Sufische Spiritualität - RPI

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Sufische Spiritualität
Zwei berühmte Mystiker
Fariduddin Attar (1120-1220), ursprünglich Parfümhändler, berühmt geworden als persischer
Dichter, der vermutlich im Alter von 110 Jahren beim Mongolensturm umkam. Seine „Vogelgespräche“
gelten als klassisches Meisterwerk mystischer Poesie. Goethe hat ihn in seinem West-östlichen Divan
aufgenommen.
Mansur al-Halladsch, arabisch: (auch Halladj oder Hallaj) (* etwa 858 in al-Baida im heutigen Iran,
hingerichtet am 26. März 922) war einer der bekanntesten persischen Sufis (islamischer Mystiker).
Unter den Sufis und auch der Bevölkerung Bagdads fiel Mansur al-Halladsch durch seine radikalen
und schockierenden Äußerungen auf, wodurch er von orthodoxen Muslimen der Ketzerei bezichtigt
wurde. Er wurde schließlich von der Regierung festgenommen und nach mehreren Jahren Gefängnis
öffentlich gekreuzigt. Al-Halladschs berühmtester Ausspruch "Ich bin die Wahrheit" (Ana l-haqq)
1
entsprang dem sufischen Gedanken der Eins-Werdung mit Gott, der Auflösungs des Ichs in Gott.
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Zum Sufismus :
Die Bezeichnung Sufi leitet sich (vermutlich) von dem arabischen Wort "suf" ab, das Wolle
bedeutet. Als Sufi werden zunächst nur die Menschen bezeichnet, die sich in der Frühzeit des Islams,
also etwa vom achten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung an, als Zeichen ihrer spirituellen Suche in
Wollgewänder hüllen. Es sind Asketen und Einsiedler. In der Einsamkeit des Sinai, der syrischen und
der arabischen Wüste widmen sie sich dem Gottgedenken. Später wird der Begriff Sufi auf all jene
ausgedehnt, die sich - allein oder in Gemeinschaft - mystischen Übungen hingeben.
Die Tradition der Sufis reicht vom Propheten Muhammad bis in unsere Tage, erstreckt sich also
über einen Zeitraum von mehr als 1300 Jahren. Es gibt eine kaum überschaubare Zahl an mystischen
Schulen und Systemen. Alle setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte beim Fortschreiten auf dem
geistigen Pfad, haben aber alle dasselbe Ziel: den Menschen auf seinem Weg zu Gott zu leiten.
Das Sufitum ist der andere, im Abendland zumeist
unbekannte, undogmatische, mystische Islam.
Abb.1: Al-Halladsch´s Hinrichtung
Im Jahre 922 n.Chr.
Es gibt – so sagen die Sufis – die Sicherheit des Herzens,
mit seinem Schöpfer verbunden zu sein. Sie wollen bereits
im Diesseits die unmittelbare Erkenntnis des Ewigen. Das
Paradies ist ihnen zu wenig, da der Mensch darin immer noch
von Gott getrennt ist. Ihr höchstes Ziel ist aber gerade das EntWerden, das Aufgehen in Gott. Das Wesen des Mystikers
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soll dabei mit dem Wesen Gottes vereinigt werden.
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Zum Text: "Der Falter und die Kerze" gibt als Kurzgeschichte Einsicht in die allgegenwärtige
Sehnsucht des Menschen nach dem (höheren) Licht. Gemeint ist hier die Gottesbeziehung, welche
sich zunächst als etwas darstellt, dass "alle" suchen, jedoch ohne zu wissen, um was es sich genau
1
www..de.wikipedia.org/wiki/Mansur_al-Halladsch
2
www.philos-website.de/autoren/al_halladsch_g.htm
3
Informationen entnommen: Vom Wesen des Sufitums, Aus der Reihe:Von Sufis und Derwischen - Der andere
Islam, Donnerstag, 26. August 2004, 8.30 Uhr, SWR 2, Archiv-Nr.: 390-2694
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Text und Kommentar von Annemarie Schimmel (1922–2003): Der Falter und die Kerze, in Reinhard Kirste /
Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.) : Die dialogische Kraft des Mystischen, Zimmermann, Religionen im
Gespräch Bd. 5 (RIG 5). Balve: Zimmermann 1998, S. 250–254. Download: http://www.rpivirtuell.net/workspace/CFF7AB46-2FDA-475C-A6C7-3F92D3174C51/Religionen%20im%20Gespr%C3%A4chTexte%20aus%20RIG/RIG5-Schimmel-Falter-Kerze.pdf
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handelt. Im Verlauf der Geschichte wird deutlich, dass diese Suche weder auf einem allgemeinen "Einer für Alle"-, noch auf einem partiell beschrittenen Weg (Licht beschreiben, umkreisen etc.) von
Erfolg gekrönt sein kann.
Einzig die totale Selbst-Hingabe, als ganzheitliches Verbrennen in und mit der Kerze (oft auch als
Tropfen im Meer dargestellt), offenbart das Mysterium der göttlichen Liebe.
Annemarie Schimmel: "Nur unter Aufopferung des Lebens, unter Aufgabe all dessen, was der
Liebende besitzt, kann man das Ziel erreichen, in einem sehr schmerzhaften Prozess, den nur
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die Wahrhaft Sehnsüchtigen, Gottesliebenden auf sich nehmen ...“
Muhammad, Gründungsprophet des Islam spricht von "Stirb, bevor du stirbst."
Damit verweist er, wie auch Jesus, darauf, sich von allem loszumachen, was im irdischen Leben Wert
hat, um ein weltliches Anhaften zu vermeiden und sich ganz auf den "inneren Weg" zu machen, den
Weg der eigentlichen "Selbst-Erkenntnis",- ja der Gotteskindschaft, die ewiges Leben verheißt.
Johann Wolfgang von Goethe hat das Thema "Sinnsuche durch Selbstaufgabe" mehrfach in seine
Gedichte aufgenommen, z.B. "West-östlicher Divan" :
Und so lang du das nicht hast,
dieses stirb und werde,
bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.
Der erste Teil des islamischen Glaubenszeugnisses: "la ilaha ill'allah - es gibt keinen Gott außer Gott"
bildet den Kernsatz des Islams - und somit ist er auch die Wurzel der Sufi-Lehre. "la ilaha ill'allah"
bedeutet: Alles ist Gott, und nichts ist wichtig außer Gott.
Wie eng dieser Satz doch mit den ersten Geboten des Dekalogs verwandt ist, ergibt sich im direkten
Vergleich (Ex 20, 1 ff): Du sollst deinen Herrn und Gott lieben wie dich selbst/ Du sollst keine
anderen Götter neben mir haben...
Die von Halladsch und vielen anderen Mystikern empfundene Gottesliebe überwindet die Schranken
religiöser Gräben und vereint sie im Wesentlichen: der Hingabe an den, dessen Liebe sie in
schweigender Zuwendung erfuhren.
Die von Halladsch empfundene Tiefe, als auch das Erblicken des "Heiligen Geistes" durch und mit
dem eigenen Geist, zeigen folgende seiner Schriften:
Gott ist das Licht des Himmels und der Erde:
Gott ist das Licht der Himmel und der Erden. Er ist das Licht des Lichtes; Gott leitet, wen Er will, durch
Sein Licht zu Seiner Macht und durch Seine Macht zu Seiner Verborgenheit, und durch Seine
Verborgenheit zu Seiner Ur-Anfänglichkeit, und durch Seine Ur-Anfänglichkeit zu Seiner Ur-Ewigkeit
und seiner künftigen Ewigkeit, und durch Seine Ur-Ewigkeit und künftige Ewigkeit zu Seiner Einzigkeit:
Es gibt keinen Gott außer Ihm — Er ist erhaben und heilig — dessen Sache und Macht bezeugt wird.
Er läßt, wen Er will, zunehmen an Wissen über das Bekenntnis Seiner Einheit und darin, Ihn als frei
von allem zu erklären, an Wissen über die Erhabenheit Seiner Stellung und Seine Einzigkeit und die
Verherrlichung Seiner absoluten Herrscherwürde.
Und ferner: Im Kopf das Licht der Inspiration, zwischen den Augen das Licht der vertrauten
Gebetszwiesprache, im Ohr das Licht der Absoluten Gewissheit, auf der Zunge das Licht der
Erklärung, in der Brust das Licht des Glaubens, in den natürlichen Veranlagungen das Licht des
ständigen Preisens, Lobens und Glaubensbekennens. Und wenn sich etwas von diesen Lichtern
entzündet und Macht über das andere Licht gewinnt, dann lässt es dies unter seine Macht eintreten,
und wenn es ruht, wird die Macht jenes Lichtes reicher und vollständiger als sie war, und wenn alle
Lichter entzündet sind, wird es »Licht über Licht; Gott leitet zu Seinem Licht, wen Er will.«
Aus: Korankommentar zu Sure 24, 35 (Lichtvers)
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Schimmel, aaO S. 253.
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Zur Geschichte und religiösem Hintergrund
Der Islam ist die jüngste der drei monotheistischen Weltreligionen. Er geht zurück auf den Propheten
Muhammad (Mohammed), dem nach islamischem Verständnis zwischen den Jahren 610 und 632
der Koran als Gottes unerschaffenes, ewiges Wort geoffenbart wurde. Bereits zu seinen Lebzeiten
hatten die Anhänger Muhammads ihren Einflussbereich auf den größten Teil der arabischen
Halbinsel ausgedehnt. Nach seinem Tod eroberten sie innerhalb weniger Jahrzehnte Persien, Syrien
und ganz Nordafrika. Im Jahre 711 überquerte Tariq ibn Ziyad mit seinen Truppen die Meerenge von
Gibraltar, besiegte die Westgoten und setzte sich in Spanien fest. Im Osten drangen arabische
Heere bis nach Afghanistan, Transoxanien und ins untere Industal vor.
Der gewaltige militärische Erfolg fand bei den meisten Muslimen viel Beifall, nicht zuletzt wegen der
reichen Beute. Aber es erhoben sich auch immer mehr Stimmen, die vor dem Anhäufen von
Reichtümern und weltlicher Macht warnten. Der Islam als Heilslehre, als Religion des Friedens,
schien ihnen bedroht. Unermüdlich zogen Mahner durch die neueroberten Gebiete und erinnerten an
das Koranwort:
"Alles, was auf Erden ist, wird vergehen außer Seinem Angesicht."
Im Jahre 750 beginnt ein neues Kapitel der islamischen Geschichte. Die Abbassiden übernehmen
von den Umayyaden die Macht. Nach Damaskus wird jetzt Bagdad Hauptstadt der muslimischen
Welt und bildet bis zu seiner Zerstörung durch die Mongolen im Jahre 1258 das weltlich-kulturelle
Zentrum der östlichen islamischen Hemisphäre.
Die Zeit der Abbassiden gilt als Höhepunkt des islamischen Geisteslebens. Künste und
Wissenschaften, Jurisprudenz und Philologie, Theologie und Philosophie entwickeln sich zu nie
dagewesener Blüte. In diese Zeit fällt die Systematisierung des Islams als Gesetzesreligion. Die
Gründer der vier orthodoxen Rechtsschulen, Abu Hanifa, Malik Ibn Anas, Schafi'i und Ahmad Ibn
Hanbal, behandeln eingehend jede, das weltliche und geistige Leben betreffende Frage. Die auf
Koran und der Lebensweise des Propheten - der sogenannten "sunna" - gründende Jurisprudenz
erstarrt. Etwa vom zehnten Jahrhundert an können neue Ideen kaum noch eingeführt werden, weil
den Juristen die freie Forschung in bis zu dieser Zeit schon entschiedenen Fragen nicht mehr erlaubt
ist. Während die Wissenschaften, Kunst und Philosophie immer neue Höhen erreichten, war
das religiöse Leben und Erleben in einem Dickicht aus Vorschriften, Ge- und Verboten
gefangen.
Die Entwicklung des Sufitums war eine Antwort auf die Verweltlichung der "umma", der
Gemeinschaft aller Gläubigen. Und es war eine Antwort auf die religiöse Erstarrung, die dem
tiefen Bedürfnis nach erlebter Religiosität nicht mehr entsprechen konnte. Zuerst waren es
Prediger wie Hassan al Basri. Dann folgten weltabgewandte Asketen. Diese zogen sich, ähnlich den
christlichen Mönchen in Syrien und Ägypten, in die Einöde zurück, widmeten sich strengem Fasten
und unablässigem Gebet.
Der Kontakt der frühen islamischen Asketen mit christlichen Mönchen einerseits sowie zoroastrischen,
hinduistischen und buddhistischen Heiligen andererseits, hat zu der lange Zeit vorherrschenden
Meinung geführt, das Sufitum sei geprägt von nichtislamischen Einflüssen. Tatsächlich aber ruhen die
Fundamente der islamischen Mystik allein auf dem Koran und der "Sunna" - der Lebensweise des
Propheten Muhammad.
Dennoch waren viele Sufi-Scheichs den orthodoxen Rechtsgelehrten zunehmend ein Dorn im Auge.
Denn zahlreiche Sufi-Meister oder einfache Wanderderwische verbreiteten geradezu revolutionär
anmutende Ideen von der Gleichheit aller Menschen, von Freiheit und von Brüderlichkeit. In den
Konventen der frühen Sufis wurde ein praktischer Kommunismus gelebt. Der Grundsatz lautete: Was
mein ist, ist auch dein. Für die orthodoxe Obrigkeit waren das ungeheuerliche Ansichten.
Die islamische Mystik kann grob in vier Epochen eingeteilt werden:
Die erste Epoche erstreckt sich über rund 300 Jahre und beginnt im siebten Jahrhundert. Es ist die
Zeit der Asketen und Einsiedler, der großen Prediger wie Hassan al Basri, der Liebesmystikerinnen
wie Rabi'a al 'Adawiya. Namen wie Cunaid von Bagdad und Abu Yazid al-Bistami prägen diese
Epoche. Sie legten die Grundsteine für die beiden Hauptzweige des Sufitums: Den Weg des
Gottvertrauens, und den Weg des Tadels.
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Und sie ist die Zeit des Mansur al Hussein al Hallaj. Mit seinem Ausspruch "anal hagg" - ich bin die
absolute Wahrheit - unterschrieb er sein eigenes Todesurteil: Die Obrigkeit schlug ihn für diese
Gotteslästerung ans Kreuz.
Die zweite Epoche ist gekennzeichnet durch den Versuch, Orthodoxie und Mystik miteinander zu
versöhnen. Dieses Verdienst kommt vor allem Abu Hamid al Ghazali zu, der im Jahre 1111 starb und
noch heute als einer der größten Denker des Islams gilt.
Die dritte Epoche reicht vom 12. bis zum 15. Jahrhundert und ist charakterisiert durch die Verbreitung
der großen mystischen Werke und Lehrbücher. In dieser Zeit wirken Hafiz, Rumi, Attar und Nizami,
die auch in Europa bekannten und berühmten sufischen Dichter. Gleichzeitig bilden sich mystische
Bruderschaften: Das Sufitum wird zu einer Massenbewegung. Und damit beginnt die vierte Epoche:
Sie ist geprägt von Stagnation und einsetzendem Niedergang der mystischen Schulen. Ab dem 16.
Jahrhundert setzt die Verweltlichung des geistigen Weges ein; die Bruderschaften lassen sich von der
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Obrigkeit zunehmend instrumentalisieren.
Erinnern mögen uns diese Bilder und schönen Worte an so Viele, die das Wesentliche im NichtWeltlichen sahen und uns ermutigen wollten danach zu suchen! Nicht einmal die Augen seien dafür
von Belang ..."Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen
unsichtbar." (Antoine de Saint-Exupery)
Ulla Neukam, Referat aus dem Seminar: Mystik und Spiritualität – Universität Dortmund WiSe 2005/06
Mystik/Sufische Spiritualität, bearbeitet, 30.10.2012
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Informationen entnommen: Vom Wesen des Sufitums, Aus der Reihe: Von Sufis und Derwischen
– Der andere Islam, Donnerstag, 26. August 2004, 8.30 Uhr, SWR 2, Archiv-Nr.: 390-2694
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