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Zertifizierte Fortbildung
CME
Häufige bakterielle Infektionen
der Haut im Kindesalter
A. REIMER und H. OTT
pädiat. prax. 85/2, 233–243 (2015/2016)
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pädiat. prax. 85, 233–243 (2015/2016)
Mediengruppe Oberfranken
Fachverlage GmbH & Co. KG
Häufige bakterielle
Infektionen der Haut im
Kindesalter
A. REIMER und H. OTT
Pädiatrische Dermatologie und
Allergologie,
Kinder- und Jugendkrankenhaus
auf der Bult, Hannover
Einleitung
Bei einer Körperoberfläche von 1,8 m2 besiedeln etwa 180 Millionen Bakterien als
Kommensalen die Haut und Schleimhäute des Menschen, mit dem sie ein überwiegend friedliches Zusammenleben führen (1, 2). Dennoch kann es zu Infektionen
kommen, wenn pathogene Bakterien die
Hautbarriere überwinden. Dies kann beispielsweise durch epidermale Barrieredefekte bei Ekzemen, durch Wunden, eine
Intertrigo oder Insektenstiche begünstigt
werden; zudem bilden Haarfollikel und
Schweißdrüsen präformierte Eintrittspforten für Bakterien. Besonders anfällig für
solche Infektionen sind Kinder, da bei ihnen Ekzeme und Traumata wie Schürfund Kratzwunden häufiger auftreten und
zugleich Hygienemaßnahmen altersbedingt weniger konsequent durchgeführt
werden als bei Erwachsenen. Dadurch
kommt es sowohl zu mehr interindividueller Keimverschleppung als auch zu häufigerer Autoinokulation, sodass in dieser
Altersgruppe insgesamt eine höhere Ansteckungsgefahr besteht.
Zudem begünstigen u. a. Immunschwäche, Unterernährung, die unreife Haut Frühgeborener,
Brandverletzungen, eine diabetische Stoffwechsellage und Durchblutungsstörungen das Auftreten von Hautinfektionen (3).
Bei systemischer bakterieller Infektion können
sich Bakterien auch sekundär in der Haut absiedeln – mit Streuung hämatogen oder lymphogen.
Hautinfektionen durch Staphylokokken –
Impetigo – Follikulitis – Erysipel – Zellgewebsentzündung
Zudem können auch durch bakterielle
Toxine Hauteffloreszenzen hervorgerufen
werden, die das Erkrankungsbild teilweise charakterisieren, wie beispielsweise
das durch Streptokokkentoxine vermittelte Scharlachexanthem oder das durch exfoliative Toxine von Staphylococcus aureus
hervorgerufene Staphylococcal Scalded
Skin Syndrome (SSSS, Synonyme: M.
RITTER VON RITTERSHAIN, Dermatitis exfoliativa). Umgekehrt kann sich, wenngleich
seltener, auch eine primär kutane Infektion zur systemischen Erkrankung ausweiten (z.B. systemische Symptome bei Phlegmone oder nekrotisierender Fasziitis).
233
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
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Infektionen der Haut im Kindesalter
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1
2
Abb. 1–4
Impetigo contagiosa
Abb. 1
Schematische Darstellung
Abb. 2
Typische goldgelbe Krusten im Gesicht
Abb. 3
Krusten mit weißlichem Aspekt nach
Anwendung von Lokaltherapeutika
3
4
Abb. 4
Bullöse Form der Impetigo contagiosa
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NRF ⫽ Neues Rezepturformularium
Wässrige Eosin-Dinatrium-Lösung 1%
NRF 11.95
Octenidin-Gel/-Waschlotion
—
Hydrophiles Polihexanid-Gel 0,04%
NRF 11.131
Hydrophile Chlorhexidingluconat-Creme 1%
NRF 11.116
(Lipophile Triclosan-Creme 1%)
NRF 11.122
Wir fassen nachstehend die in unseren
Breitengraden häufigen bakteriellen Hautinfektionen im Kindesalter zusammen.
Beim Großteil der hier besprochenen Infektionen können Blickdiagnosen gestellt
werden. Ihre Therapie kann daher nach klinischer Diagnosestellung eingeleitet werden, ohne dass der Erregernachweis zu
diesem Zeitpunkt schon erbracht sein
muss. Allerdings kann die Anlage mikrobiologischer Kulturen aus Abstrichmaterial sinnvoll sein, um die klinische Diagnose
zu sichern und/oder die gewählte antibiotische Therapie zu korrigieren (4).
Oberflächliche Infektionen
Die I m p e t i g o c o n t a g i o s a (Abb. 1)
ist nicht nur die häufigste, sondern auch
die ansteckendste unter den bakteriellen
Hautinfektionen. Sie kommt als primäre
oder als sekundäre Infektion vor, oft auf
ekzematös vorgeschädigter Haut (Impetiginisierung [5, 6]) und betrifft überwiegend Kinder ⬍6 Jahren (6). Sie wird am
häufigsten durch Staphylococcus aureus,
seltener durch Streptococcus pyogenes
hervorgerufen und kann als nicht-bullöse
sowie bullöse Hauterkrankung imponieren.
Bei der nicht-bullösen Variante kommt es zunächst zu einer Entzündung im Bereich des Stratum granulosum, die mit den erkrankungstypischen »honiggelben« (Abb. 2), nach Externatherapie häufig auch weißlichen Krusten einhergeht
(Abb. 3).
Die bullöse Form wird in erster Linie (etwa
70%) durch Staphylococcus aureus (vor
allem Phagengruppe II, Phagentyp 71)
und von ihm produzierte Exotoxine, die
exfoliativen Toxine A und B (ETA, ETB),
hervorgerufen, die u.a. durch Zerstörung
des epidermalen Adhäsionsproteins Desmoglein 1 zu großen, rasch rupturierenden Bullae führen (Abb. 4).
Im Gegensatz hierzu wird Streptococcus
pyogenes für die kleinblasige Impetigo
verantwortlich gemacht, obwohl eine sichere klinische Unterscheidung anhand
der Blasengröße nicht möglich ist (3, 4).
Durch Kratzen und mangelnde Hygiene
werden die Erreger verschleppt, und es
kommt zur raschen Ausbreitung der Impetigo sowohl auf dem Patienten selbst
als auch auf enge Kontaktpersonen, sodass Erkrankungshäufungen, z. B. in Kindergartengruppen, keine Seltenheit sind
(6). Zudem ist auch eine vertikale Progression der Erreger in tiefere Hautschichten
und darüber hinaus möglich, sodass –
wenn auch selten – Lymphangitis, Erysipel, Phlegmone, Fasziitis und Sepsis resultieren können.
Häufig ist daher eine systemische antibiotische Therapie sinnvoll, auch wenn bei
kleinen Läsionen (⬍5% Körperoberfläche)
ein topischer Therapieversuch sicher gerechtfertigt ist (3). Für die systemische
Therapie werden Cephalosporine der 1.
Generation (vor allem Cefalexin, alternativ Cefadroxil oder Cefaclor) empfohlen,
wirksam ist auch Amoxicillin plus Clavulansäure (3, 7). Makrolide sollten aufgrund zunehmender Resistenzentwicklungen gemieden werden (3, 4, 7).
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Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Tab. 1
Topische Antiseptika
(Auswahl)
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5
6
7
Abb. 5–11
Schweregrade der follikulär-gebundenen
bakteriellen Hautinfektionen
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Abb. 5
Oberflächliche Follikulitis
Abb. 6
Tiefe Follikulitis mit Perifollikulitis
Abb. 7
Furunkel
8
Abb. 8
2 benachbarte Furunkel sind zu einem
Karbunkel verschmolzen
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9
10
Abb. 9
Eine Eiteransammlung in einer nicht
präformierten Höhle bezeichnet man als
Abszess; ein Zusammenhang zu Follikeln
ist möglich, aber nicht zwingend
Abb. 10
Kapillitium mit multiplen Follikulitiden
und Furunkeln bei einem Adoleszenten
Abb. 11
Karbunkel im Wangenbereich;
hier ist Vorsicht vor einer Manipulation
geboten
11
Lokal wird antiseptisch, z.B. mit Octenidin, Chlorhexidin, Polihexanid oder Farbstoffen (z.B. EosinDinatrium, Methylrosaniliniumchlorid) behandelt
(3). Diese Wirkstoffe stehen größtenteils als Magistralrezepturen des Neuen Rezepturformulariums (NRF) in unterschiedlicher Galenik zur Verfügung (Tab. 1).
Auch gerbende Maßnahmen, z.B. Schwarzteeumschläge, können die Heilung fördern. Topische Antibiotika sollten aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklungen und des Risikos von Kontakt-
allergien jedoch zurückhaltend eingesetzt
werden.
In erster Linie steht Fusidinsäure (z.B. Fucidine) zur Verfügung. Die topische Anwendung von Mupirocin (z.B. Turixin) sollte der
Sanierung von MRSA-Trägern vorbehalten
bleiben. Retapamulin (z. B. Altargo), ein ab
dem 9. Lebensmonat zur Lokaltherapie der
Impetigo zugelassenes Pleuromutilin, steht
seit einigen Jahren als ebenfalls MRSAwirksames Lokalantibiotikum zur Verfügung. Sein Einsatz ist jedoch bei methicillin237
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Abb. 12–16
Tiefe bakterielle Hautinfektionen
Abb. 12
Erysipel, überwiegend durch Streptokokken verursacht. Typisch ist die scharfe
Begrenzung des Erythems
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Abb. 13
Phlegmone mit möglicher horizontaler,
aber auch vertikaler Ausbreitung.
Das Erythem ist unscharf begrenzt,
das Areal druckdolent und überwärmt
Abb. 14
Nekrotisierende Fasziitis. Die Entzündung
breitet sich entlang von Faszien, Sehnenscheiden und Fettgewebe horizontal aus.
Durch Eintritt der Erreger in die Blutund/oder Lymphbahn bestehen nahezu
immer systemische Symptome. An der
Hautoberfläche kommt es zusätzlich zu
Rötung und Überwärmung zu blasigem,
grauschwarzem Gewebezerfall
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Abb. 16
Phlegmone mit gut erkennbarer Eintrittspforte und unscharf begrenzter, weitläufiger Rötung
sensiblen Erregern aus pädiatrisch-dermatologischer Sicht nicht zuletzt aufgrund vergleichsweise hoher Therapiekosten bei
ebenfalls effektiven Therapiealternativen
verzichtbar.
in der Glutealregion oder an den Extremitäten auf (5) und werden durch mangelnde Hygiene sowie Hyperhidrosis begünstigt (3). Auch die heutzutage häufig schon
ab Beginn der Pubertät extensive Körperenthaarung durch z. B. Rasur, »Waxing«,
Enthaarungscreme und andere Epilationsmethoden führt regelmäßig zu Follikulitiden, vor allem im Genitalbereich (8). Follikulitiden werden häufig durch Irritation
verursacht, können jedoch ebenfalls infektiös bedingt sein.
Begleitend wird empfohlen, Kleidung und
Bettwäsche bei mindestens 60° C zu waschen (7), betroffene Patienten sollten Gemeinschaftseinrichtungen erst nach vollständiger Abheilung der kutanen Läsionen
bzw. frühestens 24 Stunden nach Beginn
einer effektiven Therapie aufsuchen. Eine
Desinfektion von Oberflächen und Gebrauchsgegenständen ist hingegen nicht
erforderlich.
Follikelgebundene Infektionen
Haarbalgentzündungen treten bevorzugt
am Kapillitium (Abb. 10), im Bartbereich,
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Abb. 15
Erysipel an der unteren Extremität
mit typischer gleichmäßiger, scharf
begrenzter Rötung
Bakterielle Follikulitiden werden überwiegend durch Staphylococcus aureus, seltener auch durch Streptococcus pyogenes
hervorgerufen. Ein gehäuftes Auftreten
wird bei chronischen Staphylococcus-aureus-Trägern, deren Prävalenz bei etwa
20% der Allgemeinbevölkerung liegt (4,
9), beschrieben (4).
239
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Bei der o b e r f l ä c h l i c h e n F o l l i k u l i t i s
beschränkt sich die Entzündung auf einen
einzelnen Haarbalg (Abb. 5). Gefördert
durch Manipulation, Druck und Hyperhidrosis weitet sich die Entzündung rasch in
die Umgebung und in die Tiefe zur P e r i f o l l i k u l i t i s oder einem F u r u n k e l aus.
Verschmelzen mehrere Furunkel, entsteht
ein K a r b u n k e l (Abb. 6–8).
Besonders im Gesichtsbereich (vor allem
Oberlippe, Nase und Wangen) (Abb. 11) ist
wegen des potenziellen venösen Abflusses über die nach intrakranial führende
V. angularis und der hiermit assoziierten
Gefahr einer Sinusvenenthrombose höchste Vorsicht geboten. Manipulationen infektiöser Läsionen in der Zentrofazialregion
sind daher strikt zu vermeiden (3, 7).
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Ein A b s z e s s entsteht, wenn sich die kutane Entzündung mit ihrer zentralen Eiteransammlung gegenüber der Umgebung
in einem neu entstandenen Hohlraum abkapselt (Abb. 9).
Während bei superfiziellen Follikulitiden
und Perifollikulitiden oft keine Therapie erforderlich ist oder lokalantiseptische Maßnahmen ausreichen, sollte bei kutanen
Abszessen getreu dem Merksatz »ubi pus,
ibi evacua« zusätzlich der Eiter entleert
werden.
Hierzu erfolgt nach Applikation bzw. Injektion
eines Lokalanästhetikums und anschließender
Desinfektion die Abszessinzision, z. B. mit einem
11er-Skalpell.
Im Anschluss sollte das bei einem vorsichtigen Débridement gewonnene Wundmaterial zur mikrobiologischen Diagnostik verwendet werden (10). Ob jedoch eine zusätzliche Wundspülung, Lascheneinlagen
oder eine prophylaktische, systemischantibiotische Therapie sinnvoll sind, kann
aktuell nicht evidenzbasiert beantwortet
werden. Allerdings ist die zusätzliche antibiotische Behandlung von Abszessen in
folgenden klinischen Situationen sicher
empfehlenswert:
䡩 Lokalisation an Gesicht, Hand oder
im Genitoanalbereich.
240
䡩 Zusätzliche, systemische Entzündungszeichen.
䡩 Immundefizienz.
Es bieten sich staphylokokkenwirksame
Substanzen wie Cephalosporine der 1.
Generation (vor allem Cefalexin, alternativ Cefadroxil oder Cefaclor), Flucloxacillin, Amoxicillin plus Clavulansäure oder
bei älteren Kindern auch Clindamycin (ab
9 Jahren) oder Doxycyclin (ab 10 Jahren)
an (3, 7).
Tiefe Infektionen
Bei einer tiefen bakteriellen Infektion
spricht man von einem E r y s i p e l (syn.
Wundrose), wenn sich die Entzündung im
Bereich der Lymphgefäße der oberen, papillären Dermis abspielt, und von P h l e g m o n e, wenn die tiefere Dermis betroffen
ist. Breitet sich eine tiefe Entzündung entlang von Sehnen- und Muskelscheiden
aus, handelt es sich um das bedrohliche
Krankheitsbild der n e k r o t i s i e r e n d e n
F a s z i i t i s (3). Allen 3 genannten Entzündungen sind häufig unscheinbare Eintrittspforten wie Rhagaden bei einer Tinea
pedum, kleine Kratz- und Schnittwunden
oder Insektenstiche gemeinsam.
Während Erysipel und nekrotisierende Fasziitis
vor allem durch Streptokokken, seltener durch
Staphylococcus aureus (beim Erysipel auch Klebsiellen) verursacht werden, sind für Phlegmonen
meist Staphylococcus aureus und seltener Streptococcus pyogenes verantwortlich.
Das Erysipel wird in der Regel klinisch diagnostiziert. Es imponiert als eine scharf
begrenzte, typischerweise druckdolente
und überwärmte, erythematöse Makula,
die mit einer Vergrößerung der regionären Lymphknoten und Schüttelfrost einhergehen kann (»klassisches Erysipel«,
Abb. 12 und 15). Laborbefunde (Entzündungsparameter, Blutkulturen) können die
klinische Diagnose ergänzen, während
bakteriologische Abstriche regelhaft negativ bleiben. Bei schwerem, unbehandelten Krankheitsverlauf sind auch bullöse
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17
Abb. 17 und 18
Schema und klinisches Bild des Erythema
migrans. Charakteristisch ist das unscharf
begrenzte, ringförmige Erythem um eine
zentrale Makula oder Papel, die häufig,
aber nicht zwingend, der vorherigen
Einstichstelle einer Zecke entspricht
18
und hämorrhagische Varianten des Erysipels zu beobachten, die auf einen Übergang zu tieferen Infektionen hinweisen
können. Weitere Komplikationen umfassen Lymphödeme, die vor allem bei rezidivierenden Erysipelen beeindruckende
Größen erreichen können (Elephantiasis
nostras [3]). Wird das Erysipel nicht behandelt, können als Komplikationen u. a.
Endokarditis, Sepsis, Thrombosen und eine sekundäre Glomerulonephritis resultieren. Daher kann eine orientierende Harndiagnostik (»Harn-Stix«) sinnvoll sein.
Klinisch zeigt sich bei der Phlegmone eine unscharf begrenzte Rötung mit stark
schmerzhafter, mitunter teigiger Schwellung (Abb. 13 und 16). Bei etwa 25% der
Patienten ist mit einer Abszedierung zu
rechnen, während sich eine Osteomyelitis
nur bei etwa 1% der von einer Phlegmone
betroffenen Kinder entwickelt (11).
Bei der nekrotisierenden Fasziitis (»flesheating disease«) verfärbt sich das Gewebe
blau-schwarz, es bilden sich Blasen, gefolgt von extrem schmerzhaften Nekrosen
241
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(»pain out of proportion«) (Abb. 14). Charakteristischerweise kann sich diese Symptomatik bei der Fasziitis innerhalb weniger Stunden dramatisch verschlechtern.
Daher sollte bei Verdacht auf Fasziitis frühzeitig die Konsultation der kinderchirurgischen Kollegen mit der Bitte um Evaluation
und gegebenenfalls operative Therapie u.a.
zur Verhinderung eines Kompartmentsyndroms veranlasst werden. Betroffene Patienten sind intensivmedizinisch zu überwachen.
Die Therapie des Erysipels und der Phlegmone
besteht in einer in der Regel intravenösen, nur in
Ausnahmesituationen (bei beginnendem Erysipel)
oralen Antibiotikatherapie (7). Beim Erysipel wird
dafür in erster Linie Penicillin (gegebenenfalls
Aminopenicillin mit Penicillinasehemmern) eingesetzt sowie auch Cephalosporine (z. B. Cefazolin oder Cefuroxim), wenn Staphylokokken als
(Mit-)Erreger vermutet werden. Bei Penicillinallergie kann auf Makrolide oder Clindamycin ausgewichen werden.
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
Es werden zudem Bettruhe, Kühlung und
Hochlagerung der betroffenen Körperpartien empfohlen. Die Notwendigkeit einer
Antikoagulation muss individuell abgewogen werden. In der Nachsorge nach
Abheilung des Erysipels werden je nach
Ausmaß und Lokalisation der Entzündung
Lymphdrainage und Kompressionstherapie zur Vermeidung von Lymphödemen
angewendet.
Perianale Streptokokkendermatitis
Das klinische Bild einer Windeldermatitis
ist einer der häufigsten Konsultationsanlässe in der Kinderarztpraxis im Säuglings- und Kleinkindalter. Dabei wird oft
fälschlicherweise von einer Pilzinfektion
ausgegangen. Es ist anzunehmen, dass
viel öfter als eigentlich notwendig eine antimykotische Lokaltherapie erfolgt, zumal
entsprechende Präparate frei verkäuflich
sind. Eine wichtige Differenzialdiagnose
zum Windelsoor ist – neben der irritativen
Dermatitis – die perianale Streptokokkendermatitis. Hier verursachen ␤-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
eine Entzündung der oberen Dermis, so242
dass dieses Erkrankungsbild als eine ortsspezifische Sonderform des Erysipels angesehen werden kann (3).
Klinisch zeigt sich, wie beim Erysipel, eine scharf
begrenzte, fokal auch vesikuläre, perianale Rötung. Schmerzbedingt kann es zu einer Stuhlretention kommen. Ein kultureller Erregernachweis
aus Abstrichmaterial sichert die Diagnose, in der
Praxis ist auch der sonst vor allem für Rachenabstriche eingesetzte Strep-A-Schnelltest hilfreich.
Die Therapie erfolgt systemisch-antibiotisch mit
Cefuroxim oder Penicillin V.
Begleitend kann – viele Eltern haben den
Wunsch nach einer Lokaltherapie – mit
topischen Antiseptika (Tab. 1) oder gerbenden Schwarzteeumschlägen gearbeitet werden.
Erythema migrans bei Borreliose
Das Erythema migrans ist das häufigste,
klinisch charakteristische Frühstadium einer Infektion mit Borrelia burgdorferi, einer durch Zecken übertragenen Spirochäte
(12). Dabei bildet sich Tage bis Wochen
nach der Inokulation zunächst eine rote
Makula, von der aus sich langsam ein
ringförmiges Erythem ausbreitet. Zentral
kann es dann zu einer Abblassung kommen (Abb. 17 und 18). Eine weitere, seltenere Hauterscheinung bei Borreliose ist
das Lymphozytom. Begleitend können bei
beiden Effloreszenzen Allgemeinsymptome, wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Fieber, bestehen.
Um den Übergang ins Sekundärstadium der Borreliose mit neurologischen und kardialen Manifestationen zu verhindern, muss eine antibiotische Therapie einsetzen. Bei Kindern ab 9 Jahren
empfiehlt sich Doxycyclin p.o., < 9 Jahren Amoxicillin oder Cefuroxim. Die Behandlungsdauer sollte jeweils 14 Tage betragen (13).
Zusammenfassung
Bakterielle Hautinfektionen im Kindesalter sind häufig und werden durch altersbedingte Faktoren, wie beispielsweise
Traumata, Ekzeme und inkonsequente Hy-
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giene, begünstigt. Zu den oberflächlichen
Infektionen zählen Impetigo und follikulär
gebundene Entzündungen (Follikulitis, Furunkel, Karbunkel). Je nach Ausmaß setzt
eine lokale oder systemische Therapie ein.
Bei tiefen Infektionen, wie Erysipel, Phlegmone und nekrotisierende Fasziitis, sind
systemisch-antibiotische Therapien, Ruhigstellung, engmaschige Überwachung und
teilweise auch eine chirurgische Intervention erforderlich. Sonderformen der bakteriellen Hautinfektionen umfassen die perianale Streptokokkendermatitis sowie das
borellienassoziierte Erythema migrans.
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I n t e r e s s e n k o n f l i k t : Die Autoren erklären,
dass bei der Erstellung des Beitrags keine
Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen
des International Committee of Medical Journal
Editors bestanden.
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667–678.
Priv.-Doz. Dr. HAGEN OTT
Pädiatrische Dermatologie
und Allergologie
Kinder- und Jugendkrankenhaus
auf der Bult
Janusz-Korczak-Allee 12
30173 Hannover
[email protected]
243
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
S u m m a r y : Bacterial skin infection are common in infancy and can be facilitated by trauma,
eczema, poor hygienic conditions and other factors. Superficial infections include impetigo, folliculitis, furuncles and carbuncles. Treatment is
performed either topically or systemically according to the extent of the infection. Deep infections
include erysipelas, cellulitis and fasciitis. They require systemic antibiotic therapy, immobilisation,
close observation and sometimes even surgical
intervention. Special variants of bacterial skin infections include perineal streptococcal dermatitis
and erythema migrans associated with Lyme disease.
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Testfragen
Nur eine Antwort ist möglich!
1. Hautinfektionen können durch
eine Reihe von Umständen
begünstigt werden. Wobei trifft
dies am wenigsten zu?
A Immunschwäche.
B Unterernährung.
C Brandverletzungen.
D Ausgedehnter Naevus flammeus.
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
E Diabetische Stoffwechsellage.
2. Welche Aussage zu bakteriellen
Hautinfektionen ist richtig?
A Jeder Nachweis eines Bakteriums
in Hautabstrichen sollte eine
antibiotische Sanierung nach sich
ziehen.
B Die Trägerrate von Staphylococcus
aureus liegt in Deutschland bei etwa
80% der Bevölkerung.
C Waschgewohnheiten und Hygiene
haben keinen Einfluss auf das Risiko
einer bakteriellen Hautinfektion.
D Es sind stets die von Bakterien
produzierten Toxine, die das Bild
einer bakteriellen Hautinfektion
prägen.
E Bei systemischer bakterieller Infektion
können sich Bakterien auch sekundär
in der Haut absiedeln; die Streuung
erfolgt hämatogen oder lymphogen.
244
3. Ein 15-jähriges Mädchen stellt sich
mit Juckreiz und Hautveränderungen
im Genitalbereich vor. Es finden sich
Pusteln und großflächige, goldgelbe
Krusten auf dezent erythematösem
Grund, die bis in die mediale Oberschenkelregion reichen. Zögernd
berichtet die Patientin, dass die
Hautveränderungen Stunden bis Tage
nach einer Intimrasur aufgetreten
seien. Welche Aussage trifft
am ehesten zu?
A Sie denken an Missbrauch und rufen
einen Rechtsmediziner hinzu –
schließlich ist die Intimrasur in der
Adoleszenz keine gängige Praktik.
B Es handelt sich vermutlich um eine
mechanische Follikulitis, sodass zugewartet werden kann. Zur Linderung
verordnen Sie Kamillenumschläge.
C Aufgrund des klinischen Bildes denken Sie an eine Impetigo contagiosa
und verordnen ein orales Antibiotikum sowie lokal-antiseptische
Maßnahmen.
D Die Patientin sollte angewiesen
werden, nie wieder Enthaarungen
vorzunehmen.
E Vermutlich handelt es sich um eine
Candidainfektion, die topisch-antimykotisch zu behandeln ist.
4. Die Impetigo contagiosa ist eine
häufige, oberflächliche, bakterielle
Hautinfektion. Welche Aussage zur
Impetigo ist nicht richtig?
A Es kommt oftmals zu gehäuften
Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen.
B Die First-line-Therapie besteht in
der topischen Anwendung von
Mupirocin.
C Der häufigste Erreger der Impetigo
contagiosa ist Staphylococcus aureus.
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D Bei verzögerter oder ausbleibender
Behandlung kann es zu Lymphangitis,
Erysipel, Phlegmone, Fasziitis und
Sepsis kommen.
E In der Regel sollte bei Läsionen
⬎5% Körperoberfläche eine systemische, antibiotische Therapie
einsetzen, da die Lokaltherapie
nicht ausreicht.
5. Welches der folgenden Externa kann
zur begleitenden, topisch-antimikrobiellen Therapie einer Impetigo
contagiosa am ehesten eingesetzt
werden?
7. Welche Aussage zu tiefen bakteriellen
Hautinfektionen trifft zu?
A Bei Phlegmonen ist eine Lokaltherapie
ausreichend.
B Erysipele werden überwiegend durch
Streptokokken verursacht.
C Die häufigste Komplikation einer
Phlegmone bei Kindern ist die Entstehung einer Osteomyelitis.
D Bei Verdacht auf eine nekrotisierende
Fasziitis sollte zunächst der Spontanverlauf abgewartet werden.
E Das klassische Erysipel geht immer
mit laborchemischen Entzündungszeichen (z. B. erhöhtes CRP, Leukozytose)
einher.
A Retapamulin-Creme.
B Mupirocin-Salbe.
D Hydrophile ChlorhexidingluconatCreme 1% (NRF 11.116).
8. Welche Aussage zur Therapie
tiefer bakterieller Hautinfektionen
ist korrekt?
E Panthenol-Salbe.
A Gibt ein Patient mit Phlegmone extremste Schmerzen an, sollten Opioide
verabreicht werden. Eine Wundkontrolle am Folgetag ist ausreichend.
6. Welche Aussage zu follikelgebundenen Infektionen ist korrekt?
A Follikulitiden treten meist auf
Leistenhaut auf.
B Wenn 2 Follikulitiden verschmelzen,
spricht man von einem Abszess.
C Ein Karbunkel im Bereich der
Nasenwurzel sollte man sofort
exprimieren.
D Die Entlastung eines Abszesses sollte
in Lokalanästhesie nach vorheriger
Desinfektion mittels einer Stichinzision erfolgen.
E Der alte Merkspruch, »ubi pus, ibi
evacua«, ist obsolet.
B Ein Patient mit Phlegmone sollte angewiesen werden, sich möglichst viel
zu bewegen. Die Heilung kann zudem
durch warme Bäder gefördert werden.
C Da die Eintrittspforten für die Infektionen meist nur minimale Läsionen
durch Bagatelltraumen oder Rhagaden bei Tinea pedis sind, ist deren
Sanierung nicht erforderlich.
D Für die Therapie von Erysipel und
Phlegmone sind Penicillin und Cephalosporine 1. Wahl. Bei Penicillinallergie kann auf Makrolide oder Clindamycin ausgewichen werden.
E Eine spezielle Nachsorge ist
nach ausgeheilter Phlegmone nicht
erforderlich.
245
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
C Zinkoxid-Schüttelmixtur.
17950_Reimer_CME_S.231-246 18.12.15 13:14 Seite 246
9. Ein weibliches Kleinkind wird in
der Praxis mit »wundem Po« und
Defäkationsschmerzen vorgestellt.
Die Mutter habe bereits eine nystatinhaltige Salbe in der Apotheke gekauft
und seit 3 Tagen angewendet, der
Hautbefund sei darunter eher
schlechter geworden. Klinisch zeigt
sich ein scharf begrenztes, perianales
Erythem. Welcher diagnostische
und/oder therapeutische Schritt
erscheint am sinnvollsten?
Infektionen
Notfälle
Vergiftungen
A Sie teilen die mütterliche Diagnose
eines Soors und verordnen ein
topisches Fluconazolpräparat, da der
zugrunde liegende Candida-Stamm
offensichtlich nystatinresistent ist.
B Sie gehen von einer Kontaktallergie
aus und empfehlen daher, die Marke
der verwendeten Feuchttücher zu
wechseln.
C Vermutlich liegt eine Fremdeinwirkung
zugrunde. Sie weisen das Kind zur weiteren Diagnostik in eine Kinderklinik mit
angeschlossener Rechtsmedizin ein.
D Sie entnehmen einen Abstrich, der
Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken ist positiv. Sie leiten umgehend
eine Lokaltherapie mit MupirocinSalbe ein.
E Sie entnehmen einen Abstrich, der
Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken ist positiv. Sie leiten eine systemische, antibiotische Therapie mit Penicillin V ein. Zur Diagnosesicherung
senden Sie Abstrichmaterial in ein
mikrobiologisches Labor.
10. Ein 5-jähriger Junge wird mit einer
roten Makula mit umgebendem,
ringförmigen Erythem lumbal rechts
vorgestellt. Der Patient besucht einen Waldkindergarten, Zeckenbisse
werden jedoch verneint. Welche
Aussage zu Borrelieninfektionen
trifft am ehesten zu?
A
246
Eine Borrelieninfektion kann hier anamnestisch ausgeschlossen werden,
da kein Zeckenkontakt bestand.
B
Bei Zeckenstichen ist es sinnvoll, die
in toto entfernte Zecke zur Borreliendiagnostik in ein Labor einzuschicken.
C
Bei dem Patienten besteht ein charakteristisches Erythema migrans,
ein Frühstadium der Borreliose. Es
sollte eine antibiotische Therapie mit
Amoxicillin oder Cefuroxim eingeleitet werden.
D
Es sollte eine Borrelienserologie
veranlasst und deren Ergebnisse
abgewartet werden. Nur bei positiven Borrelien-IgG- und -IgM-Antikörpertitern sollte eine Behandlung
einsetzen.
E
Sie können die Eltern des Patienten
beruhigen, denn das Erythema
migrans ist harmlos, und es kommt
nie zu nennenswerten Spätfolgen.
CME
Wichtige Hinweise
Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate
auf www.cme.mgo-fachverlage.de verfügbar.
Bitte beachten Sie, dass per Fax oder Post
übermittelte Antwortbögen nicht mehr berücksichtigt werden können.
A u f l ö s u n g zur Fortbildungseinheit
aus Band 84, Heft 4:
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