Gesundheit

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Keine Gesundheit
psychische
ohne
Gesundheit
Informationen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
Wir stellen uns vor
Die Förderung psychischer Gesundheit ist wichtiger denn je
Die Inanspruchnahme therapeutischer Leistungen bei psychischen Erkrankungen steigt
kontinuierlich. Depression, Demenz, Angst und Sucht sind zu Volkskrankheiten geworden. Seelische Leiden stellen mittlerweile die Hauptursache für Berufsunfähigkeit und
Frühverrentung dar. Obwohl es sich meist um gut behandelbare und oft auch vorübergehende Probleme handelt, wird die Heilung in vielen Fällen verzögert und erschwert.
Die Gründe: mangelndes Wissen über psychische Störungen und Erkrankungen,
Unkenntnis über Anlaufstellen für Hilfsangebote sowie die leider noch immer zu weit
verbreitete gesellschaftliche Tabuisierung und Stigmatisierung.
Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie
Das medizinische Fach Psychiatrie und Psychotherapie ist die zuständige Fachdisziplin für
die umfassende Versorgung von Menschen mit seelischen Erkrankungen. In Deutschland
sind fast 12.000 Ärztinnen und Ärzte im Bereich der Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde tätig in der Versorgung, der Forschung und der Lehre, in Universitäten,
in Kliniken und in ambulanten Praxen.
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN)
5.000 dieser Experten sind Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Die Fachgesellschaft ist eine der ältesten
medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland. Ihr Hauptziel ist es, denen zu helfen,
die psychisch erkrankt sind.
Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen
Was versteht man unter psychischen Krankheiten? Wie verbreitet sind sie? Welche
Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gibt es? Was tut sich in der Forschung? Die DGPPN
möchte Ihnen mit dieser Broschüre einen Überblick geben über die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland und über die Ziele, Aufgaben und
Foto: DGPPN
Aktivitäten, die sich für das Fach und die Fachgesellschaft aktuell daraus ergeben. I N F O R M AT I O N E N D E R D G P P N
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Wie wichtig ist psychische Gesundheit?
Gesundheit für Körper und Geist
Gesund zu sein ist ein wesentliches Anliegen des Menschen. Das betrifft nicht nur
die körperliche Gesundheit, sondern schließt in gleichem Maße auch die psychische
Gesundheit mit ein.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert psychische Gesundheit als „Zustand
des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen
Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist,
etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen“. Laut WHO ist die psychische Gesundheit
für den einzelnen Bürger eine Voraussetzung dafür, dass er sein intellektuelles und emotionales Potenzial verwirklichen und seine Rolle in der Gesellschaft, in der Ausbildung
und im Arbeitsleben finden und erfüllen kann. Auf gesellschaftlicher Ebene trägt die
psychische Gesundheit zum wirtschaftlichen Wohlstand, zur Solidarität und zur sozialen
Gerechtigkeit bei. Dagegen verursachen psychische Erkrankungen vielfältige individuelle
und gesellschaftliche Kosten und Verluste, ganz zu schweigen von der damit verbundenen
Belastung unserer Gesundheitssysteme.
Psychische Gesundheit stärkt die Lebensqualität in jedem Alter
Seelische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Menschen entspre-
chend ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten selbstbestimmt am Leben teilhaben und ihr
individuelles Potenzial entwickeln können. Dies trifft in unterschiedlicher Ausprägung
auf alle Entwicklungsphasen des Menschseins zu. Psychische Gesundheit in Kindheit und
Jugend zu fördern bedeutet eine Investition in die Zukunft. Später im Leben begünstigt
eine gute psychische Gesundheit neben der Gestaltung sozialer Beziehungen insbesondere die Arbeitsleistung und die Produktivität. Im Alter hilft eine stabile Psyche, besser
mit zusätzlichen seelischen Belastungen umzugehen, denen viele Menschen ausgesetzt
sind. Dazu gehören zum Beispiel Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme, soziale
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Foto: mi.la / Quelle: PHOTOCASE
Isolierung und altersbedingte Störungen, wie etwa Demenz.
Wie verbreitet sind psychische
Erkrankungen in der heutigen
Gesellschaft?
Psychisch krank – was ist das?
Emotionen und Kognitionen sind betroffen
Menschliches Erleben lässt sich in die Bereiche Emotionen (Gefühle) und
Kognitionen (Aufmerksamkeit und Gedächtnis) einteilen. Hier setzen psychische
Mindestens jeder Dritte erkrankt einmal in seinem Leben
Störungen an, die schwerpunktmäßig als Erkrankungen des Gehirns verstanden
werden können. Sie können den emotionalen oder den kognitiven Bereich stärker
Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus sind in der Bevölkerung
betreffen oder in beiden Gebieten ähnlich stark ausgeprägt sein. Zu den häufigsten
sehr weit verbreitet, genauso verhält es sich mit allen psychischen Erkrankungen.
psychischen Erkrankungen zählen Depressionen und Angststörungen, die vor allem
Innerhalb eines Jahres erkranken 9 % aller Menschen in Deutschland an einer
eine Störung der Emotionalität darstellen, während demenzielle Erkrankungen sich
psychischen Störung wie zum Beispiel Angststörungen, Depression, Psychosen
darüber hinaus durch Gedächtnisstörungen äußern. Bei schizophrenen Psychosen,
oder Suchtkrankheit. Auf die gesamte Lebenszeit bezogen ist jede zweite Frau
bei denen die Umwelt missinterpretiert wird, und bei Suchterkrankungen, die sich
und jeder dritte Mann mindestens einmal psychisch krank. Dies zeigt, dass psy-
durch ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand aus-
chische Erkrankungen ebenfalls zu den Volkskrankheiten zu zählen sind.
zeichnen, kommt eine Mischung aus gestörter Emotion und Kognition zum Tragen.
Psychische Störungen
treten in vielfältigen Ausprägungen auf
Nicht immer werden seelische Gesundheitsprobleme als Erkrankung identifiziert.
Es gibt Menschen, die unter psychischen Belastungen körperliche Störungen wie
Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Rückenschmerzen entwickeln. Andererseits
finden sich Personen, die über eine kurze Zeit leichte Stimmungsschwankungen
zeigen, welche sich von selbst zurückbilden und von den Betroffenen nicht als
Krankheit wahrgenommen werden. Auch gibt es Menschen, die unter einer schweren emotionalen Belastung einmal in ihrem Leben eine depressive oder psychotische Episode erleben, um anschließend völlig ohne Beschwerden bis zu ihrem
Tod zu leben. Leider ist dies nicht bei jedem Patienten so, denn viele psychische
Foto: BeneA / Quelle: PHOTOCASE
Erkrankungen weisen ein hohes Wiedererkrankungsrisiko auf.
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Verminderte Lebensqualität
und verlorene Lebensjahre
aufgrund psychischer Störungen
Psychische Erkrankungen sind häufig chronisch
Chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, führen je nach Ausprägungsgrad zu
einer leichten bis schweren Beeinträchtigung des normalen Lebens. Ähnlich verhält es sich bei
psychischen Erkrankungen, die bei einem überwiegenden Teil der Betroffenen ein Leben lang
anhalten können und somit die normale Lebensgestaltung einschränken.
Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens
Je nach Ausprägung und Dauer führen psychische Gesundheitsstörungen zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, Emotionen angemessen empfinden und ausdrücken zu können. Ebenso
verhält es sich mit den kognitiven Fähigkeiten: Die Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit, die
Konzentration und alle damit verbundenen Gedächtnisleistungen inklusive der Möglichkeit,
langfristig Pläne zu schmieden und sie zu verfolgen, sind beeinträchtigt. Die regelmäßige
Aufnahme von neuen Informationen und der soziale Austausch mit anderen Menschen sind
jedoch eine Grundvoraussetzung, um eine Partnerschaft einzugehen oder aufrechtzuerhalten
oder erfolgreich beruflich tätig zu sein. Insofern wundert es nicht, dass der Grad der individuellen Einschränkungen, der mit psychischen Leiden einhergeht, sehr hoch ist.
WHO-Studie zeigt: Psychische Erkrankungen führen zu den häufigsten
Einschränkungen in Industrienationen
Die Weltgesundheitsorganisation hat in den Industriestaaten diejenigen Krankheiten un-
tersucht, die dort für Menschen mit den häufigsten Einschränkungen verbunden sind. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch von durch Behinderung beeinträchtigten Lebens-
jahren, bezogen auf die gesamte Lebensspanne. Dabei wurden alle verfügbaren Daten auf das
Jahr 2030 hochgerechnet. Unter den weltweit häufigsten Erkrankungen in den Industriestaaten
finden sich fünf psychische Erkrankungen: Depression, Alkoholabhängigkeit, bipolare StöFoto: Karin Jung / PIXELIO
rungen, Schizophrenie und Demenz. Und die Bedeutung all dieser Erkrankungen wird
in den kommenden Jahrzehnten stetig steigen.
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Wie werden psychische
Störungen diagnostiziert?
Die Diagnose ist ein mehrstufiger Prozess
Wie überall in der Medizin beruht die Diagnose auch bei psychischen
Störungen auf einem mehrstufigen Prozess. Zuerst werden die Beschwerden
erfragt und die Vorgeschichte des Patienten und seines Krankheitsbildes erho-
ben. Zum Beispiel lassen sich typische Symptome einer Depression festmachen
an einer subjektiv deutlich verschlechterten Stimmungslage und einem deutlich
reduzierten Antriebsniveau über wenigstens vierzehn Tage. Steht die klinische
Verdachtsdiagnose fest, so wird nach möglichen körperlichen Ursachen gesucht.
So ist beispielsweise bekannt, dass ein Defizit an Schilddrüsenhormonen die
Symptome einer Depression hervorrufen kann. Für Betroffene ist es deshalb
sinnvoll, sich an einen Experten, das heißt einen Arzt zu wenden, der sich auch
mit organischen Ursachen auskennt. Zuletzt wird beurteilt, inwiefern ähnliche
Symptome bereits in der Vergangenheit vorgelegen haben und es sich somit um
eine Wiedererkrankung handelt. Erst im Zusammenspiel dieser drei diagnostischen Aspekte kann eine fundierte Diagnose gestellt werden.
Bildgebende Verfahren erweitern das Diagnosespektrum
Anders als zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, wo die Diagnose durch das EKG
und die Bestimmung von Enzymparametern im Blut unterstützt werden kann,
gab es für viele psychische Störungen bisher keine Zusatzuntersuchungen, die
für die Diagnosestellung wesentlich wären. Allerdings hat die Forschung hier
in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte gemacht. Befunde aus der Bildgebung,
des Hirnwassers können häufiger helfen, den diagnostischen Prozess zu unterstützen. Ein gutes Beispiel hierfür sind demenzielle Erkrankungen, bei denen
es zunehmend besser gelingt, das Krankheitsbild durch solche zusätzlichen
Untersuchungen früh zu erkennen.
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Foto: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Aachen
wie zum Beispiel kernspintomografische Untersuchungen, oder Untersuchungen
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Bausteine der Therapie
Psychische Erkrankungen betreffen den ganzen Menschen mit all seinen Fähigkeiten
und Möglichkeiten. Entsprechend muss eine Therapie aus verschiedenen Bausteinen
bestehen und alle Maßnahmen auf dasselbe Ziel ausrichten. Grundsätzlich unterscheidet man sogenannte körperliche (somatische) und psychosoziale Therapieverfahren.
Zu den somatischen Therapieverfahren gehört im Wesentlichen die medikamentöse
Therapie. Zu den nicht somatischen, ebenfalls ganz wichtigen Verfahren gehören
Psychotherapie und Soziotherapie. Unter Letzterem werden alle Maßnahmen ver-
standen, die zu einer Wiederherstellung alltagsbezogener Fähigkeiten beitragen, zum
Beispiel durch eine aktivierende Pflege, Sozialarbeit und Ergotherapie.
Wirksamkeit und Qualität therapeutischer Maßnahmen
Alle etablierten somatischen Verfahren sind strengen Prüfungen unterzogen wor-
den. Sie sind in ihrer Effektivität vergleichbar mit Behandlungsverfahren, die zum
Beispiel in der Inneren Medizin angewendet werden. Ebenso sind die gängigen
Psychotherapieverfahren heute sehr gut validiert. Man kennt ihre Wirksamkeit, aber
auch ihre Nebenwirkungen.
Nur der Facharzt verfügt über das gesamte Therapiespektrum
Aufgrund der Vielschichtigkeit psychischer Erkrankungen und der Vielzahl
von Therapiemöglichkeiten ist es wichtig, dass möglichst frühzeitig im Verlauf
einer Erkrankung ein Facharzt konsultiert wird. Fachärzte für Psychiatrie und
Psychotherapie und Nervenärzte sind Ärzte für Menschen, die einer komple-
xen Hilfestellung bedürfen. Durch ihre umfassende Ausbildung – um nach einem
absolvierten Medizinstudium in Deutschland als Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie tätig zu werden, bedarf es einer fünfjährigen Weiterbildungszeit –
verfügen sie über besondere Fähigkeiten zur Diagnose und zum gezielten Einsatz
aller therapeutischen Verfahren. Betroffene können sich direkt an einen Facharzt
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Foto: fult / Quelle: PHOTOCASE
wenden oder sich durch ihren Hausarzt an ihn überweisen lassen.
Versorgung von Menschen mit
psychischen Erkrankungen
Ausgewogenes Therapienetz auf hohem Standard
Vergleicht man die medizinische Versorgung in Deutschland mit anderen europäischen oder
außereuropäischen Staaten, so erreicht diese einen sehr hohen Standard. Das war nicht im-
mer so. Das Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten
enorm weiterentwickelt. Die Versorgung psychisch Kranker konnte deutlich verbessert werden. Diese positiven Entwicklungen sind im Wesentlichen dem Reformprozess zu verdan-
ken, der 1975 durch die „Psychiatrie-Enquête - Bericht über die Lage der Psychiatrie in der
Bundesrepublik Deutschland“ des Deutschen Bundestags angestoßen wurde. Zu den Erfolgen
der Psychiatriereformen zählen u.a. der flächendeckende Aufbau von Tageskliniken und
Institutsambulanzen sowie der Ausbau des ambulanten Versorgungsangebots, etwa mit so-
zialpsychiatrischen Diensten, Wohngemeinschaften, Tagesstätten und arbeitsrehabilitativen
Maßnahmen. In den Kliniken führte die Psychiatrie Personalverordnung (PsychPV) zu einer
erheblichen Verbesserung der qualifizierten Personalausstattung. Die Verkürzung der stationären
Aufenthalte von durchschnittlich 65 Tagen 1991 auf 24 Tage 2007 führte zu einer Verringerung
der Bettenzahl in den psychiatrischen Krankenhäusern.
Die gute Versorgung muss auch weiterhin erhalten bleiben
Anlass zur Sorge bereitet die Tatsache, dass trotz der positiven Entwicklung in der ambulant
komplementären Versorgung die Rate von Wiederaufnahmen in den Kliniken deutlich angestiegen ist. Nach einer 2009 durchgeführten Umfrage der DGPPN liegt die Auslastung der
psychiatrisch psychotherapeutischen Kliniken bei 98 %, während die Finanzierung des Personals
aufgrund von gesetzlich vorgegebenen Sparmaßnahmen seit Langem schon nicht mehr gewährleistet ist, so dass man inzwischen um die Wirksamkeit der mit in der „Psychiatrie-Enquête“
Foto: Jupiterimages
verbundenen Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation fürchten muss.
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen therapeutische Leistungen bei psychischen
Erkrankungen in Anspruch nehmen, ist alles zu tun, um die Versorgungssituation psychisch
Kranker in Deutschland zu stabilisieren und die mit der „Psychiatrie-Enquête“ verbundenen
positiven Veränderungen auch für die Zukunft zu erhalten. Hierbei muss ein Schwerpunkt der
Arbeit auf den besonders schwer, oft chronisch Erkrankten liegen.
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Problem der Stigmatisierung
Das Besondere im Fokus
In der Kulturgeschichte des Menschen finden sich Hinweise darauf, dass
psychisch Kranke schon immer etwas „Besonderes“ waren und meistens keine
Integration in die Gesellschaft erlebten. Auch wenn sie im Einzelfall als Seher,
Wahrsager oder „Auserwählte“ besondere Beachtung genossen, so muss eine
solche Position eher im Sinne einer Außenseiterstellung gewertet werden.
Unsicherheit und Unverständnis im Umgang mit Betroffenen
Psychisch krank zu sein ist in der Regel mit einem veränderten Verhalten
verbunden, das von der Umgebung nicht richtig eingeordnet werden kann und
häufig mit Angst und Unverständnis quittiert wird. Immer wieder kommen
Fragen wie „Sind psychisch Kranke gefährlich?“ oder „Kann ein psychisch
Kranker seine Leistung nicht erbringen oder will er dies nicht?“. Dies verstärkt
die Problematik, belastet die Betroffenen zusätzlich und erschwert die Heilung.
Das Aktionsbündnis für Seelische Gesundheit
Die Aktion „Open the Doors“ der Weltpsychiatrieorganisation wirbt seit Jahren
um die Reduktion des Stigmas bei psychischen Erkrankungen. Von deutscher
Seite wurde unter anderem von der DGPPN das „Aktionsbündnis für Seelische
Gesundheit“ als Antwort auf das Problem der Stigmatisierung etabliert.
Viele Aktionen wie die jährliche „Woche für Seelische Gesundheit“ sollen dazu
führen, das Problem psychischer Erkrankungen offenzulegen. Es ist nachgewiesen, dass Personen, die entweder selbst Kontakt mit Betroffenen haben oder die
gezielt über psychische Krankheit informiert worden sind, psychisch Kranke
weniger stark stigmatisieren als solche, denen diese Informationen fehlen.
Entsprechend ist es von zentraler Bedeutung, über die Grundlagen seelischer
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Foto: lemmiu / Quelle: PHOTOCASE
Probleme zu informieren und Akzeptanz und Verständnis zu generieren.
In welche Richtung geht die
psychiatrisch-psychotherapeutische
Forschung?
Fortschritte durch neue Technologien und Methoden
Die Erforschung der Ursachen von seelischen Krankheiten hat in den letzten
Jahrzehnten einen enormen Aufschwung genommen. Die Psychiatrie hat jetzt erst
die Chance, wirklich zu erforschen, was die Ursachen der psychischen Krankheiten
sind. Grund hierfür ist die rasante Weiterentwicklung neuer Technologien und
Methoden, die früher nicht zur Verfügung standen. Dazu gehört unter anderem die
Einführung moderner bildgebender Verfahren, die eine Darstellung der Struktur
und Funktion von neuronalen Systemen erlauben. Unter dem Motto „Dem Gehirn
beim Denken zusehen“ ist es heute möglich, mentale Abläufe darzustellen und ihre
Störung bei einem individuellen Patienten zu dokumentieren.
Psychische Erkrankungen besser verstehen und
gezielter behandeln
Darüber hinaus hat die technische Revolution in der Molekulargenetik
eine systematische Untersuchung des menschlichen Genoms ermöglicht.
Molekulargenetische Befunde können zusammen mit unserem wachsenden sys-
tembiologischen Wissen Schaltkreise aufdecken, die der Entstehung psychischer
Erkrankungen zugrunde liegen. Untersuchungen weiterer Aspekte wie der sogenannten epigenetischen Regulation ermöglichen zum Beispiel Einsichten in die
Interaktion zwischen der Umwelt und den menschlichen Genen. Dies ist von
großer Bedeutung, denn die Kenntnis der epigenetischen Mechanismen ist not-
wendig, um psychische Erkrankungen besser verstehen und gezielter behandeln zu
können. Die Entwicklung von Tiermodellen für psychische Erkrankungen schließlich gibt zum Beispiel Auskunft darüber, welche Funktion einzelne Gene für eine
Foto: Peter Hiltmann / © Pitopia 2009
bestimmte Erkrankung haben.
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Psychotherapieforschung
Auch auf dem Gebiet der Psychotherapieforschung konnten erhebliche Fortschritte
erzielt werden: Störungsspezifische Psychotherapien auf dem Gebiet der Depression,
aber auch von Persönlichkeitsstörungen wie der Borderline-Störung, sind sehr gut
etabliert und werden breit angewendet. Nach dem Vorbild der Einführung neuer
pharmakologischer Substanzen werden auch neue Psychotherapieverfahren von der
Fallbeobachtung über die kontrollierte Studie in die allgemeine Versorgung überführt.
In der Forschung ist ein langer Atem erforderlich
Da Gehirnerkrankungen in der Regel komplexe Erkrankungen sind, ist trotz der
neuen methodischen Entwicklung nicht zu erwarten, dass man auf einfache und
schnelle Antworten hinsichtlich der aktuell bestehenden Fragen in diesem Gebiet
hoffen kann. Die Grundlagenforschung bei demenziellen Erkrankungen konnte in
den letzten Jahren Teilaspekte der Ursachen der Erkrankung herausarbeiten. Der Weg
ist prinzipiell richtig, dass über die Aufklärung bedeutsamer pathophysiologischer
Mechanismen neue Therapiestrategien entwickelt werden können, die, wenn sie unter
kontrollierten Bedingungen erfolgreich sind, ihren Weg in die Versorgung psychisch
Kranker finden.
Gemeinsam auf dem Weg zum besseren Verständnis der Psyche
Die moderne psychiatrisch-psychotherapeutische Forschung ist durch eine multidisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen und Experten gekennzeichnet. Nur so kann die Psychiatrie als medizinische Disziplin für Menschen mit
psychischen Erkrankungen neue Wege in Diagnostik und Therapie erschließen.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
unterstützt diesen disziplinenübergreifenden Forschungsansatz. Zur Erforschung psychischer Erkrankungen unterhält die DGPPN ein Netzwerk mit hoch spezialisierten
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© bilderbox - Fotolia.com
Fachleuten an zahlreichen Standorten in ganz Deutschland.
Aus-, Fort- und Weiterbildung
in der Psychiatrie und Psychotherapie
Hochwertige Ausbildung –
Garant für exzellente Kliniker und Forscher
Angesichts der demografischen Entwicklung und der damit gewachsenen vielfältigen ge-
sellschaftlichen Anforderungen stehen wir in den nächsten Jahren vor wichtigen Aufgaben.
Wir müssen die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen auch weiterhin
bestmöglich gewährleisten und die Erforschung von neuen Ansätzen in Diagnostik und
Therapie vorantreiben. Dazu brauchen wir ärztlichen Nachwuchs. Um die besten Köpfe für
die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung und Forschung zu begeistern, engagiert
die DGPPN sich deshalb in der Profilierung des Fachgebietes und in der Unterstützung der
Aus-, Fort- und Weiterbildung von qualifizierten Fachärzten.
Aus-, Fort- und Weiterbildung bei der DGPPN
Bereits seit einigen Jahren bietet die DGPPN vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung von
Wissen und Kenntnissen an, vor allem mit der Fort- und Weiterbildungsakademie bei dem
jährlichen DGPPN-Kongress. Auch der zweimal im Jahr stattfindende Intensivkurs für die
Facharztprüfung Psychiatrie und Psychotherapie ist ein bewährtes und begehrtes Angebot.
Zu den Initiativen im Bereich der Nachwuchsförderung gehören ferner die Ausschreibung
von Studentenstipendien für die kostenlose Teilnahme am Kongress, ein breites Angebot
besonderer Veranstaltungen für Studierende und Weiterbildungsassistenten im Referat der
Young-Psychiatrists sowie die Ausschreibungen zahlreicher Preise zur Förderung des wis-
© OJO Images
senschaftlichen Nachwuchses.
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Der „ganze Mensch“ im Fokus
Wir wissen heute: Psychische Erkrankungen sind multifaktoriell bedingt und nur im
Kontext von biologischen, psychologischen und sozialen Ursachen zu verstehen. In der
Aus-, Fort- und Weiterbildung von Studierenden, Ärzten und Fachärzten ist ein interdisziplinärer Ansatz unerlässlich. Die DGPPN setzt sich mit Nachdruck dafür ein, Psychiatrie
und Psychotherapie als ein Fach, mit dessen somatischen und psychosozialen Methoden
man den „ganzen“ Menschen verstehen kann, im Medizinstudium präsenter und frühzeitiger zu vermitteln. Darüber hinaus engagiert sie sich für die ständige Aktualisierung der
psychiatrisch-psychotherapeutischen und neurowissenschaftlichen Inhalte in der ärztlichen
Weiterbildungsordnung. Nur mit dem bestmöglichen Wissen ist eine adäquate Versorgung
von Menschen mit psychischen Erkrankungen möglich.
Wofür steht die DGPPN?
Definition
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde ist die
größte und älteste wissenschaftliche Vereinigung von Ärzten, Psychotherapeuten und
von Angehörigen anderer akademischer Berufe, die in Deutschland auf den Gebieten
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde arbeiten. Die Fachgesellschaft wurde
1842 gegründet und zählt heute fast 5.000 Mitglieder. Sie versteht sich als Plattform für
Experten verschiedener Disziplinen, die gemeinsam daran arbeiten, durch Wissenschaft,
Forschung und Krankenversorgung die Situation von Menschen mit psychischen
Erkrankungen zu verbessern.
Verbesserung von Diagnostik und Therapie
Als wissenschaftliche Fachgesellschaft spielt die DGPPN eine zentrale Rolle in der För­
derung wissenschaftlicher Aktivitäten, die zu einer Verbesserung der Diagnostik und
Therapie psychischer Erkrankungen führen. Im Sinne der Qualitätssicherung entwickelt
sie praxisbezogene Leitlinien. Zudem fördert sie die Erforschung der Ursachen psychi­
scher Erkrankungen. Ihr Ziel ist es, vernetzte Forschungsstrukturen wie Forschergruppen,
Sonderforschungsbereiche und EU-weite Netzwerke weiter auszubauen, damit sich
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Foto: DGPPN
in Deutschland eine weltweit sichtbare Forschung auf diesem Gebiet manifestiert.
Versorgungsoptimierung und Interessenvertretung
Die DGPPN tritt für die Erhaltung und den Ausbau der vorhandenen Versorgungsstruk­
turen ein. Gesundheitspolitisch setzt sie sich ein für eine frühzeitige und adäquate Versor­
gung psychisch Kranker, damit die Betroffenen ihre Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität
bewahren oder schnellstmöglich wieder zurückgewinnen können. Die DGPPN fördert die
Aufklärung über die Natur und Behandelbarkeit psychischer Störun­gen zur Reduktion der
Stigmatisierung. In diesem Zusammenhang berät und unterstützt sie wichtige In­stitutionen
in Politik und Gesellschaft.
Vorstand / Kontakt
Präsident
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider, Aachen
President Elect
Prof. Dr. med. Peter Falkai, Göttingen
Past President
Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf
Schriftführer
Priv.-Doz. Dr. med. Michael Grözinger, Aachen
Vernetzung und persönlicher Austausch
Die DGPPN fördert den interdisziplinären Austausch auch durch die Organisation eines
jährlich stattfindenden wissenschaftlichen Kongresses in Berlin. Mit fast 8.000 Teilnehmern
aus dem In- und Ausland, 600 Einzelveranstaltungen, Fachdiskussionen, Vorträgen,
Meetings und öffentlichen Veranstaltungen hat sich der Kongress mittlerweile zur größten
und wichtigsten Veranstaltung seiner Art in Europa entwickelt.
Kassenführer
Priv.-Doz. Dr. med. Felix M. Böcker, Naumburg
DGPPN Hauptgeschäftsstelle Berlin
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Tel.: 030 / 240 47 72-0
Fax: 030 / 240 47 72-29
E-Mail: [email protected]
Internet: www.dgppn.de
Hypovereinsbank München
BLZ 700 202 70, Konto 509 511
VR 26854B, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg
Aus-, Fort- und Weiterbildung
Prof. Dr. med. Fritz Hohagen, Lübeck
Wissenschaftsförderung
Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Bonn
Neurobiologische Forschung
Prof. Dr. med. Heinrich Sauer, Jena
Ausblick
Die Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen und der Einbezug
ihrer Angehörigen erfordert große Anstrengungen. Das medizinische Fach Psychiatrie
und Psychotherapie ist in der Lage, diese Herausforderungen anzunehmen und in
Handlungsmaßnahmen umzusetzen. Entwicklungschancen bestehen in der Vernetzung
und Bündelung der unterschiedlichen Teildisziplinen und dem gemeinsamen Engagement
der Experten. Genau hier liegen die Stärken des disziplinenübergreifenden Vernetzungs­
angebotes der DGPPN. Die Erfolge der letzten Jahre beweisen, dass die Mitglieder der
Fachgesellschaft fähig sind, die psychische Gesundheit vieler Patienten stetig zu verbessern
und so einen Beitrag zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung zu leisten. Auf diesem
Erfolg will die DGPPN aufbauen, um die Situation psychisch Kranker auch weiterhin mit
vereinten Kräften langfristig und nachhaltig zu verbessern.
Psychotherapie und Psychosomatik
Prof. Dr. med. Sabine C. Herpertz, Heidelberg
Universitäre Psychiatrie
Prof. Dr. med. Andreas Heinz, Berlin
Stationäre Versorgung, Rehabilitation
Dr. med. Iris Hauth, Berlin-Weißensee
Ambulante Versorgung
Dr. med. Frank Bergmann, Aachen
Sozialpsychiatrie
Impressum
Beauftragte für die Gremien der
ärztlichen Selbstverwaltung
Konzeption und Gestaltung:
GRACO in Kooperation mit
Kerstin Bestmann LifeQualityBrands®
Prof. Dr. med. Karl H. Beine, Hamm
Dr. med. Christa Roth-Sackenheim, Andernach
Gesundheitspolitischer Sprecher
Prof. Dr. med. Jürgen Fritze, Pulheim
Hauptgeschäftsführer
Redaktion: Prof. Dr. Dr. F. Schneider,
Prof. Dr. P. Falkai, Dr. T. Nesseler, J. Amlacher
Druck: Pinguindruck Berlin
Auflage: 10.000 Stück
Stand: November 2009
Dr. phil. Thomas Nesseler, Berlin
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