Zum Traumerleben in der Psychose

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Bilderwelten in Traum und Psychose – kunsttherapeutische Aspekte
Zeichen auf seinen Bildern sei. Das laute Nein und die abwehrende Geste sollten
sie schützen und auf die ihr drohende Gefahr aufmerksam machen. Die Kunsttherapeutin verstand die Reaktion des Patienten aber ganz richtig als Abwehr
gegen eine zu große Nähe. Ihr Beziehungsangebot hatte der junge Mann in der
akuten Wahnphase wohl als feindliches »Eindringen« von außen in seine Person
erleben müssen (vgl. Benedetti 2001).
Zum Traumerleben in der Psychose
Wenn wir annehmen, dass der schizophrene Mensch in der Psychose einen
ebensolchen Kontrollverlust erleidet, wie ihn der »normale« Träumer im Schlaf
erlebt, müsste sich auch dessen bildnerische Darstellung, genau wie der Traum,
einer willentlichen Steuerung entziehen. Das heißt, die inneren Bilder des Wahns
überfluten das bildnerische Gestalten des Kranken in ähnlicher Weise mit bizarren, verzerrten, phantastischen und der Vernunft des Wachbewusstseins fremden Geschehnissen wie das Traumbild den Schlafenden.
Dieser Gedanke wird von Hobson (1998) aufgegriffen, der den Traum als
eine »gesunde psychische Störung« bezeichnet. Dazu passt die schon erwähnte
Hypothese, dass psychotisches Erleben den Durchbruch von Träumen in den
Wachzustand darstellt (Noble 1951). Obwohl wissenschaftlich kontrovers diskutiert (vgl. Kramer und Roth 1978), steht diese Überlegung in Einklang mit
Eindrücken und Beobachtungen, die ich im Rahmen meiner kunsttherapeutischen Arbeit machen konnte.
Vertiefen wir uns in die Deutungen von Träumen in alten Traumbüchern,
so lesen wir, dass um 200 v. Chr. der griechische Traumdeuter Artemidoros
den Traum vom »Irresein« in überraschender Weise auslegt: »Irrsinnig sein im
Traum bringt Glück, und Kranken kündigt es Gesundheit«.
In Umkehrung dieser Deutung könnte man dem Schizophrenen möglichst
viele nächtliche »Wahnsinnsträume« wünschen; die Rückverlagerung des »Irreseins« in die Nacht könnte dazu beitragen, dass er gesund wird und seine Tage
wieder wahnfrei erleben kann (Abb. 3).
Wissenschaftlich umstritten ist auch, ob die Träume psychotischer Patienten
spezifische Charakteristika aufweisen. Strunz (1989) zeigte, dass schizophrene
Patienten auch im Traum Stimmen hören können, und dass sich ihre Träume
durch häufigeres Auftreten von Konflikten und erhöhter Bizarrheit auszeichnen. Auch Schredl und Engelhardt (2001) fanden einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Bizarrheit der Träume und dem Schweregrad der Psychose.
Andere, auch neuere Studien fanden dagegen keinen gravierenden Unterschied
zwischen den Träumen neurotischer und psychotischer Patienten. Somit ist es
durchaus legitim zu vermuten, der Schlaf sei beim Schizophrenen eine »Insel der
Zum Traumerleben in der Psychose
»Auf Händen tragen?« Bild einer Patientin mit schizoaffektiver Störung, die sich in den Hochstimmungen ihrer Psychose von der Erkrankung getragen und herausgehoben fühlte.
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Abb. 3
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Bilderwelten in Traum und Psychose – kunsttherapeutische Aspekte
(allenfalls neurotisch deformierten) Normalität«. Dafür spricht die Arbeit von
Bochnik und Gärtner-Huth (1987) zur »Traumstimmung bei endogenen Psychosen und bei Neurosen«, die zeigt, dass Neurotiker mehr träumen als Psychotiker, und dass ihr Traumerleben weniger vom Schweregrad der psychotischen
Symptomatik abhängig ist als das Wacherleben. Im Laufe meiner langjährigen
klinischen Tätigkeit fiel mir immer wieder auf, dass Psychotiker viel weniger
über ihre Träume erzählten als Neurotiker. Ich frage mich, ob die nächtlichen
Traumbilder der schizophrenen Patienten, im Kontrast zu ihrem psychotischen
Erleben, eher entlastend, »bieder« und »normal« sind. Könnte es dann nicht
Zeichen einer beginnenden Genesung sein, wenn die Träume wieder bizarrer,
verrückter, »psychotischer« werden? Die Abbildungen 4 und 5 stammen von
zwei verschiedenen Patienten und wurden in der akuten Phase der schizophrenen Erkrankung gestaltet. Die Bilder muten wie geheimnisvolle Traumbilder an,
die sich nicht so leicht entschlüsseln lassen. Beide Patienten äußerten sich nicht
zu ihren Werken.
Der Traum von Himmel und Erde
Ein nicht psychotischer Patient , der im Rahmen einer Trennungsproblematik in
eine kürzere, reaktive Depression gefallen war, träumte, dass er, befreit von aller
Erdenschwere, sich ohne weiteres in die Lüfte erheben konnte und dort zu seiner
Freude den altbekannten Bewohnern des »Himmels« – und ihn besonders entzückend, der Hl. Jungfrau Maria – begegnet sei. Bis dahin war sein Traum von
reinen Glücksgefühlen begleitet. Bevor sein verstorbener Vater, den er ebenfalls
im Himmel antraf, zu ihm sprechen konnte, wechselte das Bild. Der Patient fuhr
im Traum mit so schrecklicher Wucht in die Erde hinein, dass sie sich unter
ihm öffnete und ihn all das sehen ließ, was sonst in ihrem Inneren so gnädig
verborgen war. Vielleicht tauchen hier vor unserem inneren Auge abermals die
rätselhaften Phantasiegestalten aus den Bildern des Hieronymus Bosch auf.
Auch unseren Patienten bedrohten in seinem Traum Angst machende Schattenwesen der Tiefe. Schweißgebadet wachte er aus diesem zum Albtraum gewordenen Glückstraum auf. Im Tagesgeschehen war der Träumer ein eher etwas
zwanghafter, pflichtbewusster und beruflich durchaus erfolgreicher Maschinenbauingenieur.
Das folgende Bild (Abb. 6), das ohne weiteres auch vom eben beschriebenen Träumer stammen könnte, wurde von einer schizophrenen Patientin in der
Kunsttherapie gestaltet. Im Gegensatz zur Bildaussage empfand sie, wie sie mir
sagte, das Antlitz auf ihrer Darstellung als freundliches Wesen aus einer anderen
Welt. Für andere unsichtbar, war es ihr täglicher treuer Begleiter.
Der Traum von Himmel und Erde
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»Aus der Tiefe«
Abb. 4
»Phantastische Landschaft«
Abb. 5
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