CMV-Infektion bei Frühgeborenen Klinik, Prävention, Therapie Rangmar Goelz Abteilung Neonatologie Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen Verlauf einer HCMV-Infektion DNA-Virus, Fam. der Herpesviren Infektion (geringe Symptomatik) Latenz (Persistenz in den infizierten Zellen, CMV-IgG seropositiv) Reaktivierung (bei Immunschwäche und in der Brustdrüse der stillenden Mutter) Historie zur postnatalen CMV-Infektion 1950er 1969 1970er 1990 Entdeckung des Cytomegalovirus NG durch Transfusion erkrankt (1) NG-Infektion durch Muttermilch (2) Blutprodukte für NG und FG CMV-frei (1) GJ McCracken ea 1969 Am J Dis Child (2) S Stagno ea 1980 NEJM Historie zur postnatalen CMV-Infektion 1990er Trotz CMV-freier Blutprodukte : weiter CMV-Infektionen bei sehr kleinen Frühgeborenen Ab 1995 Prospektive Beobachtung von FG < 1500g und deren Muttermilch in der Neonatologie Tübingen CMV-Infektion von VLBW-Infants durch Muttermilch 1995 – 1998 NICU Tübingen Vochem M ea Ped Inf Dis J 1998;17:53-8 Hamprecht,K ea Lancet 2001;357:513-8 Seropositive Mütter Seropositive stillende Mütter CMV in MM reaktiviert 78 76 73 CMV-infizierte FG (bis ET+3Mon) Symptomatisch (mind. 1 Symp.) 33/87 (38%) 16/87 (18%) (96%) Hauptrisikogruppe für sympt. Inf.: Geringes Geburtsgewicht, frühe Transmission Maschmann J ea Clin Inf Dis 2001 Häufigkeit der Transmission … Hamprecht K, Maschmann J, Goelz R J Clin Virol 2008 … confirmed by studies using raw breast milk… … most other studies fed „inactivated“ milk … freeze storing … pasteurisation … viral load is reduced or destroyed … Neonatale Symptome und Outcome bei postnataler CMV-Infektion via MM 1995-2002: Vergleich von 40 CMV-positiven FG vs 40 CMVnegativen Kontrollkindern während des stationären Aufenthaltes (matched pairs: Geschlecht, GA, Geburtstag) Neuberger P, Goelz R ea J Pediatrics 2006 Signifikant häufiger Thrombopenie Neutropenie CRP 10-20 mg/l Kein Häufigkeitsunterschied Dir. Bilirubin CRP >20 mg/l Alle Befunde waren selbstlimitierend Neonatale Symptome und Outcome Kein signifikanter Unterschied bei: Therapieerweiterung wg. Apnoe Gewichtszunahme / Tag Gewicht bei Entlassung Kopfumfang bei Entlassung Liegedauer im Krankenhaus Dauer der künstlichen Beatmung und des Sauerstoffbedarfs Inzidenz der BPD, ROP, NEC, ICH und PVLM Einzelfälle und Fallserien … …beschreiben die zeitliche Koinzidenz einer schweren Erkrankung des Frühgeborenen (Sepsislike, Pneumonie, Hepatitis, etc.) und eines Nachweises von HCMV beim FG als möglicherweise kausal: Hamele M ea Severe morbidity… bm-ass. CMV-Infection Ped Inf Dis J 2010 Takahashi R ea Severe postnatal CMV-Infection … Neonatology 2007 Schleiss MR Acquisition of HCMV infection via breast milk … Rev Med Virol 2006 Cheong JL ea. Gastrointestinal manifestations of postnatal cytomegalovirus infection in infants … Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed. 2004;89:F367-9 Gessler P ea.Cytomegalovirus-associated necrotizing enterocolitis …J Perinatol 2004;24:124-6 Rieger-Fackeldey E ea. Schwere systemische Zytomegalie-Virusinfektion Frühgeborener ... Monatsschr Kinderheilkd 2001;149:1059-62 Ballard RA ea. Acquired cytomegalovirus infection in preterm infants. Am J Dis Child 1979; 133:482-485 Einzelfälle und Fallserien In situ Hybridisierung zum Nachweis von CMV im Jejunum Pos. CMV-Zellen im Darmgewebe 2 ELBW mit Volvolus. Neg. Kontroll ISH Pos. Zellen im Blutgefäß Zum Zeitpunkt des Volvolus kein Hinweis auf CMV-Infektion. Retrospektive Gewebeaufarbeitung Fr. Prof. K. Klingel, Inst. für. Molek. Pathologie UKT 100 80 60 80 70 60 50 40 GANCYCL 30 20 40 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 C-reaktives Protein mg/l MM CMV max. Thrombozyten x10³/µl 200 CMV-Virurie CMV-Virämie Schwerer Verlauf einer CMV- Infektion beim FG: GG 490 g, 26 SSW Hamprecht K, Maschmann J, Goelz R J Clin Virol 2008 0 100 Lebenstage Thrombozyten-Transfusion Reintubation Neonatale CMV-Infektion via MM Schlussfolgerung Es gibt die durch CMV-haltige Muttermilch ausgelöste CMVErkrankung des Frühgeborenen. Die Befunde waren in der Studie während der Neonatalzeit selbstlimitierend und ohne Einfluss auf die wichtigsten neonatologischen Parameter. Jedoch: es gibt schwere Verläufe . Limitation Kleine Fallzahl Langzeitfolgen Langzeit - Outcome - Hörstörung - Kognitive Entwicklung - Neurologischer Status (Spastische CP) Projekt gefördert durch AKF 82-0-0 des UK Tübingen Langzeitfolgen Patienten und Methode Prospektive multidisziplinäre Langzeituntersuchung Frühgeborene mit postnatal erworbener CMV-Infektion 1.7.1995 bis 31.3.2002 ; GA <=32 SSW oder GG <1500 g Kontrollgruppe: Keine CMV-Infektion, gematched nach Geschlecht, Gestationsalter und Aufnahmedatum Untersucher geblindet für CMV-Status der Kinder Votum der Ethikkommission positiv Projekt gefördert durch AKF 82-0-0 des UK Tübingen Pädaudiologische Untersuchungsmethoden Ohrmikroskopie Reaktionsaudiometrie (subjektiv) Spielaudiometrie (subjektiv) Schwellentonaudiometrie (subjektiv) Tympanometrie (objektiv) Otoakustischen Emissionen (OAE) (objektiv), DPOAE (frequenzspezifischer) und TEOAE (sensitiver für minimale Hörverluste) BERA (fakultativ) Untersuchung in der Pädaudiologie der Klinik für HNO des UKT, Leitung S. Brosch Untersucher geblindet für CMV-Status Ergebnisse der Hörtestung ( >2 Jahre) Gesamt Untersucht IOS HCMV pos. Kontrolle 60 49 (82%) 60 52 (87%) 1 IOS Innenohrschwerhörigkeit 4 Kognitive Entwicklung: Kaufmann-ABC, >4 Jahre Matched Pairs (Geschlecht, GA., Aufnahme), Alter >4 Jahre bei U., Untersucher geblindet für CMV-Status, Rohdaten CMV neg. CMV pos. n m GA d (SD) GG g (SD) 42/50 (84%) 30 198 (17) 1062 (295) 42/50 (84%) 30 198 (17) 1136 (349) SED (SD) SGD (SD) FS (SD) 96 (14) 96 (14) 94 (17) 94 (13) 92 (13) 89 (15) Stratifizierung nach: Zeitpunkt der Infektion: Infektion vor Entlassung (früh) vs Infektion nach Entlassung (spät) Univariater Vergleich, t-Test n SED SGD FS CMV pos CMV pos vor Entl. (95%CI) nach Entl. (95%CI) CMV neg Kontrollen 23 92,3 (86,7-97,8)* 87,8 (82,2-93,4)* 85,5 (79,2-91,8)* 42 96,5 96,0 94,1 19 95,6 (89,0-102,3)* 96,3 (91,0-101,5)* 94,2 (86,8-101,5)* p *0,42 *0,03 *0,07 Vor Entlassung infizierte FG haben eine niedrigere SGD (p=0,03), auch nach Kontrolle für den sozioökonomischen Status. Die nach Entlassung infizierten Kinder unterscheiden sich nicht von den Kontrollen. Langzeitoutcome nach postnataler CMVInfektion via MM Zusammenfassung der Daten: Hören: Keine Verschlechterung Kognition und Neurologie: Rohdaten: CMV-pos. FG etwas schlechter Bei Inf. vor Entl.: SGD signifikant schlechter Neurologische Untersuchung (CP): kein Unterschied Einschränkung: Kleine Fallzahl Frage: Welche Konsequenzen sind angesichts dieser Daten nötig? Bryant P ea Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2002;57:F75-F77 Muttermilchfütterung wie bisher? Reine Formulaernährung bei seropositiven Müttern? Inaktivierung? Zwiauer K, Deutsch J, ea. Konsensuspapier Österreichische GKJM: Prävention von CMV-Infektionen bei Frühgeborenen durch Muttermilch. MoKi 2003 und MoKi 2009 Fütterungspraxis in deutschen NICU Buxmann H ea 2010 (submitted) Fragebogen: 123 / 210 (58%) auswertbar < 1500 g GG oder < 32 SSW Präventive Strategien Formula Langzeit-Hitzeinaktivierung Kurzzeit-Hitzeinaktivierung Kryoinaktivierung CMV-Inaktivierungsverfahren für Muttermilch Langzeit-Pasteurisierung: Holder-Pasteurisierung (30min 62.5°C): Kommerziell verfügbar, sicher wirksam. Jedoch: Denaturierung (AP, Lipase, sIgA, Lysozym, IGF und IGF BP) Hamprecht K ea Pediatr Res 2004 Kurzzeit-Hitzeinaktivierung: 5 sec 62 Grad C: Kommerziell verfügbar, virussicher, keine Denaturierung von IGF und IGF BP, nur geringe von AP, Lipase, Lysozym etc. Goelz R ea Pediatr Res. 2009 Müller D, Hamprecht K Inauguraldissertation 2006 Univ. Tübingen Wachstumsfaktoren in Muttermilch: Einfluss verschiedener Inaktivierungsverfahren Gehalt an GFs in % der unbehandelten Kontrollmuttermilch 62°C 5s 63°C 30 min 65°C 5s 72°C 5s IGF-I 104.96 60.58 + 101.53 95.25 IGF-II 95.83 90.1 + 97.03 103.99 IGFBP-2 100.36 80.91 + 98.99 95.31 IGFBP-3 102.38 92.98 + 103.55 103.91 EGF 100.1 95.1 99.37 99.45 + signifikant geringere Konzentration Goelz R ea Pediatr Res. 2009 Virusinaktivierungsverfahren für MM Kryoinaktivierung: Einfrieren und Lagerung der Milch bei –20°C: Nicht sicher wirksam, entgegen aktuellen Empfehlungen. Hamprecht ea, Ped Res, 2004 Curtis N ea Arch Dis Child FetNeoEd 2005 Maschmann J ea, ADC Fet Neon Ed 2006 Lawrence RM ea, Pediatr Clin North Am 2001 Takahashi R ea Severe postnatal CMV-Infection, Neonatology 2007 Vergleich verschiedener Virusinaktivierungsmethoden: Effekt auf CMV Infektiosität Hamprecht et al., Ped Res, 2004 Bestätigt: Curtis N ea ADC 2005 Virus load (% of control) 400 300 200 100 0 18h -20°C 4d -20°C 10d -20°C 30 min 62.5°C 5 sec 72°C Zusammenfassung Prävention: Wenn MM: Nur die Hitzeinaktivierung ist virussicher Die Kurzzeitpasteurisierung ist die schonendste Methode Therapie der postnatalen CMV-Infektion bei FG CMV-Infektion ist meist selbstlimitierend Es gibt schwere Verläufe, jedoch keine Daten zur Indikation und Art einer spezifischen Therapie Therapie der konnatalen, symptomatischen CMV-Infektion Kimberlin DW ea, J Pediatr 2003, 143:16-25 RCT, n=42/100 auswertbar , Ganciclovir: 6 Wo, 12mg/kg/d vs keine Th. Ergebnis: Hörverschlechterung signifikant reduziert (p<0,001), Jedoch: Toxizität (Neutropenie bei 2/3 der Patienten) Prober CG ea, J Pediatr 2003, 143:4-6 Tübingen: 1 Patient (26 SSW, 490g GG) behandelt, nach 3 Wochen Therapie abgebrochen wg. Transaminasenanstieg Zusammenfassung Klinik Es gibt die CMV-Erkrankung des FG, meist selbstlimitiernd, in Einzelfällen schwer verlaufend. Langzeitoutcome: Einfluss der Infektion nicht ausgeschlossen Prävention Nur die Hitzeinaktivierung ist virussicher Die Kurzzeitpasteurisierung (62° 5 sec) ist die schonendste Methode Therapie Keine Daten. Konsequenz: Prävention Klinische Studie mit den Zielen: Vermeiden der CMV-Transmission bei sehr kleinen FG Ernährung mit roher MM so oft als möglich, d.h. KurzzeitHitzeinaktivierung nur bei hohem Risiko der Transmission. (MM-Benefit für das Kind, reduzierter Arbeitsaufwand) Methode: Frühes Erfassen des Transmissionsrisikos Viruselimination mit Kurzzeit-Hitzeinaktivierung Zustimmung der Ethikkommission liegt vor. Pilotphase ist abgeschlossen, Studienbeginn: März 2010 Dank an viele Mitarbeiter .... Klaus Hamprecht, Patrick Neuberger, Eva Hihn, Denise Müller, Martin Elmlinger, Karin Weber, Elke Kisch, Michael Urschitz, Jörg Arand, Mathias Vochem, Jens Maschmann, Andrea Bevot, Sybille Brosch, Renate Bay, C. Speer, C. Poets und viele andere, .... an die Eltern und ihre Kinder, ...und an Sie für Ihre Aufmerksamkeit Vorteile der Muttermilch bei Frühgeborenen Weniger NEC Lucas A ea, Lancet 1990 McGuire W ea, ADC FetNeonat Ed 2003 Weniger Spätsepsis Hylander MA ea, Pediatrics 1998 Furman L ea, Arch Pediatr Adol Med 2003 Bessere Entwicklung Lucas A ea, Lancet 1992/Der G ea BMJ 06? Bessere Mutter-Kind-Beziehung Wagner CL, Clin in Perinat 1999 Lettgen B, Jotzo M, Kiärztl Praxis 2002 Präventive Langzeiteffekte (Fettstoffwechsel, Hypertonie, Herzinfarkt, Diabetes) Schanler RJ, Clin in Perinat 1999 Toschke AM ea, J Pediatr 2002 Endokrinologisch und immunologisch wirksame Substanzen Elmlinger MW ea, Pediatr Res 1999, Siafakas CG ea, Pediatr Res 1999, Buescher ES ea, Pediatr Res 1998 Garofolo RG ea, Clin in Perinat 1999 Vorteile der Muttermilch bei Frühgeborenen Studien: 1RCT 13 Studien ausgeschlossen: keine Empfehlung möglich McGuire Cochrane Review 2001/2002 und 2007 Muttermilch: Was ist gesichert? Mihatsch: Vortrag GNPI Köln 2003 „... kein konfirmativer Beweis für die Überlegenheit der Muttermilch“ HCMV - Virusausscheidung Stagno S, in Remington and Klein 5th Ed., 2001,402 Virus load (Nr IEA+ nuclei/ml whey) Dynamik der CMV-Reaktivierung während der Laktation: Virus-Konz. in der Molke Day 61: onset of viruria of the infant 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 Time post partum (days) Hamprecht et al., Ped Res, 2004 Ergebnisse Innenohrschwerhörigkeit (IOS) rechts HCMV pos HCMV neg 1 2 3 4 8 kHz 4 kHz 8 kHz 0,5 kHz links 25dB 30dB 25dB 30dB <=0,5 kHz 30dB 8 kHz 30dB 8 kHz 90 dB 8 kHz 25dB 0,5 kHz 30dB 8 kHz 40 dB normal Risk factors for transmission: onset of local HCMV reactivation detected in milk whey (maximum likelihood estimates based on a log-normal distribution) 1.00 0.80 0.60 median T: 3 days median NT: 8 days 0.40 P(cumulative incidence) P(cumulative incidence) Hamprecht et al., Lancet 2001 0.20 1.00 0.80 0.60 median T: 10 days median NT: 16 days 0.40 0.20 DNAlactia 0.00 Virolactia 0.00 0 10 20 30 40 50 time after delivery (days) Likelihood ratio test: T... Transmitter P = 0.025 NT... Non-Transmitter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 time after delivery (days) P = 0.005 350.000 300.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 250.000 200.000 Hepatomegalie 2.000 1.000 0 150.000 100.000 50.000 0 40 47 51 53 56 61 70 Lebenstag 76 85 92 97 Thrombocyten/µl 400.000 10.000 9.000 8.000 PlasmaDNAämie Granulozyten/µl Koinzidenz klinischer Symptomatik mit der CMV-Detektion MM und CMV Infektion bei reifen NG/Sgl. Muttermilch ist die überwiegende Ursache (neben Krabbelgruppen uä.) ... major impact on epidemiology ... up to 70% by 1 year of age Stagno S ea Proc Natl Acad Sci USA 1994, Minamishima I ea Microbiol Immunol 1994 Blutprodukte und Vaginalsekret sehr selten Voraussetzung: Mutter ist HCMV IgG positiv (alte Infektion) Geringe Morbidität (1/39 Pneumonitis) Chronisch Virusausscheidung der Säuglinge in Urin und Speichel (27-55 Monate), keine mütterliche Virusausscheidung (außer MM) Stagno et al., NEJM 1980 Die CMV-Infektion der gestillten Kinder ist abhängig von der Stilldauer: <1 Monat: keine Transmission >1 Monat: 39% infizierte Kinder Dworsky et al., Pediatrics, 1983