Zuchtwertschätzung Zuchtwertschätzung für Exterieurmerkmale im Bundeshybridzuchtprogramm Dr. Hubert Henne, Züchtungszentrale Deutsches Hybridschwein, Lüneburg S Dr. Hubert Henne Seit 1996 wird das Exterieur aller Jungeber und Jungsauen im BHZP beim Eigenleistungstest detailliert beschrieben. Weitere Aspekte können zu den Tieren durch entsprechende Bemerkungen bzw. Ausfallcodes festgehalten werden. Bei der linearen Beurteilung werden die Merkmale in einer fünf Noten umfassenden Skala für jedes Tier eingestuft. Die Noten 1 und 5 sind die biologischen Extreme. So steht die Note 1 für das Merkmal Hinterbeinstellung für eine sehr steile Stellung im Übers. 1: Lineares Bewertungsschema im Bundeshybridzuchtprogramm Sprunggelenk, die Note 5 für ein extrem gewinkeltes und damit unerwünschtes Hinterbein. Die Note 3 wird für Tiere mit normal gewinkelten Hinterbeinen vergeben. Die gezeigte Linearität und die volle Ausnutzung der Werteskala bei der Tierbeurteilung sind die Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung der Daten für die Zuchtwertschätzung. Auf diese Weise können Zuchteber, die negative Exterieureigenschaften vererben, erkannt und von der Zucht ausgeschlossen werden. Neben der Nutzung der Information zu Selektionsentscheidungen in Basiszucht und Vermehrung hat die lineare Beschreibung zusätzlich unmittelbare Wirkung auf die Einteilung der Zuchttauglichkeit der Tiere. Jungsauen, die in einem Merkmal mit den Extremnoten 1 oder 5 benotet wurden, werden sowohl von der Zucht als auch vom Verkauf an die Ferkelerzeuger ausgeschlossen. Notenvergabe muß rassenspezifisch erfolgen Linear beschrieben werden die Fundamentmerkmale Vorderbeinstellung, Vorderbeinfesselung, Hinterbeinstellung, Hinterbeinfesselung und die Klauen. Dazu kommen die Typnoten für die Bemuskelung des Rückens und des Schinkens sowie die Beschreibung des Rahmens in Höhe und Länge (Übersicht 1). Wichtig ist, dass die Notenvergabe rassenspezifisch erfolgen muss. Die Schinkenausprägung bei einem Endprodukteber ist anders zu bewerten als die gleiche Schinkenfülle für eine Hybridsau. Ein mittlerer Schinken eines Ebers der Linie 77, der mit der Note 3 bewertet wurde, muss für eine db-Sau mit der Note 5 bewertet und die Jungsau zum Schlachter geschickt werden. Eine Analyse von 90.000 Daten aus den Mutterlinien 01 und 03 zeigt, dass die Notenskala für die meisten Merkmale zufriedenstellend, wenn auch nicht in jedem Fall optimal ausgenutzt wird (Übersichten 2 und 3). 26 Top-Genetik 05 / 2002 Zuchtwertschätzung Übers.3: Übers.2: Verteilung der Noten für Vorderbeinstellung Verteilung der Noten für Schinken Niedrige Erblichkeit und starke Umwelteinflüsse BHZPMitarbeiter bei der Exterieurbewertung Die Erblichkeitsgrade für die Exterieurmerkmale liegen im niedrigen Bereich. Im Gegensatz dazu weisen Merkmale wie Zunahme oder Speckdicke einen Erblichkeitsgrad von 0,3 und höher auf, d.h. mehr als 30% der beobachteten Variabilität in diesen Leistungsmerkmalen sind auf genetische Ursachen zurückzuführen und es können große Zuchtfortschritte erzielt werden. Dieser Wert liegt für die linear beschriebenen Merkmale lediglich im Bereich um 10% und damit deutlich ungünstiger aus Sicht der Zucht. Um dennoch Selektionserfolge zu erzielen, muss die Übers. 4: Erblichkeitsgrade in den Mutterlinien 01 und 03 Merkmal Lebenstagszunahme Utraschall-Rückenspeck Vorderbeinstellung Hinterbeinstellung Vorderbeinfesselung Hinterbeinfesselung Klauen Rahmenhöhe Rahmenlänge Bemuskelung Rücken Bemuskelung Schinken Linie 01 Linie 03 0,30 0,28 0,11 0,05 0,11 0,08 0,03 0,09 0,07 0,12 0,15 0,33 0,44 0,17 0,08 0,20 0,14 0,09 0,11 0,07 0,24 0,25 (Heritabilität = Erblichkeitsgrad; maximal 1,0 = 100% erblich bedingt) Zuchtarbeit sehr langfristig angelegt sein. Im Umkehrschluss zeigen diese Ergebnisse, dass die Exterieurmerkmale in erheblichem Maße durch Umwelt- und Managementfaktoren zu beeinflussen sind (Übersicht 4). Wie beeinflußt die Züchtung auf hohe Zunahmen und Fleisch das Exterieur Eine wichtige Frage für die Züchter ist, wie entwickeln sich die Exterieurmerkmale, wenn auf Leistungsmerkmale wie Zunahme und Rückenspeck selektiert wird. Das wird durch die genetische Korrelation zum Ausdruck Top-Genetik 05 / 2002 27 Zuchtwertschätzung BHZP prüft, ob Nutzungsdauer der Sauen verlängert wird Übers. 5: Genetische Korrelationen zwischen Fundament- und Leistungsmerkmalen Vorderbein- Hinterbein Vorderbein- Hinterbeinstellung stellung fesselung fesselung Lebenstagszunahme Rückenspeckdicke -0,06 0,12 0,16 -0,04 0,07 0,08 0,14 0,06 gebracht, die zwischen +1 und -1 liegen kann. Die genetischen Korrelationen der Fundamentmerkmale zur Zunahme und zum Rückenspeck sind nur sehr schwach ausgeprägt (Übersicht 5). Beispielsweise bedeutet eine genetische Korrelation zwischen der Hinterbeinfesselung und der Zunahme von 0,14, dass bei Selektion auf Zunahme die Hinterbeinfessel eine Tendenz zur Durchtrittigkeit zeigt. Das muss bei der Selektion entsprechend berücksichtigt werden und stellt züchterisch kein großes Problem dar, da die Korrelationen alle sehr nahe bei Null liegen und damit kaum eine Bedeutung haben. Es liegen im BHZP viele Informationen zum Exterieur der Tiere vor, die in der Zuchtarbeit genutzt werden. Entscheidend ist jedoch nicht ein "schönes" Exterieur der Jungsauen, sondern es geht vielmehr um die Nutzungsdauer oder besser eine hohe Lebensleistung der Sauen. Die Zusammenhänge zwischen Exterieurbeschreibung am jungen Tier und der Nutzungsdauer werden jetzt einer kritischen Prüfung unterzogen. Was sagt die Benotung des Fundaments bei einer Jungsau über ihr späteres Durchhaltevermögen wirklich aus? Für die Auswertung stehen die Informationen der Stammsauen aus der Vermehrungsstufe zur Verfügung, die zuvor als Jungtiere beim Eigenleistungstest alle linear beschrieben wurden. Darüber hinaus werden die Sauen in der Basiszucht zu jedem Wurf in bezug auf das Gesäuge und Fundament bonitiert, um Hinweise zu bekommen, wie die einzelnen Tiere sich im Laufe ihres Lebens entwickeln. Abgewandelte wiederholte Beurteilungen der Altsauen werden in einigen Vermehrungsbetrieben schon durchgeführt. FA Z I T Übers. 6: Genetische Korrelation zwischen Typ- und Fundamentmerkmalen Vorderbein- Hinterbein Vorderbein- Hinterbeinstellung stellung fesselung fesselung Rahmenhöhe Rahmenlänge Bemuskelung Rücken Bemuskelung Schinken -0,48 -0,37 0,38 0,38 -0,42 -0,13 0,24 0,42 -0,30 -0,17 0,21 0,27 -0,14 -0,03 0,08 0,09 Wesentlich kritischer sind die genetischen Korrelationen zwischen den Rahmen- und Bemuskelungsnoten zu den Fundamentnoten zu betrachten. Sehr großrahmige Tiere neigen zu steilen Vorder- und Hinterbeinen, während stark bemuskelte Tiere einen Hang zu gewinkelten Hinterbeinen und durchtrittigen Fesseln haben. Hier muss in der Selektion durch Ausschluss extrem großrahmiger und zu bemuskelter Tiere gegengesteuert werden (Übersicht 6). 28 Die züchterische Bearbeitung der Exterieurmerkmale ist aufgrund niedriger Erblichkeitsgrade nur durch die Nutzung vieler Verwandteninformationen möglich. Zuchtfortschritte stellen sich langsamer ein im Vergleich zu hoch erblichen Merkmalen wie z.B. der Tageszunahme. Damit kommen der Umweltgestaltung (Fütterung, Haltung, Stallklima, Gesundheit etc.) und dem Management (Futterkurve, gleichmäßiger Wachstumsverlauf, Aufstallungsdauer etc.) entscheidende Bedeutung zu. Es bestehen nur geringe Beziehungen zwischen den Fundamentkriterien und den Leistungsmerkmalen. Die Typmerkmale Rahmen und Schinkenausprägung müssen dagegen bei der Sauenselektion deutlicher beachtet werden. Um die züchterischen Möglichkeiten weiter zu verbessern, werden die Zusammenhänge der Exterieurbeschreibung zur tatsächlichen Nutzungsdauer näher durchleuchtet und die Entwicklung von Gesäuge und Fundament bei Altsauen durch wiederholte Bonitur erfasst. Top-Genetik 05 / 2002