Stereochemie-Seminar Sommersemester 2003 Konzept Seminar, keine Vorlesung Das Seminar ist scheinpflichtig (neue ApprO: Kombischein mit dem Schein des Praktikums des 3. Semesters. Vorläufige Ausstellung von Stereochemie-Scheinen auf grünem Papier) Bescheinigt wird die regelmäßige sowie die erfolgreiche Teilnahme an dem Seminar Voraussetzung für die Vergabe eines Scheines: - Anwesenheitspflicht Übungsaufgaben bearbeiten Arzneistoffaufgabe bearbeiten Klausur als Erfolgskontrolle Stereochemie-Seminar: Zeitplan Freitag 8-10 Uhr Hörsaal P 23.05.03 Einführung Arzneistoff-Aufgabe bearbeiten 20.06.03 27.06.03 04.07.03 11.07.03 18.07.03 25.07.03 ????? Klausur 1 Arzneistoffe-Aufgabe - Die Aufgabe wird in Zweiergruppen bearbeitet - Recherche zur Stereochemie eines Arzneistoffes - Zusammenstellung der Ergebnisse der Recherche (Bericht, ca. 1-2 Seiten) Abgabetermin: 30.06.03 Aufbau: INN-Name des Arzneistoffs Strukturformel IUPAC-Nomenklatur Indikation/Wirkung/Pharmakologie (kurz) Funktionelle Gruppen der Verbindung beschreiben (z.B. Säure, Säureamid, prim. aliphat. Amin, Aldehyd, Thiol.....etc.....) Physikochemische Eigenschaften (Smp., Löslichkeit, pKa-Werte etc.) Angaben zur Darstellung/Gewinnung (kurz) 3-D-Struktur der Verbindung beschreiben Stereochemische Besonderheiten: z.B. Chiralität, E/Z-Isomerie, Symmetrie etc. beschreiben, ggf. chiroptische Eigenschaften (Drehwert) Welche(s) Stereoisomer(e) wird/werden therapeutisch verwendet? Literatur zur Stereochemie • Roth, Müller, Folkers, Stereochemie & Arzneistoffe. WVG 1998 (Hörerscheine im Sekretariat bei Frau Ponatowski/Frau Krumbiegel erhältlich) • Hellwich, K.-H. Stereochemie Grundbegriffe (Neuauflage 2001) • Bähr, W.; Theobald, H. Organische Stereochemie, Begriffe und Definitionen. Springer Verlag 1973 • Testa, B. Grundlagen der Organischen Stereochemie. Verlag Chemie 1983 • Eliel, E.; Wilen, S. H. Stereochemistry of Organic Compounds. Wiley 1994. Deutsche Ausgabe: Stereochemie organischer Verbindungen. • Ehlers, E. Chemie II • Lehrbücher der Organischen Chemie ________________________________________________________________ • MINIT Molekülbaukasten-System 2 Stereochemie im Pharmazie-Studium Auszug aus dem Gegenstandskatalog 3.3 Stereochemie 3.3.1 Begriffe Isomerie, Stereoisomerie, Reaktionsselektivität 3.3.2 Bezeichungen der absoluten und relativen Konfiguration, Konformationsbezeichnung 3.3.3 Graphische Darstellung von Stereoformeln, Symmetriegruppen 3.3.4 Chiralitätselemente Zentrale, axiale und planare Chiralität 3.3.5 Stereochemie an C, N, S, P und Si Geometrische und energetische Aspekte 3.3.6 Unterscheidung und Trennung von stabilen langlebigen Konfigurationsisomeren 3.3.7 Dynamische Stereochemie von Reaktionen SN1-, SN2- und SNi-Reaktionen, cis- und trans-Addition an Alkene; transEliminierung; pericyclische Reaktionen (s. a. 3.2.7); Prinzip der stereoselektiven Synthese; Nachbargruppen-Beteiligung; Inversion; Retention, Racemisierung 3 Isomere: gleiche Anzahl und Art von Atomen, identische Molmassen und Summenformel; unterscheiden sich in mindestens einer chemischen oder physikalischen Eigenschaft Isomere Konstitutionsisomere Gleiche Summenformel, unterschiedliche Art und Aufeinanderfolge der Bindungen - Konfigurationsisomere Funktionelle Isomere Stellungsisomere Tautomere Valenzisomere Räumliche Anordnung der Atome um seinen chiralen oder starren Teil - E/Z (cis/trans)-Isomere - Enantiomere - Diastereomere Umwandlung von Konfigurationsisomeren ineinander ⇒ hoher Energieaufwand Konformationsisomere Drehung um Einfachbindungen ⇒ geringer Energieaufwand ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Mesomerie/Mesomere: von “mesos” gr. = mittlerer und “meros” gr. = Teil (wörtlich: mittlerer Zustand eines Teilchens) ⇒ Delokalisation von π-Elektronen in einer Verbindung (→ mesomere Grenzstrukturen) 4 Konstitutions-(Struktur-)Isomere: gleiche Summenformel; unterscheiden sich durch die Verknüpfungsweise ihrer Atome und Gruppen z. B. Propanol/Isopropaol Konfigurationsisomere: Stabile Stereoisomere mit unterschiedlicher räumlicher Anordnung der Atome; Umwandlung ist nur durch Öffnung und Neubildung von Bindungen möglich; trennbar aufgrund wesentlich höherer Energiebarrieren im Vergleich zu Konformeren • cis/trans (E/Z) • Enantiomere, Diastereomere 5 Konformationsisomere (= Konformere): Stereoisomere, die aus der nahezu freien Rotation um Einfachbindungen sowie durch eine Flexibilität von Bindungswinkeln entstehen und Energieminima aufweisen; oft nicht trennbar, schnelle Umwandlung ineinander, ohne dass dabei Bindungen gebrochen und neu geknüpft werden (z. B. axial/equatiorial). Bei behinderter Rotation können Konformere auch isolierbar sein. Stereoisomere: gleiche Strukturformel, aber unterschiedliche räumliche Anordnung ihrer Atome ( → 3. Dimension) Darstellung nur durch räumliche Modelle, perspektivische Zeichungen o. ä. 6 Symmetrie/Asymmetrie Symmetrie: [griech.] Maß, Gleichgewicht, Harmonie Hier betrachten wir eine geometrische Eigenschaft von Molekülen. Symmetrieelemente bei Molekülen (allgemein anwendbar auf alle Körper): 1. Spiegelung (Symmetrieachse) 2. Drehung (Symmetriezentrum) 3. Inversion (Symmetrieebene) 4. Kombinationen: Drehspiegelachsen (Drehung und Spiegelung) Drehinversionsachsen (Drehung und Inversion) Punktgruppen: Symmetrieklasse, alle in einem Molekül vorhandenen Symmetrien Mögliche Kombinationen von Symmetrieelementen Notwendige Symmetrieoperationen, die ein Molekül in ein deckungsgleiches Molekül überführen Wenn wir einige Großbuchstaben des Alphabets betrachten, so finden wir, dass fast alle aus zwei Teilen bestehen, die durch Spiegelung oder Drehung ineinander übergeführt werden können. Nur wenige - F, G, L, P, Q und R, um genau zu sein - sind asymmetrisch. I. II. III. IV. BCDE AMTUV N• S• Z• • •I O • H FGLPQR Die großen Buchstaben des Alphabets lassen sich nach der Art ihrer Symmetrie in vier Klassen einteilen. In der ersten lässt sich jeder Buchstabe durch eine Linie in zwei symmetrische Hälften teilen. Ein Buchstabe der zweiten Gruppe kann um eine vertikale Achse durch den eingezeichneten Punkt um 180° gedreht werden, ohne dass sich seine Form dabei ändert. In der vierten Klasse finden sich diese beiden Typen von Symmetrie zusammen, während in der vierten überhaupt keine Symmetrieelemente vorhanden sind. 7 Symmetrie/Asymmetrie Symmetrieachse (C) Kann ein Molekül nach Drehung um einen bestimmten Winkel um eine Achse mit seiner ursprünglichen Orientierung zur Deckung gebracht werden, so wird diese Achse Symmetrieachse genannt (Cn) N = Zähligkeit der Achse 360°/α z. B. C2: H2O Symmetrieebene (σ) teilt ein Molekül so in zwei Hälften, dass jede Hälfte das Spiegelbild der anderen ist. Symmetriezentrum (Inversionszentrum) (i) Kann jedes Atom eines Moleküls durch Spiegelung am Molekülzentrum mit einem entsprechenden Atom zur Deckung gebracht werden, dann besitzt das Molekül ein Symmetriezentrum. Wir unterscheiden zwischen zwei Gruppen von Molekülen: 1. Strukturen mit Spiegelsymmetrie (σ-Ebene) = achiral und nicht asymmetrisch 2. Strukturen ohne Spiegelsymmetrie = chiral wenn zusätzlich keine Cn-Achse im Molekül vorhanden ist = asymmetrisch (Punktgruppe C1) Typ I: Keine Symmetrieachse; Punktgruppen C1, CS, Ci Schönfliessymbol Art und Anzahl der Symmetrieelemente C1 keine Symmetrieelemente asymmetrisch und chiral CS ( ^ S1) eine Symmetrieebene achiral Ci ( ^ S2) ein Symmetriezentrum achiral Beispiel oder Hinweis 8 Typ II: Eine Symmetrieachse; Punktgruppen Cn, Sn, Cnv, Cnh Schönfliessymbol Art und Anzahl der Symmetrieelemente Cn eine n-zählige Drehachse n > 1, chiral Sn eine Sn-Drehspiegelachse, n-geradzahlig, aber ≠ 2 keine Symmetrieebene Cnv eine Cn-Achse n σv-Ebenen, achiral Cnh Eine Cn-Achse eine σh-Ebene, achiral Beispiel oder Hinweis Typ III: Eine n-zählige Achse und n 2-zählige Achsen mit oder ohne σ-Ebenen; Punktgruppen Dn, Dnd, Dnh Schönfliessymbol Art und Anzahl der Symmetrieelemente Dn eine Cn-Achse und senkrecht dazu n C2-Achsen chiral Dnd eine Cn-Achse n C2-Achsen und n σv-Ebenen achiral Dnh eine Cn-Achse, n C2-Achsen, n σv-Ebenen und eine σh-Ebene achiral Beispiel oder Hinweis 9 Typ IV: Mehr als eine Achse haben eine Zähligkeit, die größer als 2 ist; Punktgruppen Td, Oh. Schönfliessymbol Art und Anzahl der Symmetrieelemente Beispiel oder Hinweis Td 4 C3-Achsen, 3 C2-Achsen und 6 σ–Ebenen achiral alle tetraedrischen Moleküle mit vier gleichen Liganden Oh 3 C4-Achsen, 4 C3-Achsen, 6 C2-Achsen und 9 σ–Ebenen achiral alle symmetrischen oktaedrischen Moleküle Symmetrie/Asymmetrie Asymmetrie Moleküle, die keinerlei Symmetrieelemente aufweisen Asymmetrie ist eine hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung für die Existenz von Enantiomeren und damit für das Auftreten von optischer Aktivität. Chiralität von “cheir” [griech.] Hand syn. Händigkeit Jedes Molekül, das nicht mit seinem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden kann ist chiral. Jedes Molekül mit Spiegelsymmetrie ist achiral. 10 Optische Aktivität: Stoffe mit optischer Aktivität drehen die Ebene des polarisierten Lichts um einen für das jeweilige Molekül charakteristischen Winkelbetrag; notwendige und genügende Voraussetzung: Chiralität = Dissymmetrie → keine Symmetrieebenen, Symmetriezentren oder Drehspiegelachsen zusätzlich Fehlen von Symmetrieachsen → asymmetrisch 11 Konfigurationszuordnung nach CIP (Cahn, Ingold, Prelog) (R- und S-Konfiguration) Anwendung der Rechte-Hand-Regel: • Zuordnung der CIP-Prioritäten a, b, c, d für die Substitutenten an einem tetraedrischen C-Atom (oder Hetero-Atom). • Die rechte Hand wird so gehalten, dass der Daumen die c-dBindungsachse darstellt und in Richtung der Substitutenten d deutet. • Die Finger werden in Richtung der absteigenden Priorität der drei Substituentenpaare a-b, b-c, c-a gekrümmt, wobei der kürzeste Weg zu verfolgen ist. • Ist dies nicht möglich, so wird die linke Hand zum Konfigurationsvergleich benutzt. • Gelingt es, die Finger der rechten Hand in Richtung der absteigenden Priorität zu krümmen, so liegt R-Konfiguration vor. Wird dazu die Hand benötigt, so ist das Chiralitätszentrum S-konfiguriert. Verbindungen mit zwei konstitutionell spiegelbildlichen Asymmetriezentren Wenn Verbindungen zwei identisch verbundene, gleichartig substituierte Asymmetriezentren aufweisen, existieren drei unterschiedliche Steroisomere, nämlich die zwei Enantiomere (R,R) und (S,S) sowie die Mesoform (R,S). Aufgrund der molekularen Symmetrie sind die R,S-Form und die S,R-Form identisch und stellen somit keine Enantiomere dar. Als Racemat bezeichnet man die äquimolare Mischung der R,R-Form mit der S,S-Form. Mesoformen (Meso-Formen, Meso-Verbindungen) sind Verbindungen, deren Moleküle mit ihren Spiegelbildern zur Deckung gebracht werden können. Sie sind achiral und daher optisch inaktiv. Allgemein kann man eine meso-Verbindung als achirales Mitglied einer Gruppe von Diastereomeren bezeichnen, die mindestens ein chirales Mitglied aufweist (s. Weinsäure). 12 Chirale Moleküle sind optisch aktiv. Was ist optische Aktivität? Optische Aktivität Drehung der Schwingungsebene des linear polarisierten Lichts um einen bestimmten Betrag beim Durchtritt durch ein Medium: nach rechts: (+) nach links : (-) Ursache: Wechselwirkung des rechts- und linkszirkular polarisierten Lichts mit dem chiralen Medium. Der gemessene Drehwinkel hängt ab von: • • • • • • Konzentration des Stoffes Struktur des Moleküls Küvettenlänge Wellenlänge des monochromatischen Lichts (meist Na 589 nm) Lösungsmittel Temperatur Chiroptische Methoden Chiroptische Methoden sind spektroskopische Messverfahren, bei denen die beiden Enantiomere einer chiralen Verbindung Messwerte entgegengesetzter Vorzeichen liefern. 13 Optische Rotationsdispersion (ORD) Messung des spezifischen Drehwertes in Abhängigkeit von der Wellenlänge Voraussetzungen: - die Verbindung ist optisch aktiv - sie enthält einen Chromophor (UV-/Vis-Absorption) Anwendung: Strukturaufklärung von Verbindungen Zuordnung der absoluten Konfiguration Circulardichroismus (CD) Rechts- und links-circular polarisiertes Licht breitet sich in einem chiralen Medium unterschiedlich schnell aus, es wird im Bereich einer Absorptionsbande auch unterschiedlich stark absorbiert. ⇒ Die Absorptionskoeffizienten von linkscircular und rechtscircular polarisiertem Licht unterscheiden sich. Bei CD-Messungen wird diese Differenz der Absorptionskoeffizienten ∆ε einer chiralen Verbindung gemessen: ∆ε = εL - εR 14 Mutarotation Einige Verbindungen (z. B. Glucose u. a. ZuckerDerivate) zeigen das Phänomen der Mutarotation. Beim Auflösen der Verbindung ändert sich zunächst der Drehwert kontinuierlich, bis ein konstanter Wert erreicht wird. Grund: Isomerisierung an einem Asymmetriezentrum („Epimerisierung“) → Einstellung eines Gleichgewichts z. B. Glucose: (+ 52,5 bis 52,7°) ca. 64 % β-D-Glucose ca. 36 % α -D-Glucose Stereochemische Symbole Symbole Bedeutung Stichwort Z, E bezeichnen synonym mit seqcis und seqtrans cis- oder transOrientierung der Bezugsliganden, die nach der Sequenzregel ausgewählt werden E/Z-System cis-trans-Isomerie Sequenzregel d, l (+), (-) d, l wurden früher gleichbedeutend zur Kennzeichnung des Drehsinns eine optisch aktiven Substanz verwendet, heute nur noch (+) und (-), dl gelegentlich zur Kennzeichnung eines racemischen Gemischs (dl-Paar) Konfiguration D/L-System spezifischer Drehwert Racemformen D, L legen die Konfiguration eines Chiralitätszentrums mit Bezug auf D/L-System den Glycerinaldehyd fest. Der Bezugsligand des Zentrums befindet Fischer-Projektion sich in der Fischer-Projektion auf der rechten (D) bzw. auf der linken Seite (L) der Kette R, S r, s kennzeichnen ohne Bezugssubstanz die Konfiguration an Chiralitätselementen (R, S) und Pseudochiralitätselementen (r, s) α, β bei Steroiden: geben für einen ringständigen Liganden eines Cholestangerüstes an, dass er sich hinter (α) oder vor (β) der Papierebene befindet. bei Zuckern: β (α) kennzeichnet cis-(trans)-Stellung der anomeren OH-Gruppe zur CH2OH-Gruppe Isorotation Anomerie bezeichnen den Drehsinn einer Helix Helizität M, P RS-System Sequenzregel Chiraltätselemente 15 Stereochemische Präfixe Präfixe Bedeutung Stichwort cis - trans die beiden Bezugsliganden befinden sich auf der gleichen Seite (cis) bzw. auf der entgegengesetzten Seite (trans) einer Bezugsebene cis-trans-Isomerie seqcis - seqtrans kennzeichnen synonym mit E und Z cis- bzw. transOrientierung der Bezugsliganden, die nach der Sequenzregel ausgewählt werden stereochemische Symbole E/Z-System erythro – threo die Bezugsliganden zweier benachbarter Chiralitätszentren liegen in der Fischer-Projektion auf der gleichen (erythro) bzw. auf entgegengesetzten Seiten (threo) einer Hauptkette erythro – threo Fischer-Projektion s-cis –s- trans (cisoid – transoid) bezeichnen cis/trans-Isomere an Einfachbindungen mit partiellem Doppelbindungscharakter (s = single bond) cis-trans-Isomerie meso sagt aus, dass ein Molekül mit mehr als einem Chiralitätszentrum eine Symmetrieebene besitzt geometrische Enantiomerie Pseudoasymmetrie exo - endo ein Ligand an einem Hauptring eines bicyclischen Ringsystems ist der Brücke zugewandt (exo) oder abgewandt (endo) Helizität Prochiralität Eine Verbindung ist prochiral, wenn sie durch einen einzigen Reaktionsschritt in eine chirale Verbindung überführt werden kann. 16 Cis - Trans Cis bedeutet, dass gleiche oder gleichartige oder gleichgroße Substituenten auf der gleichen Seite sind , während trans bedeutet, dass sich diese auf entgegengesetzten Seiten befinden. Die cis/trans-Nomenklatur ist nur beschränkt anwendbar. Wenn beispielsweise vier verschiedene Substituenten vorliegen, wird die Zuordnung schwierig. E-Z Die E/Z-Nomenklatur basiert auf den Sequenzregeln nach Cahn, Ingold und Prelog (CIP-Regeln). “E” ist die Abkürzung für “Entgegen”, “Z” steht für “Zusammen”. Bei der Festlegung der E/ZKonfiguration wird zunächst die Reihenfolge der Substituenten entsprechend den Sequenzregeln, und zwar für die beiden Substituenten rechts und links der Doppelbindung oder des Ringsystems getrennt, festgelegt. Wenn die beiden Substituenten mit der höchsten Priorität in die gleiche Richtung zeigen, so handelt es sich um die Z-, sofern sie in entgegengesetzte Richtung zeigen, um die E-Konfiguration. E entspricht nicht generell trans und cis nicht immer Z. Isomerisierung Eine E/Z-Umwandlung kommt durch formalen Bruch und Neuknüpfung einer Bindung zustande. Es ist daher eine hohe Energiebarriere zu überwinden, die jedoch stark vom Substitutionsmuster abhängig ist. Der Bruch der Doppelbindung des Ethens beispielsweise erfordert eine Energie von etwa 350 kJ/Mol. Eine Isomerisierung kann photochemisch, thermisch oder katalytisch (z. B. säuren- oder basenkatalysiert) erfolgen. 17 Im Gegensatz zu Enantiomeren unterscheiden sich Diastereomere, zu denen gemäß Definition auch die E/Z-Isomere zählen, in ihren physikalischen Eigenschaften, wie z. B. Schmelzpunkt, Siedepunkt, Brechungsindex, Säurestärke, UV-, IR- und NMR-Spektren, sowie in ihren chemischen Eigenschaften, wie Stabilität und Reaktivität. Beispiel: Maleinsäure (Z, cis) Fumarsäure (E, trans) Schmelzpunkt 132 °C 286 °C Löslichkeit in H2O 788 g/L 7 g/L pKa1 1,8 3 pKa2 6,6 4,5 Dipolmoment 3,17 D 2,46 D Verbindungen mit mehreren Doppelbindungen Ein Molekül mit m verschiedenen Doppelbindungen kann maximal 2m geometrische Isomere bilden. Bei gleicher Substitution der Doppeldbindungen reduziert sich jedoch die Isomerenzahl. 2,4-Hexadiencarbonsäure z. B. weist zwei Doppelbindungen auf und zeigt damit 22 = 4 Stereoisomere. 18 E/Z-Isomerie bei C=N- und N=N-Doppelbindungen Bei Iminen, Oximen und Azoverbindungen treten in Abhängigkeit von der Anordnung der Substituenten an der C=N- bzw. N=N-Doppelbindung ebenfalls E/Z-Isomere auf, die auch als syn- und anti-konfigurierte Isomere bezeichnet werden. E/Z-Isomerie bei Komplexen Bei planaren quadratischen Komplexen bezeichnet man diejenige Konformation als cis, bei der gleiche oder gleichartige Liganden benachbart sind, und als trans, wenn sie diagonal zueinander angeordnet sind. Cisplatin, ein antineoplastisch wirksamer anorganischer Arzneistoff mit quadratisch planarer Struktur, kommt, wie der Name schon sagt, als cis-Isomer (entspricht der Z-Konfiguration) zur Anwendung. Cisplatin und verwandte Platin-Komplexe binden an die DNA, wobei es bevorzugt zur Verknüpfung von zwei benachbarten Guaninresten in einem DNA-Strang kommt. Die Komplexierung der DNA verhindert eine Replikation und damit die Zellteilung. Trans- (E-) konfigurierte Platin-Komplexe sind praktisch nicht antineoplastisch wirksam. 19 Diastereomere • Alle Stereoisomere, die keine Enantiomere darstellen, sind Diastereomere. • Es existieren chirale und achirale Diastereomere. • E/Z-Isomere sind definitionsgemäß Diastereomere. E/Z-Isomerie bei Ringsystemen (Monocyclen) Bei zwei- und mehrfach substituierten Ringsystemen kann neben E/Z-Isomerie zusätzlich Enantiomerie auftreten, wenn die sp3-hybridisierten Kohlenstoffatome asymmetrisch substitutiert sind. Ringe mit ungerader Anzahl an Ringatomen Bei zwei gleichen Substituenten ist das jeweilige trans-Isomere optisch aktiv, während das cis-Isomere eine Mesoform darstellt und dadurch insgesamt achiral ist. Ringe mit gerader Anzahl an Ringatomen Bei disubstituierten Cyclohexanen mit zwei verschiedenen Substituenten können je nach Substitutionsmuster folgende Isomeren auftreten: 1,1-Disubstitution: Keine Chiralität aufgrund der Symmetrieebene 1,4-Disubstitution: E/Z-Isomerie 1,2-Di- bzw. 1,3-Disubstitution: E/Z-Isomerie und Chiralität Man erhält vier Stereoisomere, jeweils ein E- und ein Z-Enantiomerenpaar Bei Cyclohexan-Derivaten mit mehr als zwei Substituenten werden die stereochemischen Verhältnisse entsprechend komplexer. Bei solchen Verbindungen ist die Betrachtung anschaulicher 3-D-Modelle (Molekülbaukasten oder Computer-bilder) unerlässlich. 20 Konformationen: Räumliche Anordnungen von Atomen bzw. Atomgruppen eines Moleküls definierter Konfiguration, die durch Drehung um eine Einfachbindung erzeugt und nicht zur Deckung gebracht werden können. Theoretisch sind bei einem Molekül gegebener Konfiguration sehr viele Konformationsisomere (Synonyma: Rotationsisomere, Rotamere) möglich. Die verschiedenen Konformationsisomere unterscheiden sich durch unterschiedliche Energieniveaus. Man findet Energiemaxima und Energieminima. Konformere: Real existierende Konformationen, also solche, die ein Energieminimum aufweisen. Konformationsanalyse: führt zu Aussagen über die bevorzugte(n) Konformation(en) eines Moleküls (i. d. R. diejenige(n) mit dem kleinsten Energieinhalt). Pitzer-Spannung: Drehspannung, die bei Abweichung von gestaffelten Konformationen auftritt Baeyer-Spannung: Winkelspannung durch Abweichung vom Tetraederwinkel (109° 28’) in cyclischen Kohlenwasserstoffen 21 Konformation Regeln für substituierte Cyclohexan-Derivate • Große Substitutenten ordnen sich bevorzugt equatorial an (höhere Stabilität). Axiale Substituenten treten miteinander in Wechselwirkung; dadurch kommt es zum Umklappen in die equatoriale Konformation, wo in der Regel geringere sterische Behinderung vorliegt. Ausnahme: Elektronische Effekte können zu einer Abweichung von dieser Regel führen. • Die Lage eines Substituenten (axial oder equatorial) beeinflusst dessen Reaktivität. Die Verhältnisse sind komplexer Natur. Darstellung enantiomerenreiner Arzneistoffe A. Stereoselektive Synthesen B. Racematspaltung 1. Salzbildung mit chiralen Säuren bzw. Basen: → Diastereomere Salze 2. Kovalente Derivatisierung mit chiralen Reagenzien: → Diastereomere Verbindungen 3. Bildung diastereomerer Komplexe: z.B. in der Chromatographie mit chiralen Säulenmaterialien (Cellulose, Cyclodextrine...) 4. Enzymatische Racemattrennung mit Enzymen 22