Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie Schriftleitung: G. F. Weinbauer, Münster 27. Jahrgang Heft 2/2003 nter u e epag e.net m o ie H inologi d e i n S endokr e h c u Bes ://www. http Juni 2003 Georg Thieme Verlag, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart Anzeige Endokrinologie Informationen Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie 27. Jahrgang, Heft 2/2003 Schriftleitung: G. F. Weinbauer, Münster Inhaltsverzeichnis Aus den Sektionen und Arbeitsgemeinschaften 31 Frühjahrstagung der AG Hypophyse und Hypophysentumoren 32 Evidenzbasierte Konsensus-Leitlinien des DVO zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose fertig! Tagungs- und Kongressberichte 33 Testogel-Einführungssymposium in Hannover 35 Osteodensitometrie-Trainingskurse in Heidelberg und Marburg Buchbesprechungen 36 Praxis der Männergesundheit Notizen 39 Mitteilung an die DGE – IHF Hamburg 40 Neues von der Deutschen Hormonstiftung Personalia 41 Habilitationen 41 Adressenänderungen Abstracts 42 14. Birkensteiner Hormonkonferenz 8.–10. November 2002 Schilddrüse 2002: Gesichertes und Kontroverses Kongressankündigungen 96 6th EFES Postgraduate Course in Molecular and Cellular Endocrinology 98 Kleinkonferenz – Molekulargenetische Diagnostik in der Endokrinologie – Praktischer Kurs – Molekulargenetik in der Endokrinologie 100 Bregenz Summer School on Endocrinology 101 7th Annual Meeting of the Neuroendocrinology Section of the DGE 101 6. Deutsche Nebennierenkonferenz 102 27 (2003) 2 Veranstaltungskalender Endokrinologie Informationen I Gremien der Deutschen Gesellschaft für Endokrinolgie Vorstand Präsident: Prof. Dr. H. Lehner, Magdeburg Vizepräsident: Prof. Dr. H. U. Häring, Tübingen Vizepräsident: Prof. Dr. T. Gudermann, Marburg Sekretär und Schatzmeister: Dr. B. Saller, Erlangen Tagungspräsident 2003: Prof. Dr. W. Krone, Köln Tagungspräsident 2004: Prof. Dr. G. Vollmer, Dresden Tagungspräsident 2005: Prof. Dr. K. D. Diedrich, Lübeck Berufspolitische Fragen: Priv.-Doz. R. Finke, Berlin Mediensprecher: Prof. Dr. M. Reincke, Freiburg Schriftleitung Endokrinologie Informationen: Prof. Dr. G. F. Weinbauer, Münster Kommission Hormontoxikologie Sprecher: Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer, Berlin Sektion Schilddrüse Sprecher: Prof. Dr. G. Brabant, Hannover Beirat: Prof. Dr. K. W. Schmid, Essen Priv.-Doz. Dr. C. Schmutzler, Berlin Prof. Dr. R. Hehrmann, Stuttgart Prof. Dr. B. Leisner, Hamburg Prof. Dr. H. Dralle, Halle Prof. Dr. A. Grüters, Berlin Sektion Diabetologie Sprecher: Prof. Dr. H. U. Häring, Tübingen Beirat: Prof. Dr. K.-H. Usadel, Frankfurt Prof. Dr. H. Lehnert, Magdeburg Prof. Dr. G. Löffler, Regensburg Prof. Dr. D. Müller-Wieland, Düsseldorf Prof. Dr. K. D. Hepp, München Sektion Stoffwechsel Sprecher: Prof. Dr. W. Krone, Köln Beirat: Prof. Dr. M. Hanefeld, Dresden Prof. Dr. H. Hauner, Düsseldorf Prof. Dr. U. Querfeld, Köln Prof. Dr. A. Steinmetz, Andernach Prof. Dr. E. Windler, Hamburg Sektion Calcium-regulierende Hormone und Knochenstoffwechsel Sprecher: Prof. Dr. J. Pfeilschifter, Bochum Beirat: Prof. Dr. F. Jakob, Würzburg Prof. Dr. P. Kann, Marburg Priv.-Doz. Dr. S. Scharla, Schönau Dr. H. Siggelkow, Göttingen Prof. Dr. H. Stracke, Gießen Sektion Pädiatrische Endokrinologie Sprecher: Prof. Dr. E. Schönau, Köln Beirat: Prof. Dr. R. Holl, Ulm II Endokrinologie Informationen Priv.-Doz. Dr. K. Mohnike, Magdeburg Priv.-Doz. Dr. Dr. H. Wollmann, Tübingen Prof. Dr. R. Pfäffle, Leipzig Priv.-Doz. Dr. O. Hiort, Lübeck Sektion Molekulare und Zelluläre Endokrinologie Sprecher: Priv.-Doz. Dr. J. Gromoll, Münster Beirat: Priv.-Doz. Dr. U. Fuhrmann, Berlin Prof. Dr. W. Knepel, Göttingen Prof. Dr. D. Müller-Wieland, Düsseldorf Priv.-Doz. Dr. J. Seufert, Würzburg Sektion Angewandte Endokrinologie Sprecher: Prof. M. Grußendorf, Stuttgart Beirat: Dr. M. Beyer, Nürnberg Prof. Dr. B. Böhm, Ulm Prof. Dr. K.-M. Derwahl, Berlin Dr. T. Eversmann, München Prof. Dr. P. E. Goretzki, Neuss Dr. F. Herrmann, Leipzig Sektion Reproduktionsbiologie und -medizin Sprecher: Prof. Dr. W. E. Merz, Heidelberg Beirat: Dr. Birgit Gellersen, Hamburg Prof. Dr. B. Hoffmann, Giessen Prof. Dr. W. G. Rossmanith, Karlsruhe Prof. Dr. H. van der Ven, Bonn Prof. Dr. L. Wildt, Erlangen Sektion Neuroendokrinologie Sprecher: Prof. Dr. G. K. Stalla, München Beirat: Prof. Dr. J. Born, Lübeck Prof. Dr. M. Buchfelder, Göttingen Prof. Dr. E. Fuchs, Göttingen Prof. Dr. J.-C. Krieg, Marburg Prof. Dr. O. Ortmann, Lübeck Dr. A. del Rey, Marburg Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes Herausgeber: Prof. Dr. H. Schatz, Bochum Prof. Dr. M. Wehling, Mannheim European Journal of Endocrinology Mitherausgeber: Prof. Fr. G. Emons, Göttingen Prof. Dr. W. Kiess, Leipzig Prof. Dr. B. Allolio, Würzburg Prof. Dr. C. J. Strasburger, Berlin Vertreter in der International Society of Endocrinology Prof. Dr. E. Nieschlag, Münster Prof. Dr. J. Köhrle, Würzburg Prof. Dr. K. Voigt, Marburg Vertreter in der European Federation of Endocrine Societies Prof. Dr. R. Ziegler, Heidelberg Prof. Dr. J. Köhrle, Würzburg Prof. Dr. K. Voigt, Marburg Endokrinologie Informationen ISSN 0721-667-X Impressum Verantwortliche Schriftleitung Prof. Dr. G. F. Weinbauer, Covance Laboratories, Kesselfeld 29, 48163 Münster, Tel.: 02 51/ 979 82 06, Fax: 02 51/979 81 96 E-mail: [email protected]. Manuskripte an die Schriftleitung bitte als Ausdruck sowie an die angegebene E-mail-Adresse senden. Geschäftsstelle der DGE Geschäftsführer: Gerd-Peter Buyken, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum, Tel.: 02 34/978 89-30, Fax: 02 34/978 89-31 E-mail: [email protected] www.endokrinologie.net Verlag Karl Demeter Verlag in Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14, 70469 Stuttgart Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Telefon: 0711/8931-0 www.thieme.de Leserservice Telefon: 0711/8931-333 Fax: 0711/8931-133 E-mail: [email protected] Verantwortlich für den Anzeigenteil pharmedia Anzeigen und Verlagsservice GmbH, Rüdigerstr. 14, 70469 Stuttgart, Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart, Telefon 0711/8931-466, E-mail: [email protected] Erscheinungsweise Die Endokrinologie Informationen erscheinen 4-mal jährlich. Der Bezug ist für Mitglieder der DGE als Beilage der Zeitschrift Experimental and Clinical Endocrinology and Diabetes kostenlos. Einzelheftpreis 8 8,20 zuzüglich Versandkosten. Wichtige Hinweise Geschützte Warenbezeichnungen oder Handelsnamen werden nicht in jedem Fall besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen – auch z.B. durch Fotokopie –, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Printed in Germany Satz: Werbepraxis GmbH, Remshalden Druck und Bindung: Druck- und Verlagshaus Alois Erdl, Trostberg © Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York 2003 Dieser Ausgabe liegt eine Beilage der Fa. Henning, Berlin bei. 27 (2003) 2 AUS DEN SEKTIONEN UND ARBEITSGEMEINSCHFTEN Protokoll der Frühjahrssitzung der AG Hypophyse und Hypophysentumoren 2003 in Köln Die AG hielt ihre Frühjahrssitzung 2003 anlässlich des Symposiums der DGE am 5. März d.J. in Köln ab. 27 Mitglieder waren anwesend. Folgende Berichte wurden abgegeben: gewährleisten. Mit dem Englischen Acromegaly Registry wurde ein feste Zusammenarbeit vereinbart, die u.a. halbjährliche gegenseitige Besuche zur Koordination vorsieht. Frau Schumm-Draeger ist verhindert, persönlich über die Aktivität der Arbeitsgruppe „Übergangssprechstunde“ zu berichten, hat aber einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Hierüber wird der Sprecher in Kürze getrennt berichten. Herr Petersenn beschreibt den Stand der LeitlinienEntwicklung „Inzidentalom“. Herr Petersenn, Herr Strasburger, Herr Buchfelder und haben eine Literatur Recherche durchgeführt, die jeweilige Evidenz-Stufe erörtert und arbeiten zügig an der Fertigstellung der Leitlinie. Inzwischen wurde Herr Feldkamp ebenfalls für die Mitarbeit gewonnen. Herr Quabbe und Herr Lohmann (s.u.) berichten über den gegenwärtigen Stand des Deutschen Akromegalie-Registers. Die Satzung (von der AG Hypophyse auf ihrer Herbsttagung 2002 verabschiedet) wurde inzwischen mit marginalen Änderungen vom Vorstand der DGE genehmigt und verabschiedet. Die Vertragsunterzeichnung zwischen dem Sponsor, Novartis Pharma GmbH, und der DGE wird in den nächsten Wochen erwartet. Dr. Lohmann, Fa. Lohmann & Birkner Health Consultants, Berlin, wurde mit der technischen Durchführung beauftragt. Unter Finanzierung einer Pilotphase durch den Sponsor wurde von Herrn Lohmann und Herrn Quabbe die Anwendbarkeit der übernommenen englischen Software geprüft. Auf dieser Grundlage wurde ein Strategie für das eigene Vorgehen entwickelt. Es ist danach vorgesehen, die Datenaufnahme durch einen hierin vorher geschulten Mitarbeiter der Fa. L&B vornehmen zu lassen, um eine einheitliche Aufnahme zu 27 (2003) 2 Frau Reschke berichtet über den Stand der Vorbereitungen für das Deutsche Kraniopharyngeom-Forum. Die Herbstsitzung der AG Hypophyse & Hypophysentumoren/DGE wird am Donnerstag, dem 6. November d.J. wiederum in Frankfurt/M im Sheraton FlughafenHotel stattfinden. Die Vollversammlung des Deutschen Akromegalie-Registers wird am folgenden Tag, Freitag, den 7. November 2003 ebendort abgehalten werden. Mit besten Grüßen, Ihr Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Quabbe Endokrinologie Informationen 31 AUS DEN SEKTIONEN UND ARBEITSGEMEINSCHAFTEN Evidenzbasierte Konsensus-Leitlinien des DVO zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose fertig! Nach über dreijähriger Analyse, Bewertung und Konsentierung sind die EBM-Konsensus-Leitlinien des Dachverbands Osteologie (DVO) zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose am 26. März 2003 in Göttingen verabschiedet worden. Sie sind unter www.bergmannsheil.de/leitlinien-dvo abrufbar. An der Entwicklung der Leitlinien haben viele Mitglieder der Sektion CRHUKS mitgearbeitet. Es handelt es sich um die ersten S3-Leitlinien zur Osteoporose im deutschsprachigen Raum. S3-Leitlinien sind Leitlinien der höchsten Qualitätsstufe auf der Basis der Methodik der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung. Eine inhaltlich gleiche Leitlinie für Patienten, die gemeinsam mit dem Dachverband der Selbsthilfegruppen Deutschlands, Österreichs, und der Schweiz herausgegeben wird, ist in Kürze fertig. Fragebogen zur Osteoporoseleitlinie Ja % Praxis (n=10) Nein % Weiß nicht % Ja % Klinik (n=14) Nein % Weiß nicht % Brauchen wir generell Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose? Diese Frage wurde am Anfang gestellt und (in Klammern) am Ende der Veranstaltung wiederholt. 80 (90) 10 (0) 10 (10) 100 (100) 0 (0) 0 (0) Braucht der erfahrene Endokrinologe Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose? Diese Frage wurde am Anfang gestellt und (in Klammern) am Ende der Veranstaltung wiederholt. 70 (90) 20 (0) 10 (10) 43 (57) 50 (36) 7 (7) Haben Leitlinien das Potenzial, die Rahmenbedingungen der Leistungserbringung zu verbessern? 50 30 20 100 0 0 Sollen die Fachgesellschaften die Führungsrolle bei der Leitlinienerstellung haben? 90 10 0 100 0 0 Soll ein „Institut für Qualität in der Medizin“ in Zukunft statt der Fachgesellschaften für die Leitlinienerstellung verantwortlich sein? 0 80 20 0 86 14 Besteht Interesse an einem Strukturvertrag zur Osteoporose? 50 30 20 50 7 43 Soll die Endokrinologie eigene Leitlinien zur Osteoporose machen? 20 60 20 57 36 7 Ist der DVO eine angemessene Plattform für die Leitlinienerstellung? 80 10 10 64 7 27 Sind Leitlinien eine gute Informationsquelle? 100 0 0 100 0 0 Ich würde mir auch Leitlinien für die sekundären Formen der Osteoporose wünschen. 90 10 0 78 22 0 Ich bin bereit, als Arbeitsgruppenmitglied bei Leitlinien mitzuarbeiten. 40 30 30 43 57 0 Ich bin bereit, mich mit fundierten Kommentaren an den Leitlinien zu beteiligen. 30 50 20 57 43 0 Ich würde selbst gerne eine Leitlinienrecherche (z.B. zu einer der sekundären Formen der Osteoporose) durchführen. 10 70 20 22 56 22 Ich bin bereit, mich als Referent an Fortbildungskursen zu den Leitlinien zu beteiligen. 40 50 10 72 14 14 Ich bin bereit, bei der Implementierung der Leitlinien in der Praxis mitzuhelfen. 90 10 78 0 22 32 Endokrinologie Informationen 27 (2003) 2 AUS DEN SEKTIONEN UND ARBEITSGEMEINSCHAFTEN Wie denken klinisch tätige Endokrinologen über dieses Thema? rose?“. Wie repräsentativ die Antworten sind, muss natürlich offen bleiben. Aufschlüsse hierzu gibt ein anonymer Fragebogen, der am 7. März 2003 während des DGE-Symposiums in Köln im Rahmen einer von Prof. Martin Grußendorf, Stuttgart, und Prof. Johannes Pfeilschifter, Bochum, organisierten „Meet the Expert“-Veranstaltung ausgelegt wurde. Die Veranstaltung hatte das Thema: „Benötigt der erfahrene Endokrinologe überhaupt Leitlinien bei der Diagnostik und Therapie der Osteopo- Übrigens können Kommentare zu den Leitlinien ab sofort wieder ins Netz gestellt werden (Rubrik „Kommentare senden“ der Leitlinien-Homepage). Die in 18 Monaten geplante Aktualisierung der Leitlinie soll wieder möglichst transparent und demokratisch erfolgen. J. Pfeilschifter, Bochum TA G U N G S - U N D K O N G R E S S B E R I C H T E Testogel-Einführungssymposium in Hannover Bericht von E. Nieschlag, Institut für Reproduktionsmedizin der Westfälischen Willhelmsuniversität, 48129 Münster Das Testogel-Einführungssymposion fand am 21. und 22.3.2003 im Radisson-SAS-Hotel auf dem EXPO-Gelände in Hannover unter der wissenschaftlichen Leitung des Berichterstatters statt. Eingeladen waren etwa 140 Ärzte aus Deutschland, die in insgesamt 13 Vorträgen nicht nur mit den verschiedenen Aspekten und der Klassifizierung des männlichen Hypogonadismus (S. Kliesch, Urol. Universitäts-Klinik Münster) sowie der speziellen Symptomatik des alternden Mannes (T. Diemer, Urol. Universitäts-Klinik Gießen) vertraut gemacht wurden, sondern auch auf präventive Maßnahmen zur Sicherung der Lebensqualität im höheren Lebensalter hingewiesen wurden. F. Sommer (Urol. Universitäts-Klinik Köln) und U. Gola (Ernährungsberatung Berlin) wetteiferten darum, ob Sport oder Ernährung wichtigere Faktoren zur Erhaltung der Fitness seien. Mäßige Nahrungsaufnahme im Sinne der allgemein bekannten Nahrungsmittelpyramide und regelmäßiges Fitnesstraining ohne Dauerbelastung wurden für optimal gehalten. Ein Training der Beckenbodenmuskulatur zur Förderung der Durchblutung der Corpora cavernosa wurde von den zuhörenden Herren jedoch eher mit Skepsis aufgenommen. Der als „Altmeister der erektilen Dysfunktion“ eingeführte H. Porst (Urol. Praxis Hamburg) wies erneut darauf hin, dass erektile Dysfunktion nur relativ selten durch einen Testosteronmangel allein bedingt sei, dass aber vaskulär bedingte erektile Dysfunktion durchaus 27 (2003) 2 auch mit niedrigen Testosteronwerten vergesellschaftet sein kann und dann der Doppelbehandlung mit Testosteron und Phosphodiesterase-5-Hemmern bedarf. Neue Präparate zur Therapie der erektilen Dysfunktion drängen auf den Markt, der schier unbegrenzt zu sein scheint. Nachdem über Jahrzehnte ein Horror vor dem Gedanken einer Testosteronsubstitution des alternden Mannes wegen der Gefahr des Prostatakarzinoms bestand, war der Vortrag von Th. Ebert (Euro MedClinic, Fürth) erfrischend anzuhören. Dank der Ergänzung der klassischen rektal-digitalen Untersuchung durch PSA und sonographische transrektale bildgebende Verfahren zur Darstellung der Prostata ist diese Angst einem rationalen Vorgehen gewichen. Es bleibt weiterhin dabei, dass vor Beginn einer Testosteronsubstitution beim Mann über 50 Jahre ein Prostatakarzinom ausgeschlossen werden muss und ein bestehendes Prostatakarzinom eine Gegenindikation für eine Testosteronbehandlung ist. Es empfiehlt sich allerdings 3 und 6 Monate nach Beginn einer Testosteronsubstitution erneut die Prostata zu untersuchen, da durch die Behandlung ein latentes Karzinom demaskiert werden kann. Danach sollten halbjährliche bis jährliche Untersuchungen folgen. Nachdem F. Jockenhövel (Ev. Krankenhaus Herne) die Indikationen für und die Präparate von Testosteron und H.M. Behre (Androl. Abtlg. Universität Halle) die Kinetiken der unterschiedlichen Testosteronpräparate dargestellt hatten, trat C. Wang (University of California, Los Angeles) als Filetstück des Symposions auf und Endokrinologie Informationen 33 TA G U N G S - U N D K O N G R E S S B E R I C H T E präsentierte die wohlbekannten Daten ihrer Studien zum AndroGel, basierend auf drei Publikationen. Das einmal täglich aufgetragene Gel führt auch über längere Zeiträume zu ausgeglichenen Testosteronspiegeln im physiologischen Bereich und erfüllt damit die Anforderungen an ein ideales Testosteronpräparat. In einer neuen Studie mit 167 hypogonadalen Patienten über 36 Monate gab es 45 Drop-outs vor Studienende; 9% entwickelten Hautreaktionen, wegen derer zwei die Studie verließen. Bei 7 Patienten stieg das PSA über 4 ng/ml an, von denen 2 bei der Prostatabiopsie ein Karzinom zeigten. Testosteron erreichte stets Werte im Normalbereich. DHT stieg von etwa 1 auf 4–6 nmol/l an und die Estradiolkonzentrationen im Serum verdoppelten sich. Duschen 1 Stunde nach Gel-Applikation änderte die Serumwerte nicht, und es ließ sich danach kein Testosteron mehr auf eine weibliche Person in 15-minütigem Hautkontakt übertragen (letztere Studie wurde von einem Auftragsinstitut durchgeführt und muss sehr teuer gewesen sein!). Ergänzend wurden Daten aus einer von Jenapharm an 39 Männern in Deutschland über 3 Monate durchgeführten Studie von K. Matheis (Urol. Praxis in Alzey) vorgetragen, die bis auf die Nationalität der Versuchspersonen keinen Unterschied zu den Wang’schen Ergebnissen aufwiesen. In einem der beiden abschließenden Referate empfahl der Sozialmediziner M. Kunze (Institut für Sozialmedizin, Universität Wien) in seiner vom ihm als „SoftGerman“ apostrophierten Wiener Aussprache, dass alte Menschen über die rein medizinische Versorgung hinaus einer sozialmedizinischen Visite unterzogen werden sollten, bei denen die häuslichen Verhältnisse auf ihre Altersgerechtigkeit hin untersucht werden sollten (Teppiche, über die man fallen kann, Treppen, die man nicht steigen kann und Kühlschränke, die keine altersgerechten Nahrungsmittel enthielten). Schließlich tastete der langjährige Forschungsleiter von Jena- 34 Endokrinologie Informationen pharm, M. Oettel (Jena), den wissenschaftlichen Horizont nach möglichen neuen hormonellen Entwicklungen ab. DHEA und Östrogene stellen demnach keine Optionen für den hypogonadalen alternden Mann dar. Progesteron wurde als „das vergessene Hormon des Mannes“ herausgestellt, ohne dass konkrete therapeutische Ansätze erwähnt werden konnten. Nicht nur aus der Sicht des Moderators, sondern auch aus den zahlreichen Kommentaren der verschiedensten Teilnehmer kann geschlossen werden, dass es sich um eine gelungene Veranstaltung handelte. Auch wenn das Testogel im Mittelpunkt stand und Jenapharm nicht zu übersehen war, handelte es sich um eine Fortbildungsveranstaltung auf hohem Niveau, die die verschiedensten Aspekte des Hypogonadismus und des alternden Mannes erfasste. Den Veranstaltern gelang es, eher ein ganzheitliches Konzept darzustellen als nur das Verschreibungsverhalten der Teilnehmer beeinflussen zu wollen. Beim Auditorium fiel auf, dass überwiegend Urologen und insbesondere jüngere Urologen sowie einige Gynäkologen eingeladen worden waren, wohingegen Endokrinologen eine verschwindende Minderheit darstellten. Offensichtlich ist der „Männerarzt“ jedweder Couleur eine wichtigere Zielgruppe als sie sich aus den klassischen Gebieten der Endokrinologie und Andrologie rekrutieren lässt. Ob aber nicht gerade der klinische Endokrinologe mit seiner internistischen Gesamtschau des Menschen für die Betreuung des erst kürzlich entdeckten alternden Mannes prädestiniert wäre, ist zumindest eine Diskussion wert. Die Endokrinologen müssen sich zumindest fragen, ob sie hier nicht eine Chance verpassen, wenn sie sie nicht bereits verpasst haben und sich fixiert auf Hypophyse, Schilddrüse und Diabetes einer großen und ständig wachsenden Bevölkerungsgruppe verschließen. 27 (2003) 2 TA G U N G S - U N D K O N G R E S S B E R I C H T E Osteodensitometrie-Trainingskurse in Heidelberg und Marburg: Zehnmal in fünf Jahren – Grund zum Feiern? 1997 begaben sich ein Sportpädagoge und ein Hochschuldozent für Innere Medizin anlässlich langweiliger Schulelternabende ihrer Kinder auf die Suche nach gemeinsamen Interessen. Der eine wollte „seinen“ Lehrern beibringen gesünder zu leben, der andere „seinen“ Kollegen wie man Knochendichte misst. Aus diesem sehr interdisziplinären Ansatz heraus entstand die Idee der Heidelberger Osteodensitometrie, Trainingskurse, die jetzt zum zehnten Mal erfolgreich abgeschlossen wurden. Wolfgang Knörzer und Christian Wüster suchten sich damals Partner aus anderen Fachdisziplinen und fanden einen sehr engagierten gynäkologischen Kollegen: Peyman Hadji aus Marburg. Der interdisziplinäre Kreis der Referenten wurde erweitert durch den Orthopäden Werner Kneer aus Stockach, den Radiologen Michael Jergas aus Köln, den Geriater Dieter Lüttje aus Osnabrück sowie den osteologisch orientierten Endokrinologen Hilmar Stracke, Gießen und Peter Kann, früher Mainz, jetzt Marburg. Die Rheumatologie wurde intermittierend durch W. Müller Brodmann, ebenfalls Marburg, vertreten. Unterstützt werden die Kurse inzwischen von vielen Berufsverbänden und Fachgesellschaften. Von Beginn an wurde aber jegliche berufspolitische Betätigung im Keim erstickt und auch die schein-wissenschftlichen Streitigkeiten der sog. Experten auf die klinisch praktisch relevanten Fakten reduziert. So wurde besonders Wert darauf gelegt, die Osteodensitometrie so zu erlernen, dass der Patient direkt von der Messung profitiert, der Ausbreitung der Epidemie „Osteoporose“ entgegengewirkt wird und dieser Nimbus „Gelddruckmaschine“ durch Qualitätssicherung ersetzt wird. Durch die intensive Auseinandersetzung mit den technischen Prinzipien aller Messverfahren wird die Interpretation unterschiedlicher Messergebnisse bei einzelnen Patienten erlernt und Streitigkeiten unter Kollegen und damit Vertrauensverlust vor Patienten vermieden. Die Möglichkeit des praktischen Erlernens der Messung an den Geräten während der hands-on-workshops führt zu einer Verbesserung der Qualität der Messergebnisse. Nach den Therapie-Vorlesungen Anzeige BUCHBESPRECHUNGEN kommen Samstagnachmittag dann KleingruppenSeminare zur Diskussion an praktischen Fallbeispielen. Das Abschlusstestat mit über 100 Fragen war immer gefürchtet, aber die Gesichter vom letzten Kurs im September (siehe www.osteo-hd.de) waren doch noch recht entspannt. Die meisten Teilnehmer haben es wohl sportlich genommen. Hört sich eigentlich an, wie viele Gründe zum Feiern und ein wenig Stolz schwingt schon mit bei einer bisherigen Gesamtteilnehmerzahl von fast 1000 Kollegen. Bleibt dennoch ein etwas bitterer Beigeschmack für die Zukunft: 1. Es sind immer noch freiwillige Veranstaltungen für Kollegen, die Osteodensitometrie-Geräte an Patienten anwenden, wenngleich lobenswerterweise einige Geräte-Hersteller- und -Vertriebsfirmen beim Verkauf eines Gerätes den Kollegen die Kursgebühren erstatten. 2. Der „Schein“-Streit um den sog. „Goldstandard“ in der Osteodensitometrie lähmt den Einsatz der Geräte zur Eindämmung der Volkskrankheit Osteoporose. Die „Inthronisierung“ von DXA am Stammskelett führt dazu, dass nur die großen Zentren eine entsprechende Untersuchung anbieten können. Eine wissenschaftliche Grundlage hierfür existiert nicht. Eine flächendeckende Versorgung und Erfassung aller Osteoporose-Patienten ist so nicht möglich, da die kleineren Zentren und Praxen sich finanziell die großen DXA-Tische nicht leisten können. Bleibt zum Schluss trotz Freude am bisherigen Erfolg die Hoffnung, für die Zukunft noch mehr Kollegen erreichen und motivieren zu können, damit die Qualität der Osteodensitometrie weiter gesteigert werden kann. Für mehr Informationen siehe www.osteo-hd.de. BUCHBESPRECHUNGEN Praxis der Männergesundheit Günther H. Jacobi (Herausgeber), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2003 Das Buch ist aus einem „Männergesundheitstag“ heraus entstanden und ist als Fach- und Laienpublikation gedacht. Autoren unterschiedlicher medizinischer Spezialisierung nehmen in vier Kapiteln Stellung zu Themen wie Männergesundheit/Männerarzt, zu allgemeinen Risikofaktoren (Rauchen, Alkohol, Fehlernährung, Stress) und Volkskrankheiten (Hypertonie und Diabetes), zu männerspezifischen Erkrankungen und zu einem ganzheitlichen Gesundheitszugang. Der Leser findet klar verfasste (Behandlung des Prostatakrebses durch Hormonentzug), praxisorientierte (diffuse Beckenbodenbeschwerden des Mannes) und anregende Kapitel (Psychohygiene). Männerspezifische Aspekte werden deutlich herausgearbeitet, gleichzeitig wird Lust auf Gesundheit vermittelt. Fraglich erscheint allerdings, ob der Spagat zwischen Fach- und Laienpublikation gelungen ist. Das Buch ist nicht als Männerheilkundebuch im Sinne eines Lehrbuchs der Andrologie angelegt. Daher wird der medizinisch interessierte Laie als Leser mit zahlreichen Fachtermini sehr überfordert. Unabhängig von der Zielgruppe käme dem Leser eine Straffung des Buches entgegen, so dass einige Kapitel entfallen könnten (z.B. Alter und Zelltod, Männer kuren in der Kur, berühmte Männer und ihre Leibärzte), andere könnten gekürzt oder sollten zusammengefasst werden (Wege zur körperlichen Fitness im Männerleben, Wellness – 36 Endokrinologie Informationen was ist dran und drin?), auch eine bessere Abstimmung der Kapitel untereinander wäre wünschenswert. Es fallen sachliche Fehler auf (z.B. werden Hypothyreose und Nebenniereninsuffizienz als typische Altersveränderung dargestellt) und häufig praktizierte aber nicht evidenzbasierte Therapien werden von letzteren nicht klar abgegrenzt (Zink, Vitamin E und Tamoxifen bei unerfülltem Kinderwunsch). Schließlich sei angemerkt, dass sich entgegen den Anforderungen an einen ganzheitlichen und somit fachübergreifenden geschlechtsspezifischen Gesundheitszugang z.T. standespolitische Sichtweisen und Forderungen eingeschlichen haben, die in einem anderen Forum diskutiert werden sollten. So wird z.B. beim Thema „Männerarzt“ ausschließlich der Urologe als ein Arzt beschrieben, den Männer als „ihren Arzt“ ansehen. Das Buch dient nicht als geeignete Informationsquelle für den Mediziner, insbesondere nicht für den Endokrinologen. Für den medizinisch interessierten Laien wäre es interessant, wenn es eindeutiger auf diesen Leserkreis ausgerichtet wäre. Dr. Bianca Kühnert und Dr. Joachim Wistuba Institut für Reproduktionsmedizin der Universität Münster [email protected] 27 (2003) 2 Anzeige Anzeige NOTIZEN Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung (IHF) an der Universität Hamburg zieht um Das Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung an der Universität Hamburg (IHF) zieht um und geht in die Trägerschaft im Bereich des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf über. Im letzten Jahr feierte das IHF sein 20-jähriges Jubiläum als ein Institut der Grundlagenforschung. Das IHF wird in Kürze im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf neue Räumlichkeiten beziehen, die es ihm mit Förderungen des bmb+f sowie der Innovationsstiftung Hamburg in den Jahren 2001/2002 ermöglichen, Fortpflanzungsforschung mit modernsten Technologien zu betreiben. Aufgrund dieser Förderungen ist es dem IHF gelungen, die modernen Methoden der funktionellen Genomanalyse, der Proteomik, der Molekularmorphologie sowie der Bioinformatik zu integrieren, um vor allem die Molekularbiologie der Reproduktion voranzutreiben. Diese ist eine von einer Reihe von Initiativen der Universität und der Freien und Hansestadt Hamburg, neue Technologien, vor allem im Life Sciences-Bereich, nachhaltig zu fördern. Vor kurzem ist es der Universität Hamburg gelungen, mithilfe von Stiftungsgeldern auch ein neues Interdisziplinäres Zentrum für Bioinformatik mit drei Lehrstühlen zu gründen. Das IHF wurde 1981 von Herrn Prof. Dr. Freimut Leidenberger und Kollegen als privates Forschungsinstitut gegründet. Es bezog 1987 seine bekannten Räumlichkeiten im Grandweg, in der Nähe des Universitätsklinikums, und wurde 1992 als ein „An-Institut“ dem Fachbereich Medizin der Universität angegliedert. Finanziert wurde die Forschung im IHF immer aus privaten und öffentlichen Mitteln. Somit ist das IHF als ein Vorreiter der heutigen Wissenschaftspolitik anzusehen, die versucht, Grundlagenforschung nicht nur aus klassischen staatlichen Mitteln zu finanzieren, sondern auch durch Mittel aus privaten und privatwirtschaftlichen Quellen. International hat das IHF eine hohe wis- 27 (2003) 2 senschaftliche Reputation und ist eines der wenigen Institute in Europa, die sich fast ausschließlich mit der Reproduktionsendokrinologie- und -biologie beschäftigen. Sein Spektrum an Forschungsinhalten hat sich in den vergangenen Jahren erheblich erweitert. Im Vordergrund stehen nunmehr nicht nur die Themen der hormonalen Steuerung der Fortpflanzung, sondern auch Forschungsprojekte zu aktuellen Themen wie „Organspezifisches Altern“ und „Endokrine Disruption“. Das IHF bezieht neu eingerichtete Labore in der Frauenklinik und im Centrum für Innovative Medizin (CIM), in unmittelbarer Nachbarschaft zum Campus des Universitätsklinikums. Diese neuen Labore bieten erhebliche Vorteile für die modernen biotechnologischen Methoden, die Kernpunkt der Arbeiten im IHF geworden sind. Gleichzeitig wird das IHF in unmittelbarer Nähe zur Frauenklinik und Abteilung für Andrologie des Universitätsklinikums sein, so dass vorhandene Synergien zwischen Grundlagenforschung und klinischer Tätigkeit optimal genutzt werden können. Dieses spiegelt die klare Entscheidung des Universitätsklinikums wider, den Schwerpunkt „Endokrinologie, Stoffwechsel und Reproduktion“ zu unterstützen. Damit wird das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine der Institutionen in Deutschland sein, die der Endokrinologie und Reproduktionsbiologie große Bedeutung zuschreibt. Das IHF stellt einen Eckpunkt dieses Gesamtkonzeptes dar, die auch das Präventivmedizin und eine bessere Schaltfläche mit der Industrie mitbeinhaltet. Prof. Dr. med. Freimut Leidenberger Prof. Dr. Richard Ivell Endokrinologie Informationen 39 NOTIZEN Neues von der Deutschen Hormonstiftung Professor Dr. Karlheinz Voigt neuer Vorsitzender der Deutschen Hormonstiftung/DGE und Deutsche Hormonstiftung koordinieren die Aktivitäten/PCO-Unterlagen für Praxen jetzt abrufbar/ Spenden-Häuschen noch vorhanden Professor Dr. Karlheinz Voigt neuer Vorsitzender der Deutschen Hormonstiftung Die Deutsche Hormonstiftung hat einen neuen Vorsitzenden. „Ich freue mich, dass man mich mit diesem wichtigen Amt betreut hat und werde intensiv an der Umsetzung der Stiftungsziele arbeiten“, so Professor Dr. Karlheinz Voigt. „Unser Anliegen ist es, die Deutsche Hormonstiftung unter den Endokrinologen, innerhalb der DGE und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.“ Der Vorstand dankt Prof. Scriba als scheidendem Vorsitzenden für die bisherige Arbeit für die DHS. DGE und Deutsche Hormonstiftung koordinieren die Aktivitäten In der Kuratoriumssitzung der Deutschen Hormonstiftung, die anlässlich der DGE-Tagung in Köln stattfand, ist beschlossen worden, die Aktivitäten der DHS und der DGE in Zukunft besser zu koordinieren. Dazu gehören z.B. ein gemeinsamer Abend für die Teilnehmer an der kommenden DGE-Tagung in Dresden, Aktivitäten zum Schwerpunkt PCO-Syndrom etc. Professor Dr. Lehnert wird sich als amtierender Präsident der DGE ebenfalls verstärkt für die Deutsche Hormonstiftung einsetzen und gemeinsame Projekte initiieren bzw. unterstützen. Die Unterlagen umfassen epidemiologische Daten sowie eine Beschreibung der Symptome und die Therapieoptionen. Wichtig ist der Hinweis, dass immer der Endokrinologe/Gynäkologe der Ansprechpartner ist. Diese Unterlagen sind bei Frau Behring abzurufen. Spenden-Häuschen – Sammeln Sie mit! Viele Patienten, die nach einer langen Odyssee von Arzt zu Arzt, von einem Endokrinologen endlich die richtige Diagnose und Therapie bekommen, sind bereit, sich auch finanziell für die Deutsche Hormonstiftung zu engagieren. Daher nochmals unsere Bitte, die Spenden-Häuschen aufzustellen und die Patienten zu ermuntern, sich für die Endokrinologie einzusetzen. Die Häuschen sind für Mitglieder der Stiftung und der DGE kostenlos und können ebenfalls bei Frau Behring angefordert werden. Kontaktadressen: Deutsche Hormonstiftung Lornsenstraße 6 22767 Hamburg Telefon: 0 40-38 90 21 07 Telefax: 0 40-38 90 21 17 E-mail: [email protected] Internet: deutsche-hormonstiftung.de Ansprechpartnerin: Frau Petra Behring PCO-Unterlagen für Praxen jetzt abrufbar Im Jahr 2003 wird die Deutsche Hormonstiftung speziell über das PCO-Syndrom aufklären. Um die Arbeit in den Praxen zu unterstützen und Patientinnen aufmerksam zu machen, stellt die DHS folgende Materialien zur Verfügung: Hormonie Nr. 3 Informationsblatt für Patientinnen Wartezimmerposter 40 Endokrinologie Informationen Pressekontakt: Sabine Seifert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit VERANSTALTUNGEN & KONGRESSE Schwedenpfad 8 61348 BAD HOMBURG Telefon: 0 61 72-30 61 99 Telefax: 0 61 72-30 48 39 Mobil: 0171-800 45 61 E-mail: [email protected] 27 (2003) 2 PERSONALIA Adressänderungen/Habilitationen re Zellrezeptoren – genomische Struktur, transkriptionelle Kontrolle und pathophysiologische Bedeutung.“ Adressenänderungen Prof. Dr. med. H.-J. Quabbe Auguststraße 18 12209 Berlin Tel.: 030-772-1709 Fax: 030-773-95910 E-mail: [email protected] Habilitation von Dr. rer. nat. Andreas Höflich im Bereich Endokrinologie im Fach Tierzucht und Biotechnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität. „Funktionelle Analyse von IGFBP-2 in vitro und in vivo.“ Habilitationen Herr PD Dr. Martin W. Elmlinger erhielt im Januar 2003 die Lehrbefugnis für das Fach Klinische Chemie an der Medizinischen Fakultät, Klinikum I, Sektion Pädiatrische Endokrinologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. PD Dr. med Stephan Petersenn „Regulation von Wachstumshormon durch hypophysä- Andreas Höflich, PhD Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht Ludwig-Maximilians-Universität München Feodor-Lynen-Straße 25 81377 München Tel.: 089-21807-6815 Fax: 089-21807-6849 www.lmb.uni-muenchen.de/groups/mt/andreas/ hoeflich.htm Anzeige ABSTRACTS 14. Birkensteiner Hormonkonferenz 8.–10. November 2002 Schilddrüse 2002: Gesichertes und Kontroverses Die 14. Birkensteiner Hormonkonferenz fand vom 8.11. bis zum 10.11.2002 im Gasthof Oberwirt, Fischbachau/Birkenstein, statt. Dieses Mal beschäftigte sich das nun schon traditionelle Fortbildungsseminar der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie nach längerer Zeit wieder mit dem Thema Schilddrüse: „Schilddrüse 2002: Gesichertes und Kontroverses“. Die Organisation und Leitung lag in den Händen von O.-A. Müller, München und K. von Werder, Berlin. Die Veranstaltung fand mit freundlicher Unterstützung der Firma Henning Berlin GmbH & Co. OHG statt. Wiederum konnten namhafte Referenten gewonnen werden, die der Aufgabe einer gehobenen Fortbildung für Endokrinologie absolut gerecht wurden. Hauptthemen waren Physiologie und Pathophysiologie der Schilddrüse, Funktionsstörungen sowie Struma maligna und multiple endokrine Neoplasie II. Die Diskussionen waren – wie immer – ausführlich und lebhaft, die 42 Endokrinologie Informationen diesmal besonders zahlreichen Teilnehmer zeigten sich wiederum sehr zufrieden. Die „After-dinner-lecture“ am Freitagabend hielt Prof. R. Fahlbusch, Erlangen, zum Thema „Das Craniopharyngeom: Differenzialdiagnose und moderne neurochirurgische Therapie“. Besonders hervorzuheben war wiederum die ungezwungene Atmosphäre im Gasthof Oberwirt, wobei auch der „Wettergott“, zumindest kurzfristig, wieder „mitspielte“. Im Folgenden sind die Kurzfassungen der einzelnen Vorträge zusammengestellt, um auch den nicht an der Veranstaltung teilnehmenden Mitgliedern der DGE einen Überblick über diese Veranstaltung zu verschaffen. Die 15. Birkensteiner Hormonkonferenz findet vom 14. bis zum 16. November 2003 statt mit dem Hauptthema „Hormone im Alter“. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Wirkungsmechanismus von Schilddrüsenhormonen H.J. Seitz, Hamburg Schilddrüsenhormone haben einen tief greifenden Einfluss auf Organentwicklung und Energiestoffwechsel im Menschen. Es gibt praktisch kein Organ und keinen Stoffwechselweg, der nicht durch Hypo- oder Hyperthyreose beeinträchtigt ist, die euthyreote Stoffwechsellage ist ein wichtiges Stück Lebensqualität. Schilddrüsenhormone (T3) entfalten ihre Wirkung in den Zielorganen über Schilddrüsenhormon-Rezeptoren (TR). Diese binden mit ihren Liganden T3 an TR-responsive Elemente (TREs) in der Promotorregion T3-responsiver Gene, um – in koordinierter Abstimmung mit anderen Hormonen oder Faktoren – definierte Gene zu induzieren und damit spezifische Enzyme, Proteine etc. für die sinnvolle Funktion einer Zelle bereitzustellen. Aus Gründen, die bisher nicht verstanden sind, entfaltet T3 seine kernvermittelte Wirkung über verschiedene Rezeptor-Isoformen (wie 1 1 bzw. 2). Die physiologische Bedeutung ist bisher nicht bekannt, jedoch ist offensichtlich, dass der -Isoform wahrscheinlich eine höhere physiologische Bedeutung als der -Isoform zukommt, da bei thyroid hormone resistance als Ursache bisher nur Mutationen in der Form beobachtet wurden. Während die T3-vermittelte Induktion wichtiger Enzyme in der Glykolyse/Glukoneogenese u.a. binnen 3–6 Stunden beobachtet wurde, sind alle Effekte auf die Induktion mitochondrialer Enzyme/Transporter verzögert. Mind. 12–24 Stunden sind notwendig, um die volle Induktion zu beobachten. Zudem wurden für diese Enzyme/Proteine/Transporter keine TREs im Promotor gefunden, so dass zur Zeit nach anderen Wirkprinzipien gesucht wird. Mittels Array-Technik bei Einsatz von 4600 Genen gelang es in der Tat, Kandidatenproteine zu finden, die mittels T3 schnell induziert werden und die wiederum als Ko-Transkriptionsfaktoren einen Set von Enzymen/Proteinen/Transportern induzieren. T3 wirkt hier also indirekt über ein Zwischenprotein. Kandidatenproteine sind NRF-1, NRF-2 sowie PGC-1 und möglicherweise andere. Schließlich bindet T3 an T3-Rezeptoren, die intramitochondrial lokalisiert sind. Binnen 10–20 min. ist die Stimulation der mitochondrialen Aktivität in der Leber und möglicherweise im Herzen zu beobachten, ihre Wirkung ist jedoch nur klein im Vergleich zur nukleär stimulierten Genexpression wichtiger Enzyme in der Atmungskette und weiterer Stoffwechselwege; die physiologische Bedeutung dieser schnellen Wirkung im Mitochondrium selbst ist offen. Da T3 die Synthese wichtiger Hormone wie Insulin, STH u.a. stimuliert, entfaltet dieses Hormon offensichtlich auf verschiedenen Ebenen seine stimulierende Wirkung und orchestriert damit als zentrales Hormon die Harmonie in Entwicklung und Stoffwechsel des Menschen. Der Iod-Symporter Dr. med. Christine Spitzweg Einführung Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass ein spezifischer Natrium-abhängiger Iodidtransporter in der basolateralen Membran der Schilddrüsenfollikelzellen für den Iodidtransport in die Schilddrüse sorgt. Doch erst vor sechs Jahren wurde das Gen des so genannten „Natrium-Iodid-Symporters“ (NIS) kloniert, der unter Energieverbrauch zwei Na+-Ionen zusammen mit einem I--Ion gegen ein Konzentrationsgefälle transpor- 27 (2003) 2 tiert (Abb. 1) (1, 2). Aufgrund seiner Eigenschaft, Iod aus dem Blut in die Schilddrüse zu transportieren, bildet NIS die Grundlage diverser wichtiger klinischer Schilddrüsentests (Radioiodaufnahme- und Perchlorat-Test) sowie der Schilddrüsenszintigraphie. Darüber hinaus bildet die Expression eines funktionsfähigen NIS die Grundvoraussetzung für die effiziente Behandlung von Schilddrüsenkarzinomen und ihrer Metastasen mittels Radioiodtherapie. Die Klonierung des NISGens ermöglicht daher die Anwendung von NIS als Endokrinologie Informationen 43 ABSTRACTS Abb. 1: Iodtransport und Schilddrüsenhormonsynthese in der Schilddrüse. NIS: Natrium-Iodid-Symporter; TPO: Schilddrüsenperoxidase; Tg: Thyreoglobulin; TSH: Thyreoidea-stimulierendes Hormon; TSHR: TSH-Rezeptor neuem therapeutischen Gen bei der Therapie extrathyroidaler und thyreoidaler Tumoren. Nachfolgend werden die klinisch relevanten Forschungsergebnisse und Perspektiven zum NIS zusammengefasst und diskutiert. Klonierung, molekulare Charakterisierung und Funktion des Natrium-Iodid-Symporters Ein Jahr nach der Klonierung des Natrium-Iodid-Symporters der Ratte wurde 1997 der humane NIS aus einer humanen Schilddrüsen-cDNA-Bibliothek kloniert und charakterisiert (1–3). Das humane NIS-Gen ist auf Chromosom 19p12–13.2 lokalisiert und kodiert für ein Glykoprotein von 643 Aminosäuren mit einer Molekülmasse von etwa 70–90 kDa. Die Kodierungsregion des NIS-Gens besteht aus 15 Exons und kodiert für eine 3.9 kb große Boten-RNA. Der zur Familie der Natriumabhängigen Transportermoleküle zählende NIS ist ein integrales Membranprotein mit 13 Transmembrandomänen, dessen Aminoterminus extrazellulär und dessen Carboxyterminus intrazellulär liegt (Abb. 2) (4, 5). Durch die Funktion des NIS-Proteins wird Iodid in der Schilddrüse etwa 20–40fach konzentriert und für die Schilddrüsenhormonsynthese bereitgestellt. Die treibende Kraft für den Iodidtransport, bei dem zwei Na+Ionen zusammen mit einem I--Ion in die gleiche Richtung transportiert werden, ist ein ins Zellinnere gerichteter Na+-Gradient, der durch eine Na+/K+-ATPase aufrechterhalten wird (Abb. 1). Dementsprechend ist der 44 Endokrinologie Informationen vom NIS vermittelte Iodidtransport durch den Na+/ K+ATPase-Hemmer Quabain hemmbar. Thiocyanat (SCN) und Perchlorat (ClO4-) sind „klassische“ kompetitive Inhibitoren des Iodidtransports (6). Bereits vor der Klonierung des NIS-Gens wurde die Regulation des Iodidtransportes in die Schilddrüse intensiv untersucht. Schon seit langem ist bekannt, dass das von der Hypophyse gebildete Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) den Iodidtransport über den Adenylatzyklase-cAMP-Weg stimuliert. Nach der Klonierung von NIS konnte gezeigt werden, dass die Behandlung von Schilddrüsenzellen mit TSH in vitro neben dem Iodtransport auch die NIS-Gen- und Proteinexpression erhöht (7, 8). Da cAMP und Forskolin diesen Effekt ebenfalls hervorrufen, ist davon auszugehen, dass TSH die NIS-Expression über den Adenylatzyklase-cAMPWeg stimuliert (8). Die im Schilddrüsengewebe von Patienten mit Morbus Basedow im Vergleich zu normalem Schilddrüsengewebe etwa drei- bis vierfach erhöhte NIS-RNA und Proteinexpression ist sehr wahrscheinlich Folge der pathologischen TSH-Rezeptor-stimulierenden Antikörper, die über den TSH-Rezeptor die cAMP-Produktion und NIS-Expression stimulieren (7). Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass TSH außerdem eine wesentliche Rolle spielt bei der adäquaten Membranverankerung von NIS, die eine Grundvoraussetzung darstellt für seine Iodtransportfähigkeit (9). Transforming growth factor-1 (TGF1) ein potenter Inhibitor von Wachstum und DNA-Synthese in Schilddrüsenzellen und Signalvermittler bei der Entstehung der euthyreoten Struma und des „Euthyroid Sick“Syndroms, supprimiert in Ratten-Schilddrüsenzellen (FRTL-5) sowohl die TSH-induzierte NIS-Expression als auch die Iodaufnahme (10). Darüber hinaus unterdrücken auch Tumor-Nekrose-Faktor (TNF), Cera- Abb. 2: Schematische Darstellung des Natrium-Iodid-SymporterProteins. 27 (2003) 2 ABSTRACTS mid und Sphingomyelinase, wichtige Faktoren im Rahmen des „Euthyroid Sick“-Syndroms, der Thyreoiditis vom Typ de Quervain und der altersassoziierten Hypothyreose, die NIS-Expression (11–13). Auch IL1, IL-1, IL-6 und IFN reduzieren die TSH-induzierte NIS-Genexpression und funktionelle NIS-Aktivität, was bei der Pathogenese der Hashimoto-Thyreoiditis eine Rolle spielen könnte (12–14). In mehreren In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Iod zu einer Suppression der NIS-BotenRNA sowie Proteinexpression führt, was den lange bekannten Wolff-Chaikoff-Effekt erklärt (15–17). Außerdem bewirkt die Behandlung mit Östrogenen in FRTL-5-Zellen neben einer Zellproliferation eine erniedrigte NIS-Boten-RNA-Expression, was zur erhöhten Strumaprävalenz bei Frauen beitragen könnte (18). Der extrathyreoidale Natrium-Iodid-Symporter und seine mögliche therapeutische Anwendung Neben der Schilddrüse sind auch einige extrathyreoidale Gewebe wie Speicheldrüsen, Magenschleimhaut, laktierende Brustdrüse, Plexus choroideus und Ziliarkörper des Auges in der Lage, Iod anzureichern (6). Der Iodtransport in diesen extrathyreoidalen Geweben ist ebenfalls durch Perchlorat und Thiocyanat hemmbar, wird jedoch durch TSH nicht stimuliert (6). Nach Klonierung von NIS konnte NIS-Boten RNA und Protein unter anderem in Speicheldrüsen, Magenmukosa, Niere, und Brustdrüse nachgewiesen werden (19–22), was darauf hindeutet, dass der auch extrathyreoidal exprimierte Iodidtransporter den Iodtransport in diversen Organen kontrolliert. In der laktierenden Brustdrüse wird Iodid in der Muttermilch angereichert, das dem Neugeborenen zur Schilddrüsenhormonsynthese dient und insbesondere für die Entwicklung von Nervensystem, Skelettmuskulatur und Lungen von entscheidender Bedeutung ist. Vor etwa einem Jahr identifizierten und charakterisierten Tazebay et al. das NIS-Protein in der Brustdrüse (mgNIS), das an der basolateralen Membran der Alveolarepithelzellen lokalisiert ist, und in der normalen Brustdrüse nur während Gestation und Laktation exprimiert wird (22). Regulationsuntersuchungen in vitro und in vivo zeigten eine Stimulation der mgNIS-Expression durch Östrogene, Prolaktin und Oxytocin (22–26). Außerdem gelang der Nachweis funktioneller mgNIS-Expression in Mammakarzinomen bei zwei nichtlaktierenden transgenen Mammakarzinom-Mausmodellen (c-Ha-ras: aktiviertes Ras-Onkogen; c-erbB-2: Überexpression des neu-Onkogens) mittels Szintigraphie und Western-Blot-Analyse (22). Immunhistochemisch konnte die Expression von mgNIS-Protein auch in 20 von 23 (87%) invasiven und 5 von 6 (83%) duktalen humanen Mammakarzinomge- 27 (2003) 2 webeproben nachgewiesen werden, während nur 3 von 13 (23%) Proben aus dem den Tumor umgebenden Gewebe und keines von 8 Normalgeweben mgNIS-positiv waren (22). Die hohe Prävalenz von mgNIS in humanem Mammakarzinomgewebe deutet darauf hin, dass die Expression von mgNIS während der malignen Transformation in Brustdrüsengewebe stimuliert wird und demnach als neuer diagnostischer Parameter beim Mammakarzinom zum Einsatz kommen könnte. Etwa zeitgleich zur Identifizierung von mgNIS gelang Kogai et al. in einer Östrogen-Rezeptorpositiven humanen Mammakarzinom-Zelllinie (MCF-7) die Induktion einer Iodakkumulation sowie Expression von mgNIS-Boten RNA und Protein mittels all-transRetinsäure (tRA). Trotz fehlender Organifizierung des akkumulierten Radioiods konnte in tRA-behandelten MCF-7-Zellen ein selektiver zytotoxischer Effekt von 131-I nachgewiesen werden. Dieser Effekt erwies sich als Mammakarzinomzell-spezifisch, da sich in einer Reihe anderer Karinomzellinien keine Iodakkumulation induzieren ließ (27). Der Nachweis funktionell aktiver mgNIS-Proteinexpression in Mammakarzinomgewebe sowie die Induzierbarkeit der mgNIS-Expression in Mammakarzinomzellen mittels Retinsäure könnte die Anwendung von Radioiod in der Diagnostik sowie Therapie des Mammakrzinoms ermöglichen. NIS als neues therapeutisches Gen bei der Therapie thyreoidaler und extrathyroidaler Tumoren Die Klonierung und Charakterisierung des NIS-Gens eröffnen die Möglichkeit gentherapeutischer Strategien zur Behandlung thyreoidaler und extrathyreoidaler Tumoren. Durch gezielte Expression von funktionsfähigem NIS mittels Gentransfer in Tumorzellen können diese die Fähigkeit erwerben, Iod aus dem Blut aufzunehmen, was die Anwendung der sicheren und im Rahmen von Schilddrüsenerkrankungen routinemäßig eingesetzten Radioiodtherapie auch für gering differenzierte Schilddrüsenkarzinome und andere nichtthyreoidale Tumoren und ihre Metastasen ermöglichen könnte. Erste Untersuchungen an transformierten malignen Schilddrüsenzellen ohne Iodtransportaktivität haben gezeigt, dass die Transfektion mit Ratten-NISDNA eine Akkumulation von 125I in vitro und in vivo ermöglicht (28). Smit et al. transfizierten NIS-negative follikuläre Schilddrüsenkarzinomzellen mit humaner NIS-DNA und erzeugten dadurch eine Radioiodakkumulation, die in Nacktmäusen nach Applikation einer therapeutischen 131-I-Dosis die Entwicklung von Xenotransplantaten verzögerte (29, 30). NIS konnte außerdem mittels Adenovirus-vermitteltem Gentransfer in vitro und in vivo in humanen Gliomzellen exprimiert Endokrinologie Informationen 45 ABSTRACTS werden (31). Unter Verwendung eines Retrovirusvektors konnten Mandell u. Mitarb. nach Transfektion mit dem Ratten-NIS-Gen in verschiedenen Karzinomzelllinien (Melanomzellen, Leber-, Kolon- und Ovarialkarzinomzellen) eine Iodakkumulation in vitro und in vivo nachweisen, die in vitro einen zytotoxischen Effekt von 131-I erlaubte (32). Ähnliche Ergebnisse berichteten Boland et al. in verschiedenen Tumorzellinien nach Adenovirus-vermittelter Expression des Ratten-NISGens in vitro und in vivo (33). Nakamato et al. induzierten eine Radioiodakkumulation in vitro und in vivo in humanen Mammakarzinomzellen durch Transfektion mit Ratten-NIS-DNA mittels Elektroporation (34). Nach Transfektion mit humaner NIS-DNA zeigten Carlin et al. Radioiodaufnahme in humanen Gliom-, Neuroblastomund ovariellen Adenokarzinomzellen in vitro. Der selektive zytotoxische Effekt von 131-I war darüber hinaus signifikant erhöht in dreidimensionalen Kulturen NIStransfizierter Gliomzellen im Vergleich zu zweidimensionalen Monolayer-Kulturen, was auf einen beträchtlichen Bystander-Effekt hinweist (35). Unter Verwendung eines bicistronischen retroviralen Vektors erzielten Haberkorn et al. eine Radioiodakkumulation mit raschem Iod-Efflux in Ratten-Hepatomzellen in vitro und in vivo (36). Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass mittels NIS-Gentransfer unter Verwendung viraler sowie nicht-viraler Vektoren in einer Reihe extrathyreoidaler Tumorzellen eine Radioiodakkumulation induziert werden kann. Derzeit existiert kein kurativer Therapieansatz zur Behandlung des metastasierenden Prostatakarzinoms, der zweithäufigsten tumorbedingten Todesursache bei Männern. Durch gezielten NIS-Gentransfer könnten auch Prostatakarzinomzellen Iod aus dem Plasma konzentrieren, was die Möglichkeit der Radioiodtherapie beim Prostatakarzinom eröffnen würde. Gentransfer unter Steuerung gewebespezifischer Promotoren ermöglicht, therapeutische Gene selektiv in tumorerkranktem Gewebe zu exprimieren und damit die Zytotoxizität in anderen Geweben zu minimieren. Im Falle von Prostatagewebe ist der PSA-Promoter verantwortlich für die Prostata-spezifische, androgenabhängige Expression von PSA (Prostata-spezifisches Antigen), eines Prostata-spezifischen Glykoproteins, das auch in der überwiegenden Mehrzahl der Prostatakarzinome und ihrer Metastasen androgenabhängig exprimiert wird (37). Aufgrund seiner umfassenden Charakterisierung in den letzten Jahren kann der PSA-Promoter daher eingesetzt werden, um eine gewebespezifische, androgenabhängige Expression therapeutischer Gene in Prostatakarzinomzellen zu erreichen (38). Unter Steuerung eines 6kb-PSA-Promoter Fragments, das alle Informationen für die Prostata-spezifische, androgenabhängige Expression von PSA enthält (38), ist es 46 Endokrinologie Informationen kürzlich gelungen, in Prostatakarzinomzellen durch gewebespezifische NIS-Expression eine Iodaufnahmeaktivität zu induzieren, die trotz fehlender Organifizierung des aufgenommenen Radioiods sowohl in vitro als auch in vivo hoch genug war, um einen deutlichen therapeutischen Effekt mit 131-I zu erreichen (39–41). Die Untersuchungen in Prostatakarzinomzellen zeigen erstmals eindrücklich, dass NIS-Gentransfer in Tumorzellen die Akkumulation einer therapeutisch wirksamen 131-I-Dosis auch ohne Organifizierung des akkumulierten Radioiods ermöglicht, und damit eine innovative und potenziell kurative Therapiemöglichkeit bei extrathyreoidalen Tumoren, insbesondere beim Prostatakarzinom bieten kann. Dr. med. Christine Spitzweg Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München, Marchioninistr. 15, D-81377 München Literatur 1. Dai G, Levy O, Carrasco N 1996 Cloning and characterization of the thyroid iodide transporter. Nature 379:458-460. 2. Smanik PA, Liu Q, Furminger TL, et al. 1996 Cloning of the human sodium iodide symporter. Biochem. Biophys. Res. Commun. 226:339-345. 3. Spitzweg C, Heufelder AE, Morris JC 2000 Thyroid iodine transport. Thyroid 10:321-330. 4. Smanik PA, Ryu K-Y, Theil KS, Mazzaferri EL, Jhiang SM 1997 Expression, exon-intron organization, and chromosome mapping of the human sodium iodide symporter. Endocrinology 138: 3555-3558. 5. De la Vieja A, Dohan O, Levy O, Carrasco N 2000 Molecular analysis of the sodium/iodide symporter: impact on thyroid and extrathyroid pathophysiology. Physiological Reviews 80:10831105. 6. Carrasco N 1993 Iodide transport in the thyroid gland. Biochem. Biophys. Acta 1154:65-82. 7. 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Unzureichende alimentäre Jodaufnahme führt sowohl zu vermehrter Synthese und Sekretion von Trijodthyronin (T3) als auch gehäufter Entwicklung einer Struma. Der T4/T3Shift dient dem Erhalt einer Euthyreose. Die Vergrößerung der Schilddrüse führt infolge mechanischer Behinderungen zu Rückwirkungen auf das kardiorespiratorische System. Als Folgekrankheit entwickeln sich auf dem Boden funktioneller Autonomien vermehrt latente und manifeste Hyperthyreosen. Diese Hyperthyreoseform kommt im Jodmangelgebiet dreimal häufiger vor als in ausreichend mit Jod versorgten Regionen und umfasst etwa die Hälfte aller Hyperthyreosen. Ungeachtet intrathyreoidaler Wachstumsfaktoren (IGF I, IGF Bindungskapazität, FGF, TGF u.a.) und genetischer Faktoren, die für die Struma-Pathogenese – insbesondere auch bei der trotz Schilddrüsenhormonsubstitution entstehenden Rezidiv-Struma – von Bedeutung sind, stellt exogener und konsekutiv intrareoidaler Jodmangel die wesentlichste und häufigste Ursache der Strumaentwicklung dar. Der Schweregrad 48 Endokrinologie Informationen eines alimentären Jodmangels korreliert mit der Häufigkeit und Größenentwicklung einer Struma. Natürlich vorkommenden Thyreostatika wie Thiozyanat und Nitrat konnte bei moderatem Jodmangel keine, letzterem nur regional im Brunnenwasser eine strumigene Bedeutung zugesprochen werden. Rauchen kann besonders unter Jodmangelbedingungen der Strumaentwicklung förderlich sein. Als strumigene Lebensabschnitte gelten Pubertät, Schwangerschaft und Neugeborenenperiode. 50% der Erwachsenenstrumen entwickeln sich vor dem 20. Lebensjahr. Zur Geschichte des Jodmangels und der Jodmangelkrankheiten Empirische Kenntnisse über die Beziehung zwischen jodhaltigen Substanzen und Kropf reichen weit in die Geschichte zurück. Erst seit der Entdeckung des Jods im Jahre 1811 durch Courtois fand die Anwendung des Jods in zunehmendem Maße eine wissenschaftliche Basis. Bereits 9 Jahre nach der Entdeckung wurde durch Coindet Jod zur Kropftherapie eingesetzt. Misserfolge blieben auch in den folgenden Jahrzehnten nicht aus und beruhten auf mangelnder pathophysiologischer Kenntnis. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Grad des JM Strumaprävalenz (%) µg/dl I II III 10–30 20–50 30–100 Harnjodausscheidung µg J/g Kreatinin 5–10 2–5 <2 Hypothyreose (H) Kretinismus (K) 50–150 25–50 < 25 0 H H;K Tab. 1: Schweregrad des Jodmangels nach WHO-Definition Säuglinge bis 11 Monate 50–80 Kinder 1 bis 9 Jahre 100–140 Kinder ab 10 Jahre, Jugendliche und Erwachsene 80–200 Schwangere 230 Stillende 260 wird aus pragmatischen Gründen bei epidemiologischen Untersuchungen meist die Analyse in der Spontanharnprobe vorgenommen. Zum Schweregrad des Jodmangels Strumahäufigkeit, renale Jodausscheidung und thyreoidaler Status (Hypothyreose, endemischer Kretinismus) gestatten eine Definition des Schweregrades des Jodmangels (Tabl. 1). Bei optimaler Jodzufuhr sollte die renale Jodausscheidung über 100 µg/d betragen. Der tägliche optimale Jodbedarf ist abhängig vom Lebensalter (Tabl. 2). Tab. 2: Empfehlungen des DGE zur täglichen Jodaufnahme (µg) Zum Nachweis des Jodmangels Indikatoren eines Jodmangels sind – Strumaendemie (Struma > 10 der Durchschnittsbevölkerung) – erhöhte thyreoidale Radiojodspeicherwerte – niedriger Jodgehalt von Gesteinen Böden, Pflanzen und Trinkwasser Die chemische Bestimmung des mit der Nahrung aufgenommenen Jods ist aufwändig und für epidemiologische Untersuchungen wenig geeignet. 70–80% des oral aufgenommenen Jods werden über den Urin ausgeschieden, so dass die renale Jodausscheidung als Referenzwert der oralen Jodaufnahme gelten kann. Da zwischen der Bestimmung im 24-h-Sammelharn und der Bestimmung in der Spontanharnprobe (µgJ/g Kreatinin oder µgJ/dl) eine enge Korrelation besteht, Zur Problematik des Jodmangels in Deutschland Das endemische Vorkommen des Kropfes galt bis vor wenigen Jahren als eine Erscheinung alpiner Länder. Erst in den 70/80er-Jahren wurde Deutschland als Strumaendemiegebiet erkannt und ein von Nord nach Süd zunehmender alimentärer Jodmangel 2. und 3. Grades nachgewiesen (Tabl. 3). Dieser Mangel verschärfte sich während der Schwangerschaft. Zur Jodprophylaxe in Deutschland Zur Verbesserung der Jodversorgung wird in der Regel die Jodierung des Speisesalzes vorgenommen. Die Verwendung jodierter Backmittel, die Injektion jodhaltiger Lösungen oder die Jodierung des Trinkwassers wird in Deutschland nicht praktiziert. Die Jodprophylaxe wurde Anfang der 80er-Jahre in weiten Teilen Deutschlands auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichem Erfolg eingeleitet (Tabl. 4). In der ehemaligen DDR wurde eine interdisziplinäre Jodprophylaxe durchgeführt. Ab 1985 wurden 84% des pa- NBL Konnatale Struma (%) KELLNER et al.1980 Struma bei jungen Männern (%) MENG et al. 1980 Struma bei Jugendlichen HESSE et al. 1978 renale Jodausscheidung µg l/g Kreatinin MENG et al. 1978 24-h-Radiojoduptake (%) BAUCH et al. 1981 Nord Mitte Süd 1 3–5 6–15 2–3 4–10 15–35 20–35 39–43 63–82 37–45 24–35 16–26 25–72 38–78 36–95 Tab. 3: Süd-Nord-Gefälle des Jodmangels in den neuen Bundesländern (Anfang der 80-er Jahre (nach Bauch, K, et. al. 1990)) 27 (2003) 2 Endokrinologie Informationen 49 ABSTRACTS Neue Bundesländer Alte Bundesländer 1979 Entwurf eines Kropfbekämpfungsprogramms 1981 Neufassung der Diätversorgung – Wegfall des Warmhinweises auf jodierten Salzpackungen „nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel“ – Jodgehalt von 4 auf 20 mg KJ/kg – Jodat statt Jodid Verwendung: nur im Haushalt, Gültigkeit des Freiwilligkeitsprinzips 1983 Jodsalzprophylaxe für Südbezirke und Bezirk Cottbus (20 mg/KJ kg) 1985 Beratung bei Gesetzgebung und Aufklärung Juli: 84% des Paketsalzes werden mit 32 mg KJ03/kg jodiert und in allen Bezirken ausgeliefert 1986 März: Einsatz von jodierten Mineralstoffgemischen bei landwirtschaftlichen Nutztieren: Schweine (alle Bezirke) Rinder: (Südbezirke und Bezirk Cottbus) 1991 Jodierung des Sacksalzes (20 mg KJ03/kg) 1984 Gründung des Arbeitskreises Jodmangel 1989 Jodiertes Speisesalz wird aus Diätverordnung in Zusatzstoff-Zulassungsverordnung überführt. – Verwendung in Großküchen möglich – Einsatz bei gewerblicher Herstellung von Lebensmitteln und Fertiggerichten Tab. 4.: Entwicklungsphasen der Kropfprophylaxe in den alten und neuen Bundesländern (ehemals DDR) vor der Wiedervereinigung 1990/91 Anreicherung der Säuglingsnahrung mit KJO3 (60 µg/l), Praenahrung mit 100 µg/l) Mai: WHO-Resolution zur Bekämpfung des Jodmangels September: Unicef-Weltgipfel – 71 Staatsoberhäupter unterzeichnen Verpflichtung bis 2000 den Jodmangel zu beseitigen 1991 Jodiertes Nitritpökelsalz wird erlaubt (BGB Teil I, Nr. 63, v. 29.11.1991 1993 Zweite Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz (BGB Teil I, Nr. 68, v. 22.12.1993) – bei lose verkauften Lebensmitteln sowie in Gemeinschaftsverpflegungen Deklarierung nicht nötig, freiwillige Angaben erlaubt – bei verpackten Lebensmitteln reicht ein Hinweis im Zutatenverzeichnis (Doppeldeklarierung entfällt) – neben dem Begriff „jodiertes Salz“ kann auch der Begriff „Jodsalz“ verwendet werden – Käse- und Fleischverordnung: Verwendung von Jodsalz bzw. jodiertem Nitritpökelsalz bei der Herstellung von Käse- bzw. Fleisch- und Wurstwaren erlaubt 1996 Im Zutatenverzeichnis reicht „jodiertes Speisesalz“ oder „jodiertes Nitritpökelsalz“. Die zusätzliche Angabe der Zusatzstoffe Kalium- oder Natriumjodat kann entfallen (BGB Teil I, Nr. 15, v. 19.3.1996) 1996 Einführung des „Jodsiegels“ (Gütesiegel) Erstes bundesweites Jodmonitoring des BMG Tab. 5: Prophylaktische Maßnahmen nach 1990 ketierten Speisesalzes jodiert. 1986 wurden aufgrund erheblicher Jodmangelerkrankungen in der Tierproduktion jodierte Mineralstoffgemischte bei den landwirtschaftlichen Nutztieren Rind und Schwein eingesetzt. Diese Maßnahme führte über die Nahrungskette zu einer wesentlichen Verbesserung der Bevölkerung. 50 Endokrinologie Informationen Die Erfolge dieser Prophylaxe gingen mit der deutschen Wiedervereinigung mehr oder weniger zurück. Einer generellen Jodprophylaxe stand das Grundgesetz entgegen. Das Freiwilligkeitsprinzip beeinflusste nunmehr wesentlich die Effektivität prophylaktischer Maßnahmen. Große Aufklärungsaktivitäten initiiert 27 (2003) 2 I N F O R M AT I O N E N Indikator Zielgruppe Jodsalz Haushalte > 90% Kropf-Grad > 0 Schüler 6–12 Jahre < 5% SD-Volumen (> 97. Perzentile) Schüler 6–12 Jahre < 5% Jodurie (Median) Schüler > 50% > 80% ≥ 10 µg/dL ≥ 10 µg/dL ≥ 5 µg/dL TSH > 5,0 mU/L Neugeborene < 3% Tab. 6: Kriterien für eine effiziente Jodversorgung1 (1 WHO/UNICEF,ICCIDD 1993/94) durch den Arbeitskreis „Jodmangel“ und ergänzende gesetzliche Regelungen führten schließlich zur Verbesserung der Jodversorgung (Tab. 5), allerdings ohne das erklärte Ziel, bis zum Jahr 2000 den Jodmangel zu beseitigen, erreicht zu haben (Tab. 6). dung und Verbesserung der Akzeptanz von Jodsalz. – Jodprophylaxe in der Schwangerschaft mit 100– (200) µg Jodidtabletten pro Tag – Ein- bis zweimal wöchentlich eine Fischmahlzeit. – Verwendung von jodiertem Salz in Fast-FoodKetten, Gemeinschaftsverpflegung, Lebensmittelindustrie (statt. 30% sollten 70% jodiertes Salz eingesetzt werden). – Europarechtliche Regelungen – zum Abbau von Handelshindernissen – über Nahrungsergänzungslisten auch hinsichtlich von Vitaminpräparaten* – Zulassung von jodid- und jodathaltigem Speisesalz. – Wiederholung eines bundesweiten Jodmonitorings. Zusammenfassung Trotz einer in den letzten 10 Jahren verbesserten Jodversorgung konnte der Jodmangel noch nicht vollständig beseitigt werden. 30% der Bevölkerung leidet noch unter einem Jodmangel 1. Grades. Weitere Aktivitäten zur Verbesserung der Versorgung und Regulierung europarechtlicher Bestimmungen sind erforderlich. * Jeweils 200 µg Jod pro Tagesportion enthalten: Nestle Pro Natal®, Milupa Neovin®, Vitaverlan® und Femibion® Zum gegenwärtigen Stand der Jodversorgung – Das vor 20 Jahren bestehende Nord-Süd-Gefälle des Jodmangels ist nicht mehr nachweisbar. – Neugeborene: Unter verbesserter Jodzufuhr ist die konnatale Struma von 6–12% auf unter 1% und das Gewicht der Neugeborenenschilddrüse von 9 g auf 1–2 g und die transitorische Hypothyreose zurükkgegangen. Erwachsene: Etwa ein Drittel weist noch einen moderaten Jodmangel mit einem Joddefizit von etwa 60–80 µg/d auf. Die tägliche Jodaufnahme beträgt 119 µg/d bei einem Optimalwert von 180–200 µg/d. Schwangere: Bei etwa 40–50% der Schwangeren und Wöchnerinnen wird keine optimale Jodversorgung erreicht. Veganer unterliegen ebenfalls einem Jodmangel – Akzeptanz von Jod und Nahrungsmitteln mit Jodsalz – 80% der täglichen Salzaufnahme erfolgt über verarbeitende Lebensmittelprodukte. – In Haushalten zu 80% Verwendung von Jodsalz. – Bäcker und Fleischer verwenden zu 60–85% jodiertes Salz. – Ca. 80% der Gemeinschaftsverpflegung und 65–70% der Gastronomiebetriebe verwenden Jodsalz. – Die Nahrungsmittelindustrie stellt nur 35–40% der Produkte mit Jodsalz her. Zukünftige Maßnahmen und Ziele – Fortsetzung der Aufklärungsaktionen zur Verwen- 27 (2003) 2 Literatur 1. Anke M., Glei M., Rother C. et al.: Die Versorgung Erwachsener Deutschlands mit Jod, Selen, Zink beziehungsweise Vanadium und mögliche Interaktionen dieser Elemente mit dem Jodstoffwechsel. In: Bauch K., eds.: Aktuelle Aspekte des Jodmangels und Jodüberschusses. Berlin, New York: Blackwell Wissenschaftsverlag 2000; 147-176. 2. 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Eine Zunahme des Stromas ist an der Volumenvergrößerung der Schilddrüse mitbeteiligt, sein für das Kropfwachstum aber meist von untergeordneter Bedeutung. Ebenso kann eine Akkumulation von Kolloid, d.h. eine Größenzunahme der einzelnen Follikel zum Schilddrüsenwachstum beitragen (7–11, 22). Extrathyreoidale und intrathyreoidale Faktoren beeinflussen das Wachstum der Schilddrüse. Zu den extrathyreoidale Faktoren gehören TSH und andere zirkulierende Wachstumsfaktoren wie z.B. Epidermal Growth Factor (EGF), Insulin-like Growth Factor I (IGF-1), FibroblastGrowth Factor 1 und 2 (2–4, 8–11, 16, 20–23). Die Bedeutung von TSH für das Kropfwachstum wird immer noch kontrovers beurteilt, TSH ist aber auch aus heutiger Sicht in vielen Fällen an der Kropfentstehung betei- 52 Endokrinologie Informationen ligt, entweder allein oder zusammen mit andern Faktoren wie Jod oder Wachstumsfaktoren (2, 9–11, 18, 19, 22, 23). So moduliert TSH zum Beispiel die Wirkung anderer Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel IGF-1 auf die Thyreozyten. Sicher ist aber auch, dass Jod bzw. Jodid direkt das Schilddrüsenwachstum erheblich modifiziert, indem eine Joddepletion der Schilddrüse die Proliferation der Thyreozyten stimuliert (9–11, 22, 23) und zusätzlich auch die Follikelarchitektur beeinflusst (7). Intrathyreoidale Faktoren sind autokrin und parakrin wirkende Wachstumsfaktoren der Thyreozyten (ebenfalls EGF, IGF-1, u.a.), lokal durch Lymphozyten und Plasmazellen produzierte Wachstumsfaktoren und Immunglobuline sowie Komponenten der extrazellulären Matrix. Knotenbildung Für die knotige Umwandlung jeder länger bestehenden Struma und jeder „normalen“ Thyreoidea im Laufe der Zeit sind drei Mechanismen verantwortlich (3, 8–11, 13, 15, 16, 20–23): 1. Degenerative Prozesse mit Blutungen ins Schilddrüsengewebe und nachfolgender Bildung von Narbensträngen. Das in ein fibröses Narbennetz eingezwängte Parenchym bildet Pseudoknoten, die logischerweise polyklonal sind. 2. Proliferative Heterogenität der Thyreozyten. Die Existenz und ungleichmäßige Verteilung von Zellen 27 (2003) 2 I N F O R M AT I O N E N mit hohem Wachstumspotential ist eine wesentliche Ursache für regionale Wachstumsunterschiede, die schliesslich zur Knotenbildung führen. 3. Auch Mutationen können zu einer erhöhten Proliferationsgeschwindigkeit der Thyreozyten und damit schließlich zur Bildung klonaler Knoten führen. Es handelt sich dabei vor allem Mutationen, die proliferationsrelevante Signaltransduktionswege betreffen und aktivieren, z.B. die Achse TSH-Rezeptor/GProteine/cAMP-Kaskade. Parma et al. (18) und später viele andere (16–19) haben in toxischen Adenomen somatische Mutationen des TSH-RezeptorGens gefunden, die zur konstitutiven Aktivierung der Adenylcyclase führen mit Dauerstimulation von Wachstum und Funktion. In diesen Fällen ist verständlicherweise eine sich früher oder später klinisch manifestierende funktionelle Autonomie zu beobachten. Neue Arbeiten haben auch TSHRezeptor-Mutationen außerhalb von umschriebenen Knoten in autoradiographisch heißen Arealen von Knotenstrumen gezeigt (15). Die drei genannten Mechanismen der Knotenbildung kommen in jeder Struma vor und können durchaus zusammenwirken, etwa indem schneller proliferierende Thyreozyten-Subpopulationen mit höherer Wahrscheinlichkeit Mutationen erwerben als langsam proliferierende. Sie sind damit für das bunte Miteinander monoklonaler und polyklonaler Knoten und Areale in jedem Kropf (3, 6, 9–11, 13, 23) verantwortlich, aber auch vereinbar mit einer in neuster Zeit erfolgten gewissen Relativierung der vormals scharfen Grenze zwischen monoklonalen und polyklonalene Läsionen in Schilddrüse und andern Organen (3). Autonomie Autonomie des Wachstums und der Funktion gehen nicht immer parallel. Follikel oder ganze Schilddrüsenabschnitte bzw. -knoten können autonom sein bezüglich Proliferation allein, Funktion allein oder Proliferation und Funktion (3, 4, 8–11, 15, 16, 20–23). Gleichzeitig kommen beide Formen von Autonomie immer dann vor, wenn Signaltransduktionswege, die Proliferation und Funktion stimulieren, konstitutiv aktiviert sind (3, 8–11, 14–19, 22–23). Die proliferative Autonomie äußert sich klinisch durch anhaltendes Wachstum von Schilddrüsenknoten oder der ganzen Struma in Abwesenheiten von TSH, d.h. unter endogener (bei Hyperthyreose) und exogener (durch Behandlung mit Schilddrüsenhormon erzielter) Suppression des TSH. Die funktionelle Autonomie der Schilddrüse tritt als diffuse Autonomie, als sog. multifokale Autonomie oder 27 (2003) 2 als fokale Autonomie in Erscheinung, wobei es sich bei letzterer entweder um Pseudoadenome bei regionaler Ansammlung autonomer Thyreozyten oder aber um echte Adenome handelt. Es ist aus dem bisher Gesagten leicht verständlich, dass im Zuge der vor allem auf einer Follikelvermehrung basierenden Strumabildung auch die Gesamtzahl der funktionell autonomen Thyreozyten und Follikel zunimmt. Diese Follikel sind disseminiert, in der ganzen Schilddrüse verstreut oder auch in kleineren und grösseren Gruppen assoziiert. Letztere können sich szintigraphisch als heisse Knoten manifestieren oder auch nur autoradiographisch erfassbar sein. Die wiederholt gezeigte inverse Korrelation zwischen Strumagröße und Serum TSH (1, 5, 12) ist kompatibel mit dem Konzept einer mit zunehmender Strumagewebsmasse zunehmenden funktionellen Autonomie (8–11, 15, 16, 20–23). Selten kann die funktionelle Autonomie alle Thyreozyten bzw. Follikel betreffen und auf einer angeborenen somatischen Mutation des TSH-Rezeptors beruhen (14, 16, 19). Klinisch führt dies zu sporadischer oder familiärer nicht immunogener Hyperthyreose. Zusammenfassung Im Laufe der Strumabildung, die vor allem auf einer Follikelvermehrung beruht, nimmt auch die Gesamtzahl der funktionell autonomen Thyreozyten und Follikel stetig zu. Diese Follikel sind disseminiert, in der ganzen Schilddrüse verstreut oder in kleineren und größeren Gruppen assoziiert. Die funktionelle Autonomie der Struma manifestiert sich szintigraphisch entweder als diffuse, als sogenannte multifokale oder als fokale Autonomie, wobei es sich bei letzterer entweder um Pseudoadenome bei regionaler Ansammlung autonomer Thyreozyten oder aber um echte Adenome handelt. Molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass heiße Knoten entweder polyklonal oder aber echte monoklonale Adenome sind, haben aber in neuster Zeit auch die ehemals scharfe Grenze zwischen polyklonalen und monoklonalen Läsionen der Schilddrüsen etwas verwischt. Die molekularen Grundlagen der thyroidalen Autonomie von Wachstum und/oder Funktion haben sich in den letzten Jahren teilweise geklärt, bleiben aber zu wesentlichen Teilen nach wie vor im Dunkeln. Literatur 1. Berghout A, Wiersinga WM, Smits NJ, Touber JL: Interrelationships between age, thyroid volume, thyroid nodularity, and thyroid function in patients with sporadic nontoxic goiter. Amer J Med 89: 602, 1990 2. Derwahl M, Broecker M, Kraiem Z. Thyrotropin may not be the dominant growth factor in benign and malignant thyroid tumors. Clinical review 101. J Clin Endocrinol Metab 84: 829, 1999 Endokrinologie Informationen 53 ABSTRACTS 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 54 Derwahl M, Studer H. Hyperplasia versus adenoma in endocrine tissues: are they different? 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Endocr Rev 16: 411, 1995 Prof. Dr. Hans Gerber Medizinischer Direktor, Spitalleitung, Universitätsspital, Inselspital CH-3010 Bern, Schweiz Telefon: +41 31 632 82 32 Fax: +41 31 632 9200 E-mail: [email protected] 27 (2003) 2 ABSTRACTS Schwangerschaft und Schilddrüse R. Hehrmann, Stuttgart Zusammenfassung: A. Struma: In Regionen mit ausgeprägtem (Jodzufuhr < 50µg/d) und moderatem Jodmangel (< 100 µg/d) nimmt das Schilddrüsenvolumen der Mutter in der Schwangerschaft zu, die Prävalenz der mütterlichen Struma und der konnatalen Struma des Kindes sind erhöht. Beides lässt sich durch adäquate Jodzufuhr ( 200–300 µg/d) verhindern. A1. In Regionen mit fortbestehendem Jodmangel, d.h. in Ländern ohne gesetzlich organisierte Jodprophylaxe sollen alle schwangeren Frauen mit Jodid behandelt werden, unabhängig davon, ob sie bereits eine Struma haben oder nicht. Bei einem Jodbedarf von ca. 260 µg/d sollte die zusätzliche Zufuhr bei 200 µg Jodid pro Tag liegen. A2. Schwangere Frauen, die bereits wegen einer Struma mit Schilddrüsenhormon behandelt werden, sollten diese Therapie in gleicher Dosis weiterführen, allerdings zusätzlich 200 µg Jodid einnehmen, da nur das Jodid den Jodmangel des Kindes behebt und damit die Entwicklung der konnatalen Struma verhindert. A3. Die Jodsubstitution schwangerer Frauen gilt auch für die gesamte Stillzeit, da auch während dieser Periode der erhöhte Jodbedarf fortbesteht. B. Hypothyreose: Frauen mit manifester Hypothyreose sind oft infertil. Auch bei subklinischer Hypothyreose kann die Fertilität eingeschränkt sein. Selten eintretende Schwangerschaften hypothyreoter Frauen sind oft kompliziert durch Aborte, Frühgeburten u.a. Komplikationen des Schwangerschaftsverlaufes. B1. Die Therapie besteht wie außerhalb der Schwangerschaft in der Substitution mit Levothyroxin. Wegen des geringen diaplazentaren Transfers der Schilddrüsenhormone hat diese Therapie nur bei gleichzeitiger Hypothyreose des Kindes einen positiven Effekt auf den Feten. B2. Bei der Entdeckung einer Hypothyreose in der Schwangerschaft wird die sofortige Substitution eingeleitet und bei bekannter Hypothyreose die bisherige Behandlung – meist in unveränderter Dosierung – weitergeführt. Da bei einer Hypothyreose der Mutter der hCG-vermittelte Anstieg der T4-Konzentration im ersten Trimenon nicht eintreten kann, kann es zu einem leichten Anstieg des TSH kommen. In diesen Fällen (ca. 40–60%) ist eine Dosissteigerung von Thyroxin erforderlich bis zur Normalisierung von TSH. 27 (2003) 2 B3. Die Therapie der mütterlichen Hypothyreose vermindert die Komplikationen des Schwangerschaftsverlaufes. Sie hat wohl nur in der ersten Schwangerschaftshälfte einen direkten Effekt auf die Entwicklung des Feten, auch auf die Entwicklung des ZNS. Kinder von Müttern mit erhöhtem TSH in der Schwangerschaft erreichen in differenzierten Tests zur intellektuellen und psychomotorischen Entwicklung gering niedrigere Scores. Die Levothyroxin-Therapie behebt nicht den Jodmangel des Kindes. Deshalb sollen auch hypothyreote Mütter während der Schwangerschaft und Stillzeit zusätzlich mit Jodid, 200 µg/d, behandelt werden. C. Hyperthyreose: C1. Schwangerschaften von Müttern mit Hyperthyreose bzw. M. Basedow sind Risikoschwangerschaften und bedürfen eines intensiven mütterlichen, fetalen und kindlichen Monitorings durch Gynäkologen, Endokrinologen und Pädiater. C2. Klinisch ausgeprägte und laborchemisch ausgeprägte Hyperthyreosen sollten sofort nach Diagnosestellung behandelt werden, unabhängig vom Zeitpunkt der Schwangerschaft. C3. Bei der Diagnostik müssen die physiologischen Veränderungen der Schilddrüsenhormonkonzentrationen in der Schwangerschaft beachtet werden (Zunahme von TBG, T4 und T3, Abnahme von FT4 und FT3 ). C4. Ein supprimiertes basales TSH ist Hinweis auf eine evtl. latente Hyperthyreose. Die Bestimmung der TSHRezeptor-Antikörper ist auch wegen der Auswirkungen auf das Kind notwendig. C5. Es sollte eine Monotherapie mit Thyreostatika in möglichst niedriger Dosierung erfolgen. Die initialen Dosierungen von Thiamazol sollten 15 mg, von Carbiazol 20 mg und von Propylthiouracil 150 mg nicht überschreiten. Die Schilddrüsenhormonkonzentrationen sollen in den oberen Normbereich gesenkt und dann die Dosis reduziert werden; die Dosierung von Thiamazol und Carbimazol soll dann möglichst unter 10 mg, von Propylthiouracil unter 100 mg liegen. Unter solchen Dosierungen wurden bisher weder konnatale Hypothyreosen noch konnatale Strumen noch TSHErhöhungen der Neugeborenen beobachtet. Auf eine Kombinationstherapie mit Thyroxin wird verzichtet, da sie den Thyreostatikabedarf erhöht. C6. Sämtliche Medikamente mit hohem Jodgehalt (>1000 µg/d) wie Kontrastmittel, Desinfizienten, Endokrinologie Informationen 55 ABSTRACTS Sekretolytika, Augentropfen u.a. sind in der Schwangerschaft, unter der Geburt und beim Neugeborenen kontraindiziert. C7. Eine Radiojodtherapie ist selbstverständlich streng kontraindiziert. C8. Indikationen zur Operation in der Schwangerschaft sind – selten – schwere mechanische Symptome, Allergien gegen Thyreostatika und die Notwendigkeit einer hochdosierten thyreostatischen Therapie (s.C5). C9. In der Stillzeit gelten die gleichen Behandlungskriterien wie in der Schwangerschaft. Nur wenn postpartal höhere Thyreostatikadosen nötig sein sollten, dann ist die Therapie auf PTU umzustellen, da sein Übergang in der Muttermilch geringer ist. C10. Neugeborene von Müttern mit Morbus Basedow müssen in den ersten Lebensmonaten gezielt überwacht werden, da sich sowohl eine Hyperthyreose wie eine Hypothyreose entwickeln kann. D. Schilddrüse und Fertilität D1. Eine euthyreote Struma hat keinen Einfluss auf die Fertilität von Mann und Frau. D2. Schilddrüsenfunktionsstörungen können beim Mann zwar Libido und Potenz beeinträchtigen, bedingen aber keine Einschränkung der Fertilität. Die routinemäßige Untersuchung von Schilddrüsenhormonen in der andrologischen Praxis ist nicht sinnvoll außer bei gezieltem Verdacht auf eine gestörte Schilddrüsenfunktion. D3. Die primäre Hypothyreose bei der Frau bedingt nicht nur eine Erhöhung des TSH, sondern auch des Prolaktin. Folge sind Corpus-luteum-Insuffizienz (40 –60%), Amenorrhö (20%) und Galaktorrhö (1–3%). Zyklusstörungen sind bei Hypothyreosen auch ohne Hyperprolaktinämie häufig. D4. Die Fertilität ist eingeschränkt, offenbar auch schon bei subklinischer Hypothyreose, aber nicht aufgehoben. Auch manifest hypothyreote Frauen können schwanger werden. Ihre Behandlung in der Schwangerschaft ist für die Entwicklung des Kindes wichtig. D5. Auch die manifeste Hyperthyreose kann zu Zyklusstörungen, Oligomenorrhö, Amenorrhö und Anovulation führen, die unter adäquater thyreostatischer Therapie reversibel sind. Die Fertilität ist bei Hyperthyreose eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Schwangerschaften, die bei manifester Hyperthyreose eintreten, sind gekennzeichnet durch eine Häufung aller Komplikationen des Schwangerschaftsverlaufes (s. C1–C10). Zentralnervensystem und Schilddrüsenhormone Günter K. Stalla, Maria Tichomirowa und Ludwig Schaaf Max-Planck-Institut für Psychiatrie, Abt. Innere Medizin/Endokrinologie und Klin. Chemie, München Zahlreiche Untersuchungen haben sich in den letzten Jahren mit den Auswirkungen von Schilddrüsenfunktionsstörungen auf Befindlichkeit, kognitive Funktionen, psychopathologische Veränderungen und neurologische Störungen befasst (12). Es existieren dabei mehr Untersuchungen zur Hyper- als zur Hypothyreose an kleineren, heterogenen, meist hospitalisierten Patientengruppen ohne adäquate Kontrollgruppen sowie zahlreiche Kasuistiken. Bei hyperthyreoten Patienten zeigt sich neben emotionalen Symptomen eine Betonung somatischer Beschwerden. Es finden sich neben zunehmender Nervosität, Tremor und motorischer Unruhe, leichte Erschöpfbarkeit, Übermüdung sowie vermehrt Angst und Affektlabilität (7). Bei neuropsychologischen Untersuchungen findet sich eine Verminderung des Kurzzeitgedächtnisses und der non-verbalen, auditiven und visuellen Aufmerksamkeit. Inwieweit eine vollstän- 56 Endokrinologie Informationen dige Erholung kognitiver Funktionen nach Behandlung einer Hyperthyreose vorliegt, bleibt unklar. Auch bei Patienten mit erworbener Hypothyreose zeigt sich neben der allgemeinen Verlangsamung eine Verschlechterung von Gedächtnisfunktionen (10). Auch hier findet sich eine Verminderung des Kurzzeitgedächtnisses und Konzentrationsprobleme. Die hirnorganischen Veränderungen verlaufen langsam progredient und führen unbehandelt zu einer Demenz. Sie können den internistischen und neurologischen Veränderungen vorausgehen (5). Eine Normalisierung kognitiver Parameter wird nach T4-Substitution nicht vollständig erreicht. Im EEG findet sich bei der Hyperthyreose eine Zunahme der Frequenz und Amplitude, eine Vermehrung der ß-Aktivität im Sinne eines Hyperarousals sowie eine Senkung der Krampfbereitschaft. Bei der thyreotoxi- 27 (2003) 2 ABSTRACTS schen Krise kommt es zunehmend zum Auftreten langsamer Rhythmen. Die Hypothyreose zeichnet sich durch bilaterale langsame Wellen aus, die mit einer diffusen hirnorganischen Verschlechterung vereinbar sind. Zudem findet sich ein reduzierter a-Rhythmus und vereinzelt Thetawellen. Schlafstörungen sind bei der Hyperthyreose nicht gut untersucht, obwohl dies klinisch sehr eindeutig ist. Bei der Hypothyreose findet sich eine Verminderung der Tiefschlafphase 3 bei älteren Patienten und Verminderung der Phase 4 bei jüngeren. Häufig ist ein SchlafapnoeSyndrom und eine erhöhte Tagesschläfrigkeit. Ein- und Durchschlafstörungen kommen nur gelegentlich vor (13). Schilddrüsenfunktionsstörungen können wegen den psychischen Auswirkungen, vor allem bei monosymptomatischem Verlauf, als psychiatrische Erkrankungen verkannt werden. Dabei sind es eher die blande verlaufenden Funktionsstörungen, die als psychiatrische Fehldiagnosen verkannt werden können und weniger die akuten Krankheitsbilder des Myxoedemkomas oder der thyreotoxischen Krise mit Delir und Verwirrtheit. Hyperthyreosen werden aufgrund ihrer angstbezogenen psychischen Beschwerden am häufigsten als generalisierte Angststörung oder als Panikstörung verkannt (14). Dies kann anhand der Leitsymptome dieser Angsterkrankung nach DSM-IV leicht nachvollzogen werden. Treten die Beschwerden eher anfallsartig auf, so kann das klinische Bild zur Fehldiagnose einer Panikstörung führen, bei der auch eine Fülle angstgetragener körperlicher Beschwerden auftreten (11). Besonders kompliziert werden die Verhältnisse, wenn sich zu einer Hyperthyreose eine sekundäre Phobie hinzugesellt. Diese entsteht als Ausdruck einer fehlangepassten Verarbeitung der Angstbeschwerden. Sie ist damit das Produkt eines Lernprozesses, der selber nicht primär durch die körperliche Grunderkrankung bedingt ist und deshalb nach Behandlung der Hyperthyreose zumeist einer weiteren psychiatrischen Behandlung bedarf. Bei der Hypothyreose führen die klinischen Beschwerden Leistungsminderung, Müdigkeit, Interesselosigkeit, Antriebsarmut und Konzentrationsschwäche am häufigsten zur Verwechslung mit einer Depression. Nach DSM-IV machen diese Beschwerden die Hälfte des Symptome einer typischen Depression (4), vor allem vom Typ der gehemmten Depression aus (2). Besonders hoch ist das Risiko einer Fehldiagnose bei Patienten, bei denen früher bereits eine psychiatrische Erkrankung abgelaufen ist. Die Entwicklung neuromuskulärer Symptome bei Schilddrüsenfunktionsstörungen ist lange bekannt. Das Muster der möglichen Störungen beschränkt sich 27 (2003) 2 dabei nicht nur auf die bekannten Myopathien, sondern umfasst auch periphere Neuropathien und zentralnervöse Symptome wie epileptische Anfälle und Kleinhirnataxie (6). Die häufigste Beteiligung der Muskulatur bei der Hyperthyreose ist die thyreotoxische Myopathie. Sie präsentiert sich als proximale Schwäche und erst spät im Verlauf mit distaler Muskelbeteiligung. Das EMG zeigt ein typisches Myopathiebild. Histologisch finden sich unspezifische Einzelfaseratrophien und -nekrosen. Belastungsabhängige Paresen sind selten. Es besteht eine Koinzidenz mit der Myasthenie. Wiederkehrende reversible Paresen wie bei der periodischen Paralyse sind gelegentlich nachweisbar. Bei der thyreotoxischen Krise mit akuter zerebraler Verlaufsform zeigt sich neben der Adynamie eine bulbäre Symptomatik – mit generalisierten Krampfanfällen muss gerechnet werden. Selten sind periphere Neuropathien beschrieben worden. Es zeigte sich dabei eine Abnahme des Vibrationsempfindens. Auch die Hypothyreose führt zur Myopathie mit proximalem Befallsmuster (8). Sie lässt sich als Verlangsamung der Kontraktion und Relaxation erkennen, die auch die Reflexe als verzögert erscheinen lässt. Die Kraftentwicklung ist vermindert und erklärt die Schwäche. Atrophien kommen dabei selten vor. Bei der hypothyreoten Myopathie ist die CK erhöht und Myoglobin im Serum nachweisbar. Histologisch zeigen sich Fasernekrosen und -atrophien. Im Gegensatz zur Hyperthyreose sind Polyneuropathien bei der Hypothyreose häufiger. Schmerzhafte sensible Störungen, teilweise bedingt durch Engpasssyndrome wie das Karpaltunnelsyndrom, bilden die Hauptbeschwerden. Anders als bei der Myopathie sind die Symptome an den distalen Extremitäten lokalisiert. Eine Abschwächung der Reflexe ist charakteristisch. Im Bereich der Hirnnerven sind eine leichte Ptosis und Hörminderung häufig. Gelegentlich finden sich zerebelläre Zeichen wie Gangunsicherheit, Dysarthrie und Störung von Zielbewegungen. Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen sind laborchemisch euthyreot (9). Allerdings haben verschiedene Studien diskrete Auffälligkeiten beschrieben, die nicht spezifisch für eine Erkrankung waren. Es zeigten sich leicht erhöhte T4- bzw. fT4-Werte und leicht erniedrigte T3- bzw. fT3-Werte bei normalem oder leicht erhöhtem basalen TSH mit verminderter Stimulierbarkeit im TRH-Test. Diese nicht immer reproduzierbaren Ergebnisse können durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden wie chronischem psychischem Stress, Hunger, Altersfaktoren, Hypercortisolismus und verschiedene Medikamente (Dopaminantagonisten, Lithium, Carbamazepin u.a.). Interessant ist ein Endokrinologie Informationen 57 ABSTRACTS Befund, der erhöhte TRH-Konzentrationen im Liquor depressiver Patienten beschrieb. 2. Psychotrope Effekte niedrigdosierter T3/T4-Therapie als Zusatz zu einer antidepressiven Standardbehandlung wurde häufig untersucht (3). Sie haben im Hinblick auf ihre klinische Relevanz zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt. Viel versprechend sind vorläufige Berichte über eine erfolgreiche Phasenprophylaxe mit hochdosiertem Thyroxin bei therapieresistenten Rapidcycling-Patienten (1). Wie lassen sich die Effekte der Schilddrüsenhormone auf das ZNS durch Ergebnisse der Grundlagenforschung erklären? An Wirbeltieren wurde gezeigt, dass T3 von der grauen Substanz aufgenommen wird und über einen axonalen Transport später auch in der weißen Substanz nachweisbar wird. Nach T4-Gabe erfolgt eine Anreicherung erst nach Dejodierung zu T3. Die Verteilung der Dejodaseisoenzyme im ZNS ist regionenspezifisch. Die höchste Aktivität der 5´-II-D wurde im Zerebellum, Hippokampus, Kortex und Septum gemessen. Die Inkubation mit T4 führt zu einer Hemmung des Enzyms. Bei der Hypothyreose kommt es zu einer Stimulation von 5´-II-D (erhöhte T3-Produktion) und Inhibition von 5-III-D (T3-Abbau vermindert). Diese Autoregulation schützt das ZNS für gewisse Zeit vor peripheren Funktionsstörungen. 65% der T3-Konzentration im Gehirn entsteht aus lokaler T4-Dejodierung, was bedeutet, dass die peripheren T4-Spiegel die wesentliche Rolle für die Schilddrüsenfunktion im Gehirn spielen. Nukleäre T3-Bindungsstellen sind im Kortex 5-mal häufiger als im Hypothalamus. Eine Vielzahl von Einzeleffekten der Schilddrüsenhormone im ZNS auf noradrenerge, serotonerge und dopaminerge Rezeptorfunktionen und verschiedenste Second messenger-Systeme sind nachgewiesen. Diese Effekte sind allerdings topografisch spezifisch und in ihrer funktionellen Bedeutung ungeklärt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass verschiedene Antidepressiva und Phasenprophylaktika durch Stimulation von 5´-II-D oder Inhibition von 5-III-D T3-Konzentrationen in verschiedenen Arealen des ZNS der Ratte erhöhen. Dies könnte ein Teilmechanismus des biochemisch unverstandenen Wirkmechanismus der Antidepressiva und Phasenprophylaktika sein. Die Verzahnung von Schilddrüsenfunktionsstörungen, ZNS-Effekten und neuropsychiatrischen Erkrankungen belegt die Notwendigkeit, weitere Forschungsansätze zu unterstützen, um klinisch relevante Ergebnisse zu erzielen. Literatur 1. Altshuler LL, Bauer, M, Frye MA, Gitlin MH, Mintz J, Szuba MP, Leight KL, Whybrow PC: Does thyroid supplementation accelerate tricyclic antidepres- 58 Endokrinologie Informationen 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. sant response? 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Karl-Michael Derwahl Die metabolischen und zentralen Funktionen von Schilddrüsenhormonen erklären die vielfältigen psychischen und psychophysischen Veränderungen im Rahmen von Schilddrüsenfunktionsstörungen. Dazu gehören bei der Hyperthyreose die vermehrte Reizbarkeit, Angstgefühle, Depressionen, Schlaflosigkeit, Agitiertheit und die Hitzeintoleranz und bei der Hypothyreose Störungen der Gedächtnisfunktion, Müdigkeit bis zur Somnolenz, Depressionen und die Kälteintoleranz. Häufig sind diese Symptome wegweisend für Schilddrüsenfunktionsstörungen, insbesondere wenn diese Symptome isoliert ohne die sonstigen charakteristischen organischen Symptome für eine Hyperthyreose und Hypothyreose auftreten. Da diese Symptome relativ uncharakteristisch sind und von vielen Patienten auch ohne Schilddrüsenerkrankungen beschrieben werden, ist es besonders wichtig, immer differenzialdiagnostisch auch eine Schilddrüsendysfunktion in Betracht zu ziehen. Psychische Aspekte in der Pathogenese des Morbus Basedow Schon seit Jahrhunderten werden psychische und psychosoziale Faktoren für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich gemacht. Jedoch erst durch die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie, ergaben sich Ansätze für die Interpretation der Interaktion zwischen dem Immunsystem und dem zentralen Nervensystem (Ader et al. 1995). Zu den stressbedingten Störungen des immunologischen Äquilibriums gehören insbesondere Störungen der zellulären Effekte mit Verlust der antigenspezifischen T-Suppressor-Zellfunktion, eine intrinsische Zellhyperaktivität, eine defekte klonale Inaktivierung unreifer autoreaktiver B-Lymphozyten, eine Toleranzverlust autoreaktiver T-Zellen, eine gestörte Balance zwischen T-Helfer-Zellen (TH1) und TH2-Zellen und eine mikrobielle Antigenstimulation mit Kreuzreaktivität des Antigens zur körpereigenen Proteinen. Schon von den Erstbeschreibern des Morbus Basedow Parry, Graves und Basedow wurde die Bedeutung des Stresses als Auslöser des Morbus Basedow diskutiert (Rosch 1992). Zahlreiche, zum Teil sehr widersprüchliche epidemiologische Studien wurden seit dieser Zeit zu diesem Thema veröffentlicht (Übersicht: Rodewig 1993). 27 (2003) 2 Erst seit Mitte der 80er-Jahre wurden statistisch einwandfreie, standardisierte und erst seit den neunziger Jahren randomisierte Untersuchungen durchgeführt, die in ihrer Mehrzahl einen Zusammenhang zwischen psychischen Alterationen und der Auslösung einer Basedow-Hyperthyreose nachweisen konnten. Zu den genannten Stresserlebnissen, die häufiger in der prämobiden Phase des M. Basedow nachweisbar sind, gehören eine starke Arbeitsbelastung (Zweitjob, Überstunden), Konflikte im Arbeitsbereich, Arbeitslosigkeit, Konflikte im privaten, insbesondere im häuslichen und familiären Bereich, Krankenhausaufenthalte von Angehörigen und finanzielle Schwierigkeiten (Radosavljevic et al. 1996). Ein wesentlicher Einwand gegen die Interpretation eines Zusammenhangs zwischen derartigen Stresserlebnissen und dem Ausbruch einer Autoimmunerkrankung ist der Umstand, dass in der prämorbiden Phase aufgrund bereits bestehender latenter Funktionsstörungen das Erleben, die Wahrnehmung und das daraus resultierende Verhalten verändert sein und so die sogen. Stresserlebnisse provozieren können. In einer jüngsten Studie von Matos-Santos u. Mitarb. (2001) konnte im Vergleich von Patienten mit einem M. Basedow und einer Hyperthyreose bei autonomer Knotenstruma dieser Einwand jedoch z.T. widerlegt werden. Diese Autoren zeigten, dass unabhängig von der möglicherweise bestehenden latenten Hyperthyreose sechs Monate vor Manifestation der Erkrankung ungleich häufiger derartige Stresserlebnisse bei Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar sind. Psychische Aspekte in der Behandlung des Morbus Basedow Schon 1992 konnten Harsch u. Mitarb. nachweisen, dass bei Patienten mit einem M. Basedow in der Phase der Hyperthyreose und unter Therapie noch 2–4 Monate in der bereits euthyreoten Phase das Verhältnis peripherer Lymphozyten-Subpopulationen gestört ist. Bei Patienten, die in verschiedenen Testverfahren höhere Werte hatten für Ängstlichkeit und Depression, fand sich ein pathologisches Verhältnis von T-Helfer- zu T-Suppressorzellen als Ausdruck der veränderten Immunität, während Patienten mit einem normalen THelfer-/T-Suppressorzellverhältnis geringere Werte für Ängstlichkeit und Suppression aufwiesen. Yoshiuchi u. Mitarb. (1989) konnten nachweisen, dass dieser Zusammenhang offenbar auch im Verlauf der thyreostatischen Therapie wirksam ist, insofern, als dass der Endokrinologie Informationen 59 ABSTRACTS Erfolg einer thyreostatischen Therapie auch von psychischen Konflikten und Irritationen abhängt. Hypothyreose und Psyche Verschiedene klinische Zeichen und Symptome einer Hypothyreose, wie z.B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Störung des Gedächtnisses sind auch bei Depressionen nachweisbar (Übersicht bei Jackson 1996, 1998). Andererseits kann eine Depression verstärkt oder sogar durch eine unerkannte manifeste Hypothyreose (Kabadi 1997) hervorgerufen werden. Von Therapiestudien ist ferner bekannt, dass die Gabe von Schilddrüsenhormonen die zentrale 5Hydroxytryptamin-Aktivität erhöht und auf diese Weise depressive Symptome vermindert (Sullivan et. al. 1997). Zahlreiche Symptome einer manifesten Hypothyreose sind bereits in geringer Ausprägung bei latenten Störungen nachweisbar und werden in der klinischen Praxis häufig übersehen (Baldini et al. 1997). Dies ist besonders gravierend für Patienten mit sehr ausgeprägten Depressionen und einer latenten Hypothyreose, da diese Patienten im allgemeinen schlecht auf eine antidepressive Therapie ansprechen (Joffe und Levitt 1992). Ein enger Zusammenhang zwischen einer latenten Hypothyreose ist aber nicht nur für Depressionen, sondern auch für bipolare oder manisch-depressive Erkrankung beschrieben worden (Hickie et al. 1996). Eine Studie von Monzani u. Mitarb. (1993) hat bei Patienten mit latenter Hypothyreose sehr eindrucksvoll gezeigt, dass durch eine Therapie mit Levothyroxin die aufgetretenen neuropsychologischen Störungen deutlich gebessert werden können. Besonders im Alter werden neuropsychologische und physiologische Veränderungen wie Verlangsamung, Verschlechterung der Gedächtnisfunktion, Antriebsarmut, Müdigkeit, Verwirrung und Veränderungen der 60 Endokrinologie Informationen Wahrnehmungsfähigkeit häufig dem natürlichen Alterungsprozeß zugeschrieben. Zwar sind Hypothyreosen bei Patienten mit Depressionen insgesamt nicht sehr häufig (etwa 2–5% aller Patienten; Ordas et al. 1995), andererseits leiden aber 56% aller Patienten mit latenter Hypothyreose unter depressiven Phasen im Vergleich zu nur 20% ohne Schilddrüsenfunktionsstörungen (Haggerty et al. 1993). Daher sollte gerade bei älteren Patienten mit Depressionen durch die Bestimmung von TSH eine latente oder sogar manifeste Hypothyreose ausgeschlossen werden. Psychopharmaka und Schilddrüsenfunktion Insbesondere trizyklische Antidepressiva und antipsychotisch wirksame Phenothiazine beeinflussen die Schilddrüsenfunktion, indem sie mit den verschiedenen Schritten der Schilddrüsenhormonbiosynthese (jüngste Übersicht bei Sauvage et al. 1998) interagieren. Diese Medikamente hemmen die Jodidaufnahme und die Schilddrüsenperoxydase und führen so zu einer verminderten Synthese von T3 und T4. Auf der anderen Seite steigern sie die Dejodierung von T4 zu T3 oder/und zu reverse-T3 durch eine Stimulation der Dejodase-Aktivität. Trizyklische Antidepressiva interferieren ferner über das noradrenerge und serotonerge System direkt mit der Hypothalamus-HypophysenSchilddrüsenachse und können so die T3- und T4Spiegel vermindern. Prof. Dr. med. Karl-Michael Derwahl Medizinische Klinik St. Hedwig Kliniken GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Humboldt-Universität Große Hamburger Str. 5–11 10115 Berlin Tel. 030/2311-2503 Fax: 030/2311-2324 E-mail: [email protected] 27 (2003) 2 ABSTRACTS Schilddrüsenerkrankungen und Haut/Hautanhangsgebilde Reinhard Finke Die Haut ist das größte und schwerste menschliche Organ, die Schilddrüse ist mit durchschnittlich 15 g Gewebe vergleichsweise klein. Schilddrüsenhormonrezeptoren wies man in fast allen Zelltypen nach, die beim Aufbau der Haut und Haarfollikel eine Rolle spielen. Schilddrüsenhormone haben wesentliche Einflüsse auf die Haut und den Haarwuchs, beim Tier beispielsweise auf die Mauser. Es gibt diverse Hauterkrankungen, z.B. Vitiligo, Alopezia areata und mukokutane Candidiasis, die überzufällig häufig gleichzeitig mit Autoimmunthyreopathien, Morbus Basedow, primäres Myxödem oder Hashimoto-Thyreoiditis, auftreten. Ein prätibiales Myxödem (Dermopathie) ist selten, aber charakteristisch beim Morbus Basedow, die so genannte endokrine Orbitopathie ist dagegen viel häufiger. Die zweite Verbindung Schilddrüse–Haut/Haare ist pathophysiologisch: Erniedrigte oder erhöhte Schilddrüsenhormonspiegel bedingen typische Veränderungen an der Haut und deren Anhangsgebilden, reversibel durch adäquate Hormonsubstitution bzw. thyreostatische Therapie. Haut Wachstum und Differenzierung der Haut und Anhangsgebilde stehen unter anderem unter dem Einfluss der Schilddrüsenhormone, insbesondere die Replikation der epithelialen Hautzellen. Spärliche Experimente an Fibroblastenkulturen der Haut weisen darauf hin, dass Triiodthyronin die Glukoseutilisation und Laktatproduktion zeit- und konzentrationsabhängig steigert. Haare Die Haardicke variiert zwischen 1/40 und 1/10 mm, der Haarwuchs läuft zyklisch ab mit Anagenphase über etwa 3–5 Jahre, der Catagen- (3 Wo.) und schließlich der Telogenphase (3–4 Monate), anschließend fallen Haare physiologischerweise aus. Der Anteil der Haare im Telogenstadium, abhängig von Haardicke, Geschlecht und Alter, kann stark schwanken (0 bis 87% beim Mann bzw. 3 bis 51% bei der Frau). Bei dicken Haaren sind 94% im Anagenstadium. Täglich fallen 50–100 Haare aus. Erwachsene haben auf dem Kopf 80–330 Haare/cm2, insgesamt etwa 100000 Kopfhaare. Während einer Schwangerschaft sind deutlich weniger Haare in den Ruhephasen, während sich postpartal der Anteil der Telogenhaare wieder verdreifacht. Die Haar- 27 (2003) 2 wuchsgeschwindigkeit ist mit 0,34–0,35 mm/Tag bei Männern wie Frauen und unabhängig von der Haardichte relativ konstant. Neben dem Kollagen (70%) machen die Glycosaminoglycane nur 1–1,5% der Hauttrockenmasse aus, 90% sind Dermatansulfat und Hyaluronsäure, 10% Chondroitinsäure und nur Spuren Heparansulfat. Haut und Haare bei Hyperthyreose Hautsymptome werden von knapp 20% aller hyperthyreoten Patienten angegeben. Die Haut ist warm, weich, feucht oder schweißig, glatt und leicht rosig. Die Körperkerntemperatur ist angehoben, ein dauerhaftes Schwitzen besteht. Die epidermale Zellteilungsrate ist rasch reversibel beschleunigt. Auch Pruritus (10%), Urtikaria, Dermographismus und generalisiertes Erythem wurden bei Hyperthyreose beobachtet. Fast alle Zellen der Haut und deren Anhangsgebilde sind mit Schilddrüsenhormonrezeptoren versehen, Voraussetzung für die Entfaltung der Schilddrüsenhormonwirkungen. Bis zu 40% der HyperthyreosePatientinnen beklagen Haarausfall. Dabei korreliert das Ausmaß des Haarverlusts weder mit dem Schweregrad anderer Symptome der Hyperthyreose noch mit der Höhe der Serum-Hormonspiegel. Die Haare wirken dünner und feiner. Die Fingernägel sind glänzend, weicher, brüchiger, weil die keratinisierende Nagelmatrix gestört ist. Das Wachstum ist beschleunigt, es entstehen longitudinale Rillen und Onycholysen. Mögliche Nebenwirkungen an der Haut unter thyreostatisch wirksamen Medikamenten der Thionamidgruppe sind anhaltender Haarausfall (vermutlich eher auf die Hyperthyreose zu beziehen), Exanthem mit Pruritus, unter 40 mg fast doppelt so oft wie unter 10 mg Bei Neugeborenen von Müttern, die in der Schwangerschaft mit Thiamazol behandelt wurden, sind Einzelfälle von Aplasia cutis aufgetreten. Haut und Haare bei Hypothyreose Eindrucksvoll und häufig sind die Hautveränderungen bei unbehandelter Hypothyreose. Die kühle Haut ist gespannt, wächsern, verdickt, blass. Sie ist trocken, rau und schuppig. Die Epidermis ist verdünnt, das Stratum corneum zeigt eine Hyperkeratose Die Gesichtshaut sieht ödematös aus, z.B. Augenlider, die „intrazellulären Ödeme“ lassen sich jedoch nicht wegdrücken. Das biochemische Korrelat bilden saure Mucopolysaccharide, Hyaluronsäure und Chondroitin- Endokrinologie Informationen 61 ABSTRACTS sulfat, sezerniert von Fibroblasten und/oder Mastzellen der Haut. Die Körperkerntemperatur bei Hypothyreose ist herabgesetzt. Das Haar ist trocken, rau und stumpf, nichtfettend, schwach und fällt wie bei Hyperthyreose vermehrt aus. Im Tierversuch fehlen nach Thyreoidektomie Haarwuchs und Beginn der Mauser, reversibel durch exogene Thyroxin-Gabe. Nägel können dünn, brüchig oder deformiert sein, insbesondere werden verlangsamter Wuchs, longitudinale und transversale Furchen beobachtet. Die Schweißsekretion ist ein wichtiges Glied in der sehr engen Regulation der zentralen und peripheren Körpertemperaturregulation. Verminderte Schweißsekretion ist ein auch subjektiv leicht bemerktes Symptom der Hypothyreose. Bei einer Untersuchung an 152 Patientinnen mit diffusem Effluvium hatte man im Saarland bei 78% Strumen und andere „Jodspeicherkrankheiten“ gefunden; bei der Mehrheit dieser Frauen normalisierte die Thyroxingabe den Haarausfall. Statements in einem Textbuch wie „Normalisierung des Haarwuchses in der Mehrzahl der Patienten nach L-Thyroxin-Substitution können als Beweis für die kausale Verknüpfung angesehen werden“ sind in heutigen Zeiten der „Evidence based medicine“ nicht mehr akzeptabel (Zaun und Perret 1979). Prätibiales Myxödem und Akropachie Das lokalisierte Myxödem besteht aus einer umschriebenen Akkumulation von Glycosaminoglycanen, vor allem Hyaluronsäure (90% vs. 5% in normaler Haut), und bildet eine infiltrative, knotig-fleischig imponierende, dunkelrote, selten nässende Schwellung symmetrisch an Fußrücken und der prätibialen Region. Es tritt bei Patienten mit gleichzeitiger (zumeist schwerer) endokriner Ophthalmopathie auf, immer sind die Titer der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAk) stark erhöht. Als Akropachie bezeichnet man die schmerzlose Schwellung der Weichteile im Finger- und Zehenbereich mit keulenartiger Auftreibung der Endgelenke durch echte subperiostale Neubildung mit knotiger Fibrose und fibrosiertem Knochenmarkraum. Assoziation zwischen Haut- und Schilddrüsenerkrankungen Alopecia areata, Vitiligo und chronische Urtikaria treten bei Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis leicht häufiger auf. Organmanifestationen der polyglandulären Autoimmun-Syndrome sind neben autoimmunen Endokrinopathien auch mukokutane Candidiasis oder Alopezie. Weitere statistisch auffällige Häufungen autoimmuner Schilddrüsenerkrankungen bestehen mit Urtikaria, Xanthelasmen, systemischem Lupus erythematodes, Ekzem, Onycholyse. Eine Sonderform stellt die hypohidrote ektodermale Dysplasie dar mit Hypothyreose, Nageldystrophie, Alopezie, Sommersprossen und weiteren Störungen am Auge, GI-Trakt und der Lunge. Priv.-Doz. Dr. Reinhard Finke Praxisgemeinschaft an der Kaisereiche Wilhelm-Hauff-Str. 21 12159 Berlin Tel.: 030-859536-0, Fax: -11 E-mail: [email protected]; www.kaisereiche.de Medikamentöse Therapie der Hyperthyreose G. Brabant Abt. Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Die medikamentöse Therapie einer Hyperthyreose ist unverändert die erste Therapieoption bei einer neu entdeckten Erkrankung. Nur in den glücklicherweise selten gewordenen Krisensituationen wie der thyreotoxischen Krise und bei ausgeprägter Jodkontamination wird eine direkte chirurgische Intervention durchgeführt. In nahezu allen anderen Fällen wird zunächst medikamentös behandelt. Die klinisch wichtigste Gruppe an Therapeutika sind Thionamide, daneben werden Perchlorat, Lithium und 62 Endokrinologie Informationen Jod selbst eingesetzt. Üblicherweise werden die Thionamide als primäre Therapieoption angesehen. Hierzu zählen Propylthiouracil und Methimazol bzw. dessen Vorläufermolekül Carbimazol, welches primär über die Leber zu Methimazol aktiviert werden muss (10 mg Carbimazol werden in ca. 6 mg Methimazol umgewandelt). Diese Substanzen werden nahezu vollständig intestinal aufgenommen und aktiv in die Schilddrüse transportiert, wo sie vorwiegend die um die Tyrosylreste des Thyroglobulins konkurrieren und somit die Organifikation von Jod verhindern. Darüber hinaus wur- 27 (2003) 2 ABSTRACTS den in In-vitro-Studien Effekte auf das Immunsystem beschrieben, welche sich allerdings auch nach neuen Daten einer von der Sektion Schilddrüse initiierten Studie (Hörmann Thyroid im Druck) nicht auf die In-vivoSituation übertragen lässt. In prospektiven Untersuchungen zur Wirksamkeit zeigt sich klar, dass niedrige Dosen von Thionamiden ausreichend und effektiv sind, wenn die Erkrankung eine langsame Absenkung der Schilddrüsenhormonspiegel zulässt. Vorteil der niedrigen Dosis (10 mg Methimazol) ist eine deutlich niedrigere Rate an Nebenwirkungen. Basisdosis bei einer unkomplizierten Hyperthyreose ohne vitale Gefährdung sollten daher im Regelfall 10 mg Methimazol/Carbimazol oder 3x50 mg Propylthiouracil p.o. sein. Da Thionamide mit Jod um die Tyrosylreste des Thyroglobulins konkurrieren wird verständlich, dass die Dosis bei Jodkontamination wesentlich höher sein muss. Folge ist eine klar erhöhte Rate an Nebenwirkungen der Therapie. Trotzdem stellt die hochdosierte medikamentöse Therapie oft die einzige Behandlungsoption insbesondere bei Patienten mit kardialen Problemen dar. Neben einer Applikation von jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln ist die Gabe von Amiodarone, das große Menge an Jod enthält, häufig Ursache einer Jodkontamination. Da die kardial kompromitierten Patienten durch eine üblicherweise früh gewählte chirurgische Intervention gefährdet sind, werden hier mit guten Erfolgsraten Thionamide hochdosiert z.T. intravenös eingesetzt, um eine euthyreote Stoffwechsellage wiederherzustellen (Osman et al. Circulation 105:1275, 2002). Beim Typ II der Amiodarone induzierten Hyperthyreose sollten zusätzlich Glukokortikoide gegeben werden. Schließlich finden sich Hinweise, dass der Einsatz von oralen Gallekontrastmitteln, welche allerdings hier kaum noch erhältlich sind, die Hyperthyreose positiv beeinflussen kann (Chopra & Baber JCEM 86:4707, 2001). Ähnliche Vorgehensweisen gelten für Propycilthiouracil. Aufgrund der kürzeren Halbwertszeit muss Propycilthiouracil mehrfach täglich mindestens zweimal gegeben werden. Wie Methimazol kumuliert Propycilthiouracil in der Schilddrüse und wirkt dort vergleichbar zu Methimazol. Zusätzlich wird die Konversion von Thyroxin zum aktiven Trijodothyronin in der Peripherie blockiert. Wichtigste Nebenwirkung der Therapie (% der Behandelten) mit Thionamiden sind Hautsymptome (5,6%), Effluvium (4,1%), Arthropathien (1,6%), gastrointestinale Symptome (0,9%), Leberschäden (0,8%) und Leukopenien (0,4%) (MeyerGessner DMW 114:166, 1987). Natriumperchlorat wird wegen seiner Nebenwirkungen (Agranulozytose, Magenbeschwerden) zumeist nur in Kombination mit Thionamiden bei der Prophylaxe einer Jodkontamination eingesetzt. Über seine Interaktion mit dem Natrium-Jodid-Symporter verhindert Perchlorat die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse und erhöht über eine fehlende Organifikation die Ausschleusung von Jodid. In einer Dosis von 3x15 Tropfen (3x300 mg) p.o. wird Kaliumperchlorat deshalb in Kombination mit Thionamiden 1 Tag vor Beginn einer geplanten Jodapplikation eingesetzt und nach den wenigen verfügbaren Studien über ca. 1 Woche fortgesetzt. Schließlich kann über eine Blockierung der Schilddrüsenhormonsynthese durch hohe Gaben von Jodid (Wolff-Chaikoff-Effekt) ein passagerer Abfall der Schilddrüsenhormone erreicht werden. Dies scheint durch eine Inhibition der spezifischen Schilddrüsenoxidasen, ThOx1,2 erreicht zu werden (Miot J Endocrinol Invest 25[Suppl 7]:17, 2002). Problem dieses als Plummerung bezeichneten Verfahrens ist, dass ein sogenanntes Escapephänomen mit Wiederanstieg von ThOx1,2 die klinische Situation nach 8–14 Tagen erheblich wieder verschlechtern kann. Als Therapeutikum wird Lugol´sche Lösung 3 x 0–1 bis 0.–3 ml (mindestens 5–10 Iodid mg/d) oder gesättigte Kaliumiodidlösung eingesetzt. Therapie der Hyperhyreose: Radiojodtherapie H.-J.Biersack, Bonn In den USA wurde die Radiojodbehandlung bereits vor etwa 60 Jahren erstmals angewandt. In Deutschland konnte dann ab 1949 dieses Verfahren bei der Hyperthyreose zum Einsatz kommen. Man kann damit feststellen, dass es sich bei der Radiojodbehandlung um ein Verfahren handelt, welches in Europa seit über 27 (2003) 2 50 Jahren in nahezu unveränderter Form durchgeführt wird, abgesehen natürlich von geänderten Vorgaben durch die jeweils geltende Strahlenschutzverordnung. Lediglich in Bezug auf die Dosimetrie wurden im Laufe der Jahrzehnte unterschiedliche Verfahren eingesetzt, wobei jedoch festzustellen ist, dass die Überlegenheit Endokrinologie Informationen 63 ABSTRACTS des einen oder anderen dosimetrischen Vorgehens dann kontrovers diskutiert wurde. Allerdings wird auch in den USA in der Regel immer auf den RadiojodUptake zurückgegrifffen. Die amerikanische Gesellschaft für Nuklearmedizin empfiehlt in ihren „Procedure Guideli-nes“ Aktivitätsmengen von 2,96–7,4 MBq (80–200 -Ci) pro Gramm Schilddrüsengewebe. Hierbei werden die hohen Dosen für Patienten mit Knotenstrumen, großen diffusen Strumen und Wiederholungstherapien vorgeschlagen. Von wesentlicher Bedeutung ist natürlich auch die biologische Halbwertszeit, die bei den verschiedenen gutartigen Schilddrüsenerkrankungen sehr variieren kann. Dennoch konnten für die verschiedenen Entitäten charakteristiche Halbwertszeiten ermittelt werden. Hieraus geht auch hervor, dass natürlich das zu bestrahlende Volumen die applizierte Aktivitätsmenge in erheblichem Umfang mit bestimmt. Für die Do-siskalkulation werden deshalb die folgenden Verfahren eingesetzt: – – – – „Fixed dose“ 24-h-Uptake + Volumen Testverlauf über mehrere Tage + Volumen 24-h-Uptake + empirische Halbwertszeit + Volumen Aus logistischen Gründen ist es häufig problematisch, einen Testverlauf über mehrere Tage durchzuführen. Es konnte daher gezeigt werden, dass der Uptake nach 5 und 9 Tage sehr gut mit dem Ergebnis eines mehrtägigen Testverlaufes korreliert. Dennoch sind trotz differenzierter Dosimetrie etwa in 20–30% der Fälle entweder Rezidive oder Persistenz der Hyperthyreose zu beobachten. Aus diesem Grunde werden insbesondere bei der immunogenen Hyperthyreose in den letzten Jahren zunehmend ablative Verfahren empfohlen, wobei auch die Hypothyreose als Therapieerfolg angesehen wird. In letzter Zeit wurde dann auch der TechnetiumUptake dazu herangezogen, die Strahlendosis (100–300 Gy) zur Behandlung der Autonomie festzulegen. Unter Einsatz dieser Verfahren ergeben sich befriedigende Resultate: Die Erfolgsrate liegt bei etwa 95%, die Hypothyreoserate innerhalb des 1. Jahres bei 1%. Die Ergebnisse der Rostocker und Bonn/ Freiburger Arbeitsgruppe liegen hierbei verblüffend nah beieinander. Solche Dosis-Kalkulationsverfahren unter Einsatz des Technetium-Uptake wurden auch bei der immunogenen Hyperthyreose eingesetzt. Hierbei wurden Zieldosen zwischen 150 und 300 Gy angestrebt. Rechnet man die Hypothyreose zum Therapieziel, so 64 Endokrinologie Informationen konnten bei Dosen zwischen 150 und 200 Gy Erfolgsraten um 75% erzielt werden. Bei 300 Gy lag die Erfolgsrate dann über 90%, etwa entsprechend den Autonomien. Bei Dosen unter 300 Gy lag die Rate für persistierende Hyperthyreosen bei etwa 25%, sie sank bei 300 Gy auf ca. 8%. Auch war die relative Volumenreduktion bei 300 Gy wesentlich größer als bei 150 und 200 Gy. Diese Zahlen machen deutlich, dass bei der Behandlung des Morbus Basedow relativ hohe Dosen – etwa 300 Gy – anzuwenden sind. Diesen hervorragenden Ergebnissen steht eine nur geringe Rate von Nebenwirkungen gegenüber. So konnte eine englische Arbeit kürzlich die Langzeitergebnisse von ca. 7500 Patienten, die zwischen 1950 und 1991 mit Radiojod behandelt worden waren, zusammenstellen. Diese Daten wurden mit einem allgemeinen Krebsregister für Wales und England verglichen. Die Radiojod-behandelten Patienten entwickelten nur 634 bösartige Tumoren bei erwarteten 761 Fällen. Auch das relative Risiko für eine Krebserkrankung war niedrig: 448 Patienten starben an Krebs, 499 Patienten wären zu erwarten gewesen. Lediglich bei Dünndarmtumoren und Schilddrüsenkrebs fanden sich leicht erhöhte Erkrankungsraten. Bei den 7500 Patienten sind zwar insgesamt 9 Schilddrüsenkarzinome aufgetreten, allerdings war in nur 4 Fällen eine mindestens 10-jährige Latenz zu beobachten. Dennoch sollten Patienten mit gutartigen Schilddrüsenerkrankungen, die Radiojod behandelt wurden, entsprechend langfristig nachgesorgt werden. Literatur 1. Franklyn JA, Maisonneuve B, Sheppard M, et al: Cancer incidence and mortality after radioiodine treatment for hyperthyroidism: A populationbased cohort study. Lancet 1999; 353: 21112115 2. Meier DA, Brill DR, Becker DV, et al: Procedure guideline for therapy of thyroid disease – iodine131. J Nucl Med 2002; 43: 856-861 3. Reinhardt MJ, Joe AY, von Mallek D, et al: Dose selection for radioiodine therapy of borderline hyperthyroid patients with multifocal and disseminated autonomy on the basis of Tc-99m Pertechnetate thyroid uptake. Eur J Nucl Med 2002; 29: 480-485 4. Reinhardt MJ, Brink I, Joe AY, et al: Radioiodine therapy in Graves´ disease based on tissueabsorbed dose calculations: Effect of pre-treatment thyroid volume on clinical outcome. Eur J Nucl Med 2002; 29: 1118-1124 27 (2003) 2 ABSTRACTS Therapie der Hyperthyroese: Operation Thomas Steinmüller Indikation Die beiden häufigsten, auch einer chirurgischen Therapie zugänglichen Hyperthyreoseformen sind 1. die immunogene Hyperthyreose vom Typ Morbus Basedow und 2. die Hyperthyreose bei unifokaler, multifokaler oder disseminierter Autonomie (Morbus Plummer). Weitere Formen der Hyperthyreose bedürfen nur in Ausnahmefällen einer chirurgischen Intervention. Die manifeste thyreotoxische Krise erfordert in erster Linie eine intensivmedizinische Betreuung, kann aber, vor allem im Falle einer jodinduzierten Entgleisung, eine notfallmäßige Operation erforderlich machen. Nach bildgebender und laborchemischer Diagnostik und Erzielung einer eindeutigen Diagnose ist bzgl. der Indikationsstellung zur Operation alternativ die Radiojod-Therapie in Erwägung zu ziehen. Der operativen Therapie einer Hyperthyreose wird immer dann der Vorzug gegeben werden, wenn drei Forderungen zu erfüllen sind: auch dafür, dass die frühzeitige Operation bei Basedow-Patienten mit schwerer endokriner Orbidopathie die Augensymptome güpstig beeinflusst. Operationsvorbereitung Unabhängig von der Hyperthyreoseursache müssen nichtjodinduzierte Hyperthyreosen thyreostatisch behandelt werden, bis eine klinisch euthyreote Stoffwechsellage eingetreten ist. Bei leichter Hyperthyreose kann mit einer BetaBlockade allein eine suffiziente Vorbereitung erreicht werden. Die sog. Plummerung (hochdosierte Jodid-Vorbehandlung zur Reduktion der Schilddrüsendurchblutung) ist weitgehend verlassen; im Falle einer derartigen Vorbehandlung muß die Operation innerhalb von 8–10 Tagen erfolgen: Bei jodinduzierten Thyreotoxikosen, thyreotoxischen Krisen oder bei sehr schweren Nebenwirkungen einer thyreostatischen Therapie kann die operative Behandlung auch im hyperhyreoten Zustand erfolgen. Im Zeitalter mündiger Patienten und weit verbreiteter unspezifischer Strahlenangst ist nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch auch der spezielle Wunsch der Patientinnen und Patienten entscheidend. Operationsstrategie Insgesamt hat sich die sog. „junktionsorientierte Operationsweise“ durchgesetzt. Bei autonomer hyperthyreoter Knotenstruma erfolgt eine selektive Resektion unter Belassen eines möglichst normalen Schilddrüsengeweberestes. Das solitäre autonome Adenom soll selektiv exstirpiert werden, eine Lappenteilresektion unter Einbeziehung des Adenoms ist der noch immer weit verbreiteten Enukleation aus technischen und topographischen Gründen vorzuziehen. Bei der multifokalen und mehrknotigen Autonomie in insgesamt nodöser Struma ist eine beidseitige Resektion unter Zurückbelassung tatsächlich nur normaler Drüsengewebsanteile erforderlich. Diese kann als subtotale Resektion beidseits erfolgen; günstig ist häufig auch die Hemithyreoidektomie mit kontralateraler subtotaler Resektion. Auch bei der disseminierten, ohne erkennbare Knotenbildung einhergehenden Autonomie empfiehlt sich die subtotale Schilddrüsenresektion. Liegt eine muttifokate Autonomie vor, so spricht in der Regel die Größe der Struma wie auch das simultane Vorliegen von kalten Knoten eher für eine Schilddrüsenoperation. Bei der Basedow-Hyperthyreose spricht ebenfalls eine große Struma eher für die Operation; im Falle des Kinderwunsches jüngerer Frauen bietet die primäre chirurgische Behandlung maßgebliche Vorteile gegenüber einer ihrer Dauer unkalkulierbaren medikamentösen Langzeitbehandlung. Einige Daten sprechen Bei der Basedow-Hyperthyreose wird heute generell die ausgedehnte subtotale Schilddrüsenresektion mit kleinem Rest als Verfahren der Wahl angesehen. Die Rezidivhäufigkeit steht in einem direkten Verhältnis zur Größe des Gesamtrestes. Dieser sollte in der Regel kleiner als 5 mi sein. In spezialisierten Zentren hat sich die Hemithyreoidektomie mit kontralateraler subtotaler Resektion durchgesetzt, die in kompetenten Händen kein erhöhtes Komplikationsrisiko aufweist. 1 . Eine schnelle und definitive Heilung der Hyperthyreose, die nur durch eine enteprechende Operation gewährleistet wird. 2. Eine simultane Diagnostik und Sanierung von parallel bestehenden pathologischen Befunden, wie kalten Knoten mit Malignitätsverdacht, Zysten etc., die gerade bei nodösen Strumen mit multifokaler Autonomie oft nachzuweisen sind. 3. Eine Befreiung von einer großen Struma mit vielseitigen lokalen Komplikationen, unabhängig von Art und Schwere der Hyperthyreose. 27 (2003) 2 Endokrinologie Informationen 65 ABSTRACTS Das Hyperthyreose-Rezidiv nach vorangegangener subtotaler Schilddrüsenresektion wird bevorzugt mit Radiojod behandelt. Komplikationen Die Rate einer permanenten Rekurrensparese liegt in erfahrenen Zentren unter 2%. Ein permanenter Hypoparathyreoidismus kann durch routinemäßige Darstellung und Schonung der Nebenschilddrüsen reduziert werden. Nebenschilddrüsen, die ihre Durchblutung hauptsächlich aus der Schilddrüsenkapsei erhalten, werden in den M. sternocleidomastoideus autotransplantiert. Auf diese Weise gelingt die Reduktion des Risikos eines permanenten Hypoparathyreoidismus unter 2%. Aufgrund der Gefahr einer post- operativen Nachblutung (1–2%) dürfen Schilddrüsenoperationen nicht als Tageschirurgie durchgeführt werden. Die Gefahr einer trotz gründlicher Resektion postoperativ resultierenden Hyperthyreose ist nicht vollständig auszuschließen und erreicht auch bei kleinen Resten eine Häufigkeit bis 5%. Thomas Steinmüller Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Charitlä Campus Virchow-Klinikum Humboldt-Universität Berlin Augustenburger Platz 1 D 13353 Berlin E-mail: [email protected] Endokrine Orbitopathie Was soll man wann tun? Armin E. Heufelder Einführung Die endokrine Orbitopathie (EO) stellt eine häufige extrathyreoidale Manifestation der Immunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow (MB) dar. An ihrer Entstehung sind diverse zelluläre und humorale Mechanismen beteiligt, die erst in jüngster Zeit näher charakterisiert wurden. Die klinischen Zeichen und Symptome der EO resultieren aus der Volumenzunahme des retrobulbären Binde- und Fettgewebes sowie der interstitiellen Verdickung der Augenmuskeln. Die Diagnose einer EO ist im Allgemeinen zuverlässig durch die einschlägige Anamnese, die klinische Untersuchung einschließlich Orbitasonographie und den Nachweis einer Immunthyreopathie zu stellen. Nur in Ausnahmefällen sind zur Diagnosestellung weitere bildgebende Verfahren wie die Computertomographie oder die Kernspintomographie erforderlich. Die enge Kooperation des behandelnden Ärzteteams (Hausarzt, Endokrinologe, Augenarzt, Strahlentherapeut) ist für den individuellen Therapieerfolg unerlässlich. Für die Zukunft ergeben sich aus den Ergebnissen experimenteller Untersuchungen zur Pathogenese der EO Ansatzpunkte für innovative Therapiestrategien mit stärker kausal orientierter Zielsetzung. Pathophysiologie der endokrinen Orbitopathie Die Immunthyreopathie vom Typ MB ist Folge eines Autoimmunprozesses, der neben der Schilddrüse als primärem Zielgewebe auch das in den Orbitahöhlen gelegene Binde-, Fett- und Augenmuskelgewebe 66 Endokrinologie Informationen betrifft. Bei einem kleinen Teil der Patienten mit MB und EO kommt es darüber hinaus zu einer charakteristischen gallertartigen Schwellung der Unterschenkel oder Vorfüße (prätibiales Myxödem) sowie zu Hautveränderungen im Bereich der Finger und Zehen (Akropachie). Der EO liegt eine immunologische Entzündungsreaktion zugrunde, die zur ausgeprägten Schwellung des peri- und retroorbitalen Gewebes mit rasch einsetzender räumlicher Enge in den knöchern begrenzten Orbitae führt. Durch den intraorbitalen Druckanstieg kommt es zu einem Vortreten des Auges (Protrusio bulbi) und zu einer Schwellung bis hin zum Prolaps der inflammatorisch veränderten Binde- und Fettgewebsanteile im Bereich der Ober- und Unterlider (periorbitale Ödeme). Zusätzlich können Motilitätsstörungen der äußeren Augenmuskeln auftreten, die je nach Ausmaß der asymmetrischen Beeinträchtigung mit Doppelbildern einhergehen. Im Extremfall kann eine massive Volumenzunahme der Orbitastrukturen zu einem eingeschränkten venösen und arteriellen Blutfluß führen. Eine permanente Visusreduktion durch Kompression oder Traktion des Nervus opticus im Rahmen einer EO ist selten. Internistische und laborchemische Diagnostik Bei typischer Manifestation lässt sich die Diagnose eines Morbus Basedow mit begleitender EO bereits klinisch auf Anhieb stellen. Eine charakteristische Prominenz in der lateralen Lidregion (Tränendrüsenbeteiligung und Fettgewebsprolaps) weisen bei genauer Inspektion nahezu alle Patienten mit Morbus 27 (2003) 2 ABSTRACTS Basedow auf. Selbst eine für den Betrachter geringgradige EO kann aus kosmetischen Gründen für die häufig jungen Patientinnen psychisch äußerst belastend sein. Am häufigsten ist ein bilateraler EO-Befund zu erheben, der einseitig stärker ausgeprägt sein kann. Ein streng unilateraler Befund sollte grundsätzlich Anlaß zum differenzialdiagnostischen Ausschluss anderer Ursachen geben. Die EO manifestiert sich in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang (+ 6-12 Monate) zum Auftreten der Hyperthyreose, meist mit einer Latenz von wenigen Monaten, seltener in größerem zeitlichen Abstand nach- und nur in Einzelfällen vor dem Auftreten der Hyperthyreose. Retrospektiv beschreiben die Patienten als frühestes Zeichen häufig eine Schwellung in der lateralen Oberlidregion. Als typische Beschwerden und Befunde der aktiven EO werden Tränenträufeln (Epiphora), Lichtscheu (Photophobie), Druck- und Fremdkörper- bzw. Sandkorngefühl, Augenbrennen, retrobulbäre Missempfindungen, Oberund Unterlidödeme, ein Vortreten der Augen (Protrusio bulbi) sowie Doppelbilder beobachtet. Die Beschwerden werden meist morgens nach dem Aufwachen stärker als abends empfunden. Ermüdungsdoppelbilder treten dagegen meist abends auf. Bei höhergradiger entzündlicher Aktivität der EO kann es zu starkem Tränenfluss mit Verschwommensehen, zur ausgeprägten periorbitalen Schwellung sowie zur Augenmuskelbeteiligung mit Einschränkung der Augenbeweglichkeit und – bei seitendifferenter Motilitätsstörung – zum Auftreten intermittierender oder persistierender Doppelbilder kommen. Als Komplikation der schweren EO kann infolge einer ausgeprägten Protrusio bulbi mit unvollständigem Lidschluß eine Expositionskeratitis resultieren, die zur bakteriell superinfizierten Ulzeration und zum Verlust der Hornhaut führen kann. Extremvarianten mit Kompressions- oder zugbedingter Optikusläsion und akuter Visuseinbuße kommen nur noch selten vor. Im Verdachtsfall bzw. möglichst bald nach Diagnosestellung sollten Patienten mit EO einem spezialisierten Augenarzt und Endokrinologen vorgestellt werden. Dabei ist nach einer detaillierten Basisdiagnostik, bei der Schwere- und Aktivitätsgrad sowie Komplikationen der EO erfasst werden sollen, die Entscheidung zu treffen, ob lediglich symptomatische Maßnahmen und engmaschige Kontrollen oder bereits eine frühzeitige Intervention (z.B. Steroidtherapie oder Retrobulbärbestrahlung) notwendig sind. Während sich Schweregrad und Komplikationen der EO im Regelfall aufgrund von Anamnese und klinischer Untersuchung erkennen lassen, sind hingegen Aktivität, Dynamik und Prognose schwierig und nur anhand regelmäßiger, engmaschiger Verlaufskontrollen (alle 4–6 Wochen) abschätzbar. Die früher gebräuchliche NOSPECS-Klassifikation kann nicht mehr empfohlen werden, weil bei den meisten 27 (2003) 2 Gruppe 1 0 1 2 3 4 Gruppe 2 0 1 2 3 4 Gruppe 3 0 1 2 3 Gruppe 4 0 1 2 3 Lidveränderungen fehlend nur Lidödem nur Retraktion (ohne Ödem) Retraktion mit Oberlidödem Retraktion mit Ober- und Unterlidödem Exophthalmus fehlend ohne Lidschlussinsuffizienz Bindehautreizung morgens Bindehautreizung ständig Hornhautkomplikationen Muskelveränderungen fehlend nur im Ultraschall/CT nachweisbar Pseudoparese Pseudoparalyse Optikusbeteiligung fehlend nur im Farbsehen und visuell evozierte Potenziale periphere Gesichtsfelddefekte zentrale Gesichtsfelddefekte Tab. 1: Klinische Klassifikation der endokrinen Orbitopathie nach Boergen Patienten mit EO gleichzeitig mehrere klinische Befunde unterschiedlicher NOSPECS-Grade vorliegen, die sich in einem pauschalisierenden Klassifikationssytem nicht sinnvoll zuordnen lassen. Eine weitaus differenziertere und klinisch praktikable Einteilung stellt die so genannte „LEMO“-Klassifikation dar, in der den vier Befundgruppen Lidveränderungen, Exophthalmus, Muskelveränderungen und Optikusbeteiligung je nach Ausprägungsgrad Zahlen von 0 bis 3 bzw. 4 zugeordnet werden (Tab. 1). In Analogie zur TNM-Klassifikation kennzeichnet das Stadium L1E1M2O0 eine EO mit Lidödem ohne Lidrektraktion, einen Exophthalmus ohne Lidschlussinsuffizienz sowie Augenmuskelveränderungen im Sinne einer Pseudoparese. International wird für den Vergleich unterschiedlicher therapeutischer Modalitäten im Rahmen kontrollierter klinischer Studien eine quantitative Erfassung klinischer Befundkomponenten (Status von Lidern, Hornhaut, Augenmuskeln, Exophthalmometrie, Optikusfunktionen, Aktivitäts-Score, Selbstbeurteilung durch den Patienten) unter Einschluss bildgebender Untersuchungen gefordert. Diese ausführliche Form der Befundklassifizierung eignet sich zwar vorzüglich für die Beurteilung des individuellen Krankheitsverlaufs und die Wirksamkeit therapeutischer Verfahren, ist in der Praxis jedoch zu aufwändig. Endokrinologie Informationen 67 ABSTRACTS entzündlich: Abszess Mucormykose Myositis Orbitaphlegmone Fehlbildungen: Mukozele orbitofaziale Malformation immunologisch: Dermatomyositis endokrine Orbitopathie Morbus Ormond Pseudotumor orbitae Sarkoidose Wegener’sche Granulomatose tumorös: Histiozytose X Leukämie Lymphom Meningeom Metastasen Rhabdomyosarkom vaskulär: Carotis-Sinus-cavernosusFistel Hämangiom Orbitavarizen Sinus-cavernosus-Thrombose Tab. 2: Differentialdiagnosen des spontanen Exophthalmus (in alphabetischer Reihenfolge) Die bereits durch die körperliche Untersuchung im Rahmen eines MB nachweisbaren Augenzeichen, das Stellwag-Zeichen (seltener Lidschlag), das DalrympleZeichen (Oberlidretraktion mit sichtbarem Sklerastreifen über dem Kornearand beim Blick geradeaus), das Graefe-Zeichen („lid lag“, Zurückbleiben des Oberlids beim Blick nach unten) sowie das MöbiusZeichen (Konvergenzschwäche), sind teils Ausdruck der sympathoadrenergen Aktivität bei Hyperthyreose, teils Folge einer meist subklinisch vorhandenen EO. Bei stärkerer Ausprägung präsentiert sich die EO zusätzlich mit periorbitalen Ödemen, einer konjunktivalen Injektion, einer ödematösen Schwellung der Bindehaut (Chemosis), einer entzündlichen Karunkelschwellung, einer Protrusio bulbi sowie Augenbeweglichkeitsstörungen mit oder ohne Doppelbilder. Zur Quantifizierung der Motilitätsstörung wird eine orthoptische Untersuchung durchgeführt, die eine Messung und Dokumentation der vertikalen und horizontalen Bulbusbeweglichkeit sowie des beidäugigen Einfachsehens erlaubt. Im Allgemeinen treten Doppelbilder in der Blickrichtung auf, die der Seite der stärksten Muskelfunktionsstörung entgegengesetzt ist. Die Protrusio bulbi kann mithilfe eines Exophthalmometers nach Hertel durch Messung des Sagittalabstandes des Korneascheitels vom lateralen Orbitarand quantifiziert werden. 68 Endokrinologie Informationen In der körperlichen Untersuchung ist bei Patienten mit EO neben thyreoidalen (Struma diffusa, Hyperthyreose) und systemischen Manifestationen (feuchte Haut, Ruhetachykardie, symmetrische Hyperreflexie) des MB auch nach extrathyreoidalen Manifestationen (prätibiales Myxödem, Akropachie) zu fahnden. Die Diagnose einer EO wird komplettiert durch Laboruntersuchungen (supprimierter basaler TSH-Wert und ggf. erhöhtes fT3 und fT4) und den sonographischen Befund einer Struma mit diffuser Echoarmut. Die Bestimmung der TSH-R-Antikörper, die beim MB typischerweise erhöht sind, kann bei fehlender EO eine wesentliche Entscheidungshilfe bei der differenzialdiagnostischen Einordnung einer Hyperthyreose als Immunhyperthyreose vom Typ MB darstellen. Aufgrund ihrer schwachen Korrelation mit dem Schweregrad, dem Verlauf und der Prognose der EO sind TRAK-Verlaufskontrollen jedoch von begrenzter differentialtherapeutische Relevanz. Ophthalmologische und bildgebende Diagnostik Patienten mit klinischem Verdacht auf eine EO sollten sich unmittelbar nach Diagnosestellung beim spezialisierten Augenarzt zur Bestimmung von Sehschärfe, Spaltlampenmikroskopie, Funduskopie, Blickrichtungs-Tonometrie, orthoptischen Untersuchung und zur Orbita-Sonographie vorstellen. Durch diese Maßnahmen – ergänzt durch eine Perimetrie und Farbsinnprüfung – kann eine Beteiligung von Kornea, Nervus opticus und Orbitastrukturen sicher nachgewiesen, quantifiziert und als Ausgangsbefund für künftige Kontrolluntersuchungen dokumentiert werden. Gerade bei streng unilateralem oder deutlich asymmetrischem Augenbefund sowie rasch einsetzender oder rapide progredienter okulärer Symptomatik ohne zeitliche Assoziation mit einer Immunthyreopathie sollten differenzialdiagnostisch entzündliche, vaskuläre und tumoröse Orbitaprozesse ausgeschlossen werden (Tab. 2). Zusätzlich zur Orbitasonographie liefern die Computertomographie (CT ohne Kontrastmittel!) und die Kernspintomographie (MRT) bei Patienten mit höhergradiger EO und Visusminderung oder massiver Protrusio bulbi wertvolle Zusatzinformationen. Nach eigenen Erfahrungen genügt bei der Mehrzahl der Patienten mit EO die Orbita-Sonographie als alleiniges bildgebendes Verfahren, das ohne Nebenwirkungen und kostengünstig rasch verfügbare Informationen liefert und auch im Langzeitverlauf für engmaschige Therapiekontrollen eingesetzt werden kann. Typische sonographische Orbitabefunde bei EO umfassen eine Verdickung der externen Augenmuskeln mit veränderter Reflektivität, ein aufgelockertes Reflektionsmuster des Orbitafettgewebes, eine vergrößerte Tränendrüse sowie eine verdickte Optikusscheide bei Optikuskom- 27 (2003) 2 ABSTRACTS Basisziele Interdisziplinäre Betreuung durch Hausarzt, Endokrinologen, Augenarzt (ggf. Strahlentherapeuten, Orbita/HNO-Chirurgen) Exakte Einstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage mit engmaschigen Verlaufskontrollen, Nikotinkarenz Symptomatische Therapie (Tränenersatzmittel, Schlafen mit erhöhtem Kopfteil) Abwarten des Spontanverlaufs unter engmaschiger Verlaufskontrolle, bei objektivierbarer Verschlechterung Geringe entzündliche Aktivität, geringe subjektive Beschwerden: ggf. orale Glukokortikoidtherpie oder Sandostatin LAR oder antioxidative Therapie (Retrobulbärbestrahlung nach aktueller Studienlage in diesem Stadium nicht sinnvoll) Hohe entzündliche Aktivität, ausgeprägte subjektive Beschwerden: Glukokortikoide oral oder intravenös, Retroorbitalbestrahlung (bei Motilitätsstörungen) immunsuppressive Kombinationstherapie (z.B. Glukokortikoide plus Methotrexat) ggf. Sandostatin LAR, ggf. Adjuvant antioxidative Therapie Schwere Komplikationen (Optikusneuropathie oder Korneaulcera) Intravenös hochdosiert Glukokortikoide Orbitadekompression (diverse Techniken), Okklusion durch Uhrglasverband oder Tarsorrhaphie Experimentell (nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien) Sandostatin LAR, Zytokin-Modulatoren (Antagonisierung von TNF, IL-1), Methotrexat, Leflunomid, antioxidative Kombinationstherapie, intravenös hochdosiert Immunglobuline, Immunadsorption Rekonstruktive Maßnahmen im inaktiven Stadium Augenmuskeloperationen, Orbitafettgewebsresektion Korrekturen an Lidern und Orbita Tab. 3: Differenzialtherapie der endokrinen Orbitopathie pression im Muskelkonus. In ihrer klassischen Form präsentiert sich eine EO im orbitalen CT mit einer Verdickung der externen Augenmuskeln, Prädilektionsstellen sind vor allem die sehnenfernen Partien der unteren und medialen geraden Augenmuskeln. Zusätzlich kann die MRT der Orbitae (T2-Wichtung, „STIR“-Sequenz) Hinweise für eine entzündliche Aktivität der Augenmuskeln liefern. Die Treffsicherheit der MRT bei der Aktivitätsbeurteilung der EO ist jedoch nach wie vor strittig. Die äußerst seltenen, schwerwiegenden Komplikationen einer EO wie ein „KonusSyndrom“ (massive Schwellung der Augenmuskeln im Apexbereich der Orbitapyramide mit externer Kompression des Sehnerven) oder eine „Stretching“Optikusneuropathie (Traktionsschädigung des Sehnerven bei massiver Protrusio bulbi durch expandierende retroorbitale Binde- und Fettgewebsmassen) lassen sich ebenfalls mittels CT oder MRT der Orbitae erfassen. Die aus pathophysiologischer Sicht interessante 111Indium-Octreotid-Szintigraphie der Orbitae bietet keine differenzialdiagnostisch verwertbaren Zusatzinformationen und kann aufgrund ihrer hohen Kosten allenfalls in schwierigen Einzelfällen zur Aktivitätsbeurteilung herangezogen werden. 27 (2003) 2 Konservative und chirurgische Therapie Die adäquate, am individuellen Verlauf von Orbitabefund und Krankheitsaktivität orientierte Therapie der EO gestaltet sich häufig sehr schwierig und gehört in die Hand eines erfahrenen, interdisziplinären Ärzteteams (Hausarzt, Endokrinologe, Augenarzt). Abgesehen vom Fehlen spezifischer und zuverlässig wirksamer, nebenwirkungsarmer Therapieverfahren hat das Fehlen einer einheitlichen, befriedigenden Schweregradklassifikation den Vergleich von Therapiestudien erschwert. Ein weiteres Problem besteht darin, dass bislang nur wenige Therapiestudien zur EO ausreichend kontrolliert waren und genügend große Fallzahlen aufwiesen, um eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Therapieeffekt und Spontanverlauf der Erkrankung zu ermöglichen. Die leider unverändert begrenzten Therapieoptionen lassen sich nur dann gezielt und wirkungsvoll nutzen, wenn ein kompetentes interdisziplinäres Team eng kooperiert. Von größter Bedeutung ist dabei eine in kurzen Intervallen überwachte und ganz am individuellen Befund orientierte Differenzialtherapie (Tab. 3). Die Krankheitsdynamik der EO ist von Patient zu Patient äußerst variabel und kaum prognostizierbar. Im Endokrinologie Informationen 69 ABSTRACTS Nikotinabusus Hypothyreose Hoher TSH-Rezeptor-Antikörpertiter Ausgeprägte oder rezidivierende Hyperthyreose Bereits bestehende EO Großes Schilddrüsenvolumen (>50 ml) Radiojodtherapie ohne Glukokortikoidschutz (bei vorbestehender EO) Wiederholte Radiojodtherapien CTLA-4-Polymorphismus Selen-Mangelversorgung Progesteron-/DHEA-Defizit postpartal oder perimenopausal Enge anatomische Konfiguration der Orbita Tab. 4: Risikofaktoren für das Auftreten einer schweren endokrinen Orbitopathie Extremfall können eine Vollremission ohne spezifische Therapie oder auch schwere, therapierefraktäre Verläufe mit Amaurose trotz konservativer und chirurgischer Maximaltherapie auftreten. Am häufigsten sind jedoch milde bis mittelschwere Verlaufsformen, die nach einer bis zu zwei Jahre lang dauernden aktiven Phase in ein inaktives Stadium mit variablen Residualzuständen münden. Vorrangiges Therapieziel der heute verfügbaren, leider unselektiven Therapiemodalitäten (Glukokortikoidtherapie, Retrobulbärbestrahlung) ist weniger eine Restitutio ad integrum, sondern vielmehr eine rasche Inaktivierung des floriden, orbitalen Entzündungsprozesses sowie eine Reduzierung unkontrolliert ablaufender fibrogener Effekte. Bei beiden immunmodulatorischen Verfahren muß in bis zu 50% der Behandlungsfälle mit einer ungenügenden Wirkeffektivität sowie mit unerwünschten Nebenwirkungen gerechnet werden. Basisziele: Interdisziplinäres Therapiekonzept, Euthyreose, Nikotinverzicht Als vordringliche therapeutische Maßnahmen ist bei allen Patienten mit EO eine rasche und dauerhafte Einstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage zu gewährleisten, da sich sowohl hyperthyreote als auch hypothyreote Stoffwechsellagen ungünstig auf den Orbitabefund auswirken (Tab. 3). Schon durch die Einstellung einer kontinuierlichen euthyreoten Stoffwechsellage kommt es bei den meisten Patienten zu einer Rückbildung oder Konsolidierung des orbitalen Autoimmunprozesses. Wesentliche Voraussetzung für die Einstellung einer euthyreoten Stoffwechselfunktion sind regelmäßige Kontrollen des basalen TSH-Spiegels (zum Ausschluss einer sich abzeichnenden Hypothyreose) und der peripheren Schilddrüsenhormonwerte unter der meist erforderlichen antithyreoidalen Medikation. Eine Kombinationstherapie mit einem Thio- 70 Endokrinologie Informationen namid (Carbimazol, Thiamazol) und L-Thyroxin (50–75 µg/Tag) ist geeignet, die Einstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage zu erleichtern und das Risiko hyperoder hypothyreoter Phasen zu vermeiden. Ob das Auftreten oder der Verlauf einer EO durch die Kombinationstherapie günstig beeinflußsst werden, ist bislang allerdings nicht gesichert. Der Nachweis eines signifikanten TRAK kann in unklaren Einzelfällen diagnostisch hilfreich sein, wiederholte TRAK-Verlaufskontrollen sind jedoch unnötig. Sehr hohe initiale TRAK-Titer, die im Therapieverlauf nicht wesentlich oder nur passager abfallen, scheinen jedoch mit einer ungünstigeren Prognose der EO assoziiert zu sein. Entgegen früheren Auffassungen korrelieren die initialen Konzentrationen und der Verlauf der TRAK unter Therapie jedoch nicht eng genug mit der Prognose der EO, um vom Ausfall dieses Parameters differenzialtherapeutische Entscheidungen abhängig machen zu können. Flankierende Therapiemaßnahmen bei gering aktiver endokriner Orbitopathie Da die EO bei der Mehrzahl der Patienten mit Typ MB klinisch weitgehend blande verläuft, sind symptomatische Basismaßnahmen wie Lichtschutzgläser, Tränenersatzmittel (tagsüber als Augentropfen, nachts als Augensalbe oder -gel) und Schlafen mit erhöhtem Kopfteil neben einer aufmerksamen Beobachtung des Spontanverlaufs meist ausreichend (Tab. 3). Zusätzliche prophylaktische oder therapeutische Maßnahmen sind bei Patienten mit minimaler oder geringer entzündlicher Aktivität im Bereich der Periorbita und geringen subjektiven Beschwerden in der Regel entbehrlich. Bei jedem Patienten mit aktiver EO sollte gezielt nach dem Nikotinabusus, einem der wichtigsten aggravierenden Faktoren für den Schweregrad und den Verlauf einer EO, gefragt werden. Höhergradige, progrediente und therapierefraktäre Verlaufsformen der EO finden sich häufiger bei Patienten mit starkem Nikotinabusus, die während des Krankheitsverlaufs ihren Zigarettenkonsum nicht oder nicht entscheidend zu reduzieren vermögen. In allen Stadien der EO sollte daher versucht werden, den Betroffenen diesen ungünstigen Zusammenhang zu verdeutlichen und sie zu einer möglichst weitgehenden Nikotinabstinenz anzuhalten. Retrobulbärbestrahlung oder Glukokortikoide bei hoher Entzündungaktivität? Bei ausgeprägter entzündlicher Symptomatik mit Chemosis, konjunktivaler Injektion, Periorbitalödem, beginnender Motilitätsstörung und Beeinträchtigung von Gesamtbefinden und Arbeitsfähigkeit ist die orale Applikation von Glukokortikoiden (Prednisolon 40–60 mg/Tag, langsame Dosisreduktion über 4–6 Wochen) indiziert, ggf. in Kombination mit der Retrobulbärbestrahlung. Beide Therapievefahren sind einer gut 27 (2003) 2 ABSTRACTS kontrollierten Studie zufolge bei Patienten mit mäßiggradiger EO gleichwertig. Aufgrund der höheren Patientenakzeptanz und der deutlich geringeren Nebenwirkungsrate wurde bisher im mäßig aktiven Stadium häufig der Retrobulbärbestrahlung der Vorzug gegeben (Kontraindikation: diabetische Retinopathie). Dabei wird auf den Orbitaapex von temporal und zur Vermeidung eines Strahlenkatarakts unter Aussparung der Linsen eine Gesamtdosis von 20 Gy in 10 Fraktionen über 2 Wochen appliziert. Leider konnten mehrere Studien aus jüngster Zeit zur Retrobulbärbestrahlung (Mourits/Utrecht, Gorman/Mayo Clinic, Gerling/Freiburg im Rahmen der deutschen Multizenterstudie) die Effektivität dieser Maßnahme nicht bestätigen. Ihre Wirksamkeit wird deshalb heute von manchen Experten angezweifelt oder stark relativiert. Eine Indikation zur Retrobulbärbstrahlung besteht nach den Erfahrungen der Amsterdamer EO-Forschergruppe auch nicht bei Patienten mit gering-mäßig aktiver EO, so dass nach derzeitiger Studienlage (Mourits) allenfalls EO-Patienten mit frisch aufgetretenen Motilitätsstörungen zu profitieren scheinen. Manifestiert sich eine EO mit hochgradiger entzündlicher Aktivität und Komplikationen, favorisieren wir initial die intravenöse Applikation von Glukokortikoiden (z.B. je 1000 mg Methylprednisolon pro Tag über 5 Tage oder eine intravenöse Intervalltherapie, danach orale Weiterbehandlung), häufig gefolgt von einer oralen Immunmodulation mit Methotrexat. Letztere wirkt unspezifisch immunosuppressiv und mit einer Latenzzeit von bis zu 8 Wochen auf die akut-entzündliche Komponente des orbitalen Autoimmunprozesses, wobei sich der Therapieerfolg erst nach etwa 4 Monaten abschließend beurteilen lässt. Im chronischen Stadium der EO, wenn bereits fibrös veränderte externe Augenmuskeln mit eingeschränkter Motilität oder eine chronische Optikusneuropathie vorliegen, zeigen immunmodulatorische Therapieverfahren kaum noch Erfolge. Daher ist es vordringlich, diese Therapieformen möglichst frühzeitig im Stadium der hohen entzündlichen Aktivität einzusetzen. Konservative oder operative Therapie bei therapierefraktärer Situation? Neben absoluter Nikotinkarenz, engmaschigen Kontrollen und präziser Einstellung einer euthyreotischen Stoffwechsellage sind bei schweren Verlaufsformen einer EO mit hochgradiger entzündlicher Aktivität, massivem Binde- und Fettgewebsprolaps, prominenten Motilitätsstörungen sowie visusbedrohenden Komplikationen (Expositionskeratitis, Optikusneuropathie) aggressivere Behandlungsverfahren indiziert, die zumindest unter teil-stationären Bedingungen erfolgen sollten. Diese zum Teil mit beträchtlichen Nebenwirkungen behafteten Maßnahmen umfassen die hochdosierte intravenöse bzw. orale Stoßtherapie 27 (2003) 2 mit Glukokortikoiden (je 1000 mg Prednisolon/Tag intravenös über 5 Tage, dann orale Fortsetzung mit 40–60 mg/Tag mit schrittweiser Dosisreduktion um 5–10 mg/Woche bis zu einer Erhaltungsdosis von 10–20 mg/Tag), die Kombination von Glukokortikoiden mit Methotrexat oder Cyclosporin A und die operative Orbitadekompression. Letztere kommt überwiegend bei Patienten mit schwerster, therapierefraktärer EO und Optikusneuropathie oder progredienter Expositionskeratitis – im Einzelfall auch als Notfalleingriff – zum Zuge und sollte von einem in der Orbitachirurgie versierten Spezialisten durchgeführt werden. Bleiben postoperativ ein inkompletter Lidschluss oder eine Expositionskeratopathie bestehen, können zusätzlich supportive Maßnahmen (Uhrglasverband, Tarsorrhaphie) indiziert sein. Rehabilitation im stabilen Residualstadium Durch flankierende, rehabilitative Maßnahmen, z. B. Prismenverordnungen (Folien, Gläser) bei Doppelbildern lassen sich subjektiv störende Symptome der chronischen EO häufig verbessern, gelegentlich ist eine vorübergehende monokulare Okklusion indiziert. Operative, rehabilitative Eingriffe sind im floriden Stadium der Erkrankung kontraindiziert und erst ratsam, wenn zuvor ein mindestens 4-monatiges inaktives Erkrankungsstadium vorlag. Motilitätsstörungen der externen Augenmuskeln mit zumeist resultierenden Doppelbildern können im inaktiven Stadium durch operative Augenmuskelkorrekturen verbessert oder beseitigt werden. Bei persistierender Oberlidretraktion können lidverlängernde Operationen (Müller-Ektomie, Levatoraponeurosenverlängerung mittels Duraimplantat) durchgeführt werden. Im Falle eines störenden periorbitalen Fettgewebsprolaps bzw. bei persistierender Protrusio bulbi werden mithilfe der Orbitafettgewebsresektion kosmetisch zufriedenstellende Ergebnisse erreicht. Sämtliche rehabilitative Operationen im Rahmen einer EO sollten von erfahrenen Orbitachirurgen an Zentren mit ausreichend hoher Operationsfrequenz durchgeführt werden. Neue Therapieformen: Erfolgreich in Einzelfällen Erfahrungen mit neueren experimentellen Therapieansätzen wie der hochdosierten intravenösen Applikation von Immunglobulinen oder der Behandlung mit langwirksamen Somatostatinanaloga bestehen bislang nur in Form kasuistischer Berichte oder kleinerer, unkontrollierter Serien und sind daher mit der gebotenen Vorsicht zu bewerten. Ob diese neuen Therapieansätze einen Vorteil gegenüber den etablierten Therapieverfahren bieten, ist derzeit noch offen. Die Wirksamkeit der hochdosierten Immunglobulintherapie bei EO ist trotz vereinzelter Beoachtungen einer partiellen Remission bislang nicht durch ausreichend kontrollier- Endokrinologie Informationen 71 ABSTRACTS te klinische Studien erwiesen und einer oralen Glukokortikoidtherapie hinsichtlich Wirksamkeit nicht überlegen. Die extrem hohen Behandlungskosten und das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen (Infektionsrisiko, Hyperviskosität) zwingen zur Restriktion auf Einzelanwendungen in therapierefraktären Fällen bzw. bei Patienten mit schwerer entzündlicher Symptomatik und Kontraindikationen für andere Therapieverfahren. Ähnliches gilt auch für Therapieversuche mit langwirksamen Somatostatinanaloga (z.B. Sandostatin LAR 30 mg pro Monat i.m.) oder Lanreotid, die aufgrund pathophysiologischer und nuklearmedizinischer Aspekte von Interesse sind, deren klinischer Nutzen anhand der wenigen vorliegenden Einzelberichte aber noch nicht beurteilt werden kann. Mit den Ergebnissen der in Newcastle/UK und Marburg/München durchgeführten plazebokontrollierten, randomisierten, prospektiven Studie zu Sandostatin LAR bei Patienten mit aktiver EO ist Mitte 2002 zu rechnen. Antioxidative Therapie Pathophysiologisch sinnvoll und begründbar, jedoch ebenfalls noch ohne gesicherten Wirksamkeitsnachweis ist die antioxidative und entzündungshemmende Therapie durch eine individuelle oder kombinierte systemische Applikation von Substanzen wie Selen, Nicotinamid, Vitamin E, N-Acetyl-Cystein, Alpha-Liponsäure, Bioflavonoiden, Omega-3-Fettsäuren, Pentoxiphyllin u.a. Insbesondere Raucher könnten von diesem Behandlungsansatz profitieren. Außerdem ist eine prophylaktische Gabe dieser Substanzen bei Patienten mit Morbus Basedow und hohem Risiko für eine schwere EO (Tab. 4) denkbar, da die Behandlung sehr gut verträglich ist und keine wesentlichen Nebenwirkungen aufweist. Mehrere Studien untersuchen derzeit die Wirksamkeit der antioxidativen Therapie bei Patienten mit mäßig-aktiver EO. Die bislang publizierten positiven Resultate einiger kleinerer Studien mit Substanzen wie Nicotinamid oder Pentoxiphyllin wurden unkontrolliert bzw. mit einem nicht ausreichend kontrollierten Studiendesign gewonnen. Einflu`ss der Therapie des Morbus Basedow auf die endokrine Orbitopathie Nachwie vor ungeklärt ist die Frage, ob die Therapieform der Basedow-Immunhyperthyreose (Radiojodtherapie oder nahezu vollständige Thyreoidektomie) Inzidenz, Grad oder Prognose einer EO beeinflusst. Basierend auf den zum Teil gemeinsamen pathogenetischen Faktoren bei der Entstehung thyreoidaler und orbitaler Manifestationen des MB könnte die längerfristige Freisetzung von Schilddrüsenantigenen durch die destruktiv wirkende Radiojodtherapie bzw. das operative Gewebstrauma zu einer Verschlechterung des orbitalen Immunprozesses führen. Um wiederholte Radiojodtherapien und 72 Endokrinologie Informationen die damit verbundene repetitive Antigenfreisetzung zu vermeiden, sollte eine Radiojodtherapie zur Behandlung der Basedow-Hyperthyreose bereits initial in ablativer Dosierung erfolgen, was nur bei kleineren Schilddrüsenvolumina sicher möglich ist. Liegen Risikofaktoren für die Entstehung einer schweren EO vor (Tab. 4), sollte primär keine Radiojodtherapie erfolgen, oder diese in unter passagerem Glukokortikoidschutz (20–30 mg Prednisolon über 4–6 Wochen) durchgeführt werden. Da bereits eine vorübergehende iatrogene Hypothyreose einen wesentlichen aggravierenden Faktor der EO darstellt, sollte der absehbaren Entwicklung einer Hypothyreose nach ablativer Radiojodtherapie (50–75 _g L-Thyroxin) oder nahezu totaler Thyreoidektomie durch frühzeitige Substitution mit Schilddrüsenhormon (100–125 _g L-Thyroxin) vorgebeugt werden. Bei Patienten mit Basedow-Immunhyperthyreose, die keine derartigen Risikokonstellationen aufweisen, bleibt die Radiojodtherapie (ohne begleitenden Glukokortikoidschutz) unverändert eine effektive, sichere und risikoarme Therapiemaßnahme. Prof. Dr. med. Armin E. Heufelder Elisenstraße 3a 80335 München Tel.: 089-592725 E-mail: [email protected] Aktuelle Literaturhinweise Pathogenese Burch HB, Wartofsky L: Graves` ophthalmopathy: current concepts regarding pathogenesis and management. Endocr Rev 1995; 14: 747-93. Busuttil BE, Fraumann AG: Extrathyroidal manifestations of Graves‘ disease: the thyrotropin receptor is expressed in extraocular, but not cardiac, muscle tissue. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 23152319. Wiersinga WM, Prummel MF: Pathogenesis of Graves‘ ophthalmopthy – current understanding. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 501-503. 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Am häufigsten ist die Verabreichung eines iodhaltigen Röntgenkontrastmittels (in Deutschland ca. 5 Millionen/Jahr). Von den iodhaltigen Medikamenten nimmt Amiodaron wegen verschiedenartiger Effekte auf die Schilddrüse eine besondere Stellung ein. Röntgenkontrastmittel Von Bedeutung sind: der Gehalt an freiem Iod, die durch Deiodasen aus dem Kontrastmittel freigesetzte Iodmenge und die Verweildauer des Kontrastmittels im Organismus. Die Ausscheidung der modernen, zur Angiographie benutzten Kontrastmittel, erfolgt überwiegend über die Nieren, nur 1–2% werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Schon nach 2–3 Stunden sind 50% und nach 24 Stunden 90% eliminiert. Die Iodurie normalisiert sich etwa 8–10 Tage nach Kontrastmittelgabe. Nichtionische Röntgenkontrastmittel enthalten nur geringe Mengen an freiem Iod (0,5–35 µg Iod/ml). Die Gesamtmengen an Iod (überwiegend gebunden) sind aber mit ca. 100–350 mg Iod/ml erheblich. Aus diesem riesigen Reservoir wird Iod durch Deiodasen im Körper freigesetzt. So werden bei einer Koronarangiographie mit ca. 80 ml eines nichtionischen Kontrastmittels ca. 6 mg Iod/Tag verabfolgt. Die Hauptbelastung liegt in der ersten Woche nach Kontratmittelgabe und beläuft sich auf etwa 30–50 mg Iod. Die Iodeffekte auf die Schilddrüsenfunktion und die schilddrüsenrelevanten Hormone sind sehr unterschiedlich. Sie sind abhängig von: der Iod-Gesamtmenge, der Dauer der Iodapplikation und der Reagibilität des Schilddrüsengewebes. Die Reagibilität des Schilddrüsengewebes hängt ab: vom Vorliegen gesunden Gewebes oder einer präexistenten Schilddrüsenerkrankung, vom 27 (2003) 2 Lebensalter, von der alimentären Iodversorgung und individuellen Faktoren. Die gesunde Schilddrüse besitzt autoregulatorische Mechanismen, die sie vor einem Iodexzess schützt. Störungen dieser Mechanismen führen zu Entgleisungen der Funktion. Die Häufigkeit iodinduzierter Hyperthyreosen nach Kontrastmittelgaben ist geringer als vermutet (ca. 0,3% im nicht selektierten Patientengut). Ursachen sind meist nicht erkannte funktionelle Autonomien und seltener ein latenter Morbus Basedow. Die Gefahr einer iodinduzierten Hyperthyreose darf aber nicht unterschätzt werden, da sie durch einen besonders schweren Verlauf gekennzeichnet ist. Zu ihrer Vermeidung können beitragen: – Vor Iodexzess Autonomie ausschließen: Anamnese, klinischer Befund, Palpation, TSH (bei TSH < 0,4 mU/l: FT3, FT4), Sonographie. Bei TSH < 0,4 oder palpablem Knoten oder sonographischen Herdbefunden oder Strumen > 50 ml: Szintigraphie. – Klinische Relevanz einer Autonomie abschätzen (Suppressionsszintigramm) – Vermeidung eines Iodexzesses bei Autonomie (physiologische Iodmengen sind erlaubt!) – Iodexzess während einer Hyperthyreosebehandlung vermeiden – Einsatz alternativer Verfahren ohne iodhaltige Kontrastmittelgabe (MRT) erwägen – Nach Iodexzess an eine Hyperthyreose denken (Kontrollen) – Patienten über Iodexzess aufklären – Schutzmaßnahmen vor Iodexzess einleiten – Prophylaktische Therapie (Operation, Radioiodtherapie) oder medikamentöse Prophylaxe – Extrathyreoidale Ursachen eines niedrigen bzw. supprimierten TSH-Spiegels müssen ausgeschlossen werden. Endokrinologie Informationen 73 ABSTRACTS Prophylaxe bei euthyreoter funktioneller Autonomie: Die Gefahr einer iodinduzierten Hyperthyreose ist nicht so hoch wie bisher angenommen. Eine Voraussage ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und im Einzelfall kaum möglich. Eine Prophylaxe sollte immer bei TcTUsupp-Werten >2% erfolgen. Bei Werten zwischen 1–2% ist eine Entscheidung nach individuellen Gesichtspunkten notwendig (zusätzliche Risiken?) und bei Werten <1% muss keine Prävention erfolgen. Stehen diese Werte nicht zur Verfügung, muss im Einzelfall nach vorhandenen Befunden (Anamnese, Palpation, Sonographie, TSH, FT4, T3, Szintigraphie) eine grobe Einschätzung unter Berücksichtigung der gesamten patientenbezogenen Problematik (Alter, Begleiterkrankungen u.a.) vorgenommen werden. Wenn eine iodinduzierte Hyperthyreose in der Anamnese bekannt ist, ist die Prophylaxe zwingend nötig. Auch wenn die Adenomgröße nicht als sicherer Parameter für eine Hyperthyreosegefährdung nach Iodexzess angesehen werden kann, so sind aber Patienten mit einem Adenom unter 2,5 cm Durchmesser wenig und bei Adenomen ab 3,0 cm deutlich gefährdet. Besonders bei Adenomen ab 3,0 cm oder großen Strumen (>50 ml) und gleichzeitig niedrigem oder vollständig supprimiertem TSH ist ein besonders hohes Risiko anzunehmen. Im Zweifelsfall ist eine Prophylaxe angezeigt. Die Empfehlungen weichen im Detail voneinander ab, da es keine ausreichenden Studien zu diesem Problem gibt. Die Propylaxe kann bei weniger aktiven Autonomien mit Perchlorat allein und sollte bei höherer Aktivität besser mit der Kombination Perchlorat und Thiamazol (Methimazol) durchgeführt werden. – Perchlorat (Irenat): 1–2 Stunden vor Iodgabe 900-1200 mg (2 x 25–30 Gtt.) Fortführung über 7–14 Tage: 900 mg/Tag (3 x 15 Gtt.) – Thiamazol: Beginn vor Iodgabe: 20 mg/Tag Fortführung 7–14 Tage: 20 mg/Tag – Kontrollen: TSH, FT3, FT4, (Blutbild) vor sowie etwa 1–2, 4, 8 und 12 Wochen nach Iodgabe (Cave: Latenzphase der Hyperthyreoseentwicklung ca. 4–6 Wochen). Die Kontrollen müssen auch durchgeführt werden, wenn auf eine Prophylaxe verzichtet wurde. Wenn man sich für eine Prophylaxe entscheidet, müssten logischerweise die Weichen für eine baldmögliche definitive Therapie gestellt werden. Maßnahmen bei Hyperthyreose: Besteht eine floride Hyperthyreose, sollte ein Iodexzess nach Möglichkeit vermieden werden. Ist die Iodgabe unumgänglich, so erfolgt die Iodinationsblockade mit Perchlorat in der 74 Endokrinologie Informationen oben beschriebenen Weise. Die Thiamazoldosis muss hoch gewählt werden, um eine rasche und sichere Blockade der Hormonsynthese zu erreichen und sie ist so früh wie möglich einzuleiten. Ein Mindestzeitraum bis zur Iodapplikation von ca. 2–4 Stunden sollte nach Möglichkeit eingehalten werden. Die Initialdosis sollte 40–80 mg Thiamazol betragen. Nach Iodapplikation erfolgt die Fortführung mit 40 mg Thiamazol/Tag. Die Dosis wird dem Verlauf angepasst schrittweise reduziert. Bei einer laufenden Dauertherapie und kompensierter Schilddrüsenfunktion unter niedrigen Thiamazoldosen muß die Thyreostatikadosis für 1–2 Wochen wieder angehoben werden (20 mg/Tag). Die Dosisreduktion erfolgt entsprechend dem Verlauf. Die PerchloratApplikation erfolgt wie bei den euthyreoten Formen. Wichtig ist in allen Fällen die Festlegung des weiteren Procedere (definitive Therapie anstreben). Amiodaron Eine Therapie mit Amiodaron (Cordarex) stellt eine erhebliche Iodbelastung dar. 200 mg Amiodaron enthalten 75 mg Iod, davon sind 6 mg verfügbar. Amiodaron und seine Metaboliten (Desethylamiodaron) werden im Gewebe (Herz, Fettgewebe) angereichert. Die Eliminations-HWZ beträgt ca. 52 Tage (Metaboliten länger). Hauptwirkungen sind die Hemmung der Konversion von T4 zu T3, der rT3-Deiodierung und der zellulären T4Aufnahme. Ferner werden die kardialen T3-Rezeptoren blockiert und die Zahl der ß-Rezeptoren vermindert. Die auf das Herz entfalteten Effekte sind z.T. durch eine „Gewebehypothyreose“ im Herzmuskel erklärbar. Zytotoxische Reaktionen an Thyreozyten sind experimentell belegt. Einen Teil der Amiodaron-Effekte, insbesondere die TSH-suppressive Wirkung auf hypophysärer Ebene, wird mit der engen strukturellen Verwandtschaft von Thyroxin und Amiodaron erklärt. Trotz euthyreoter Stoffwechsellage kommt es unter Amiodaron in typischen Fällen zum T4-Anstieg und zum T3-Abfall. TSH steigt zunächst meist an, um sich nach ca. 3 Monaten zu normalisieren; es kann jedoch auch unter die Normgrenze abfallen. Damit wird die Schilddrüsenfunktionsdiagnostik erheblich erschwert. Der T4-Anstieg wird bei niedrigem TSH oft fälschlicherweise als Ausdruck einer Hyperthyreose gewertet. Die Symptomatik ist gleichfalls nur eingeschränkt aussagefähig. So können die klinischen Erscheinungen bei Herzpatienten oft nur schwer zugeordnet werden. Funktionsstörungen können zu jeder Zeit auftreten. Für eine Hyperthyreose ist ein (plötzlicher) T3-Anstieg beweisend, aber auch T3-Spiegel im oberen Normbereich sind bei einer Hyperthyreose möglich (Klinik beachten, Dynamik der T3- und der T4-Spiegelbewegungen wichtig: „T3-“ und ggf. „T4-Sprung“ ). In Iodmangelgebieten – das trifft für Deutschland zu – entwickeln sich häufiger Hyperthyreosen (10–15%) als 27 (2003) 2 ABSTRACTS Hypothyreosen (2–5%). Bei präexistenter funktioneller Autonomie (seltener bei latentem Morbus Basedow) ist die Hyperthyreose meist Folge des Iodexzesses (Typ-IHyperthyreose). Bei primär gesunden Schilddrüsen kann sich durch zytotoxische Reaktionen eine Thyreoiditis mit Hyperthyreose entwickeln („Leck-Hyperthyreose“, Typ II). Mischformen sind möglich. Auch nach Absetzen von Amiodaron kann noch nach Monaten eine Hyperthyreose durch die „Entblockung“ der T3-Rezeptoren manifest werden. Bei Auftreten einer Hyperthyreose sollte stets geprüft werden, ob auf Amiodaron verzichtet werden kann. Der Verlauf der Typ-I-Hyperthyreose ist häufig langwierig und schwer. Die Ansprechbarkeit auf Thyreostatika ist durch die massive Iodbelastung meist erheblich beeinträchtigt. Es empfiehlt sich eine hochdosierte kombinierte Thiamazol/Perchlorat-Therapie (40–60 mg Thiamazol/Tag und 900–1200 mg Perchlorat/Tag). Als Ultima Ratio gilt bei schweren Verläufen die Operation. Bei der Typ-IIHyperthyreose kommt es häufig nach Absetzen des Amiodarons, aber auch unter Fortführung der Behandlung zu spontanen Remissionen. Die Hyperthyreose spricht nicht auf Thyreostatika, sondern gut auf Glukokortikoide an (ca.1 mg Prednisolon/kg Körpergewicht/Tag). Der Verlauf kann (mit und ohne Amiodaron) in eine Hypothyreose einmünden. Bei Mischformen muss auf alle drei Wirkprinzipien zurückgegriffen werden. Kennzeichnend für eine Hypothyreose ist der sinkende T4-Spiegel bei gleichzeitig steigendem TSH-Wert. Der T3-Spiegel ist in der Regel ohnehin niedrig und damit diagnostisch meist wertlos. Als Risikofaktoren gelten eine Autoimmunthyreoiditis oder positive Schilddrüsenantikörper, relativ hohe TSH-Spiegel sowie eine familiäre Häufung von Schilddrüsenerkrankungen und eine Amiodaron-induzierte Schilddrüsenerkrankung in der Anamnese. Die Hypothyreose bildet sich nach Absetzen von Amiodaron häufig nicht zurück. Eine Substitutionstherapie mit Levothyroxin ist erforderlich. Bei Fortführung der Amiodarontherapie sollten die T4Spiegel an der oberen Normgrenze oder leicht erhöht sein und die TSH-Werte im Normbereich liegen. Wichtig ist die Prophylaxe. Bei Risikopatienten sollte nach Möglichkeit eine rechtzeitige Sanierung der Schilddrüsenerkrankung erfolgen. Vor einer Amiodarontherapie muss eine ausreichende Schilddrüsenuntersuchung vorgenommen werden. Dazu gehören neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung die Bestimmung des TSH-Spiegels, die Sonographie und ggf. die Szintigraphie. Schilddrüsenantikörper sind nicht zwingend nötig, können aber im Hinblick auf die Risikoabschätzung nützlich sein. Eine Messung von T3 und T4 vor Therapiebeginn ist bei normalem TSH gleichfalls für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich, sie empfiehlt sich jedoch im Hinblick auf die Verlaufsbeurteilung. Kontrollen der Schilddrüsenfunktion während der Therapie sind obligat (Frühphase: 2–3 bzw. 6–8 Wochen, dann alle 3 Monate) und Spätkontrollen nach Absetzen der Therapie (3 und 6 Monate) sind zu empfehlen. Übersichten: Meng,W.: Schilddrüsenerkrankungen. 4. Aufl., Urban& Fischer, München-Jena 2002 Rendl,J, B.Saller: Schilddrüse und Röntgenkontrastmittel. Dt Ärztebl, 98:A 402-406 (Heft 7) Subklinische Hyperthyreose – Behandlung erforderlich? Roland Gärtner, Universität München, Campus Innenstadt Die subklinische Hyperthyreose wird synonym auch als Grenzwertlatente, okkulte, asymptomatische oder biochemische Hyperthyreose bezeichnet. Im internationalen Sprachgebrauch hat man sich auf ersteren geeinigt, daher sollte dieser auch hier verwendet werden. Subklinisch bedeutet eigentlich, dass keine klinischen Symptome vorliegen, was aber bei genauer Überprüfung nicht standhält. Es gibt zudem das Problem, dass über Jahrzehnte hinweg die Jodmangelstruma TSH suppressiv behandelt wurde, also eine subklinische Hyperthyreose induziert wurde, und als Therapieziel galt. Die Frage, ob dies eine Erkrankung ist, die bereits behandelt werden sollte, oder aber nur beobachtet, wird in jüngster Zeit intensiv diskutiert. Die unterschiedlichen Empfehlungen der amerikanischen Fach- 27 (2003) 2 gesellschaften sind ein Beispiel für die Unsicherheit hierüber. Diagnose: Die subklinische Hyperthyreose ist in der Regel primär eine biochemische Diagnose, die durch ein supprimiertes oder erniedrigtes TSH bei normalen peripheren freien Schilddrüsenhormonen gestellt wird. Auszuschließen sind extrathyreoidale Erkrankungen wie schlecht eingestellter Diabetes, entzündliche, chronische oder konsumierende Erkrankungen mit katabolem Stoffwechsel oder eine Behandlung mit höheren Steroiddosen. Sind dieses ausgeschlossen, so ist die weitere Vorgehen entsprechend den Empfehlungen der DGE zur Diagnostik der Hyperthyreose. Endokrinologie Informationen 75 ABSTRACTS Epidemiologie In größeren Studien wird die Inzidenz der subklinischen Hyperthyreose in Gegenden mit ausreichender Jodversorgung mit 0,7%, die der manifesten Hyperthyreose mit 0,5% angegeben (NHANES III), in Gegenden mit mildem Jodmangel (Dänemark) mit 1,3% (subklinisch) bzw. 1,4% (manifest). In Deutschland wird die Inzidenz bei über 70-Jährigen mit 6,3% angegeben, es ist also eine Erkrankung, die mit dem Alter zunimmt. Klinische Wertigkeit Die subklinische Hyperthyreose stellt ein 3-fach höheres Risiko dar, innerhalb von 10 Jahren Vorhofflimmern zu entwickeln. Ob diese Patienten ein höheres Risiko für Embolien haben als euthyreote Patienten mit Vorhofflimmern ist ungewiss. Linksventrikuläre Hypertrophie, erhöhter systolischer Blutdruck, verminderter peripher Wiederstand und erhöhtes Herzminutenvolumen wurde beschrieben, letztere sind unter Behandlung reversibel. Die klinische Wertigkeit ist aber umstritten, insbesondere bei jüngeren Patienten. Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse einer Studie in der die Mortalität bei 1191 über 60-Jährigen innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren untersucht wurde. Keiner dieser Patienten erhielt Thyroxin oder Thyreostatika. Während des Beobachtungszeitraumes verstarben 509 von 1191 Patienten. Bei 71 Patienten bestand eine subklinische Hyperthyreose. Die Mortalitätsrate bezogen auf alle Todesursachen war bei diesen Patienten verglichen mit denen, die ein normales TSH hatten, 2-fach erhöht. Postmenopausale Frauen mit subklinischer Hyperthyreose haben einen höheren Verlust an Knochenmasse, erhöhte Frakturraten wurden allerdings nicht beschrieben. Ein höheres Risiko, eine Demenz oder M. Alzheimer zu entwickeln wurde kürzlich in der RotterdamStudie gezeigt, dies muss noch bestätigt werden. To treat or not to treat? Eine subklinische Hyperthyreose hat eindeutige klinische Symptome, auch wenn diese im Einzelfall nur sehr gering sein mögen, bei über 60-Jährigen ist die Mortalität signifikant erhöht. Im milden Jodmangel sind Patienten mit subklinischer Hyperthyreose auch weit mehr gefährdet, unter einer höheren Jodidsubstitution eine manifeste Hyperthyreose zu entwickeln. Daher gilt grundsätzlich, dass die subklinische Hyperthyreose weiter abzuklären und zu therapieren ist, es sei denn, es handelt sich um eine(n) junge(n) Patientin(en), ohne kardiales, neuropsychiatrisches oder osteoporotisches Risiko. 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Mann Definition – Latente Hypothyreose Eine latente oder subklinische Hypothyreose ist charakterisiert durch ein erhöhtes basales TSH, >4 mU/l, und einem im Normbereich liegenden Parameter für das freie T4. Aufgrund der klinischen Relevanz der Frühform wäre ein bevorzugter Ausdruck „milde Hypothyreose“ (Sawin 1994). Prävalenz Während die Prävalenz der manifesten Hypothyreose mit 0,1–1,5% (Hollowell 2002, Sawka 2002) relativ niedrig ist, liegt sie für die subklinische Hypothyreose in der Literatur bei 0,5–6%. Bei älteren Frauen (über 60 Jahre) werden von Vanderpump (1995) 7–10% angegeben und in der Colorado Thyroid Prävalenz Study war die Inzidenz bei Männer über 74 Jahre auf 16% erhöht und mit der bei gleichaltrigen Frauen (21%) durchaus vergleichbar. Ursächlich verantwortlich sind Immunthyreotitiden (Hashimoto-Thyreoiditis, atrophische Thyreoiditis, selten Morbus Basedow mit Hypothyreose), die postpartumthyreoiditis und iatrogene Ursachen wie Schilddrüsenoperationen, die Radio-Jod-Therapie mit ihrer kurz- aber auch langfristigen Strahlenwirkung (Späthypopthyreoserate ca. 2% pro Jahr), externe Bestrahlungen im Halsbereich (z.B. bei Lymphomen) und Medikamte (antithyreoidale Medikamente, hochdosiertes Jod, Amiodaron, Lithium, Interferon-, Interleukin) (Feldkamp 2002). Morbiditätsrisiko Klinisch relevante Symptome der Hypothyreose und in abgeschwächter Form auch der subklinischen Hypothyreose sind Bradykardie, milde Hypertonie, eine allgemeine Verlangsamung, depressive Verstimmungen, Ödemneigung, eine verminderte Kontraktilität des Herzens und eine Hypoventilation. Die Hypothyreose trägt beschleunigend zur Entwicklung einer Arteriosklerose und der koronaren Herzerkrankung (KHK) bei. Ursache hierfür sind wahrscheinlich die arterielle Hypertonie und die Hypercholesterinämie. Die Hypercholesterinämie beruht vor allem auf einem verminderten Abbau des Cholesterins. Die Angaben zur Erhöhung von Cholesterin und insbesondere LDL-Cholesterin bei latenter Hypothyreose sind widersprüchlich, ein erhöhtes Mortalitätsrisiko ist nicht eindeutig belegt. Bei leicht erhöhten TSH-Spiegeln bis 5,5 mU/l sind die LDLCholesterin-Spiegel noch nicht erhöht, mit ansteigen- 27 (2003) 2 den TSH-Werten (>12 mU/l) nimmt die Hyperlipidämie kontinuierlich zu und es steigt das Risiko einer koronaren Herzerkrankung (Biondi 2002). Die RotterdamStudie an 1149 postmenopausalen Frauen hat gezeigt, dass bereits bei subklinischer Hypothyreose das Infarktrisiko steigt und die Häufigkeit von Aortenkalk zunimmt (Hak 2000). Dieses wahrscheinlich erhöhte Gefäßrisiko, auch bei milden Hypothyreoseformen, ist Hauptgrund für Empfehlungen in bestimmten Populationen ein Hypothyreose-Screening zu propagieren (Vierhapper 2000). Als Verbindungsglied zur koronaren Herzerkrankung ist bei der Hypothyreose das LDL-Cholesterin jedoch nicht eindeutig belegt (Toft 1994). Weitere Argumente einer Frühdiagnostik ist die Beobachtung, dass bei jüngeren Frauen Fertilitätsstörungen bei milder Hypothyreose vorliegen und durch die Gabe von Levothyroxin gebessert werden können. Eine allgemeine Befindlichkeitsbesserung in allen Lebensaltern durch die frühzeitige Levothyroxin-Therapie ist bei 25–50% der Patienten zu erwarten (Cooper 1984). Diagnostik Klassische Symptome der Hypothyreose sind definitionsgemäß bei der subklinischen Hypothyreose nicht zu erwarten. Anamnese und klinische Untersuchung müssen nach möglichst spezifischen Symptomen, z.B. entsprechend dem Scoore nach Zulewski (1977) fanden. Hierzu gehören eine allgemeine Verlangsamung, Müdigkeit, depressive Verstimmungen und Leistungsrückgang, trockenes Haar und bei Frauen Zyklusstörungen und Menorrhagien (Mann 2001). Aufgrund der Symptomarmut milder Formen der Hypothyreose wurde ein Bevölkerungsscreening durch TSH-Bestimmungen vorgeschlagen (Danese 1996). Dies ist jedoch nicht unangefochten, da der Nutzen einer frühen Therapie kontrovers diskutiert wird. Eine Kostennutzungsanalyse wurde für ein TSHScreening für Frauen über 35 Jahre mit TSH-Kontrollen alle 5 Jahre vorgenommen. Hierbei entfiel die Hälfte des Nutzens auf die Prävention einer manifesten Hyopthyreose und der damit verbundenen Morbidität, 30% auf eine Verbesserung der Symptome und ein kleiner Benefit durch Absenkung des Cholesterins und des damit verbundenen koronaren Risikos. In Anbetracht der inzwischen niedrigen Kosten für die TSH-Bestimmung müssen die erheblichen Kosten der meist breit gestreuten Diagnostik unspezifischer Endokrinologie Informationen 77 ABSTRACTS Symptome und der teuren Therapie mit CholesterinSynthesehemmern gegenübergestellt werden. Eine wichtige Indikation zur TSH-Bestimmung ist die Schwangerschaft, da hier eine Störung der neurophysiologischen Entwicklung des Feten und weitere Schwangerschaftskomplikationen einschließlich Tod des Feten belegt sind (Abalovich 2002). Duntas hat eine Einteilung der Hypothyreose nach der Höhe der TSH-Spiegel vorgeschlagen (Tab. 1). TSH mU/l Einteilung 2–4 4–10 >10 Minimal Mild Manifest Im Zweifelsfall und zum definitiven Beleg der Immunthyreopathie eignet sich die Punktionszytologie mit dem Nachweis lymphozytärer Infiltrationen. Eine Schilddrüsenszintigraphie ist bei diffuser Echoarmut und homogener Gewebsstruktur entbehrlich. Bei knotigen Veränderungen sollte sie jedoch ergänzend durchgeführt werden. Verlaufskontrollen Nach Einleitung einer Substitutionstherapie mit Levothyroxin sollte nach 4 bis 6 Wochen erstmals das TSH kontrolliert und dann die Levothyroxin-Dosis angepasst werden, so dass das TSH im mittleren Normbereich (0,5–1,5 mU/l) liegt. Verlaufskontrollen der Antikörperbestimmung sind entbehrlich. Langzeitkontrollen von fT4, TSH und Schilddrüsensonogramm sind jährlich ausreichend. Tab. 1: Einteilung der Hypothyreose nach TSH-Serumspiegeln Der Vorschlag gründet sich auf Beobachtungen der Whickham-Studie, dass das Risiko einer manifesten Hypothyreose bereits bei TSH-Spiegeln >2 mU/l ansteigt (Vanderpump 1995). Die Bestimmung von Thyroxin erfolgt heute mit Methoden, die fT4-Äquivalent erfassen (fT4-Assays). Die Bestimmung von TT3 und fT3 hat für die Diagnose der Hypothyreose keine entscheidende Bedeutung, da die fT3-Spiegel selbst bei manifesten Hypothyreosen häufig noch im Normbereich liegen. Die Bestimmung von Schilddrüsenantikörpern ist für die Diagnostik von Immunthyreopathien entscheidend. Methode der Wahl ist hier die Bestimmung der Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase (TPO-Antikörper). Thyreoglobulinantikörper können bei 60–70% der Patienten mit Hashimoto- oder atrophischer Thyreoiditis nachgewiesen werden. Sie sind von untergeordneter Bedeutung und sollten nur bei klinischem Verdacht einer Immunthyreopathie und negativen TPOAntikörpern bestimmt werden (Dietlein 1999). Die Schilddrüsensonographie ist bei der HashimotoThyreoiditis durch klein-knotige Veränderungen zwischen 2 und 3 mm und eine geringe Struma charakterisiert. Die atrophische Thyreoiditis zeichnet sich durch eine diffuse Echoarmut und eine zunehmend atrophische Schilddrüse aus. Sie unterscheidet sich von der fleckförmigen Echoarmut der akut/subakuten Thyreoiditis, die darüber hinaus meistens sehr schmerzhaft ist. Eine Abgrenzung zwischen Morbus Basedow und atrophischer Immunthyreoiditis ist sonographisch nicht möglich (Saller 1997). 78 Endokrinologie Informationen Leitlinien zur Therapie der subklinischen Hypothyreose Das Amerikanische College of Physicians findet zwar keine ausreichende Evidenz für die Behandlung, die Amerikanische Association of Clinical Endocrinologists, ein Britisches Consensus Statement und eine Amerikanische Leitlinie empfehlen jedoch die Substitution der subklinischen Hypothyreose, insbesondere wenn Anti-TPO-Antikörper vorliegen. Mögliche Ausnahmen sind ältere Patienten mit koronarer Herzerkrankung und minimal erhöhtem TSH und Patienten mit TSH <10 mU/l und negativem Antikörpertest. Den Algorithmus einer Leitlinie zeigt Abb. 1. TSH fT4, TPO-AK, Lipidstatus TPO-AK + TPO-AK - TSH ≥10 mU/l Symptome, Struma, Cholesterin , LDL-Cholesterin Schwangerschaft Anovulation Infertilität Andere Autoimmunerkrankungen Levothyroxin Therapie TSH £10 mU/l keine Symptome normales Cholesterin keine Zyklusstörung Jährliche Kontrolle TSH, fT4 optionale L-T4Therapie Abb. 1: Subklinische Hypothyreose. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Der hier von Cooper vorgeschlagene Algorithmus geht noch von einer Entscheidungsgrenze des TSH von 10 mU/l aus. Es mehren sich jedoch die Daten, dass die milde Hypothyreose schon bei TSH-Spiegeln über 3 mU/l beginnt und beim Nachweis von TPO-Antikörpern das Risiko einer sich entwickelnden manifesten Hypothyreose steigt. Da viele Patienten über unspezifische Symptome klagen, scheint mir persönlich beim Nachweis von Schilddrüsenantikörpern eine Substitution schon bei TSH-Spiegeln über 3 mU/l gerechtfertigt. Unterstützt wird diese Empfehlung von Untersuchungen von Padberg (2001), die zeigen konnte, dass durch eine TSH-suppressive Therapie die Infiltration der Schilddrüse mit T-Lymphozyten und die Antikörper-Titer im Serum abnahmen. Die Ruhigstellung des Organs führt möglicherweise zu einer Beruhigung des Immunprozesses. Eine probatorische großzügige Gabe von L-Thyroxin ist auf Grund der Studienlage gerechtfertigt (SchummDraeger 2002, Woeber 2002). Grundsätzlich behandelt werden soll, unabhängig vom Nachweis von Schilddrüsenantikörpern die subklinische Hypothyreose in der Schwangerschaft und bei Frauen mit anovulatorischen Zyklen und Infertilität. Besonders wichtig ist das Erkennen der auch subklinischen Hypothyreose in der Schwangerschaft, da eine nicht erkannte Hypothyreose zur neurologischen Fehlentwicklung bei Neugeborenen führen kann (Haddow 1999, Utiger 1999). Ob ein generelles TSH-Screening für Frauen über 35 Jahre realistisch ist, müssen prospektive Studien zeigen. Dies gilt auch für Männer über 65 Jahre (Cooper 2001). Empfehlungen zur Therapie der subklinischen Hypothyreose Obligatorische Therapie – nach Schilddrüsenoperation (zu berücksichtigen sind hier passagere Hypothyreosen in den ersten Monaten nach Operation – in diesen Fällen ist die Substitutionsbehandlung ggf. nur vorübergehend erforderlich) – nach Radio-Jod-Therapie (auch hier sind in den ersten Monaten nach Therapie passagere Hypothyreosen zu beobachten) – nach externer Strahlentherapie der Halsregion – Beim erhöhtem TSH >4 mU/l und Nachweis von Schilddrüsenantikörpern – in der Schwangerschaft und Neugeborenenzeit Probatorische Therapie – bei TSH-Spiegeln >4 mU/l und Hypercholesterinämie bzw. erhöhtem LDL-Cholesterin – bei Zyklusstörungen und Infertilität – bei psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere bei Vorliegen depressiver Symptome – bei Verdacht einer monosymptomatischen Verlaufsform einer Hypothyreose 27 (2003) 2 Die initiale Dosierung beträgt 50–75 µg täglich. Angestrebt wird eine Normalisierung des TSHSpiegels. Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung sollte man niedrig dosiert beginnen (12,5–25 µg täglich) (Faber 2002, Krehan 2002). Bei der Immunthyreoiditis kann der Levothyroxin-Bedarf im Verlauf der Jahre zunehmen. Die Dosiserhöhung erfolgt TSH-adaptiert (Schuppert 1997). Durch die Schilddrüsenhormonsubstitution kann häufig eine Therapie mit CholesterinSynthesehemmern vermieden werden. Postmenopausale Frauen, die einer Östrogenersatztherapie bedürfen, haben einen höheren Bedarf an Levothyroxin. Frauen ohne Schilddrüsenerkrankung adaptieren den erhöhten Schilddrüsenhormonbedarf rasch durch eine Zunahme von TBG. Frauen mit Hypothyreose zeigen einen Abfall von fT4, so dass TSH signifikant ansteigt. Es wird daher empfohlen etwa 12 Wochen nach Beginn einer Östrogentherapie die Schilddrüsenhormonparameter zu überprüfen und die Levothyroxin-Dosierung anzuheben (Arafah 2001). Selten findet sich eine Konversionsschwäche von Thyroxin zu Trijodthyronin durch einen Mangel an TypII-Dejodase. Diese Patienten zeigen persistierende Symptome einer Hypothyreose trotz LevothyroxinTherapie. Hier besteht ausnahmsweise die Indikation für eine Kombinationstherapie aus T3 und T4. Am besten geeignet erscheint eine Therapie im Verhältnis 10:1 T4 zu T3 (z.B. Prothyrid-Tabletten). (Bunevicius 1999.) Zu unterscheiden sind Patienten, die in Nordamerika unter dem Wilson-Syndrom subsummiert werden. Diese Patienten beklagen verschiedenste unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Antriebsarmut und fordern trotz belegter Euthyreose Schilddrüsenhormone. Sie gehen davon aus, dass die Referenzwerte für sie nicht gelten und der Setpoint der Hypophyse verstellt sei. Die einzige doppelblinde placebokontrollierte Studie mit symptomatischen Patienten und belegter Euthyreose hat gezeigt, dass sie nicht von einer Schilddrüsenhormonsubstitution profitieren (Pollock 2000). Prof. Dr. K. Mann Klinik für Endokrinologie, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Essen Literatur 1. Abalovich M, Gutierrez S, Alcaraz G, Maccallini G, Garcia A, Levalle O. Overt and subclinical hypothyroidism complicating pregnancy. Thyroid 2002; 12(1):63-69 Endokrinologie Informationen 79 ABSTRACTS 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 80 Arafah BM. Increased need for Thyroxine in women with hypothyroidism during estrogen therapy. N Engl J med 2001;344:1743-49 Biondi B, Palmieri EA, Lombardi G, Fazio S. Subclinical hypothyroidism and cardiac function. Thyroid 2002;12(6):505-510 Bunevicius R, Kazanavicius G, Zalinkevicius R, Prange AJ. Effects of thyroxine as compared with thyroxine plus triiodothyronine in patients with hypothyroidism. N Engl J Med 1999;340:424-9 Cooper DS, Halpern R. Wood LC, Levin AA, Ridgway EC. L-thyroxine therapy in subclinical hypothyoidism: a double-blind, placebo-controlled trial. Am Intern Med 1984;101:1107-11 Cooper DS. 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Klinik: Bei einem Spektrum der klinischen Beschwerden von nahezu asymptomatischen bis zu sehr schweren Verläufen mit allgemeinem Krankheitsgefühl, akut einsetzendem hohen Fieber und sehr stark ausgeprägtem Lokalschmerz in der Schilddrüsenregion kommt es häufig zu einer verzögerten Diagnosestellung durch Verwechslung mit anderen Krankheitsbildern, vor allem aus dem Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Bereich. Für den auf dem Gebiet erfahrenen Kliniker stellen der akute Druckschmerz in einer oft nur mäßig vergrößerten und konstistenzvermehrten Schilddrüse sowie die Ausstrahlung des Schmerzes in die umgebende Halsregion, vor allem Kiefer- und Ohrregion, charakteristische, zur Diagnose führende klinische Symptome dar. Diagnostisches Vorgehen Laboruntersuchungen: Typische Laborbefunde der subakuten Thyreoiditis de Quervain sind eine deutlich beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit (>50–60 mm in der ersten Stunde), deutlich erhöhte Werte für das C-reaktive Protein (CRP) im Serum bei in der Regel normalen Werten für Leukozyten. Durch Zerstörung von Schilddrüsenparenchym im Rahmen dieses ent- 27 (2003) 2 zündlichen Geschehens werden insbesondere im initialen Stadium der Erkrankung vermehr präformierte Hormone freigesetzt, so dass eine subklinische oder manifeste Hyperthyreose zu diagnostizieren ist. Die Serologie für Schilddrüsen-Autoantikörper ist fast immer negativ, ein positiver Befund hat keine pathogenetische oder prognostische Bedeutung. Schilddrüsensonographie/Schilddrüsenzytologie: Die von der Entzündung betroffenen Schilddrüsenareale stellen sich sonographisch deutlich echovermindert, nahezu echofrei dar und imponieren insgesamt inhomogen, konfluierend in einem oder beiden Schilddrüsenlappen. Die Diagnosesicherung erfolgt mit der Schilddrüsenzytologie, die über eine Feinnadelaspirationsbiopsie der betroffenen Schilddrüsenareale gewonnen, ein typisches Bild der granulomatösen Thyreoiditis mit mehrkernigen Riesenzellen präsentiert. Differentialdiagnostisch können so andere Thyreoiditisformen sowie ein Schilddrüsenmalignom abgegrenzt werden. Die Schilddrüsenszintigraphie zeigt wie bei anderen Thyreoiditisformen eine stark reduzierte Radionuklidaufnahme und ergibt somit zu den zuvor genannten diagnostischen Maßnahmen kein weiterführendes Ergebnis. Therapie: Eine zügige Stabilisierung des Krankheitzustandes und Behebung der intensiven Schmerzsymptomatik kann bei der subakuten Thyreoiditis de Quervain durch eine Glukokortikoid-Therapie erreicht werden. Die initial Endokrinologie Informationen 81 ABSTRACTS hoch dosierte Glukokortikoid-Gabe (60 bis 80 mg eines Prednisolon-Äquivalentes/Tag) wird in Abhängigkeit des individuellen Krankheitsverlaufes kontinuierlich bis zu einer Erhaltungsdosis reduziert, wobei in der Regel eine Behandlung sechs Monate nur in Ausnahmefällen überschreitet. Wenngleich es sich um eine rein symptomatische Therapie handelt, ist bei mehr als 80% der betroffenen Patienten eine Resitutio ad integrum zu erreichen. Eine zu rasche Reduktion der Glukokortikoide begünstigt wiederkehrende Verschlechterungen des Krankheitszustandes und muss vermieden werden. Eine thyreostatische Therapie der initial häufig auffälligen Hyperthyreose ist aufgrund der Pathogenese der subakuten Thyreoiditis de Quervain nicht sinnvoll und sollte unterbleiben. Allenfalls ist eine symptomatische Therapie, ergänzend zur Glukokortikoid-Gabe mit z.B. Betablockern, zu veranlassen. Eine ausschließliche Behandlung mit steroidalen Antiphlogistica sollte nur bei leichten Verlaufsformen der Thyreoidits de Quervain zum Einsatz kommen. Im Rahmen einer erfolgreichen Behandlung kommt es zur Normalisierung der Laborwerte (BKS, CRP, Schilddrüsenfunktionswerte) sowie des sonographischen Bildes der Schilddrüse. Nach sehr schweren Verläufen einer subakuten Thyreoiditis de Quervain kann eine substitutionspflichtige Hypothyreose resultieren (3–5% der betroffenen Patienten). Äußerst selten persistiert die Erkrankung trotz adäquater Behandlung über mehr als 12 Monate, so dass hier über eine chirurgische Sanierung des Befundes entschieden werden muss. Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger 3. Med. Abteilung, Endokrinologie, Stoffwechsel und Angiologie Englschalkinger Straße 77 81925 München Tel.: 0049/89/92 70 21 10 Fax: 0049/89/92 70 21 16 E-mail: [email protected] Struma maligna: Differenzierung und Prognose Manfred Dietel, Institut für Pathologie, Charitè Berlin Schumannstr. 20–21, 10117 Berlin, E-Mail: [email protected] Die für die Schilddrüse spezifischen Follikelzellen stellen in 90–95% aller Schilddrüsenkarzinome den Ausgangspunkt der malignen Entartung dar. Die kalzitoninproduzierenden interfollikularen C-Zellen gelten nur in max. 10% als Ursprungszellen. Die histologische Klassifikation und die Differenzierung der einzelnen Tumortypen bestimmt in hohem Maß die Prognose und hat daher eine besondere Bedeutung. Nichtepitheliale Tumoren und primäre maligne Lymphome sind selten. Nach der WHO (Blue Fascicles Series) werden unterschieden – differenzierte SD-Karzinome – papilläre – follikuläre – medulläre oder C-Zell-Karinome – gering differenzierte, so genannte insuläre Karzinome – anaplastische SD-Karzinome und – andere. Die Prognose der einzelnen Entitäten ist ausgesprochen unterschiedlich und sollte für jeden Einzelfall sorgfältig abgeschätzt werden. Bei den differenzierten (papillären und follikulären) SDKarzinomen lassen sich nach EORTC-Richtlinien 82 Endokrinologie Informationen (Cancer 1986, 57: 1405-14) prognostisch zwei Risikogruppen von einander abgrenzen: Prognose differenzierter SD-Karzinome Aufgrund des unterschiedlichen biologischen und klinischen Verhaltens sind grundlegend zwei Hauptgruppen zu unterscheiden: Eine Low-risk-Gruppe von 89% aller Fälle mit exzellenter 5-Jahres-Überlebensrate von 98% der Patienten. Dies trifft auf folgende Konstellationen zu: – jüngere Patienten ohne Fernmetastasen (m<41, w<51) – alle älteren Patienten mit – intrathyreoidalem pap. SD-Ca oder – weitgehend gekapseltem foll. SD-Ca – Primärtumor unter 5 cm im Durchmesser Eine High-risk Gruppe von 11% aller Fälle mit einer 46%igen Mortalität in 5 Jahren. Dies trifft auf folgende Konstellationen zu: – alle Patienten mit Fernmetastasen – alle älteren Patienten mit – extrathyreoidalem papillärem SD-Karzinom oder grob invasivem follikulärem SD-Karzinom – Pimärtumor größer als 5 cm im Durchmesser. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Diese Aussagen gelten unabhängig vom Stadium der Erkrankung. In Ergänzung zu dieser typübergreifenden Prognoseabschätzung sind für die papillären und follikulären Karzinome weitere Prognosekriterien definiert worden. Prognose der papillären SD-Karzinome Die Prognose bei papillären Tumortyp ist insgesamt gut. Sie liegt über alle Gruppen bei 83% (5 Jahre) und 81% (10 Jahre). Patienten mit einem papillären vollständig gekapseltem Mikrokarzinom pT1N0M0 haben eine praktisch normale Lebenserwartung. Als ungünstig haben sich folgende Kriterien erwiesen: – schlechter Differenzierungsgrad, insbesondere Grad IV – Alter über 45 Jahre – großzellige oder kolumnäre Zytologie – Gefäßeinbrüche – Tumorwachstum außerhalb der SD-Kapsel. Diese Parameter müssen in den histologischen Befundberichten einzeln aufgeführt werden, damit der Kliniker sich eine realitätsnahe Einschätzung vornehmen kann. Prognose der follikulären SD-Karzinome Bei den follikulären Tumoren ist die Primärunterscheidung in minimal invasiv versus grob invasiv von grundlegender Bedeutung, ferner spielen das Tumorstudium sowie der Lymphknotenstatus eine wichtige Rolle. – Die histologisch adäquat nachgewiesene minimal invasive Variante zeigt eine exzellente Prognose mit einer 10-Jahres-Überlebensrate. von 90%. Dies gilt allerdings nur wenn eine ausreichend radikale operative Therapie erfolgt ist. – Die grob-invasiven follikulären Tumoren haben eine deutlich schlechtere Prognose. Nach 5 Jahren leben lediglich noch etwa die Hälfte aller Patienten. (cave: In zahlreichen Arbeiten sind die gering differenzierten Tumoren nicht als eigene Gruppe erfasst worden, so dass die Prognose der grob-invasiven follikulären SD-Karzinome möglicherweise besser ist als bisher angenommen). Prognose der gering differenzierten (insulären) SDKarzinome Die Prognose ist deutlich schlechter als bei den o.g. Typen, allerdings besser als beim anaplastischen SDKarzinom (s.u.). Die Überlebensrate beträgt nach 5 Jahren 30–50%, nach 10 Jahren 25–35%. Die große Schwankung beruht auf den in vielen Studien nicht klar definierten histologischen Kriterien. Bei primärer Metastasierung in die Lunge oder Knochen sowie bei Lymphknotenmetastasen sinkt die Prognose weiter. 27 (2003) 2 Prognose der anaplastischen SD-Karzinome Dieser Tumortyp muss praktisch immer als infaust angesehen werden. Die 2-Jahres-Überlebensrate ist unter 10%, die 5-Jahres-Rate bei unter 5%. Eine lebensverlängernde Therapie ist nicht bekannt. Prognose der medullären SD-Karzinome Die Prognose dieses neuroektodermalen Tumors ähnelt der anderer endokriner Malignome. Es sind langsam wachsende Läsionen, die allerdings zum Zeitpunkt der Operation schon in 80% der Fälle metastasiert haben, ohne dass dies die Prognose stark beeinflusst. Die 5-Jahresü-Überlebensrate ist 94%, nach 10 Jahren sind noch 85% am Leben. Als ungünstig gelten – Primärstudium pT4 – ausgedehnte Fernmetastasen – immunhistochemischer Nachweis von DopaDecarboxylase, Histaminase und Leu-M1 – DNA-Aneuploidie. Immunologische und molekulare Assays zur Prognoseabschätzung Die bisher beschriebene Vorgehensweise zur Prognoseabschätzung ist letztlich konventionell und hat bei allen unbestrittenen Qualitäten Grenzen, die insbesondere bei der verlässlichen Beurteilung des individuellen Falles deutlich werden. Molekulare Methoden könnten hier zu einer verbesserten Aussagequalität führen. In Geweben wie in Feinnadelaspiraten (FNA) können die schilddrüsenspezifischen Proteine Na I symporter (NIS), thyroid peroxidase (TPO), Thyreoglobulin und SD-spezifische Rezeptoren sowie das RET/PTC Rearrangement mittels Immunzytologie oder RT-PCR bestimmt werden. Auch der Nachweis von tumorspezifischen Markern in Schilddrüsengewebe (Übersicht s. Ringel et al. 2002, Endocr & Metab Disorder 1:173–181) ist wurde extensive durchgeführt. Allerdings ist es bisher nicht gelungen einen Marker zu identifizieren, der spezifisch SDKarzinome identifiziert und von benignen adenomen abgrenzt. Auch in der Prognosebeurteilung haben die zahlreich untersuchten Marker bisher nicht zu einer verbesserten Aussagegenauigkeit geführt. Zusammenfassung Die histologische Differenzierung mit präziser Festlegung des histologischen Typs, der Wachstumsform sowie der Tumorausdehnung spielen bei der Prognoseabschätzung epithelialer Schilddrüsenmalignome die entscheidene Rolle. Von bisher noch untergeordneter Bedeutung sind immunhistologische oder molekulare Zusatzuntersuchungen, da sie sich bisher nicht als unabhängige Prognosefaktoren oder als hilfreich in der Dignitätsbeurteilung während der täglichen Diagnostik erwiesen haben. Endokrinologie Informationen 83 ABSTRACTS Chirurgische Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms P.E. Goretzki Lukaskrankenhaus Neuss Die chirurgische Therapie des Schilddrüsenkarzinoms hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer differenzierten Vorgehensweise bei den Patienten entwickelt, die zwischen subtotaler Resektion beidseits und Hemithyreoidektomie und radikaler Schilddrüsenentfernung mit Entfernung auch der lateralen Halslymphknoten entscheiden muss. Das Vorgehen ist einerseits abhängig von der Ausdehnung des Primärtumors und wird andererseits von der lokalen Erfahrung über die Aggressivität des Tumors gesteuert. So zeigen Erfahrungen aus den USA und hier speziell langjährige Untersuchungen der Mayo-Klinik eine Knoteninzidenz der Bevölkerung, die abhängig vom Alter bei 4–7% liegt und damit eine Karzinominzidenz von Knoten von um 1–5% aufweist. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Erfahrungen in Jodmangelgebieten wie z.B. der Bundesrepublik Deutschland. Hier liegt die Knoteninzidenz der Erwachsenen bei etwa 30% und die Inzidenz der Karzinome wird bei einer Prävalenz von 4–8 Fällen pro 100000 Einwohnern mit 0,02% anzugeben sein. Dies betrifft klinisch relevante Karzinome und nicht Autopsiebefunde, die papilläre Strukturen in über 10% der Schilddrüsen bei genauer Analyse aufdecken. Andererseits ist nach eigenen Erfahrungen an über 4000 Fällen von Patienten mit primär als gutartig eingestuften Schilddrüsenerkrankungen in 2–4% mit einem zufällig gefundenen meist papillären Schilddrüsenkarzinom zu rechnen, das in den meisten Fällen unter 1 cm Durchmesser maß und in weniger als 5% auch langfristig zum Tod des Patienten führt. Dies steht im Gegensatz zu größeren Schilddrüsenkar-zinomen und Schilddrüsenkarzinomen mit follikulärer Struktur oder Varianten des papillären Karzinoms, bei denen eine Letalität von generell bis zu 20% in 15 bis 20 Jahren akzeptiert werden muss, die jedoch bei Auftreten von Fernmetastasen, extrathyroidalem Wachstum und ausgedehntem Kapsel- und Gefäßeinbruch noch weiter steigt. Aus diesen Überlegungen heraus ist die zurückhaltende Resektion mit weniger als einer totalen Thyreoidektomie für das papilläre Karzinom unter 1 cm weltweit akzeptiert, wo hingegen ab einem T3-Tumor (über 4 cm) oder nachweislicher Lymphknoteninfiltration von uns seit einigen Jahren schon primär eine auch laterale Lymphknotendissektion vorgenommen wird. Dieses Vorgehen wird 84 Endokrinologie Informationen auch von anderen Autoren, wie z.B. de Groot aus Chikago und Dralle aus Halle, generell akzeptiert und wurde mit einem weniger radikalen Vorgehen früherer Jahre im eigenen Krankengut verglichen. So zeigt die Zurückhaltung der totalen Thyreoidektomie bei T1-Tumoren (unter 1 cm) ohne Nachweis von Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasen und damit auch der Verzicht auf eine Radiojodtherapie bei diesen Patienten nach unseren Ergebnissen an über 70 Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom und T1 keine schlechtere Prognose für die Patienten als eine totale Thyreoidektomie mit nachfolgender Radiojodtherapie. Dies können wir jedoch nur über einen Zeitraum von 5 Jahren verfolgen, wo hingegen die Erfahrungen der Mayo-Klinik mit identischen Ergebnissen bei diesen Tumoren über einen Erfahrungszeitraum von über 20 Jahren verfügt. Die Bedeutung der operativen Zurückhaltung bei diesen Patienten betrifft hauptsächlich Patienten mit zufällig entdeckten kleinen Karzinomen, die nach aller bisherigen Erfahrung keine nachfolgende totale Thyreoidektomie mit den Problemen möglicher Morbidität bei Rezidiveingriffen benötigen. Inwieweit hier jedoch langfristig die Zahl der lokoregionären Rezidive ansteigen wird, bei den über 30% multifokal auftretenden papillären Karzinomen, kann bisher nicht vollständig beantwortet werden und ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Für größere differenzierte Schilddrüsenkarzinome hat N.A. Samaan 1992 erstmalig eindeutig nachweisen können, daß neben der Chirurgie die Radiojod-Therapie eine Verbesserung der Prognose erbringt. Dies wurde hauptsächlich in der „high risk“-Gruppe von Patienten über dem 45. Lebensjahr und ausgeprägtem Tumorgeschehen evident, so daß ab T2-Tumoren für uns die totale Thyreoidektomie mit nachfolgender Radiojod-Therapie für alle Patienten als Grundvoraussetzung der Therapie gilt. Bezüglich der gleichzeitigen Lymphknotendissektion mit Radiotherapie sind die Daten weniger eindeutig, zeigen jedoch zunehmend den Vorteil der frühzeitigen auch lateralen Lymphknotendissektion bei T3 und T4Tumoren. So ist nach eigener Erfahrung eine Lymphknotenmetastasierung im Stadium pT1-2-3-4 für das papilläre Karzinom in 9–16–15–46 % nachweisbar und für das follikuläre Karzinom in 6–4–6–29%. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Fernmetastasen waren bei papillären Karzinomen in 1 bis 8 %, bei follikulären in 4–25% (4–6–9–25) der Patienten nachweisbar. Dies bedeutet, daß für T4Tumoren heute unabdingbar die ausgedehnte Lymphknotendissektion zum Therapieschema der Patienten gehört und die lokoregionären Rezidive von weit über 50% auf etwa 20–30% gesenkt werden kann. Inwieweit hierdurch die Langzeitprognose der Patienten verbessert wird ist jedoch nicht eindeutig belegt, konnte jedoch in retrospektiven Analysen von H. Dralle als sehr wahrscheinlich dargestellt werden. Untersucht man die Patienten, die an einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom versterben, bei unseren 608 Patienten waren es 32 (5%) in einem Zeitraum von 7,5 Jahren, so zeigten 84% dieser Patienten lokoregionäre Rezidive und 22% Fernmetastasen. 28 der 32 Patienten (88%) waren primär mit einer totalen Thyreoidektomie und Radiojod-Therapie behandelt worden und 9 Patienten (28%) unterzogen wir schon primär einer modifiziert radikalen lateralen Lymphknotendissektion, so dass in den meisten Fällen nicht eine inadäquate Primäroperation, sondern das ausgeprägte Tumorstadium (T4 M1) und/oder eine spezifische Tumoraggressivität (P53 Mutationen etc.) zu dem letztendlich deletären Verlauf führten. Inwieweit Patienten mit besonders aggressivem Krankheitsverlauf bei fehlender bzw. abnehmender Radiojodspeicherung durch eine Redifferenzierungstherapie profitieren könnten, wurde von uns durch Verwendung von Retinoiden untersucht. So zeigten etwa 20% nach Applikation der Retinoide über 6 Wochen eine Verbesserung der Jodaufnahme und ein vielleicht schon primär verlangsamtes Tumorwachstum. Inwieweit dies der erste Ansatz für eine neue Therapie auch mit anderen Redifferenzierungssubstanzen sein kann, bleibt jedoch offen. Dies steht ganz im Gegensatz zur Effektivität der Radiojodtherapie bei Lungenmetastasen besonders im jugendlichen Alter, mit der nach den Ergebnissen des MD Andersen Cancer Centers in knapp 50% eine langfristige Heilung erreicht wurde. Dies konnten Untersuchungen von J.K. Harness et al. bestätigen, der bei 6–19% der Kinder und Jugendlichen Lungenmetastasen nach Diagnose des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms nachwies, die jedoch bei effektiver Therapie mittels totaler Thyreoidektomie und Radiotherapie nur in 2,2% langfristig zum Tode der Patienten führten. Diese sehr positiven Ergebnisse sind sicher altersspezifisch und organspezifisch, da extrapulmonale Metastasen differenzierter Schilddrüsenkarzinome in Knochen, Leber und ZNS weitaus weniger strahlensensibel sind und hier bei isolierten Metastasen die Kombination aus Chirurgie und Radiojodtherapie indiziert ist. Zusammenfassung: Die Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms wird heute sehr individuell unterschiedlich gehandhabt. So wird für das T1-Karzinom vom papillären Typ und hoch differenziertem follikulären Typ die Hemithyreoidektomie als ausreichend angesehen und der Vorteil einer Reoperation mit totaler Thyreoidektomie und nachfolgender Radiojod-Therapie nur in Einzelfällen aufgrund spezifischer Histologie und spezieller Risikofaktoren befürwortet. Bei allen anderen Patienten wird weiterhin die totale Thyreoidektomie mit Radiojod-Therapie als Grundlage nachfolgender Behandlungen angesehen und entsprechend des Gefährdungsgrades der Patienten durch Ausdehnung der Operation (laterale Halslymphknotendissektion) oder Erweiterung des Therapiespektrums (Redifferenzierungstherapie, perkutane Strahlentherapie bei papillären T4-Tumoren) ausgeweitet. Chirurgie des medullären Schilddrüsenkarzinoms H. Dralle, M. Brauckhoff Beim medullären Schilddrüsenkarzinom sind aus chirurgischer Sicht aktuell folgende Themenkomplexe von Interesse: 1. Kalzitoninbestimmung zur Frühdiagnose sporadischer C-Zell-Erkrankungen (C-Zellhyperblasie, medulläres Karzinom) 2. Chirurgische Strategie des klinisch manifesten MTC 3. Genotyp-Phenotyp-Korrelationen beim hereditären MTC: Bedeutung für die chirurgische Therapie. 27 (2003) 2 1. Kalzitoninbestimmung zur Frühdiagnose sporadischer C-Zell-Erkrankungen (CCH, MTC) Aufgrund kürzlicher Untersuchungen (Pacini, JCEM 1994, Niccoli, JCEM 1997, Vierhapper JCEM 1997) ist davon auszugehen, dass bei systematischer Kalzitoninbestimmung von Patienten mit Knotenstrumen vermehrt medulläre Karzinome im Frühstadium nachgewiesen werden können. Die Frage ist, welche Patienten in ein derartiges Untersuchungskonzept einzubeziehen sind und welche Konsequenzen aus den Ergebnissen Endokrinologie Informationen 85 ABSTRACTS der Kalzitoninbestimmung resultieren. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass bei Patienten mit einem basalen Kalzitoninspiegel von unter 10 pg/ml (CIS, NiccolsAssay) das Risiko für das Vorliegen eines medullären Frühkarzinoms extrem gering ist, medulläre Karzinome wurden in diesem Kalzitoninbereich bislang nicht nachgewiesen. Bei einem über 10 pg/ml basal erhöhten Kalzitoninspiegel sollte ein Pentagastrintest durchgeführt werden. Medulläre Frühkarzinome wurden bei Patienten mit basalem Kalzitonin von über 30 pg/ml bzw. stimuliertem Serumkalzitonin von über 100 pg/ml nachgewiesen, so dass bei dieser Patientengruppe eine totale Thyreoidektomie (plus Lymphadenektomie bei stimuliertem Kalzitonin von über 200 pg/ml) empfohlen wird. Bei Patienten mit einem basalen Kalzitonin von 10–30 pg/ml bzw. einem stimulierten Kalzitonin von unter 100 pg/ml ist eine Kalzitoninkontrolle in dreibis sechsmonatigem Abstand ausreichend. 2. Chirurgische Strategie des klinisch manifesten MTC Ausgangslage ist, dass die Chirurgie bislang die einzige effektive Therapieoption darstellt. Befriedigende Ergebnisse wurden nur nach totaler Thyreoidektomie und Kompartmentorientierter Mikrodissection erreicht (Rezidivrate < 10%, biochemische Heilung nach Primäroperation ca. 50%, nach Rezidivoperation ca. 30 %). Beim MTC findet eine frühzeitige hämatogene Dissemitation statt, so dass selbst in frühen Tumorstadien biochemische Heilungen nicht immer erreicht werden. Insgesamt besteht eine günstige Prognose bei „okkulter Metastasierung“. Auf der arideren Seite gibt es auch derzeit nur unbefriedigende Therapieoptionen bei „Makro“-Metastasen. Zusammenfassend ergeben sich aufgrund der Literatur sowie unserer eigenen Patientendaten (400 MTCPatienten seit 1995) folgende Ergebnisse: Von einer hämatogenen Dissemination ist bereits beim pT1-MTC in ca. 30% auszugehen (pT2-4 ca. 80%). Die lokoregionären Lymphknotenkompartimente werden in einer quasi hierarchischen Ordnung kolonisiert. Lymphknotenmetastasen finden sich primärtumorgrößenabhängig im zervikozentralen Kompartment in 30–90%, ipsilateral-zervikolateral in 30–90%, kontralateral-zervikolateral in 10–50% und mediastinal in ca. 10–40 Lokale Rezidivfreiheit ist nur nach totaler Thyreoidektomie und Kompartment-orientierter Mikrodissection zu erreichen. Eine biochemische Heilung konnte nur erreicht werden bei Tumorbefall von weniger als 10 Lymphknoten und/oder einem Kompartmentbefall von weniger als drei Kompartimenten. Skiplesions (Metastasensprung) wurde in ca. 15% beobachtet. Die chirurgische Strategie besteht daher bei riodal-positivem MTC in der totalen Thyreoidektomie und Mikrodissektion aller drei zervikalen Kompartimen- 86 Endokrinologie Informationen te. Eine transsternale Mediastinaldissektion wird nur bei positivem Lymphknotenbefall empfohlen. Hinsichtlich der Diagnostik und Therapie bei Fernmetastasen wird kurz über neuere Ergebnisse der Thorakolaparoskopie und der Chemoembolisation berichtet. Die Thorakolaparoskopie eignet sich zur StagingUntersuchung bei bildgebend-negativen Patienten mit Fernmetastasenverdacht. Es kommen insbesondere Patienten mit einem basalen Kalzitonin über 1000 pg/ml infrage. Auch wenn aus einem Mikrometastasennachweis in der Thorakolaparoskopie keine direkten Therapiemaßnahmen resultieren, stellt diese Untersuchung doch eine gute Möglichkeit zur Beurteilung der Verlaufsdynamik dar. Bei dominanten Makrometastasen der Leber hat sich die Chemoembolisation mit Epirubicin bewährt; es kommt zu einem deutlichen Kalzitoninabfall (günstig bei symptomatischer Hyperkalzitoninämie) und auch zur Verkleinerung der Metastasen. Progrediente disseminierte Fernmetastasen stellen weiterhin ein therapeutisches Dilemma dar. Hier stehen gegenwärtig nur wenige Therapiekonzepte zur Verfügung (z.B. Radioligantentherapie, Chemotherapie). 3. Hereditäres MTC Aktueller Stand ist, dass eine Genotyp-PhenotypKorrelation nachgewiesen werden konnte. Die häufigsten RET-Protoonkogen-Mutationen beim FMTC/ MEN2a-MTC sind auch die aggressivsten. Gerade aber bei den seltenen Mutationen liegt ein erhebliches Manifestationsspektrum vor. Aufgrund der heutigen Daten werden Zeitpunkt und Ausmaß der Frühoperation nicht nur vom Mutatortyp, sondern auch vom Kalzitoninwert bestimmt. Aber auch beim Kalzitonin besteht eine erhebliche Grauzone. Zusammenfassend sind unter Berücksichtigung des Mutatortyps und der Kalzitoninspiegel folgende aktuellen Therapieempfehlungen zu geben: – MEN2b: Operation so früh wie möglich, d. h. unmittelbar nach Diagnosestellung, wenn möglich schon im ersten Lebensjahr – high risk-MEN2a (Codon 634, 618): Operation im Alter unter 5 Jahren - medium/low risk FMTC/MEN2a: Operation spätestens bei Anstieg/pathologisch stimuliertem Kalzitonin. Die Frühoperation des hereditären MTC bei Genträgern sollte nicht nur aus Radikalitätsgründen, sondern auch zur Vermeidung/Verminderung der chirurgisch bedingten Morbidität (Hypoparathyreoidismus bei Lymphadenektomie) spätestens im pNO-Stadium durchgeführt werden. 27 (2003) 2 ABSTRACTS Struma maligna – Radioiodtherapie Chr. Reiners, Würzburg Die Behandlung des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms wurde in den Jahren 1999/2000 auf der Grundlage von interdisziplinär erarbeiteten Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft (ISTO) und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin standardisiert. Grundsätzlich wird bei allen Patienten mit einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom nach der totalen Thyroidektomie eine Radioiodtherapie empfohlen. Ausgeschlossen davon sind die papillären Mikrokarzinome im Stadium pT1, wobei bisher das Stadium pT1 bis zu einem maximalen Tumordurchmesser von 1 cm reichte. Nach den aktuell geänderten Empfehlungen der UICC zur TNM-Klassifikation reicht jetzt allerdings die Obergrenze des Tumordurchmessers im pT1Stadium bis zu 2 cm. Zur Zeit ist offen, ob für die Festlegung der therapeutischen Strategie die neue pTKlassifikation oder der bisherige Tumordurchmesser von 1 cm gewählt werden soll. Bei onkozytären, medullären und anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen, die aufgrund ihrer zellulären Differenzierung kein I-131 speichern, ist eine Radioiodtherapie in der Regel nicht indiziert. Voraussetzung für die Radioiodtherapie ist eine möglichst komplette Thyroidektomie. Das Ziel der Radioiodtherapie bei Patienten mit Schilddrüsenkarzinom ist: 1. Ablation des postoperativ verbliebenen Restschilddrüsen- bzw. Tumorgewebes. Nach der kompletten Ablation durch die Radioiodtherapie kann Thyroglobulin im Verlauf der Erkrankung als zuverlässiger Tumormarker verwendet werden. 2. Nachweis von unentdeckten Fernmetastasen. Die häufigsten Metastasen des Schilddrüsenkarzinoms (Lungenmetastasen) sind gelegentlich erst nach höheren Therapie-Aktivitäten von I-131 szintigraphisch detektierbar. 3. Kurative oder palliative Therapie radioiodspeichernder Lymphknoten- bzw. Fernmetastasen und Rezidive. Praktische Durchführung der Radioiodtherapie Iodhaltige Medikamente und Röntgenkontrastmittel sind bei Patienten mit Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom solange kontraindiziert, bis geklärt ist, ob es sich um einen potenziell radioiodspeichernden Tumor handelt. Die für die Radioiodtherapie infrage kommenden Patienten bleiben nach der Operation bis 27 (2003) 2 zur Therapie 4–6 Wochen unter Hormonkarenz, um eine maximale endogene TSH-Stimulation zu erzielen. Ein optimaler I-131-Uptake ist erst bei TSH-Werten > 30 mU/l gewährleistet. Bei Patienten unter TSH-suppressiver Levothyroxin-Medikation muss die Behandlung 4–6 Wochen vor einer Radioiodanwendung abgesetzt werden, um eine ausreichende TSH-Stimulation zu erzielen. Zur Verringerung der für den Patienten häufig unangenehmen Hypothyreose-spezifischen Beschwerden kann in der Absetzphase ersatzweise während der ersten 14 Tage das pharmakologisch kurzlebige Triiodthyronin verordnet werden. Prinzipiell ist heute auch eine exogene TSH-Stimulation durch rekombinantes humanes TSH unter fortgesetzter Levothyroxin-Medikation möglich. Allerdings ist das im Handel erhältliche Präparat Thyrogen® bisher nicht zur Vorbereitung der I-131-Therapie zugelassen. Zur Linderung der Beschwerden infolge einer radiogenen Thyreoiditis – insbesondere bei Patienten mit großem Schilddrüsenrest – kann ein nichtsteroidales Antiphlogistikum eingesetzt werden. Kortikosteroide sind bei Patienten mit zerebralen oder spinalen Metastasen immer indiziert, um ein Kompressionssyndrom unter der Radioiodtherapie zu vermeiden. Zur Prophylaxe einer radiogenen Gastritis bei der oralen Verabreichung höherer I-133-Aktivitäten können begleitend Protonenpumpenhemmer oder H2-Blocker eingesetzt werden. Eine rasche renale Ausscheidung des nicht im Schilddrüsen- bzw. Tumorgewebe gespeicherten I-131 ist in der Regel durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu erreichen. Bei opstipierten Patienten sollten zur Beschleunigung der intestinalen Ausscheidung Laxantien eingesetzt werden. Des Weiteren ist für eine Stimulation der Speicheldrüsen durch reichliche Flüssigkeitszufuhr und Stimulation mit z.B. Zitronensaft oder sauren Drops geachtet werden. Nebenwirkungen Bei den Nebenwirkungen und Risiken der hochdosierten Radioiodtherapie des Schilddrüsenkarzinoms ist zwischen Früh- und Spätfolgen zu unterscheiden: Frühe Nebenwirkungen: – lokale, schmerzhafte Schwellung der Restschilddrüse, des Tumors bzw. der Metastasen (abhängig von der Gewebemasse) – kurzfristige passagere Gastritis bei oraler Verabreichung Endokrinologie Informationen 87 ABSTRACTS – radiogene Sialadenitis aufgrund der relativ starken Anreicherung von I-131 in den großen Kopfspeicheldrüsen – vorübergehende Thrombo- und Leukopenie – reversible Fälle von Azoospermie Außerdem sollen als seltene, überwiegend vorübergehende Nebenwirkungen der Radioiodtherapie auch Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Geschmacksstörungen und Halsschmerzen genannt werden. Spätfolgen: – Sicca-Syndrom infolge der radiogenen Sialadenitis bei 20–30% der Patienten – Lungenfibrose bei etwa 1% der Patienten nach mehrfacher Radioiodtherapie wegen iodspeichernden Lungenmetastasen – strahleninduzierte Leukämie, die etwa 5 Jahre nach der Radioiodtherapie bei ca. 1% der Patienten auftreten kann – sehr selten dauerhafte Fälle von Azoospermie Kontraindikationen Vor einer Radioiodtherapie muss eine Schwangerschaft wegen der hohen Strahlenbelastung des Feten, die insbesondere nach Beginn der Schilddrüsenanlage im 3. Schwangerschaftsmonat zum Tragen kommt, ausgeschlossen werden. Ergebnisse Die Effektivität der Radioiodtherapie ist nicht durch prospektive randomisierte Studien belegt. Bei der gegebenen Datenlage aufgrund retrospektiver Untersuchungen, die eindeutig für den positiven Effekt der Radioiodtherapie sprechen, ist heute allerdings auch die Forderung nach prospektiven randomisierten Studien ethisch nicht mehr vertretbar. So konnte Mazaferri z.B. in einer Studie an 576 Patienten mit papillärem Schilddrüsenkarzinom zeigen, dass die Rezidivrate nach alleiniger Operation bei 32% und nach Operation und postoperativer Hormonbehandlung bei 11% liegt, während die Rezidivrate nach einer kombinierten Therapie, bestehend aus Operation, postoperativer Schilddrüsenhormontherapie sowie Radioiodtherapie lediglich 2,7% betrug und damit signifikant (p < 0,001) niedriger war (Mazaferri et al. 1977). Etwa 5–20% der Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom haben Fernmetastasen. Auch im Falle einer Metastasierung, insbesondere bei pulmonalen Metastasen, kann die Radioiodtherapie die Überlebensrate positiv beeinflussen und sogar kurativ sein. In einer retrospektiven Studie bei 1599 Patienten war die Radioiodtherapie der wichtigste prognostische Faktor für Rezidivfreiheit und eine Verbesserung der Überlebensrate (Samaan et al. 1992). Nach einer Studie des Institut Gustave Roussy in Paris liegt die Überlebensrate der Patienten mit iodspeichernden Metastasen in Vollremission bei ca. 50%, während diese bei Patienten mit nichtiodspeichernden Metastasen nur ca. 5% beträgt (Schlumberger et al. 1996). Fazit für die Praxis Die Radioiodtherapie beeinflusst die Rezidivrate und Überlebensrate von Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom signifikant günstig. Im Falle einer Radioiodspeicherung können sogar Patienten mit Fernmetastasen kurativ behandelt werden. Die wesentlichen Nebenwirkungen dieser Therapie bestehen in einem Sicca-Syndrom infolge Sialadenitis sowie in einem gering erhöhten Leukämierisiko und selten der Entwicklung einer Lungenfibrose. Wegen der hohen Strahlenbelastung des Feten ist die Radioiodtherapie während der Schwangerschaft kontraindiziert. Struma maligna – Nachsorge B. Saller Einleitung Etwa 20% der Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom entwickeln im Langzeitverlauf Lokaloder Fernmetastasen. Die daher grundsätzlich erforderliche Langzeitnachsorge ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die in spezialisierten Zentren in Zusammenarbeit zwischen Endokrinologen, Nuklearmedizinern, Chirurgen und Strahlentherapeuten erfolgen muss. Am Beginn der Nachsorge steht die Bewertung des 88 Endokrinologie Informationen individuellen Risikos des Patienten. Dabei zeigen prognostische Parameter wie Tumorhistologie, Erkrankungsstadium und Alter des Patienten das langfristige Rezidivrisiko auf und liefern damit wichtige Hinweise für eine individuelle, risikoorientierte Nachsorge. Schilddrüsenhormontherapie 2–3 Tage nach Applikation von Radiojod im Rahmen der initialen Radiojodtherapie wird mit einer Levo- 27 (2003) 2 ABSTRACTS thyroxin-Therapie in TSH-suppressiver Dosis begonnen. Übliches Ziel ist eine Absenkung des basalen TSH-Spiegels auf <0,1 mU/l. Die mittlere hierfür erforderliche Tagesdosis beträgt etwa 2,5 µg Levothyroxin/kg KG/Tag. Bei Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Heilung erscheint eine niedrigere Dosis mit Absenkung des TSH auf <0,5 mU/l ausreichend – allerdings ist die Frage nach dem erforderlichen Maß der TSH-Suppression bisher nicht in prospektiven Studien untersucht. Ist vor einer erneuten Radiojodtherapie oder -diagnostik das Absetzen der Levothyroxintherapie erforderlich, kann überbrückend bis etwa 14 Tage vor der Radiojodtherapie Trijodthyronin in einer täglichen Dosis von 1 µg/kg KG, verteilt auf 3 Einzeldosen gegeben werden. Nicht erforderlich ist die TSH-suppressive Therapie bei medullärem Schilddrüsenkarzinom. Hier ist nach Thyreoidektomie eine substitutive Levothyroxintherapie mit dem Ziel der Normalisierung des TSH-Spiegels ausreichend. Durchführung der Nachsorge beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom Nach Abschluss der Primärtherapie und Beleg der vollständigen Ablation des Schilddrüsengewebes durch eine zweimalige 131I-Ganzkörperszintigraphie umfasst das anfangs in halbjährlichen Abständen, nach fünf Jahren in jährlichen Abständen durchzuführende Basisprogramm die Anamneseerhebung, die klinische Untersuchung, die Sonographie des Halsbereiches, die Überprüfung der Schilddrüsenhormontherapie (basales TSH, fT4, T3), die Bestimmung des Thyreoglobulin (Tg)-Spiegels (unter fortgesetzter Schilddrüsenhormontherapie) und ggf. die Bestimmung von Tg-Antikörpern. In der Nachsorge des medullären Schilddrüsenkarzinoms erfolgt anstelle der Tg-Bestimmung die Messung von Calcitonin und CEA. Hier ist zu Beginn zudem der Beleg oder Ausschluss einer hereditären Form des medullären Schilddrüsenkarzinoms erforderlich. Bei allen Formen des differenzierten Karzinoms erfolgt bei unauffälligem Verlauf eine Röntgenuntersuchung des Thorax in etwa 2-jährigen Abständen. Laborverfahren: Auch wenn bei einer Schilddrüsenhormontherapie eine maximale TSH-Suppression angestrebt wird, ist zur Überwachung dieser Therapie die Durchführung eines TRH-Testes bei Verwendung sensitiver TSH-Tests der sog. 3. Generation (funktionelle Sensitivität <0,01–0,03 mU/l) heute entbehrlich. Für eine bestmögliche Interpretation von Tg-Spiegeln ist eine genaue Kenntnis des verwendeten Testverfahrens (untere Nachweisgrenze, Langzeitpräzision, Interferenz mit Tg-Antikörpern, High-dose-hook-Effekt 27 (2003) 2 u.a.) unerlässlich. Auch beim Calcitonin ist die Kenntnis des verwendeten Testverfahrens einschließlich möglicher Einflussfaktoren (z.B. Niereninsuffizienz) für eine korrekte Bewertung der Messwerte erforderlich. In letzter Zeit ist von mehreren Autoren über den sensitiven Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen mittels RTPCR von Tg-mRNA und auch von Calcitonin-mRNA berichtet worden. Der Stellenwert dieser Methoden in der Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms kann heute noch nicht abschließend bewertet werden. Dies gilt auch für die Auswertung serieller Messungen von Tg und Calcitonin als prognostischer Faktor. Bildgebende Verfahren: Die heute übliche hochauflösende Sonographie besitzt gegenüber älteren Sonographieverfahren eine deutlich höhere Sensitivität zum Nachweis von lokoregionalen Lymphknotenmetastasen. Die zusätzliche dopplersonographische Beurteilung erlaubt zudem über die Bewertung der Flussmuster eine gute Abgrenzung gegenüber nichtmalignen Lymphknotenvergrößerungen. In Zweifelsfällen kann die Sensitivität und Spezifität durch eine sonographisch gezielte Feinnadelaspirationszytologie zusätzlich erhöht werden. Eine 131I-Ganzkörperszintigraphie mit Bestimmung von Tg bei hohen TSH-Spiegeln (entweder in Hypothyreose (>30 mU/l) nach Hormonkarenz oder nach exogener Stimulation mit rekombinantem TSH) ist im Verlauf routinemäßig nur bei Patienten mit hohem Ausgangsrisiko (z.B. pT4-Tumor, initialer Nachweis von Fernmetastasen) und selbstverständlich bei Verdacht auf das Vorliegen eines Rezidivs indiziert. Ergeben sich Hinweise für radiojod-negative Metastasen, können ergänzend andere bildgebende Verfahren zur Lokalisationsdiagnostik eingesetzt werden (18F-FDG-PET, 99mTcMIBI-Szintigraphie, 111In-Octreotid-Szintigraphie u.a.). Chemotherapie Werden bei einem Patienten in der Nachsorge Metastasen nachgewiesen, sollten diese, soweit möglich, primär operativ entfernt werden. Bei Nachweis von jodspeichernden Metastasen wird die Therapie durch die Radiojodtherapie ergänzt. Bei operativ nicht behandelbaren und nicht radiojodspeichernden Metastasen kann eine Mono- oder Polychemotherapie, ggf. als Radiochemotherapie durchgeführt werden. Obligate Voraussetzung hierfür ist eine dokumentierte Tumorprogression. Infrage kommt eine Monochemotherapie mit Doxorubicin (60 mg/m2 alle 21 Tage), die in etwa 30% der Patienten ein Ansprechen zeigt. Polychemotherapieschemata sollten derzeit nur im Rahmen klinischer Studien durchgeführt werden. Erste Ergebnisse liegen zur Redifferenzierungstherapie mit Retinsäure bei Patienten mit metastasierendem, Endokrinologie Informationen 89 ABSTRACTS differenzierten Schilddrüsenkarzinom und unzureichender Radiojodspeicherung vor. Auch diese Therapie sollte derzeit nur im Rahmen klinischer Studien erfolgen. Beim metastasierenden medullären Schilddrüsenkarzinom kommt eine Radiojodtherapie prinzipiell nicht in Betracht. Auch hier wird jedoch wie bei den anderen Formen des differenzierten Karzinoms primär eine operative Entfernung der Metastasen angestrebt. Bei umschriebenen, nichtoperablen Metastasen kann eine perkutane Strahlentherapie erfolgen. Eine Chemotherapie (z.B. Monochemotherapie mit Doxorubicin (60 mg/m2 alle 21 Tage)) zeigt ebenfalls nur in etwa 30% ein Ansprechen und sollte ausgewählten Fällen mit deutlicher Tumorprogression vorbehalten bleiben. Die beim metastasierenden medullären Karzinom mit hohen Calcitoninspiegeln häufig vorliegenden Durchfälle sprechen manchmal auf eine symptomatische Gabe von Octreotid (z.B. 3x100 µg/Tag s.c.) an. Literatur Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: Maligne Schilddrüsentumoren. AWMF online, www. uni-duesseldorf.de/AWMF. Saller, B.: Treatment with cytotoxic drugs. In: Biersack HJ, Grünwald F (Hrsg). Thyroid cancer. Springer Verlag, Heidelberg, New York, 2001; 139-151. Dr. B. Saller Pharmacia GmbH Abteilung Endokrinologie & Stoffwechsel Am Wolfsmantel 46, 91058 Erlangen Molekularbiologische Diagnostik der multiplen endokrinen Neoplasien Wolfgang Höppner Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung an der Universität Hamburg Krebsentstehung und Onkogene Die Entstehung von Krebszellen beruht auf der Transformation ursprünglich intakter Zellen. Dabei verändern sich Differenzierungszustand, Wachstumsverhalten und Lokalisation der Zellen. Das Ergebnis sind undifferenzierte Zellen mit einer erhöhten Proliferation. Durch eine Verminderung der intrazellulären Bindungskräfte kann es zur Aussiedlung der Zellen aus dem Gewebeverband und zur Ansiedlung in fremden Geweben kommen. Dort entstehen erhebliche Schädigungen durch die proliferierenden Zellen. Die molekulare Ursache dieser neu erworbenen Eigenschaften ist die Akkumulation von molekulargenetischen Veränderungen in den Genen verschiedener Regulatorproteine, wodurch die Kontrolle der zelltypischen Funktionen verloren geht. Diese Veränderungen werden bei der Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Genprodukte, deren genetischer Defekt dominant ist, d.h. wenn nur ein Allel betroffen ist zur Tumorentstehung führen, werden als Protoonkogene bezeichnet. Gene, bei denen erst die Funktion beider Allele zum Verlust der Kontrollfunktion führt, werden als Tumorsupressorgene bezeichnet. Auslöser der molekulargenetischen Veränderungen in diesen wichtigen Kontrollgenen können neben Fehlern bei der Replikation der DNA vor allem Umwelteinflüsse wie ionisierende Strahlen oder mutagene Substanzen sein. Tumorauslösende Viren exprimieren in den infizierten Zellen virale Proteine, die den zellulären Proteinen stark 90 Endokrinologie Informationen ähneln, aber ihre Funktion so verändert haben, dass sie zugunsten der Integration oder Vermehrung des Virus aktiv sind. Durch Untersuchungen an Retroviren wurden die Onkogene bekannt. Sie integrieren Teile des Wirtsgenoms, u.a. Protoonkogene, in ihr eigenes Genom und ersetzen dort Bereiche der retroviralen Sequenzen. Die Expression der Protoonkogene, die mit der Vermehrung der Viren einhergeht, führt zur Transformation der Zellen. Die molekulargenetischen Veränderungen, die an der Tumorgenese und Progression beteiligt sind, treten in der Regel somatisch auf Das bedeutet, dass sie zunächst in einer Zelle entsteht, die sich dann durch einen Wachstumsvorteil klonal vermehrt. Ist bereits in allen Körperzellen eine prädisponierende Mutation vorhanden, liegt die Situation einer erblichen Tumorerkrankung vor mit der Konsequenz, dass Tumoren früh und multiple auftreten. Klinik der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN 2): 25% der medullären Schilddrüsenkarzinome treten familiär gehäuft auf Diese hereditäre Form des medullären Schilddrüsenkarzinoms findet sich häufig in Kombination mit anderen neuroendokrinen Tumoren und neuroektodermalen Missbildungen. Charakteristisch für die MEN 2A ist die Kombination von medul- 27 (2003) 2 ABSTRACTS lären Schilddrüsenkarzinomen (in nahezu 100% aller Fälle), Phäochromozytomen (ca. 50%) und primären Hyperparatyroidismus (ca. 20%). Eine Subform der MEN 2 ist das familiäre medulläre Schilddrüsenkarzinom (FMTC), bei dem weder Phäochromozytome noch primärer Hyperparatyroidismus auftreten. Die Variante MEN 2B zeigt zusätzlich neuroektodermale Missbildungen. Das C-Zellkarzinom dieses MEN-2 Subtypes stellt die aggresivste Form mit schlechter Prognose dar. Es entwickelt sich oft schon in früher Kindheit. Die MEN 2A wird autosomal dominant vererbt. Genträger entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit (über 70% bis zum 60. Lebensjahr) ein klinisch manifestes medulläres Schilddrüsenkarzinom. Die Erkrankung bricht in den meisten Fällen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr aus, kann aber in Einzelfällen bereits im frühen Kindesalter auftreten. Für die erkrankten Patienten ist vor allem die Metastasierung der medullären Schilddrüsenkarzinomzellen lebensbedrohend. Heute werden zunehmend Familien mit medullären Schilddrüsenkarzinomen bekannt, bei denen nicht alle Mutationstäger erkranken und die, die erkranken, zeigen meist einen milden Verlauf Molekularbiologie der MEN 2 Das RET-Protoonkogen: Das RET-Protoonkogen ist auf Chromosom 10q1 1.2 lokalisiert und enthält 21 Exons. Es kodiert für einen Tyrosinkinase-Rezeptor, der nach Bindung eines Liganden eine intrazelluläre Signalkette auslöst. Für das RET-Gen sind einige Mutationen beschrieben, die mit der Entwicklung der MEN 2 assoziiert sind. Alle drei Subtypen der MEN 2 entstehen durch aktivierende Keimbahnmutationen im RETProtoonkogen. Die klassischen MEN 2A-auslösenden Mutationen werden in einem von 5 Cysteinresten in der extrazellulären, cysteinreichen Domäne des Rezeptors nachgewiesen. Die Umwandlung des Cystein-Codons 634 (Exon 11) in eine beliebige andere Aminosäure führt in aller Regel zum Vollbild der MEN 2A. Mutationen in den Cystein-Codons 609, 611, 618 oder 620 (Exon 10) lassen eher den FMTC Phänotyp erwarten. Mutationen, die kein Cystein-Codon betreffen, werden meist in im intrazellulären Teil des RET-Proteins gefunden und sind eher mit dem FMTC-Phänotyp verknüpft. Nicht-Cystein-Mutationen betreffen am häufigsten die Codons 790 und 791 (Exon 13) sowie Codon 804 (Exon 14). Die MEN-2B-Erkrankung ist in 95% der Fälle auf die Mutation Methionin nach Threonin in Codon 918 zurückzuführen, 5% der Fälle weisen eine Mutation in Codon 883 oder 922 auf. 27 (2003) 2 Molekularbiologische Diagnostik bei MEN 2 Die molekulare Diagnostik ist für die Versorgung der MEN-2-Familien bereits heute ein unverzichtbares Kriterium zum therapeutischen Vorgehen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Patienten mit Tumoren, wie sie bei MEN 2 vorkommen (insbesondere medulläre Schilddrüsenkarzinome und Phäochromozytome), aber ohne offensichtliche familiäre Häufung, auch in die molekulare Diagnostik einzubeziehen sind. In einigen Fällen ist die Familienanamnese nicht ausreichend und es handelt sich tatsächlich um eine hereditäre Form. Die Untersuchung von anscheinend sporadischen Patienten mit neuroendokrinen Tumoren, die mit MEN-2-Erkrankungen assoziiert sind, hat ergeben, daß in über 10% der Fälle eine Keimbahnmutation vorliegt und diese somit als familiär einzustufen sind. Dieses ermöglicht wiederum die Untersuchung von potentiell betroffenen Familienangehörigen. Außerdem ist eine signifikante Neumutationsrate beobachtet worden (bei MEN 2B bis zu 40%). Für die möglichst frühzeitige Erkennung des Ausbruchs der Krankheit steht ein biochemisches Screeningverfahren zur Verfügung. Es basiert auf der erhöhten Pentagastrininduzierten Stimulation von Calcitonin beim Vorliegen von C-Zell-Hyperplasien und/oder medullären Schilddrüsenkarzinomen. Diesem Test müssen sich alle Mitglieder von MEN-2A-Familien in etwa 6–12-monatigem Abstand unterziehen. In den letzten vier Jahren hat der Nachweis von pathogenen Mutationen im RET-Protoonkogen in der Betreuung von betroffenen Familien eine außerordentlich wichtige Bedeutung erlangt. In jeder betroffenen Familie wird heute zunächst bei einem Indexpatient die Mutation ermittelt. Danach wird bei allen Verwandten ein mögliches Vorliegen der Mutation überprüft. Der Nachweis erfolgt aus genomischer DNA, die aus Leukozyten gewonnen wird. Durch die Polymerase-Kettenreaktion werden zunächst die zu untersuchenden Exons vervielfältigt und durch direkte DNA-Sequenzierung die Mutation identifiziert. Bei der Laboranalytik zum Nachweis aller relevanten Mutationen für MEN 2 wird Stufenweise vorgegangen. Da die Mutationen in Exon 11, Codon 634 am häufigsten vorkommen, wird zunächst dieser Abschnitt des Gens untersucht. Findet man hier keine Mutation, dehnt man die Mutationssuche auf Exon 10 und anschließend auf die Exons 13, 14 und 15 aus. Ist in einer Familie bei einem oder mehreren Mitgliedern bereits die Mutation im RET-Protoonkogen bekannt, reicht es aus, nur das Vorliegen dieser Mutation zu überprüfen. Wenn die Indikation für die molekulargenetische Untersuchung im Verdacht auf MEN 2B besteht, werden nur die Exons 15 und 16 auf die Mutation in Codon 883, 918 und 922 routinemäßig untersucht. Endokrinologie Informationen 91 ABSTRACTS Die Genträger erkranken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an den Symptomen der MEN 2. Die präsymptomatische Ermittlung des Genträgerstatus ermöglicht als präventive Maßnahme eine prophylaktische Thyreoidektomie, die im Alter von 5–6 Jahren empfohlen wird, bei der MEN 2B im Säuglingsalter. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass die zunächst als selten eingestuften Mutationen in den Exons 13, 14 und 15 doch so häufig vorkommen, dass sie bei der molekularen Diagnostik berücksichtigt werden müssen. Diese Mutationen weisen eine geringere Penetranz auf. Das bedeutet, das Träger dieser Mutationen häufiger geringerer Wahrscheinlichkeit erkranken, als das bei den Mutationen in Exon 11 der Fall ist. Auch führen diese Mutationen eher in höherem Lebensalter zur Manifestation der medullären Schilddrüsenkarzinome und zu milderen Krankheitsverläufen. Zum kompletten molekularen Diagnostikprogramm der MEN-2-Familien gehört auch die Möglichkeit, verwandte hereditäre Tumorerkrankungen mit überlappender Symptomatik (wie z.B. von Hippel-Lindau-Syndrom, Neurofibromatose 1, familiäre Phäochromozytome) analysieren zu können, deren Gene bekannt sind. Klinik der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN 1) Die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1) ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, die durch isolierte oder kombinierte Neoplasien der Nebenschilddrüse, der neuroendokrinen Zellen von Pankreas und Duodenum sowie der Hypophyse charakterisiert wird. Häufig treten auch Karzinoide und eine hormonell inaktive Hyperplasie der Nebennierenrinde auf. Die Klinik der Erkrankung wird einerseits bestimmt durch Tumorbildung der betroffenen Organe, andererseits durch Hypersekretion oder Ausfall der entsprechenden Hormone. Hyperkalzärnien als Folge der übermäßigen Parathormonsekretion ist eine der häufigsten biochemischen Anomalien bei der MEN 1. Die Hypersekretion von pankreatischen Peptidhormonen wie z.B. Gastrin oder Insulin führt zu definierten Syndromen (Zollinger-Ellison mit Gastrin-Hypersekretion; Hypoglykämie mit Insulin-Hypersekretion). Die Hypophysenüberfunktion manifestiert sich am häufigsten als Hyperprolaktinämie mit spezifischen klinischen Symptomen. Seltener kommen Agromegalie (Wachstumshormon-Hypersekretion), Hyperthyreose (TSHHypersekretion) oder Cushing-Syndrom (ACTHHypersekretion) vor. Die Inzidenz der MEN 1 wird mit 1:65000 bis 1: 100000 geschätzt. Es gibt keine Präferenz zwischen den 92 Endokrinologie Informationen Geschlechtern ethnischen Gruppen oder geografischen Regionen. Molekularbiologie der MEN 1 Der prädisponierende genetische Defekt, der für die Erkrankung verantwortlich ist, wurde 1988 auf dem langen Arm des Chromosom 11 (1 lq13) lokalisiert und das identifizierte Gen als Menin-Gen bezeichnet. Dieses hat eine Größe von 9181 Basenpaaren und enthält 10 Exons. Die mRNA, die von dem Gen gebildet wird, besteht aus 2772 Basen und kodiert ein Protein mit 619 Aminosäuren. Das Gen weist keine Homologien zu bisher bekannten Sequenzen auf. Das von ihm kodierte Protein konnte noch nicht vollständig charakterisiert werden. Bekannt ist, das es sich um ein Zellkernprotein handelt und dieses eine Tumor-Supressor-Funktion besitzt. Vermutlich spielt es eine Rolle bei der Regulation des Zellzyklus und ein Ausfall dieser Funktion führt zur unkontrollierten Proliferation der betroffenen Zellen. Das MeninGen gehört somit zu den Tumorsupressor-Genen. Dafür spricht, dass in MEN 1-assoziierten Tumoren häufig zusätzlich zur vererbten Keimbahnmutation im Bereich des MEN-1-Locus größere somatische Deletionen (loss of heterozygosity; LOH) vorhanden sind. Diese Deletionen betreffen MEN-1-Loci des Chromosom 11, welche nicht vom erkrankten Elternteil stammen. Die Zellen, in denen ein solcher LOH vorkommt, verfügen dann nur noch über die defekte Kopie des MEN-1-Gens, was einen kompletten Funktionsverlust zur Folge hat. Molekularbiologische Diagnostik bei MEN 1 Bei Verdacht auf eine MEN 1 kann man mithilfe von biochemischen Untersuchungen die Diagnose mehrere Jahre vor der ersten klinischen Manifestation stellen. Das z.T. umfangreiche biochemische Screening hat erheblich an Bedeutung verloren, da durch den Nachweis der Mutationen im Menin-Gen die Genträgerschaft früh zu ermitteln ist. Nichtgenträger können aus der weiteren klinischen Überwachung entlassen werden, während bei den genetisch betroffenen Familienmitgliedem eine intensive biochemisch/klinische Überwachung erfolgen muss. Für MEN-1 -Familien wurden in der Literatur bereits ca. 400 verschiedene heterozygote Mutationen in den Exons 2–10 des Gens beschrieben, die den kodierenden Abschnitt des Gens darstellen. Dabei sind missense-Mutationen (Aminosäureaustausch), frameshiftMutationen (Verschiebung des Leserasters), nonsenseMutationen (Stopcodons, die zum Abbruch der Proteinsynthese führen), Insertionen und Deletionen vertreten. Aber auch Übergänge zwischen den Introns 27 (2003) 2 ABSTRACTS und Exons sind betroffen, bei denen Mutationen zur fehlerhaften Synthese der mRNA führen. Der Nachweis der Mutationen im Menin-Gen erfolgt aus genomischer DNA, die aus Leukozyten gewonnen werden kann. Die Exons, sowie die flankierenden Sequenzen der Introns werden durch die PolymeraseKettenreaktion selektiv amplifiziert, durch direkte Sequenzierung die Basensequenz ermittelt und mit der publizierten Sequenz verglichen. Da die Mutationen in allen Bereichen der kodierenden Region des Gens auf- treten können, ist die komplette Sequenzierung notwendig. In der Regel wird in jeder MEN-1-Familie eine unterschiedliche Mutation nachgewiesen. Sogenannte Hot-Spots für Mutationen, wie sie z.B. im RETProtoonkogen bei MEN-2-Patienten vorliegen, gibt es nicht. Der Nachweis einer Mutation bei einem IndexPatienten einer MEN-1-Familie ermöglicht eine effiziente Untersuchung der übrigen Familienmitglieder, da diese nur noch auf das Vorliegen dieser Mutation überprüft werden müssen. Multiple endokrine Neoplasie Typ2 – Diagnostik, Therapie, Nachsorge Friedhelm Raue, Heidelberg Definition der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 Die multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN 2A) ist ein autosomal dominant vererbbares Krebs-Leiden, das eine hohen Penetranz für das medulläre Schilddrüsenkarzinom (medullary thyroid carcinoma=MTC) zeigt. Es kommt in drei verschiedenen phänotypischen Ausprägungsformen vor: 1. MEN 2A (Sipple-Syndrom) charakterisiert durch MTC, uni- oder bilaterale Phäochromocytome, primärer Hyperparathyreoidismus auf dem Boden einer Vierdrüsen-Hyperplasie 2. MEN 2B – assoziert mit: MTC, uni- oder bilateralen Phäochromocytomen und phänotypisch richtungsweisender zentrofazialer und intestinaler Ganglioneuromatose sowie marfanoiden Habitus 3. FMTC – familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom: alleiniges Auftreten eines MTC bei mindestens zwei Familienangehörigen. Pathogenese der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 Ursache der Tumorentwicklung sind Mutationen im RET-protoonkogen, das für einen membranständigen Tyrosinkinase-Rezeptor kodiert. Die Mutation führt zur spontanen und dauernden Aktivierung des RETRezeptors ohne Ligandenbindung und damit Aktivierung der Postrezeptor-Signalkaskade, die u.a. für die Proliferation der neuroendokrinen Zellen verantwortlich ist. Es finden sich fünf Mutationen im Exon 10 und 11, die für die extrazelluläre Domäne des RET– Rezeptors kodieren und zum Austausch von Cystein durch andere Aminosäuren führen und eine Reihe weiterer Mutationen in den Exons 13–16, die für die intra- 27 (2003) 2 zellulläre Domäne kodieren. Zwischen der spezifischen Mutation und dem Phänotyp findet sich eine Korrelation, die am deutlichsten bei der Codon 918 Mutation ausgepägt ist, die für 95% alle MEN 2B kodiert. Mutationen für MEN 2A findet man in den Exon 10 und 11, am häufigsten assoziert mit Codon 634, während Mutationen, die mit einer FMTC einhergehen zunehmend in den Exons 13–16 gefunden wird. Leittumor bei allen drei Erkrankungen mit einer Penetranz von 90% ist das MTC, eine maligne Erkrankung der C-Zellen der Schilddrüse, das sich über das prämaligne Zwischenstadium der C-Zell-Hyperplasie (CCH) manifestiert. 25–30 % aller MTC sind hereditär und entwickelt sich mit unterschiedlicher Penetranz bei den einzelnen Formen des hereditären Tumor-Syndroms, bei der MEN 2B schon im ersten Lebensjahr, bei der MEN 2A meist im zweiten und bei der FMTC im vierten Lebensjahrzehnt. Das MEN-2A-Syndrom ist die häufigste Variante mit ca. 50%, das MEN-B-Syndrom die seltenste Variante mit ca. 5%, das FMTC-Syndrom wird zunehmend häufiger diagnostiziert (ca. 45%). Ursache für die Zunahme des FMTC ist das systematische Calcitonin-Screening bei Struma nodosa mit Entdeckung von Frühformen wie der CCH und die sytematische molekulargenetische Diagnostik bei „anscheinend sporadischem“ MTC. Tumormarker für das MTC ist das Calcitonin, das sowohl basal als auch nach Stimmulation durch Pentagastrin bestimmt werden kann. Ein überschießender, pathologischer Anstieg des Calcitonins nach Pentagastrin ist nahezu beweisend für ein MTC bzw. dessen Präkanzerose, die multifokale CCH. Endokrinologie Informationen 93 ABSTRACTS Diagnostik und Klinik der multiplen endokrinen Neoplasie 2 Klinisch präsentiert sich der Indexfall des hereditären medullären Schilddrüsenkarzinoms als Struma nodosa, bei der im Rahmen der Abklärung schon präoperativ ein erhöhtes Calcitonin und/oder erhöhtes CEA gemessen werden kann oder eine verdächtige Cytologie des Schilddrüsenknotens vorliegt. Spätestens bei der histologischen Aufarbeitung des OP-Präparates ergibt sich die Diagnose MTC. Findet der Pathologe daneben noch eine C-Zell-Hyperplasie (CCH), ist diese richtungweisend für ein hereditäres MTC. Bei allen Patienten mit MTC auch bei fehlender CCH oder leerer Familienanamese sollte eine molekuargenetische Untersuchung bezüglich einer Mutation im RETProtoonkogen sich anschließen, da in 3–6% mit einer Mutation im RET-Protoonkogen zu rechnen ist. Bei Nachweis einer Keimbahn-Mutation im RET-Protoonkogen beim Indexpatienten können durch eine systematische Familienuntersuchung betroffene Genträger identifiziert und frühzeitig einer kurativen Operation zugeführt werden. Eine Calcitoninbestimmung ggf. nach Pentagastrinstimulation und eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse ggf. ein Schilddrüsenszintigramm ergänzen die Diagnostik bei MEN-2Genträgern. Bei erhöhtem Calcitonin und Nachweis einer RET-Mutation besteht eine eindeutige Indikation zur Operation. Um einen sicheren kurativen Ansatz zu haben, empfiehlt sich bei MEN-2-Patienten auch bei normalen Calcitoninspiegeln eine Operation im Alter von 6 Jahren, bei FMTC kann wegen der späteren Manifestation des MTC ggf. davon abgewichen werden. rung eine totale Thyreoidektomie mit zentraler Lymphknoten- Dissektion durchgeführt werden, um die restlichen C-Zellen zu entfernen, die potenziell maligne entarten können, und um zervikale Lymphknotenmetastasen zu entfernen, die häufig schon im zentralen cervicalen Kompartiment zu finden sind; ggf. ist die Operation auf die lateralen zervikalen und das mediastinale Kompatiment zu erweitern. Bei RET-Mutationsträgern, die im Rahmen der Familienuntersuchung gefunden wurden, richtet sich das Ausmaß der Operation nach dem präoperativen Befund und dem Alter des Patienten: Kinder sollten im Alter von 6 Jahren operiert werden (totale Thyreoidektomie), im jugendlichen Alter und im Erwachsenenalter ist eine zusätzliche zentrale, ggf. laterale Lymphadenektomie erforderlich. Der postoperative Calcitoninspiegel ggf. nach Pentagastrin-Stimulation gibt Auskunft über den Erfolg der Operation. Bei nicht messbarem Calcitonin ist von einer Heilung auszugehen, weitere Operationen sind nicht notwendig. Bei erhöhtem Calcitonin ist von weitem Tumorgewebe auszugehen, sollte die bisherigen Operation in o.g. Sinne noch nicht durchgeführt sein, so ist sie zu komplettieren. Bei bekannten Fernmetastasen, Stadium T4 mit Weichteilinfiltration, mehr als 10 metastatisch befallenen Lymphknoten oder Tumorgewebe in den Weichteilen ist mit einer chirurgischen Heilung auch durch weitere Eingriffe nicht zu rechnen. Dies muss bei der Intensität und dem Aufwand der Suche nach Tumorgewebe und Planung weiterer Operationen bedacht werden. In dieser Situation sind weitere Operationen nur unter palliativem Gesichtspunkt durchzuführen. Da in der Reihenfolge der klinischen Manifestationen das MTC an erster Stelle steht, fallen Indexpatienten selten über ein Phäochromocytom auf. Biochemisch lassen sich die Phäochromocytome durch die Bestimmung von Urin-Katecholaminen und -Metanephrinen sichern, morphologisch durch ein MRT, CT oder ein MIBG-Szintigraphie. Selten fällt ein MEN-2-Patient durch einen primären Hyperparathyreoidismus (erhöhtes Serum-Kalzium und Parathormon) auf, daran denken sollte man bei rezidivierendem Hyperparathyreoidismus und multiplen Adenomen/Hyperplasien. In all diesen Fällen sollte eine Calcitoninbestimmung ggf. eine molekulargenetische Untersuchung bezüglich RET-Mutationen durchgeführt werden. Die Behandlung des metastasierenden MTC ist ausgesprochen symptomorientiert unter Kenntnis der relativ guten Langzeitprognose und der relativ guten Lebensqualität auch noch im fortgeschrittenen Stadium. Die antidiarrhöische Behandlung im fortgeschrittenem Tumorstadium sollte mit Loperamid oder Tinctura opii, ggf. auch mit Somatostationanaloga erfolgen. Bei eindeutigem Progress der Metastasen und drohenden bzw. vorhandenen tumorbedingten Symptomen, Funktionseinbußen oder Komplikationen ist eine palliative Therapie: Operation, Strahlentherapie, und/oder Chemotherapie zu erwägen. Der Patient sollte über die limitierte Wirksamkeit der Therapien informiert sein und dem Therapieversuch zustimmen. Therapie der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 Die Therapie der Wahl beim medulären Schilddrüsenkarzinom ist chirurgisch, da das MTC nicht Radiojod speichert, nur wenig strahlensensibel ist und chemotherapeutisch auch nur gering beeinflussbar ist. Sollte als Zufallsbefund bei der Operation einer Struma nodosa ein MTC gefunden werden, sollte zur Komplettie- Eine nebennierenrindenerhaltende Operation der Phäochromocytome ggf. durch einen laparaskopischen Eingriff ist heute die Therapie der Wahl, um bei beidseitigen Phäochromocytomen eine lebenslange Substitution mit Glukocortikoiden zu vermeiden. Eine präoperative Vorbereitung mit und -Blocker ist zwingend notwendig. 94 Endokrinologie Informationen 27 (2003) 2 ABSTRACTS Der meist milde primäre Hyperparathyreoidismus ist durch eine Vierdrüsenhyperplasie verursacht, eine 7/8 Resektion aller vier Nebenschilddrüsen oder eine totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation ist notwendig. Nachsorge Die Nachsorge bei der MEN 2 dient zur Kontrolle der Substitution von Schilddrüsenhormonen, ggf. des postoperativen Hypoparathyreoidismus, zur Dokumentation der persistierenden Heilung (normales Calcitonin) und bei erhöhtem Calcitonin zur Lokalisation und 27 (2003) 2 Größenbestimmung von Metastasen, bei bilateral Adrenalektomierten der Kontolle der Substitution der Nebennierenrindenhormone. Darüber hinaus sollte, soweit bisher nicht geschehen, eine ausführliche Familienanamnese und Aufklärung über den autosamal dominaten Erbgang der MEN 2 (ggf. humangenetische Beratung) durchgeführt werden. Literatur Guidelines for diagnosis and therapy of MEN type 1 and type 2. ML Brandi et.al. JCEM 86: 5658, 2001 Endokrinologie Informationen 95 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN Preliminary Programme 6th EFES Postgraduate Course in Molecular and Cellular Endocrinology June 27–29, 2003 in Berlin Universitätsklinikum Charité der Humboldt Universität Berlin, EnForCé Institut für Experimentelle Endokrinologie CMM & Pädiatrische Endokrinologie CVK Organisation: Prof. Dr. Josef Köhrle & Prof. Dr. Annette Grüters Local – – – – – – – – Organising Committee: Heike Biebermann Annette Grüters Josef Köhrle Heiko Krude Andreas Plagemann Cornelia Schmutzler Lutz Schomburg Christian Strasburger Organisation and Contact: Prof. Dr. J. Köhrle & Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich Endokrinologisches Forschungs-Centrum der Charité EnForCé – Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstr. 20/21 D-10098 Berlin Germany E-mail: [email protected] Tel.: +49-30-450-524162 (Mrs. Elke Abdel-Karim) Fax: +49-30-450-524922 www: http://www.charite.de/enforce/ http://www.charite.de/expendo/ http://www.charite.de/p_endo/ LOCATION OF THE COURSE Hotel, Begegnungs-, Tagungsstätte Hotel Morgenland Finckensteinallee 23–27 D-12205 Berlin (Lichterfelde) Tel.: (030) 84 38 89-0 Fax: (030) 84 38 89-79 E-mail: [email protected] Topics – Genomics in endocrinology – Development of endocrine organs (defects, programming of endocrine and metabolic axes) – Comparative endocrinology & models for endocrine research and human pathophysiology 96 Endokrinologie Informationen – – – – – Obesity and weight control Receptors and signalling mechanisms New targets for old hormones Hormones and cancer Basic science and clinically oriented research Format Lectures, Workshops and Discussions Preliminary time schedule Start: Friday, June 27, 1:00 p.m. End: Sunday, June 29, 3:00 p.m. Please observe: Not all speakers have been confirmed yet! Key Note Lecture – Miguel Beato, Barcelona Steroid Hormones and the Chromatin Lessons from Nuclear Receptors Transgenic Animals: knockout, knockin, switch on and off – Tim Wintermantel, Heidelberg GR Transgenic Models – Björn Vennström, Stockholm TR Transgenic Models – Adriana Maggi, Milano ER Hormone Reporter Mice – Olli Jänne, Helsinki AR Hormone Reporter Mice Sexual Differentiation and Development – Olaf Hiort, Lübeck Clinically Oriented Overview and Introduction – Yves Morel, Lyon Adrenogenital Syndrome – Charles Sultan, Montpellier Androgen Receptor – Andrew Cato, Karlsruhe Non Classical Signalling and Cross-Talk of AR – N.N. DAX-1 and SF-1 Development and Differentiation of Endocrine Axes – Roland Pfäffle, Leipzig Transcription Factors of Hypothalamus and Pituitary 27 (2003) 2 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN – – Luc St. Onge, Munich Endocrine Pancreas Seppo Vainio, Oulu Adrenal and Ovarian Development O. Söder, Stockholm Testes Development – – – – Thyroid Development and Differentiation – Heiko Krude, Berlin Clinically Oriented Overview and Introduction – Roberto di Lauro, Naples Transcriptions Factors and Mouse Models – Klaus Rohr, Cologne The Zebrafish Model – Cornelia Schmutzler, Berlin Differentiation, Dedifferentiation and Thyroid Tumors Regulation of Satiety, Obesity and Growth – Heike Biebermann, Berlin Clinically Oriented Overview and Introduction: MC4R – Andreas Plagemann, Berlin Models and Mechanisms of Perinatal Programming – Sadaf Farooqi, Cambridge The Leptin Network – Matthias Tschoep, Potsdam – Michael Stumvoll, Tübingen Adiponectin & Resistin – Willhart Knepel, Göttingen Molecular Analysis of Signalling and Cross-Talk: Chances and Pitfalls M. Gekle, Würzburg Non-Classical actions and Cross-Talk of Steroid Hormones: Aldosterone F.W. van Leeuwen, Amsterdam Molecular Misreading – Unfaithful Transcription of Correct DNA N.N. siRNA in Hormone Research Support and Sponsors: – EFES – DGE – Companies Fees Registration and course participation – 200.00 8 (including one meal per day and coffee breaks) Hotel – Depends on quality (39.00–90.00 8) per night, per person (first come, first served) Für die Unterstützung der Veranstaltung danken wir der Universität Heidelberg, der D.G.A.E., der DGE und den Firmen Pharmacia und Merck. Workshops and Meet the Experts (parallel) – Aria Baniahmad, Giessen Receptors, Coactivators and Repressors – Aliens and Others Anmeldung bis zum 1. Juni 2003 ❏ Kleinkonferenz 4./5. Juli Teilnahmegebühr 80,– 8 ❏ Praktischer Kurs 5.–8. Juli Teilnahmegebühr 200,– 8 ❏ Kleinkonferenz und Kurs Teilnahmegebühr 250,– 8 Die Teilnahmegebühr von 8 überweise ich bis zum 1. Juni 2003 auf das Konto der D.G.A.E. (Nr. 000 323 1011) bei der APO-Bank Berlin, BLZ 100 906 03) Adresse: PLZ, Ort Name Straße Klinik/Praxis Tel./Fax: Anmeldung bitte einsenden an: Dr. Egbert Schulze Molekulargenetisches Labor Prof. Raue Im Weiher 12, 69121 Heidelberg Fax: 06221-658884 E-mail: [email protected] Zimmerresevierung über den Verkehrsverein Heidelberg Postfach 105860, 69048 Heidelberg Tel.: 06221-1422-0 Fax: -1422-22 Kleinkonferenz und Kurs mit Unterstützung der D.G.A.E. und der DGE 27 (2003) 2 Endokrinologie Informationen 97 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN Kleinkonferenz Molekulargenetische Diagnostik in der Endokrinologie – INDIKATION UND KONSEQUENZ 4.–5. Juli 2003 Praktischer Kurs Molekulargenetik in der Endokrinologie 5.–8. Juli 2003 16.15–17.45 Auskunft: Prof. Dr. Friedhelm Raue, Brückenstr. 21, 69120 Heidelberg Tel.: 06221-439090, Fax: -439099 E-mail: [email protected] MEN – Primärer Hyperparathyreoidismus Vorsitz: Raue, Heidelberg Genotyp-Phänotyp bei MEN 2 Frank – Raue, Heidelberg Codonspezifische OperationsStrategie Dralle, Halle Hereditärer primärer Hyperparathyreoidismus Blind, Würzburg 19.00–21.00 Empfang Prinz Carl Palais Spiegelsaal, Kornmarkt PROGRAMM 21.00–21.30 After dinner lecture Phenylketonurie und die Völker Irlands Zschocke, Heidelberg Heidelberg Internationales Wissenschaftsforum Hauptstr. 242, 69117 Heidelberg Tel.: 06221-543690/91, Fax: -165896 Wissschaftliche Organisation K. Frank-Raue, S. Hentze, E. Schulze FREITAG 4. JULI 2003, 13.00–18.00 UHR 13.00–13.15 Begrüßung, Eröffnung – Raue, Heidelberg 13.15–14.15 Grundlagen und Einleitung – Vorsitz: Raue Grundlagen der molekulargenetischen Diagnostik Höppner, Hamburg Humane Genomsequenz aufgeklärt, was nun? Bartram, Heidelberg 14.15–15.45 Molekulargenetik der Nebenniere Vorsitz: Frank – Raue, Heidelberg Molekulargenetik des AGS – Schulze, Heidelberg Prä- und postnatale Therapie des AGS Dörr, Erlangen Hereditäres Phäochromocytom Neumann, Freiburg 15.45–16.15 98 Pause Endokrinologie Informationen SAMSTAG 5. JULI 2003, 9.00-15.00 9.00–10.00 Pharmakogenetik Vorsitz: Schulze, Heidelberg Genetik des Arzneimittelmetabolismus Schömig, Köln Genchips – sinnvolle Diagnostik? N.N. 10.00–11.00 Diabetes und Immunologie Vorsitz: Büber, Berlin Mody-Diabetes Pfeiffer, Berlin AIRE Gen Badenhoop, Frankfurt 11.00–11.30 Pause 11.30–13.00 Stoffwechsel – Vorsitz: Nawroth, Heidelberg Adipositas, monogenetische 27 (2003) 2 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN Erkrankungen Grüters, Berlin Molekulargenetik der Hyperlipidämie Steinmetz, Andernach Hämochromatose – Genotyp, Phänotyp Gehrke, Heidelberg 13.00–14.00 Binder, Tübingen GH, GH-R, PIT Pfäffle, Leipzig 14.00 Schlusswort Raue 14.00 –15.00 Imbiss 15.00 Ende der Veranstaltung Wachstum Vorsitz: Hentze, Heidelberg Ein „shox“ für das Wachstum Praktischer Kurs Im Anschluss an die Konferenz findet vom 5.– 8. Juli 2003 ein praktischer Kurs „Molekulargenetik in der Endokrinologie“ in den Räumen des molekulargenetischen Labors der Gemeinschaftspraxis Raue, Frank-Raue, Hentze statt. Info: Dr. Egbert Schulze, Molekulargenetisches Labor Im Weiher 12, 69121 Heidelberg Tel.: 06221-658883, Fax.: 06221-658884 E-mail: [email protected] Die Teilnehmerzahl ist auf max. 15 Personen beschränkt Die Experimente werden selbstständig in Kleingruppen (2–4 Personen) durchgeführt. Bestätigung der Teilnahme wird sofort nach Eingang der Anmeldung verschickt. Bitte beachten Sie die reduzierte Teilnehmergebühr für die Kombination aus Kleinkonferenz und Kurs. 27 (2003) 2 In der Kursgebühr enthalten sind die Kosten für das Kursmanual und alle Experimente sowie Kaffee und Imbiss in den Pausen. Das Kursprogramm wurde konzipiert für AIP, Assistenzärzte und junge Fachärzte aus der Pädiatrie, Inneren Medizin und Gynäkologie mit besonderem Interesse an der Endokrinologie. Die Teilnehmer sollen Grundkenntnisse über molekulargenetische Techniken erwerben, um später selbst entsprechende Untersuchungen durchführen zu können. Außerdem sollen die Teilnehmer ihre Kenntnisse über molekulare Grundlagen endokriner Erkrankungen erweitern Endokrinologie Informationen 99 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN 2003 Bregenz Summer School on Endocrinology July 27th–July 31th 2003 Monastery Mehrerau, Bregenz, Austria The EUROSTERONE-Network and the (E)UROESTROGEN(E)s-research project organize the 2003 Bregenz Summer School on Endocrinology. This is a joint project with the German Society of Endocrinology (DGE) and the DGE Junge Forschung Aktiv THURSDAY MORNING, JULY 31ST Hormones and the Urogenital Tract: Selection of the dominant follicle, Endometrium: pregnancy and cancer, Urinary bladder incontinence, Experimental models for urinary incontinence, neuro-endocrine regulation of the urogenital tract Preliminary Program The German Society of Endocrinology and the EU funded projects can sponsor up to 30 young graduates and postgraduates. Sunday July 27th Arrival, Dinner in the Monastery, Welcome drinks in the pub of the Monastery (at your own expenses) Monday July 28th Youngster day Tissue specificity of hormone action: – how can it be explained? Tissue specific targeting of hormone-related drugs. – Youngsters (DGE-Junge Forschung Aktiv and others) are requested to propose further topics including own projects – Each sponsored young investigator is supposed to present a poster on the subject of her/his research project(s). Tuesday July 29th Hormones and the Brain: Neuroprotection by hormones and hormone-related compounds, Experimental brain infarction, Morbus Alzheimer, Raloxifene in the brain, High dose T4 therapy in bipolar disorder, Neurodifferentiation Wednesday July 30t hmorning The Metabolic Syndrome: Experimental models, Estrogen receptors and metabolic syndrome, The metabolic syndrome and the polycystic ovary syndrome, The metabolic syndrome and the cardiovascular system, The metabolic syndrome and obesity, The metabolic syndrome and type II diabetes Wednesday July 30thafternoon The Endocrinology of Bone: Bone development and differentiation, mesenchymal stem cells and bone, hormone receptors and bone, genetic defects, animal models in bone research 100 Endokrinologie Informationen Organisation Prof. Dr. W. Wuttke Göttingen & Prof. Dr. J. Köhrle, Berlin and Primarius Dr. H. Concin, Bregenz Logistic and organisational support: EnForCé Berlin Contact For further information contact Mrs. Elke Abdel-Karim at [email protected] or Mrs. Damina Balmer at [email protected] Mrs. Elke Abdel-Karim Endokrinologisches Forschungs-Centrum der Charité EnForCé Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstr. 20/21 D-10098 Berlin Germany Fax: +49-30-450-524922 Relevant weblinks http://www.charite.de/expendo/ http://www.charite.de/enforce/ http://www.mehrerau.at/collegium http://www.mi.med.uni-goettingen.de/KEE/ http://www.eurisked.org http://www.endokrinologie.net http://www.junge-forschung.de 27 (2003) 2 KONGRESSANKÜNDIGUNGEN 7th Annual Meeting of the Neuroendocrinology section of the DGE „Neuroendocrine regulation of Eating and Body weight, Neuroendocrinology of Sleep, Gonadal Steroids and the Brain Pituitary.“ Max-Planck-Institute of Psychiatry Kraepelinstr. 10 80804 Munich October 17–18th, 2003 Lübeck, Germany Abstract deadline: June 27th, 2003 Information: Prof. GK. Stalla Speaker of the Neuroendocrinology section location: Rathaus Lübeck, City Hall Breite Straße 61 23539 Lübeck 6. Deutsche Nebnnierenkonferenz Kloster Drübeck bei Wernigerode/Harz 21.–23.11.2003 Informationen: Prof. W. Oelkers Berlin Tel.: 030-8053099 Fax: 030-8053987 E-mail: [email protected] www.kloster-druebeck.de Prof. S. Boornstein Düsseldorf Tel.: 0211-8117810 Fax: 0211-8117860 E-mail: Stefan.bronstein@ uni-düsseldorf.de begrenzte Teilnehmerzahl: 27 (2003) 2 90 Personen Endokrinologie Informationen 101 V E R A N S TA LT U N G S K A L E N D E R JUNI 2003 3.–7.6.2003 Osaka, Japan IBMS-JSBMR 2003 – The first joint Meeting of the International Bone and Mineral Society and the Japanese Society for Bone and Mineral Research Kontakt: Meeting Secretariat, Ms. Keiko Nishimoto, Tel.: 0081/66221/5933 Fax: 0081/66221/5939 E-mail: [email protected] Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstr. 20/21 D-10098 Berlin Germany E-mail: [email protected] Tel.: +49-30-450-524162 (Mrs. Elke Abdel-Karim) Fax: +49-30-450-524922 www: http://www.charite.de/enforce/ http://www.charite.de/expendo/ http://www.charite.de/p_endo/ JULI 2003 5.6.–8.6. 2003 Berlin, Germany 4.–5.7.2003 Heidelberg, Germany Jahrestagung der Sektion Angewandte Endokrinologie Informationen: Prof. Dr. Michael Derwahl St. Hedwig Kliniken GmbH Große Hamburger Straße 5–11 Berlin Tel. 030/2311-2503 Fax: 030/2311-2324 E-mail: [email protected] Molekulargenetische Diagnostik in der Endokrinologie – Indikation und Konsequenz Internationales Wissenschaftsforum Heidelberg Auskunft: Prof. Dr. F. Raue, Brückenstr. 21, 69120 Heidelberg Tel.: 06221-439090 Fax: 06221-439099 E-mail: [email protected] 19.–22.6.2003 Philadelphia, USA ENDO 2003 – The Endocrine Society´s 85th Annual Meeting Ort: Philadeliphia Convention Center, Philadelphia, USA Kontakt: The Endocrine Society, 8401 Connecticut Avenue, Suite 900, Chevy Chase Maryland 20815-5817, USA, Tel.: 001/301/941 0200, Fax: 001/301/941 0259 E-mail: [email protected] http://www.endosociety.org/ 27.6.–29.6.2003 Berlin, Germany 6th EFES Postgraduate Course in Molecular and Cellular Endocrinology Informationen: Prof. Dr. J. Köhrle & Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich Endokrinologisches Forschungs-Centrum der Charité EnForCé Charité 102 Endokrinologie Informationen 4.–5.7.2003 Marburg, Germany Osteodensitometrie-Trainingskurse 2003 Informationen: Heidelberger Akademie für Gesundheitsbildung, Bergheimer Str. 76, 69115 Heidelberg, E-mail: [email protected] 6.–8.7.2003 Heidelberg, Germany Molekulargenetik in der Endokrinologie – praktische Übung Molekulargenetisches Labor, Heidelberg Im Weiher 12, 69121 Heidelberg Tel.: 06221-658883 Fax: 06221-658884 E-mail: [email protected] 13.–17.7. 2003 Aberdeen, UK Annual Meeting of the Society for the Study of Fertility 27 (2003) 2 V E R A N S TA LT U N G S K A L E N D E R Kontakt: Society for the Study of Fertility, 892A High Street Sawston, Cambridge CB 2 4HJ, UK Tel.: +44-1223-830665, Fax: +44-1223-839804 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] http://www.i-plan.de/dga/ 25.–28.9.2003 Schloss Elmau, Germany 27.7.–31.7.2003 Monastery Mehrerau, Bregenz, Austria The EUROSTERONE-Network and the (E)UROESTROGEN(E)s-research project organize the 2003 Bregenz Summer School on Endocrinology. This is a joint project with the German Society of Endocrinology (DGE) and the DGE Junge Forschung Aktiv For further information contact Mrs. Elke Abdel-Karim at [email protected] or Mrs. Damina Balmer at [email protected] Mrs. Elke Abdel-Karim Endokrinologisches Forschungs-Centrum der Charité EnForCé Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstr. 20/21 D-10098 Berlin Germany Fax: +49-30-450-524922 SEPTEMBER 2003 10.–13.9.2003 Berlin, Germany European Federation of Internal Medicine – 4th Congress Ausführliche Infos unter www.efim2003.de Chairman: Prof. Dr. J. Köbberling, Lehrstuhl für Innere Medizin, Kliniken St. Antonius, Carnaper Str. 48, 42283 Wuppertal Kontakt: C&P Congress, EFIM 4, Amselweg 7, 61462 Königstein E-mail: [email protected] http://www.efim2003.de 11.–13.9.2003 München, Germany Gemeinschaftstagung Deutsche Gesellschaft für Andrologie und Deutsche Gesellschaft für Reproduktionsmedizin Tagungspräsident: PD Dr. F.-M.Köhn, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Technische Universität München, Biedersteiner Str. 29, 80802 München, Tel.: 089/41403178, Fax: 089/41403127 27 (2003) 2 3rd International Symposion on Testosterone: Action, Deficiency, Substitution Kontakt: Prof. Dr E Nieschlag, Institut für Reproduktionsmedizin, Domagkstr. 11, 48129 Münster, Tel.: 0251/8356096, Fax: 0251/8356093 E-mail: [email protected] oder [email protected] 26.–27.9.2003 Graz, Österreich Schilddrüse und Kardiologie – Schilddrüse und Gynäkologie Information: Klinische Abteilung für Endokrinologie/Nuklearmedizin der Med. Universitätsklinik, Sekretariat: Brunhilde Bacher, Auenbruggerplatz 15, A- 8026 Graz, Tel.: 0043-316-385-2383, Fax: 0043-316-385-3428 E-mail: [email protected] Alternativ: E-mail: [email protected] OKTOBER 2003 17.–18.10.2003 Lübeck, Germany 7th Annual Meeting of the Neuroendocrinology Section of the DGE Topics: Neuroendocrine regulation of eating and body weight, Neuroendocrinology of sleep, Gonadal steroids and the brain, Pituitary Contact: Prof. Dr. G. K. Stalla, Speaker of the Neuroendocrinology Section of the DGE, Max-Planck-Institute of Psychiatry, Kraepelinstr. 10, 80804 München, Tel.: 089/30622270, Fax: 089/30622454, E-mail: [email protected] NOVEMBER 2003 5.–8.11.2003 Dresden, Germany VII. Intensivkurs für Klinische Endokrinologie Kontakt: CPO Hanser Service, Büro Hamburg, Postfach 1221, 22882 Barsbüttel, Tel.: 040/670882-0, Fax: 040/6703283 E-mail: [email protected] Endokrinologie Informationen 103 V E R A N S TA LT U N G S K A L E N D E R 21.–23.11.2003 Kloster Drübeck bei Werningerode/Harz, Germany 6. Deutsche Nebennierenkonferenz Kontakt: Prof. S. Bornstein, Düsseldorf, Tel.: 0211-8117810, Fax: 0211-8117860 E-mail: [email protected] Prof. W. Oelkers, Berlin Tel.: 030-8053099, Fax: 030-8053987 E-mail: [email protected] www.kloster-druebeck.de MÄRZ 2004 3.–6.3. 2004 Berlin, Germany 48. Symposion der DGE Prof. Vollmer Auskunft: C&P Congress & Promotion Frau Bock-Schildbach Amselweg 7 61462 Königstein Tel.: 06174/933595 Fax: 06174/933596 E-mail: [email protected] JUNI 2004 16.6.2004–19.6.2004 New Orleans, USA ENDO 2004: 86th Annual Meeting of the USA – Endocrine Society Contact: Beverly Glover, Administrative Assistant, Meetings, The Endocrine Society, 4350 East West Highway, Suite 500, Bethesda, MD 20814-4410, USA, Tel.: 001/301/9410220, Fax: 001/301/9410259 E-mail: [email protected]; http://www.endo-society.org AUGUST 2004 8.–12.8. 2004 Salvadore, Brasilien 15th International Congress on Animal Reproduction (ICAR) Congress Secretariat: BCAR - Brazilian College of Animal Reproduction, Alameda das Princesas, 1275, Belo Horizonte – MG – Brazil, Tel.: 0055/31/3491 7122, Fax: 0055/31/3491 7025 E-mail: [email protected] www.cbra.org.br/icar2004 APRIL 2004 18.4.2004–21.4.2004 Cairns, Australia 21.8. – 4.9 2004 Lissabon, Portugal 2nd Joint Congress of the Growth Hormone Research Society and International IGF Society – Joint GH-IGF Symposium Cairns Convention Center Main topics: We invite abstracts from basic and clinical researchers within the field of growth hormone and related substances such as growth hormone binding proteins, growth hormone releasing factors and pep-tides, insulin-like growth factors (IGFs) and IGF bind-ing proteins. E-mail: [email protected] International Congress of Endocrinology Kontakt: Maguelone G Forest, DRI-Inserm-U. 329, Hopital Debrousse, 29 rue Sur Bouvier, 69322 Lyon Cedex 05, France Tel.: +33-4-7238-5848 Fax: +33-4-7825-6168 E-mail: [email protected]/fr 24.–27.4.2004 Sorrento–Napoli, Italy 3rd European Congress of Andrology and 16th Annual Congress of the German Society of Andrology Kontakt: Institute of Reproductive Medicine Domagkstraße 11 48149 Münster Tel.: 0049-251-8356094 Fax: 0049-251-8356093 11th Meeting of the European Neuroendocrine Association Kontakt: C. Di Somma, Deparment of Molecular and Clinical Endocrinology and Oncology, Federico II University of Naples, Via S. Pansini, 5, 80131 Napoli, Fax: 0039/81/5465443, E-mail: [email protected] http://www.enea2004.it 104 Endokrinologie Informationen SEPTEMBER 2004 11.9.–14.9. 2004 Münster, Germany 27 (2003) 2 Anzeige Anzeige