134 GESUNDVITAL Jonas mit dem Loch im Hals Ein Leben an einer dauerhaften Beatmungsmaschine – dies war noch bis vor einigen Jahren ausschließlich auf einer Intensivstation möglich. Heute leben rund 2500 Kinder in Deutschland daheim. Dieser medizinische Fortschritt ist phantastisch, bedeutet aber zugleich auch eine extreme Belastung für die betroffenen Familien. Entzündung wurde das Atemzentrum dauerhaft geschädigt, auch das Rückenmark geriet in Mitleidenschaft, so dass er nur sehr schlecht laufen kann. Heute saust er mit seinem Elektrorollstuhl über den Bauernhof in Waltenhofen, wo er mit seiner Familie Zuhause ist. Er geht in die 5. Klasse, macht seine Hausaufgaben und ist leidenschaftlicher Facebook-Nutzer. Eigentlich fehlt ihm nicht viel, wie er selber sagt, doch das, was ihm wirklich fehlt ist immens wichtig: die Kraft zum Atmen. Ohne nächtliche Beatmung wäre Jonas wohl schon längst tot. Der Fernseher ist aus, die Zähne sind geputzt. Jetzt heißt es, den Tag zu verabschieden und zu schlafen. Doch bevor Jonas sich ins Traumparadies begibt, muss er noch an seinen „Pustefix“. Sein Pustefix, das ist eine hochkomplexe Beatmungsmaschine Elysee 150. Andrea, eine 26jährige Fachschwester für Kinderintensivmedizin, hat heute Nachtdienst. Sie entfernt einen Stöpsel von der Plastikkanüle, die mit einem Band rund um den Hals von Jonas befestigt ist. Ein schneller Griff an den geriffelten Beatmungsschlauch, dann verbindet Andrea Schlauch und Halskanüle. Jedes Mal, wenn Jonas nun einatmet, pumpt die Maschine unterstützend Luft in seine Lungen. Rund 2500 Kinder werden in Deutschland schätzungsweise mit einer Plastikkanüle durch den Hals, dem Tracheostoma, künstlich dauerhaft beatmet. Um den Familien das Leben zu erleichtern, gründete Peter Schroeter im vergangenen Jahr die Kronenhof Intensivpflege GmbH. Mit mehr als 50 Mitarbeitern kümmert er sich im Allgäu um die Versorgung von beatmeten Kindern und Erwachsenen – größenteils eine Klientel, die noch vor einigen Jahren daheim als nicht überlebensfähig eingestuft wurden. „Früher waren die Kinder mit Muskeldystrophien dem nahen Tode geweiht. Heute machen einige von diesen Kindern das Abitur“, so der 45-jährige Geschäftsführer und Inhaber des Allgäuer Fachpflegedienstes. Seit seinem siebten Lebensmonat kann der 12-Jährige nicht mehr alleine atmen. Er kränkelte plötzlich, zunächst dachte jeder an einfache Erkältung. Als sich diese nicht besserte, kam er in die Kinderklinik nach Memmingen. Dort setzte plötzlich seine Atmung komplett aus. Ein Virus hatte das Atemzentrum befallen. Zehn Monate lag Jonas in der Klinik. Durch die Plötzlich geht es nicht mehr darum, das Sterben dieser Patienten zu begleiten, sondern sich für die Betroffenen neben der Pflege auch um geeignete Arbeits- und Ausbildungsplätze zu bemühen. Die Beatmung ist eine hochkomplexe Technik mit der selbst normale Stationen in den Kliniken oftmals überfordert sind. Die Familien aber sollen damit im Kinderzimmer klarkommen. Obwohl Jonas es könnte, darf er das Haus nicht allein verlassen. Eine Kinderkrankenschwester begleitet ihn stets. Fast alle Familien mit Kindern unter Dauerbeatmung haben einen Pflegedienst im Haus, der den Betroffenen 8, 12, 16 oder gar 24 Stunden täglich zur Seite steht, um im Notfall jederzeit schnell und sicher eingreifen zu können. Auf die Frage, was Jonas für ein Lieblingsfach in der Schule hat, kommt die Antwort ganz spontan: „Sport!“ Ach was, und was macht Jonas im Sport? „Ich cruise mit dem E-Rolli in der Halle Slalom!“