ist in vielen Fällen eine chronologische, gleichzeitig empfiehlt es sich, parallel dazu auch eine
thematische Ordnungslogik zu entwickeln. Diesbezüglich existieren unterschiedliche Strategien:
Manche FeldforscherInnen verwenden von Beginn an bereits existierende, standardisierte Ordnungslogiken
bzw. Kodeschemata, wie z.B. das Outline of Cultural Materials[2] (siehe auch Theoretische
Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF[3]). Andere hingegen entwickeln eigene
Kodeschemata im Zuge der Analyse der eigenen fieldnotes. Die Verwendung solcher Kodes variiert und reicht
von einer simplen Indizierung des Materials. Dabei werden die ursprünglichen Feldnotizen mit Hinweisen in
Form zentraler Begriffe oder Zahlen, die diesen begriffen zugeordnet sind, versehen, um innerhalb des
Materials relevante thematische Stellen rasch auffindbar und miteinander verknüpfbar zu machen. Am anderen
Ende des Spektrums stehen unterschiedliche Kodierstrategien als Teil eines analytischen Prozesses, der z.B.
im Sinne der Grounded Theory darauf abzielt, Kategorien und Konzepte und in letzter Konsequenz
gegenstandsbezogene Theorien zu entwickeln.
Wie solche chronologischen und thematischen Ordnungslogiken praktisch umgesetzt werden können ist auch
abhängig von der Infrastruktur, die im Feld zur Verfügung steht. Solange Elektrizität vorhanden ist, können
elektronische Formen der Textverarbeitung verwendet werden, welche das Kopieren und Reorganisieren
gewisser Ausschnitte der Feldnotizen einfach machen und sich mit besonderer Software, wie etwa Atlas.ti[4],
besonders effizient gestalten lassen. Schwieriger ist es, wenn man nur mit Papier, Bleistift bzw.
Schreibmaschine arbeiten kann. In diesem Fall empfiehlt es sich, ein Karteikarten- bzw. Zettelkastensystem
anzulegen und entweder Einträge sofort auf Karteikarten, versehen mit Ort, Datum und thematischem
Schlagwort zu verfassen oder chronologisch in Form eines Tagebuchs verfasste Aufzeichnungen nachträglich
mittels Verweisen und Zettelkasten zu erschließen.
Abbildung: Margaret Mead’s Notizen zum Brautpreis bei den Arapesh, 25. März 1932. Quelle
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3
[2] http://www.library.illinois.edu/edx/hraf_ocm.pdf
[3] Siehe Kapitel
[4] http://www.atlasti.com/de/
5.2.3.4.4 Transkripte
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Neben dem Aufschreiben von Stichwörtern[1] (write down) in der Feldsituation und dem Ausformulieren und
Beschreiben (write up) im Rahmen des Ausarbeitens der fieldnotes, transkribiert man im Rahmen der
Feldforschung auch unterschiedliche Arten von Texten (write over). Dabei kann es sich um die Transkription
von Interviews[2], aber auch von Mythen, Gesängen, rituellen Texten und anderen Formen von Oralliteratur
handeln. Im Prinzip stehen zumindest zwei grundlegende Formen der Transkription zur Verfügung:
Die Transkription von audio-visuell dokumentiertem Material;
Die Transkription ohne audio-visuelle Dokumentation, in Zusammenarbeit mit InformantInnen und
FeldassistentInnen; Schirftkundige InformantInnen können nach einer Einschulung in grundlegende
Transkriptionsregeln auch dazu angeregt werden, eigenständige Transkriptionen solcher Texte
vorzunehmen.
Transkribierte Texte müssen immer auch Informationen über den/die InformantIn, den Ort, das Datum und die
Situation und Art der Aufnahme des Textes beinhalten.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4
[2] Siehe Kapitel 5.1.2.3
5.2.3.4.5 Spezialisierte Datensammlungen
Im Rahmen einer Feldforschung ist es höchst wahrscheinlich, dass nicht nur Stichwortzettel[1],
ausgearbeitete fieldnotes[2] und transkribierte Texte[3] als Daten produziert werden, sondern auch darüber
hinausgehende spezialisierte Datensammlungen angelegt werden.
Je nach thematischer Orientierung der Feldforschung werden
unterschiedlichen Charakter annehmen. So kann es sich dabei z.B.
diese
Datensammlungen
einen
um eigene Aufzeichnungen zur lokalen Sprache,
um standardisierte Fragebögen,
um systematische Datenerhebungen in Bezug auf Demographie, Haushaltsstrukturen und
-Zusammensetzungen in einer bestimmten Region,
um standardisierte Tests (z.B. zur Farbwahrnehmung oder anderer kognitiver oder psychologischer
Prozesse),
um Zeitverwendungsprotokolle im Rahmen von "time allocation studies",
um die systematische Dokumentation der Aneignung und Verwendung von natürlichen Ressourcen,
um unterschiedliche verwandtschaftsethnologische Methoden,
oder um visuelle Methoden (Foto, Film) zur Dokumentation bestimmter Bereiche der lokalen Kultur
handeln.
Innerhalb der Kultur- und Sozialanthropologie existieren eine ganze Reihe unterschiedlicher methodischer
Verfahren zur Erforschung, d.h. zur Datendokumentation und -Analyse ausgewählter Sachbereiche, welche die
hier skizzierten allgemeinen und grundlegenden Feldforschungspraktiken ergänzen und die sich an
thematischen Ausdifferenzierungen der Disziplin orientieren, wie z.B. der Ethnosoziologie und Kinship Studies,
der Ökonomischen Anthropologie, der Rechtsanthropologie, der Linguistischen Anthropologie, der Ritual- und
Mythenforschung,
der
Kunstanthropologie,
der
Medizinanthropologie
und
Ethnomedizin,
der
Medienanthropologie, der Globalisierungs- und Transnationalismusforschung, der Organisationsanthropologie,
der Friedens- und Konfliktforschung, der Migrationsforschung, der Kognitiven Anthropologie, der Anthropologie
der Natur und Umwelt, der Religions- und Bewusstseinsforschung etc.
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Abbildung: Margaret Mead´s "Tchambuli Language
Memorizing Book," ca. 1933. Quelle
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
5.2.3.4.6 Metadatendokumentation
Da im Zuge der Feldforschung unterschiedliche Methoden der Datenerhebung und Datendokumentation
eingesetzt werden, ist es hilfreich eine systematische Metadatendokumentation vorzunehmen. Deren Ziel ist,
in einer chronologischen Abfolge die unterschiedlichen Daten und Dokumentationsstrategien auf eine
nachvollziehbare Art und Weise mit einander zu verknüpfen, so dass auch zu einem späteren Zeitpunkt
nachvollziehbar ist, welche Fotografien oder Tonaufnahmen mit welchen Feldnotizen oder Transkripten in
Beziehung stehen und an welchem Ort, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Personen die jeweilige
Datenerhebung durchgeführt wurde.
Parallel dazu kann es sinnvoll sein, eigene Dateien für einzelne Personen im Feld anzulegen, welche
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Grundinformationen in Bezug auf grundlegende Sozialdaten, wie Alter, Ort der Geburt, nächste
Verwandtschaft, besondere Funktionen und biographische Besonderheiten enthalten.
Folgender Ausschnitt aus Margaret Meads Feldnotizen stellt eine derartige Verknüpfung zwischen Fotografien,
Filmaufnahmen und konkreten chronologischen Ereignissen im Feld exemplarisch dar.
Abbildung: Margaret Mead’s "Bathing I Sami (Sama)" fieldnotes 30. April 1937.
Bajoeng Gedé, Bali. Quelle
5.2.3.4.7 Schriftliche Interaktionen aus dem Feld
Neben den systematisch produzierten Feldnotizen, Transkripten und spezialisierten Datensammlungen werden
im Laufe einer Feldforschung noch weitere Texte produziert, die als Daten dienen können. Dabei handelt es
sich um schriftliche Darstellungen der Situation vor Ort, die im Laufe der Feldforschung an Dritte (Familie,
Bekannte, FreundInnen, KollegInnen, SponsorInnen und AuftraggeberInnen etc.) übermittelt werden. Dabei
kann es sich um Briefe und Berichte, aber auch um eMails oder um Informationen, die z.B. auf Weblogs gestellt
werden, handeln.
5.2.3.4.8 Literatur
Clifford, James (1990) Notes on (Field)notes. In Fieldnotes. The Makings of Anthropology. Ed. Sanjek, Roger.
Ithaca, London: Cornell University Press.
Emerson, Robert M., Rachel I. Fretz, Linda L. Shaw (1995) Writing Ethnographic Fieldnotes. Chicago, London:
Chicago University Press.
Sanjek, Roger (ed.) (1990) Fieldnotes. The Makings of Anthropology. Ithaca, London: Cornell University Press.
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Sanjek, Roger (1990) A Vocabulary for Fieldnotes. In Fieldnotes. The Makings of Anthropology. Ed. Sanjek,
Roger. Ithaca, London: Cornell University Press.
5.2.3.5 Analyse der Fieldnotes
Neben der systematischen Datenerhebung empfiehlt es sich, nach einiger Zeit analytische Phasen im
Forschungsprozess vorzusehen. Bei längeren Feldforschungen sollte man auch Phasen des Rückzugs vom
Feld einplanen und mit der Analyse der gesammelten Daten bereits vor Ort beginnen. Das heißt, längere
Feldforschungen sind nicht nur reine Datenerhebungszeiten, sondern inkludieren neben der systematischen
Ausarbeitung der Feldnotizen auch deren erste Analyse.
Zu einer ersten Analyse der eigenen Feldnotizen gehört:
das Lesen des gesamten Korpus der Aufzeichnungen[1],
das Stellen von Fragen an die Fieldnotes[2],
das Kodieren der Feldnotizen[3],
das Verfassen von Memos[4].
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.5.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.5.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.5.4
5.2.3.5.1 Das Lesen der Feldnotizen als Daten
Im Gegensatz zum Aufschreiben und dem systematischen Anfertigen detaillierter Beschreibungen beim
Erstellen der Fieldnotes werden diese im Zuge der Analyse als Datenset behandelt und analytisch, d.h. mit
einem Blick von außen gelesen. Dies impliziert eine emotionale Distanz zu den eigenen Aufzeichnungen "and
requires the ethnographer to approach her notes as if they had been written by a stranger" (Emerson et al.
1995: 145). Dieses gründliche und systematische Lesen der eigenen Aufzeichnungen dient dazu, Themen,
Muster und Variationen innerhalb der Fieldnotes zu identifizieren. Es kann also dazu eingesetzt werden,
analoge Phänomene bzw. Ereignisse zu identifizieren. Diese Ereignisse bzw. Phänomene können nun durch
das Lesen miteinander in Verbindung gebracht werden. Dieses In-Beziehung-Setzen kann durch Kodes[1]
ausgedrückt werden. Man kann aber nicht nur Ähnlichkeiten, sondern auch alternative Handlungsstrategien
und lokale Interpretationen identifizieren.
Dieser Prozess des analytischen Lesens der eigenen Feldnotizen ermöglicht dem/der EthnographIn in einem
relativ kurzen Zeitraum aufzunehmen, was alles beobachtet und aufgezeichnet wurde. Dadurch können auch
Veränderungen in den Beziehungen mit den Menschen im Feld über die Zeit hinweg festgestellt werden.
Dieses close reading ermöglicht es, Muster zu erkennen und zu vergleichen. Gleichzeitig werden durch das
Lesen der gesamten Aufzeichnungen neue Einsichten, Hypothesen und Interpretationen in Bezug auf
einzelne Personen und Ereignisse generiert. Im Normalfall werden auch Lücken im Datenmaterial identifiziert
sowie neue Fragestellungen aufgeworfen, welche die weiteren Forschungsschritte anleiten.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3
5.2.3.5.2 Das Stellen von Fragen an die Fieldnotes
Neben dem analytischen Lesen[1] kann man, sobald konkrete Fragestellungen identifiziert sind, im
vorliegenden Datenmaterial auch ganz konkret und selektiv nach Informationen suchen. Der Unterschied
zwischen dem allgemeinen analytischen Lesen und dem gezielten Stellen von Fragen besteht in der
Selektivität, mit der die Fieldnotes gelesen werden. Vor dem Hintergrund spezifischer Fragen geht es nicht
darum, das Gesamtspektrum der Daten zu erfassen, sondern man interessiert sich im Detail für ausgewählte
Teile der gesamten Aufzeichnungen.
Beide Vorgehensweisen kommen auch in unterschiedlichen Strategien, die Fieldnotes zu kodieren[2] zum
Ausdruck. In den Fragen, die man zu Beginn an die Aufzeichnungen stellt, kommen bereits spezifische
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Erkenntnisinteressen und Analyserichtungen zum Ausdruck. Manche davon werden im Laufe der Analyse und
der weiteren Datenerhebung weiterverfolgt, vertieft und verfeinert, andere werden sich vor dem Hintergrund des
Erkenntnisinteresses und der weiteren Forschung als wenig ertragreich erweisen und nicht weiter verfolgt
werden.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.5.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3
5.2.3.5.3 Das Kodieren der Feldnotizen
Unter dem Kodieren der gesammelten Daten versteht man einen Prozess, bei dem Teile der Daten z.B.
bestimmte Textausschnitte aus den Feldnotizen mit ausgewählten Begriffen bzw. Kategorien verknüpft
werden. Diese Begriffe bzw. Kategorien werden Kodes genannt. In der Bezeichnung des Kodes kommt der
Inhalt des Datenausschnitts auf eine kurze, prägnante und vergleichsweise abstrakte Weise zum Ausdruck.
Kodes können von außen, im Sinne etischer Kategorien, an das zu analysierende Material herangetragen
werden. In diesem Fall werden die Kategorien zum Beispiel aus bestehenden Theorien übernommen oder
bereits existierende standardisierte Kodeschemata verwendet (z.B. das Outline of Cultural Materials[1]).
Analysestrategien, die an der Entwicklung von Theorien bzw. an der ethnographischen Darstellung und
Analyse lokal verwendeter, emischer Kategorien und Verhaltensweisen interessiert sind, entwickeln eigene
Kodeschemata. Die Verwendung solcher Kodes variiert. Es kann sich einerseits um eine Indizierung des
Materials handeln, d.h. die ursprünglichen Feldnotizen werden mit Hinweisen in Form zentraler Begriffe
versehen, um innerhalb des Materials relevante thematische Stellen rasch auffindbar und miteinander
verknüpfbar zu machen. Andererseits können unterschiedliche Kodierstrategien als Teil eines analytischen
Prozesses angewendet werden, die im Sinne der Grounded Theory aber auch der Ethnographie darauf
abzielen, Kategorien und Konzepte zu entwickeln.
Die in den Kodes zum Ausdruck kommenden Kategorien können also
auf externe Ordnungslogiken und Theorien, die an die Daten herangetragen werden, verweisen,
zur Entwicklung gegenstandsbezogener Theorien im Sinne der Grounded Theory genützt werden,
oder aber ethnographisch auf Konzepte lokaler AkteurInnen und emische Kategorien als Ausdruck einer
spezifischen Kultur verweisen.
Aus einer ethnographischen Perspektive besteht beim Herantragen externer Ordnungslogiken, Begriffe und
Theorien die Gefahr lokale Bedeutungen, Ordnungslogiken und Theorien zu ignorieren oder zu verkennen und
deshalb eurozentristisch[2] zu interpretieren.
Darüber hinaus verweisen Kodes auf spezifische Betrachtungsweisen des Inhalts, d.h. in ihnen kommt bereits
eine analytische Perspektive zum Ausdruck. Eine Textstelle kann auch mit mehreren Kodes belegt werden,
da in ihr mehrere Inhalte zum Ausdruck kommen können oder sie vor dem Hintergrund mehrerer analytischer
Perspektiven relevant sein kann. In welcher Form kodiert wird und wie man zu den Kodes kommt, hängt also
von der methodologischen Vorgangsweise und der theoretischen Orientierung ab.
Die Strategien des offenen Kodierens[3], des Kodierens vor dem Hintergrund von Fragestellungen[4],
sowie vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer ethnographischen Erzählung[5] werden dann
angewandt, wenn man eigene Kodes aus den empirischen Daten entwickelt.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.library.illinois.edu/edx/hraf_ocm.pdf
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.4.2.2.3.2
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.1
[4] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.3
[5] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.4
5.2.3.5.3.1 Offenes Kodieren
Ausgangspunkt des offenen Kodierens ist das Lesen der Texte und das Markieren von Textstellen durch
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kurze, prägnante und vergleichsweise abstrakte Konzepte (Kodes), die den Inhalt der jeweiligen Textstelle
charakterisieren. Im Laufe des Lesens wird man eine Vielzahl solcher Kodes entwickeln und einzelnen
Textstellen zuordnen. Man gewinnt dadurch eine Liste potentieller Kodes, welche die zu analysierenden
Phänomenbereiche abbilden. Dadurch, dass man verschiedenen Textstellen denselben Kode zuweist, stellt
man systematische Beziehungen zwischen unterschiedlichen und bis dato nicht miteinander
verbundenen Datenausschnitten her. Beim offenen Kodieren wird man relativ schnell zu einer
vergleichsweise langen Liste unterschiedlicher Kodes kommen. Eine solche Kodeliste veranschaulicht die aus
den Daten entwickelten Konzepte, welche weiter analysiert werden können. Gleichzeitig kann entlang dieser
Konzepte auf das Datenmaterial zugegriffen werden, das heißt alle Textstellen, die mit einem Kode belegt
wurden, können leicht identifiziert und für die weitere Analyse dieses Konzepts herangezogen werden.
Der Kode selbst kann aus einem einzigen Wort oder aus mehreren möglichst prägnanten Wörtern bestehen.
Kodes sollten möglichst einheitlich und eindeutig verwendet werden. Deshalb ist es sinnvoll, die Kodes
präzise zu definieren d.h. festzulegen, welche Datenausschnitte mit solchen Kodes belegt werden können. Dies
ist insbesondere auch deshalb wichtig, weil sich die Bedeutung einzelner Kodes im Laufe der Analyse
verändern kann und man sonst nicht feststellen könnte, dass man vor einiger Zeit mit einem bestimmten Kode
noch anderes d.h. oft Allgemeineres oder Spezifischeres verbunden hat. Unterschiedliche Kodes sollten
Unterschiedliches bezeichnen.
5.2.3.5.3.2 Rekodieren: von allegemeinen zu spezifischen Kodes oder umgekehrt?
Eine weitere Frage, die sich beim Kodieren stellt, ist, wie allgemein bzw. spezifisch die jeweiligen Kodes sein
sollen.
Prinzipiell ist hier ein mittlerer Weg zu empfehlen. Kodes, die so spezifisch sind, dass sie nicht auf mehrere
Textstellen anwendbar sind, sind ebenso unbrauchbar wie allgemeine Kodes, unter die sich große Teile des
Materials subsumieren lassen.
Wenn man zu Beginn sehr spezifische Kodes vergibt, kann man in der weiteren Analyse überlegen, welche
dieser spezifischen Kodes zu übergeordneten Kategorien zusammengefasst werden können. So ist es
möglich, solche Kodes in einem neuen übergeordneten Kode zusammenzufassen, d.h. eine Rekodierung im
Sinne einer Kodefusion vorzunehmen.
Wenn man im Gegensatz dazu tendiert, vergleichsweise abstrakte Kodes zu vergeben, wird man sich in einem
nächsten Schritt mit einer Analyse all der Textstellen befassen, die mit einem solchen Kode belegt wurden. Bei
dieser Analyse wird man bemerken, dass Unterschiedliches mit demselben Kode belegt wurde, was in weiterer
Folge dazu führen wird, den ursprünglichen Kode zu verfeinern, das heißt in unterschiedliche Kodes
aufzusplitten. Wenn es inhaltlich gerechtfertigt ist, kann der ursprüngliche Kode als Überkategorie beibehalten
werden, der nun mehrere Subkategorien, die als eigene Kodes fungieren, zugeordnet sind. In diesem Sinne
hätte man erste Relationen zwischen einzelnen Kodes im Sinne einer Kodehierarchie etabliert.
Beim Rekodieren, sowohl beim Kodesplitting wie bei der Kodefusion, muss das gesamte Material mittels der
neu entwickelten Kodes nochmals kodiert werden. Es müssen also alle Stellen im Material identifiziert werden,
die mit den ursprünglichen Kodes belegt waren und diese müssen auf Basis des neuen Kodierschemas
rekodiert werden.
5.2.3.5.3.3 Kodieren vor dem Hintergrund von Konzepten und Fragestellungen
Wenn man zumindest einen Teil der vorliegenden Daten offen kodiert[1] hat, gibt es unterschiedliche
Strategien, mit der Analyse fortzufahren. Erstens kann man sich ausgehend von Kodes bzw. Konzepten, die
einem besonders interessant oder zentral erscheinen, dazu entscheiden an diesen weiterzuarbeiten, ohne
dass man in einem ersten Schritt das gesamte vorliegende Material offen kodiert hätte. Man kann nun in den
weiteren Fieldnotes systematisch nach Daten suchen, die mit dem ausgewählten Konzept in Beziehung
gebracht werden können.
In weiterer Folge kann man entlang spezifischer Fragestellungen kodieren. Emerson et al. (1995: 146)
identifizieren unter anderem folgende Fragen, welche das Kodieren anleiten können:
Was tun die Leute? Was versuchen sie zu erreichen/schaffen?
Wie tun sie das genau? Welche spezifischen Mittel bzw. Strategien verwenden sie?
Wie sprechen, charakterisieren u. verstehen Mitglieder was passiert?
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Welche Annahmen haben sie?
Mit der Hilfe solcher Fragen lassen sich unterschiedliche Gruppen von AkteurInnen in Bezug auf ihre
Handlungsstrategien und Intentionen, sowie ihre Interpretation von Ereignissen charakterisieren. Vor dem
Hintergrund solcher Fragen lassen sich also ethnographische, lokalspezifische kulturelle Konzepte und
emische Kategorien ergründen.
In den Fragestellungen, entlang derer kodiert wird, kommt der Analysefokus der jeweiligen Untersuchung zum
Ausdruck. Innerhalb der Grounded Theory legt die Strategie des axialen Kodierens[2] nach Anselm Strauss
bereits einen spezifischen Analysefokus fest. Für vergleichende Analysen hat Uwe Flick die Strategie des
thematischen Kodierens [3] entwickelt.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.1
[2] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.3.1
[3] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3.3.2
5.2.3.5.3.3.1 Axiales Kodieren in der Grounded Theory
Im Gegensatz zur Ergründung lokalspezifischer, emischer kultureller Konzepte stellt die Grounded Theory auf
die Entwicklung gegenstandsbezogener Theorien ab. Dies tut sie ausgehend von Phänomenen, an welche
nach Anselm Strauss und Juliet Corbin (1996) verschiedene Fragen gerichtet werden:
Was sind die ursächlichen Bedingungen des Phänomens?
Was ist der Kontext?
Was sind die intervenierenden Bedingungen?
Was sind die Handlungs- und interaktionalen Strategien?
Was sind die Konsequenzen?
Diese Fragen bringen das so genannte Kodierparadigma zum Ausdruck, welches das axiale Kodieren
innerhalb der Grounded Theory anleitet und ausgehend von einem Phänomen systematisch versucht,
unterschiedliche Kodes/Kategorien miteinander in Beziehung setzen. Dieses In-Beziehung-Setzen
unterschiedlicher Kodes und Kategorien ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung einer
gegenstandsbezogenen Theorie.
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Abbildung: Kodierparadigma in Anlehung an Strauss. Quelle: Disselkamp-Niewiarra (2000: 504)
Literatur:
Anselm Strauss & Juliet Corbin (1996) Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Beltz
Psychologie Verlags Union, Weinheim; insbesondere p. 75-93.
5.2.3.5.3.3.2 Thematisches Kodieren
Flick (1996; 2002: 271ff) hingegen entwickelt für vergleichende Studien das Konzept des thematischen
Kodierens. Hier werden ausgehend von einer Fragestellung vorab festgelegte Gruppen vergleichend
untersucht. Der Forschungsgegenstand ist die soziale Verteilung von Perspektiven auf ein Phänomen oder
einen Prozess und basiert auf der Annahme, dass in unterschiedlichen sozialen Welten bzw. Gruppen
differierende Sichtweisen anzutreffen sind. Dies modifiziert grundlegende Annahmen der Grounded Theory,
da sich das Sampling[1] nicht am jeweiligen Stand der Interpretation bereits analysierter Daten orientiert. Es
steht aber auch im Gegensatz zur klassischen Ethnographie, die ihre Samplingstrategie an der Dynamik, den
AkteurInnen und den Strukturen des jeweiligen Feldes ausrichtet.
Das Vorgehen orientiert sich an einer vertiefenden Analyse einzelner Fälle, bei dem zunächst ein
Kategoriensystem für den einzelnen Fall entwickelt wird. In der weiteren Ausarbeitung des
Kategoriensystems wird zunächst offen, dann selektiv kodiert. Selektive Kodierung bezieht sich auf die
Generierung von Kategorien und thematischen Bereichen für den einzelnen Fall. Diese werden in einem
nächsten Schritt zwischen den einzelnen Fällen abgeglichen, woraus eine thematische Struktur resultiert,
die für die Analyse weiterer Fälle zu Grunde gelegt wird. Die Struktur wird also aus den ersten Fällen
entwickelt und an allen weiteren Fällen überprüft und weiter modifiziert und dient dem Fall- und
Gruppenvergleich.
Im Gegensatz zum Vorgehen der Grounded Theory werden im ersten Schritt fallbezogene Analysen und erst im
zweiten Schritt fallübergreifende Gruppenvergleiche durchgeführt. (Flick 2002: 271ff)
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 3
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5.2.3.5.3.4 Kodieren
vor
dem
erthnographischen Erzählung
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Hintergrund
der
Konzeptualisierung
einer
Nach der analytischen Bearbeitung einzelner Themenbereiche bzw. Fragestellungen stellt sich die Frage, wie
diese miteinander verknüpft und als zusammenhängende Ethnographie präsentiert werden können. Dazu ist es
notwendig, einen roten Faden der Erzählung zu entwickeln und die einzelnen Themenbereiche mit diesem in
Beziehung zu setzen. Innerhalb der Methodenliteratur liegen dazu unterschiedliche Empfehlungen und
Strategien vor. Diese reichen von
der Entwicklung einer Kernkategorie mittels selektiven Kodierens (Grounded Theory). Diese
Kernkategorie bezeichnet das zentrale Phänomen, um das herum alle anderen Kategorien integriert sind
(Strauss & Corbin 1996: 94-117)
dem Umsetzen von Feldnotizen in eine Ethnographie, welche auf den Schritten:
1) der Auswahl der Feldnotizexzerpte,
2) der Erarbeitung von Erläuterungen und Verbindungen zwischen den Feldnotizen,
3) dem Kreieren von "Exzerpt-Kommentar-Einheiten",
4) dem Editieren der Exzerpte,
5) dem Ordnen "Exzerpt-Kommentar-Einheiten" innerhalb eines Abschnitts sowie
6) dem Schreiben einer Einleitung,
7) der Herstellung eines Bezugs zu anderen Forschungen,
8) der Vorstellung der Methoden und des Settings, sowie
9) dem Verfassen einer Zusammenfassung
beruht (Emerson et al. 1995: 169 - 210).
den eher schreibtechnischen Anweisungen zum Verfassen einer Ethnographie, die auf folgenden
Schritten beruht:
1) der Auswahl des Publikums,
2) der Auswahl einer These,
3) der Erstellung einer Liste von Themen und eines ersten Entwurfes ihrer Abfolge in einem
Inhaltsverzeichnis,
4) dem Schreiben einer groben Erstversion jedes Kapitels,
5) der Überarbeitung und Verfeinerung des Inhaltsverzeichnisses,
6) dem Editieren des Grobentwurfes,
7) dem Schreiben der Einleitung und der Zusammenfassung,
8) dem Überarbeiten und Verfeinern der ausgewählten ethnographischen Beispiele und
Beschreibungen,
9) dem Schreiben der Endversion.
(Spradley 1979: 204-234).
5.2.3.5.4 Das Verfassen von Memos
Neben den unterschiedlichen Formen des Kodierens der Feldnotizen[1] ist das Verfassen von Memos eine
zentrale Strategie in der Analyse der Fieldnotes und der Entwicklung allgemeiner ethnographischer
und/oder theoretischer Aussagen. Unter Memos versteht man schriftliche Protokolle, die den jeweiligen
Stand der Analyse in Bezug auf bestimmte Phänomene, Kategorien bzw. Ereignisse darstellen.
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Innerhalb der Grounded Theory (siehe Strauss & Corbin 1996: 169-192) werden verschiedene Memoarten
unterschieden, so etwa:
Kodenotizen, die sich z.B. auf einzelne konzeptuelle Begriffe beziehen.
Theoretische Notizen, die „die Produkte des induktiven [2] und deduktiven[3] Denkens über
tatsächlich oder möglicherweise relevante Kategorien, ihre Eigenschaften, Dimensionen, Beziehungen,
Variationen“ etc. enthalten (ebd.: 169).
Planungsnotizen, die Handlungsanweisungen beinhalten, welche z.B. die Fallauswahl, die
Interviewgestaltung, mögliche Vergleiche und weiter zu verfolgende Ideen enthalten (ebd.).
Emerson et al. (1995: 142-168) unterscheiden im Rahmen der Ethnographie Initial- und Integrationsmemos.
Initialmemos kommen in frühen Phasen der Datenanalyse zum Einsatz, wo zu einer Reihe separater
Phänomenen, Themen und Kategorien anfängliche Ideen und Einsichten ausgearbeitet werden.
Integrationsmemos werden zu einem späteren Zeitpunkt im Forschungsablauf verfasst, wenn bereits
eine Themenauswahl stattgefunden hat und vor deren Hintergrund selektiv kodiert wurde.
Integrationsmemos haben einen fokussierteren Charakter und verbinden u. integrieren früher getrennte
Daten und Analysepunkte. Eine solche Verbindung wird z.B. hergestellt, wenn unterschiedliche
Ereignisse als Ausdruck des gleichen Themas verstanden werden oder aber einen ethnographisch bzw.
theoretisch wichtigen Kontrast veranschaulichen. Zentrale Aufgabe der integrativen Memos "is to develop
theoretical connections between fieldnote excerpts" (ebd.: 164).
Verweise in diesem Kapitel:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.5.3
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 2.2
5.2.4 Literatur
Atkinson, Paul; Amanda Coffey, Sara Delamont, John Lofland, Lyn Lofland (eds.) (2001) Handbook of
Ethnography. London, Thousand Oaks, New Dehli: Sage.
Beer, Bettina (ed.) (2003) Methoden und Techniken der Feldforschung. Berlin: Reimer.
Berg, Eberhard; Martin Fuchs (eds.) (1993) Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen
Repräsentation. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bryman, Alan (ed.) (2001) Ethnography. Thousand Oaks, CA: Sage. 4 Vols.
Denzin, Norman K.; Y. S. Lincoln (eds.) (1994) Handbook of qualitative research. Thousand Oaks, CA: Sage.
Emerson, Robert M.; Rachel I. Fretz, Linda L. Shaw (1995) Writing Ethnographic Fieldnotes. Chicago, London:
Chicago University Press
Disselkamp-Niewiarra, Solveigh (2000) Rekonstruktion subjektiver Gewalttheorien von Jugendlichen. In:
Kraimer, Klaus (ed.) Die Fallrekonstruktion. Sinnverstehen in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Frankfurt
am Main: Suhrkamp.
Flick, Uwe (2004) Triangulation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Flick, Uwe (2002)
Taschenbuchverlag
Qualitative
Sozialforschung.
Eine
EInführung.
Reinbek
bei
Hamburg:
Rowohlt
Geertz, Clifford. (1987) Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main:
Suhrkamp.
Hirschauer, Stefan; Klaus Amann (eds.) (1997) Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen
Herausforderung soziologischer Empirie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Sanjek, Roger (ed.) (1990) Fieldnotes. The Makings of Anthropology. Ithaca, London: Cornell University Press.
Spradley, James (1979) The Ethnographic Interview. Fort Worth [u.a.]: Holt, Rinehart and Winston
Strauss, Anselm ; Juliet Corbin (1996) Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Beltz
Psychologie Verlags Union, Weinheim;
van Maanen, John (1988) Tales of the Field. On Writing Ethnography. Chicago/London: The University of
Chicago Press.
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