Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Institut für MTA-Ausbildung am Klinikum Osnabrück Schilddrüsendiagnostik Die Jodversorgung in Deutschland hat sich zwar deutlich verbessert, ist aber noch nicht in allen Regionen und Lebensphasen wie z.B. Schwangerschaft und Stillzeit gesichert. Immer noch leiden deshalb über 20 Millionen Deutsche unter einem behandlungsbedürftigen Jodmangelkropf, wobei die mit dem Lebensalter signifikant zunehmende Häufigkeit der Schilddrüsenknoten und damit der Schilddrüsenautonomie gerade bei älteren Menschen gehäuft zu Befindlichkeitsstörungen, vor allem kardiovaskulären Problemen, führt. Neueste Erkenntnisse molekularer Forschung differenzieren Proliferations- und Funktionseigenschaften von Schilddrüsenknoten. Die Charakterisierung des Gens für die Jodaufnahme der Schilddrüse (Natriumjodidsymporter, NIS) eröffnet die Möglichkeit, das klinische, epidemiologische und biochemische Wissen über die effiziente Anreicherung des essentiellen Spurenelements Jod auf molekularer Basis nachzuvollziehen und prospektiv diagnostisch und therapeutisch zu nutzen. Die Autoimmunthyreopathie Morbus Basedow ist eine wichtige Ursache der Hyperthyreosen. Differenzierte Untersuchungen pathogenetischer und pathopyhsiologischer Zusammenhänge dieser Autoimmunthyreopathie eröffnen diagnostisch und therapeutisch neue Ansatzpunkte der Behandlung. Die häufigste Ursache für die Entwicklung einer Hypothyreose sind Autoimmunprozesse der Schilddrüse; insbesondere die Bedeutung subklinischer Funktionsstörungen sowie frühzeitiger Therapiemaßnahmen zur Modulation des Krankheitprozesses stehen aktuell zur Diskussion. Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen Differentialdiagnose von Struma, Hyperthyreose und Hypothyreose Sowohl bei einer Struma (= jede form der Schilddrüsenvergrößerung) als auch bei den Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse muss eine Funktionsstörung des Organs ausgeschlossen bzw. sicher nachgewiesen werden, um das therapeutische Vorgehen optimal gestalten zu können. Nach eingehender Anamnese und klinischer Untersuchung des Patienten stellt hier für die Funktionsdiagnostik der Schilddrüse die Bestimmung des Serum-TSH-Wertes mit den entsprechenden sensitiven Labormethoden den ersten und wesentlichen Schritt einer rationellen Diagnostik dar. (1) Wird ein Serum-TSH-Wert im Normalbereich gemessen, ist eine Schilddrüsenüberfunktion ausgeschlossen, abgesehen von der extrem seltenen sekundären Form einer Hyperthyreose durch ein TSH-produzierendes Hypophysen-Adenom. (2) Bei erniedrigten bzw. supprimierten TSH-Spiegeln müssen die peripheren Hormonparameter freies Thyroxin (fT4) und freies Trijodthyronin (fT 3) bestimmt werden. (3) Zur weiteren Differentialdiagnostik einer Autoimmunthyreoiditis wird die Bestimmung der entsprechenden Autoantikörper TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) und der Antikörper gegen die Schilddrüsen-Peroxidase (TPO-AK) notwendig. (4) Bei Verdacht auf ein Schilddrüsen-Ca prüft man die Tumormarker Calcitonin, TPA und Thyreoglobulin (5) Bei latenter Hypo- und Hyperthyreose kann ein TRH-Test weitere Erkenntnisse bringen. Flankiert werden diese Tests von anderen Untersuchungen außerhalb der Klinischen Chemie. Die wesentliche Screening-Methode zur Ermittlung morphologischer Schilddrüsenveränderungen stellt die Schilddrüsen-Sonographie dar, mit der das Schilddrüsenvolumen sowie die Echotextur des gesamten Organs (diffuse sowie fokale, knotige Veränderungen) beurteilt werden können, einschließlich des Echomusters (z.B. Echoarmut bei Morbus Basedow). Im Falle einer Schilddrüsenfunktionsstörung und/oder von Schilddrüsenknoten muss zur weiteren Abklärung eine Schilddrüsenszintigraphie veranlasst werden. Insbesondere der Nachweis einer Schilddrüsenautonomie ist nur szintigraphisch zu führen. Eine Szintigraphie bei gesicherter Autoimmunhyperthyreose ist nicht notwendig, wenn sonographisch keine zusätzlichen knotigen Veränderungen vorliegen. Zum Ausschluss bzw. Nachweis einer Hypothyreose bei Autoimmunthyreoiditis ist die Bestimmung des Serum-TSH-Wertes zwingend erforderlich. Bei Serum-TSH-Werten >4 mU/l, orientiert an den bisher gültigen oberen Normwerten, ist von einer hypothyreoten Stoffwechsellage auszugehen. Die obere Grenze des Serum-TSH-Wertes ist niedriger, bei 2,5 mU/l auf Grund aktueller Daten anzusetzen und bereits ab hier eine Hypothyreose zu diagnostizieren. Bei pathologischem Befund des Serum-TSH muss der freie Thyroxin-Wert (fT4) ermittelt werden. Liegt dieser im Normbereich, besteht eine subklinische Hypothyreose, bei erniedrigtem fT4 besteht eine manifeste Hypothyreose. Die ergänzende Bestimmung des Serum T3 bzw. freien T3 (fT3)wird zur Diagnose der Hypothyreose nicht notwendig, da selbst bei hypothyreoter Stoffwechsellage die Konversion von T4 zu T3 fortbesteht, durchaus normale Werte des T3 bei schon gestörter Stoffwechsellage gefunden werden und somit keine zusätzliche diagnostische Sicherheit mit der Bestimmung dieses Parameters gewonnen wird. Zum Nachweis der Autoimmunthyreoiditis müssen positive Antikörpertiter gegen die Schilddrüsenperoxidase (TPO-Antikörper, über 90% positive Titer bei Autoimmunthyreoiditis) nachgewiesen werden; die Thyreoglobulin-Antikörperbestimmung spielt eine untergeordnete Rolle und ist zur Diagnose der Autoimmunthyreoiditis nicht notwendig. Ergänzend zur klinischen Untersuchung und Labordiagnostik ist eine sonographische Untersuchung der Schilddrüse durchzuführen. Bei typischer Konstellation der Labor- und sonographischen Ergebnisse ist die Diagnose der Autoimmunthyreoiditis gesichert. Eine ergänzende zytologische Untersuchung mittels einer Feinnadelpunktion der Schilddrüse in der klinischen Diagnostik ist nicht erforderlich und ergibt keine neuen Konsequenzen für die Therapieentscheidung. Bei klinischem, sonographischem oder szintigraphischem Verdacht auf das Vorliegen eines Schilddrüsen-Carcinoms erfolgt die Feinnadelbiopsie sowie die Bestimmung richtungweisender Tumormarker: Thyreoglobulin, TPA (=tissue polypeptid antigen) und Calcitonin . TRH-Test: TRH (Thyreoidea releasing hormone) stimuliert die Hypophyse, TSH auszuschütten. Bei Gesunden führt die Gabe von 200-400 Mikrogramm TRH i.v. zu einem Anstieg der TSH-Konzentration um mehr als 2 mU/l in 30 Minuten. Ein Maximalwert von 25 mU/l wird dabei aber nicht überschritten. Steigt aber nach TRH-Gabe innerhalb von 30 min der TSH-Spiegel auf über 25 mU/l an ("überschießende Reaktion") liegt eine latente Hypothyreose vor. (Die manifeste Hypothyreose wüßte man ja schon durch die Bestimmung von TSH, FT4 und FT3 - da würde man den Test gar nicht erst machen!) Steigt der TSH-Wert nicht oder nur ganz gering an, reagiert die Hypophyse nicht auf TRH. Das ist der Fall bei der latenten Hyperthyreose, bei der man ja normale FT4 und FT3-Werte bei erniedrigtem TSH findet. (auch hier gilt: die manifeste Hyperthyreose wüßte man schon aus Auswertung der bereits bestimmten Werte TSH, FT3 und FT4 - dann braucht man den TRH-Test nicht erst zu machen.) Testdurchführung: 1. Blutentnahme zur Bestimmung der basalen TSH-Konzentration, Röhrchen mit „Basalwert“ und Patientennamen beschriften 2. Erwachsene: Gabe von 200 oder 400 µg TRH i.v. (Antepan®; Relefact®, Thyreoliberin®) Kinder: Gabe von 1 µg TRH/kg Körpergewicht i.v. 3. nach 30 Minuten Blutentnahme zur TSH-Bestimmung (stimulierter Wert), Röhrchen mit „Stimulationswert“ und Patientennamen beschriften 4. TSH-Werte bestimmen und vergleichen. Hinweis: Zahlreiche Medikamente und Erkrankungen können den Test verfälschen. Das muß bei einer Auswertung berücksichtigt werden. So ist der ganze Test etwas heikel. Hier sind die klinisch-chemischen Untersuchungen noch einmal aufgelistet: Verdachtsdiagnose Basis-Untersuchungen V.a. latente Hyper- oder Hypothyreose V.a. Thyreoiditis V.a. SchilddrüsenKarzinom V.a. papilläres/ follikuläres Karzinom: V.a. C-ZellKarzinom: Untersuchung TSH-basal T3, freies T4, freies TRH-Test Schilddrüsen-Peroxidase-Antikörper (=TPO-Ak =mikrosomale Antikörper= MAK) TSH-Rezeptor-Antikörper (=TRAK) Thyreoglobulin-Antikörper (=TAK) Thyreoglobulin TPA Calcitonin Kontrollfragen: (1) Welche klinisch-chemischen Basisuntersuchungen sollten bei Schilddrüsenerkrankungen erfolgen? (2) Sie finden bei einem Patienten ein TSH-basal (das ist der spontan gemsssene TSH-Wert) von 78,6. Welche Schilddrüsenfunktionsstörung liegt vor? (3) Welche klinisch-chemischen Untersuchugen sollten jetzt folgen? (4) Welche Parameter sind bei einer Autoimmunthyreoiditis zu kontrollieren? (5) Wie ändert sich ein erhöhter TSH-Wert durch Gabe von L-Thyroxin? (6) Im Rahmen einer Hyperthyreosebehandlung erhält ein Patient das Medikament Carbimazol. (Thyreostatikum). Wie würde man eine Überdosierung klinisch-chemisch erkennen können? (7) Wie kann man klinisch chemisch eine Unterdosierung eines Thyreostatikums erkennen? (8) Wann sollten die Parameter TPO und TRAK bestimmt werden? Um welche Abkürzungen handelt es sich dabei? (9) Nennen Sie Tumormarker für das Schilddrüsen-Carcinom! (10) Wie funktioniert prinzipiell ein TRH-Test? Wozu dient er?