Jonas, Peter In den Arbeiten von Peter Jonas von der Universität Freiburg geht es um die Funktionsweise des Gehirns. Voraussetzung für die Gehirnaktivität sind die Nervenzellen, die in einem komplexen Netzwerk miteinander wechselwirken. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen vollzieht sich an spezialisierten Kontaktstellen, den so genannten Synapsen, über elektrische und chemische Signale. An dem Netzwerk von Milliarden und Abermilliarden von Synapsen sind zwei funktionell unterschiedliche Neuronen beteiligt, erregende und hemmende. Sie scheiden unterschiedliche Botenstoffe oder Transmitter frei. Gerade über die Arbeitsweise der hemmenden Neurone im hippocampalen neuronalen Netzwerk war wenig bekannt, als Peter Jonas vor ca. zehn Jahren seine elektrophysiologischen Arbeiten daran begann. Zielstrebig entwickelte er Techniken, mit denen man solche Zellen identifizieren kann. Der Hippocampus ist deshalb wichtig, weil er die evolutionär älteste Struktur des Gehirns darstellt und weil hier Informationen aus verschiedenen sensorischen Systemen zusammenfließen und verarbeitet werden. Es gelang Peter Jonas und seinen Mitarbeitern nicht nur, Hirnschnitte aus dem Hippocampus herzustellen, sondern davon − trotz des extrem geringen Durchmessers der Nervenenden − stabile elektrische Ableitungen mittels feinster Glaspipetten vorzunehmen. Erst diese technischen Durchbrüche erlaubten es, eine Fülle von Fragen zu beantworten, die den Zusammenhang zwischen elektrischer Aktivierung, Transmitterfreisetzung und der Regulation der synaptischen Übertragung betreffen. So gelang ihm der Nachweis, dass auch Fortsätze von Interneuronen − also Nervenzellen, die Nervenimpulse von einer Nervenzelle an eine andere weiterleiten − über aktive Erregungsmechanismen verfügen und, noch wichtiger, dass sie mehrere Transmitter freisetzen können. Bis dahin galt das so genannte Dale’sche Prinzip, das 1935 von Sir Henry Dale, einem Pionier der Neurophysiologie, entwickelt worden war und das postulierte, dass jedes Neuron immer nur einen Neurotransmitter freisetzen kann. Außerdem gelang es Peter Jonas zu zeigen, dass inhibitorische Synapsen zwischen Interneuronen hinsichtlich ihrer Kinetik auf eine besonders schnelle Signalübertragung spezialisiert sind. Aufbauend auf diesen und anderen Einsichten war es möglich, ein Netzwerk gekoppelter Neurone zu simulieren und dessen oszillatorische Eigenschaften zu studieren. Dieser Ansatz zeigt auf besondere Weise, dass es Peter Jonas immer ein besonderes Anliegen ist, den analytischen Schritten auch synthetische hinzuzufügen, um die mit großer Präzision erarbeiteten Detailergebnisse in einen funktionellen Kontext einzubetten. In jüngster Zeit hat sich die Arbeitsgruppe von Peter Jonas der adulten Neurogenese zugewandt. Es geht um Stammzellen des Gehirns, die in bestimmten Bereichen, insbesondere im Hippocampus, ein Leben lang neu gebildet werden und sich offensichtlich in bestehende Verschaltungen integrieren. Unter Einsatz modernster Technologie ist es Peter Jonas gelungen, die Integration dieser neu gebildeten Zellen zu verfolgen und nachzuweisen, dass sie tatsächlich funktionelle Synapsen bilden. Um das zu können, weisen sie spezielle Schaltmechanismen auf, die besonders anpassungsfähig sind und sich daher in unterschiedlich aktive Netzwerke hineinfinden können. Auch dies ist eine Pioniertat, die weltweit großes Aufsehen und Anerkennung gefunden hat. Peter Jonas ist Jahrgang 1961, studierte Humanmedizin an der Universität Gießen und promovierte dort mit summa cum laude über die Wirkung des Nervengiftes von Skorpionen. Es folgte eine sechsjährige Postdoktorandenzeit zwischen 1988 und 1994, zunächst in der Arbeitsgruppe von Werner Vogel in Gießen, dann bei Bert Sakman in Heidelberg. Von 1994 bis 1995 war er als C3Professor an der TU München tätig, um 1995 einem Ruf auf eine C4-Professur für Physiologie an der Universität Freiburg zu folgen, wo er bis heute arbeitet. Die Arbeiten von Peter Jonas werden international breit rezipiert. Manche seiner Veröffentlichungen sind mit über 500 Einträgen im Science Citation Index längst zu Citation Classics geworden. Er ist vielfach mit Preisen ausgezeichnet worden, so 1994 mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis und 1998 mit einem MaxPlanck-Forschungspreis. Beachtlich auf seiner Internetseite ist neben anderem ein lesenswerter kurzer Ausblick auf das, was er in Zukunft tun will. Er will sich vermehrt um die Analyse nicht nur einzelner Nervenzellen, sondern vor allem von Netzwerken kümmern, um bessere Einsicht in die Mechanismen des Verhaltens zu erhalten. Außerdem geht es ihm um die Pathopyhsiologie des menschlichen Gehirns, im Besonderen um Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenien, an deren Ausbildung defekte oder jedenfalls fehlgesteuerte Interneurone beteiligt sind. Das Leibniz-Preisgeld ist also gut angelegt. Herzlichen Glückwunsch!