Optische Pinzetten: die Kräfte des Lichts Prof. Dr. Holger Kress Experimentalphysik I – Biologische Physik 40. Fortbildungsveranstaltung für Physiklehrer/innen 1. Oktober 2015 Was sind optische Pinzetten und wie funktionieren Sie? Grundlagen und Funktionsweise optischer Pinzetten Photonenimpuls Photon besitzt einen Impuls Impuls eines sichtbaren Photons Spiegel Photon Zum Vergleich: Impuls eines PKW auf Autobahn = 1032 mal mehr als Photon! Impuls p Impuls nach Reflexion p‘ Impulsübertrag auf Spiegel Δp Optische Kraft durch Impulsübertrag Kraft auf Leinwand: Impulsänderung pro Zeit Laserpointer mit 1 mW Leistung Kraft auf Leinwand Optische Kräfte in fokussiertem Licht 1986: Entwicklung der ersten optischen Pinzette durch Arthur Ashkin und Steven Chu Frei diffundierende Partikel Partikel mit 1µm und 350 nm Durchmesser Partikel in optischer Pinzette Charakterisierung und Kalibrierung optischer Pinzetten Kalibrierung einer optischen Pinzette mit Videomikroskopie Kalibrierung einer optischen Pinzette mit Interferometrie Datenaufnahmerate mit Photodioden (QPD) > 1 MHz möglich Problem: Relation zwischen QPD-Signal (in Volt) und Partikelposition im Allgemeinen unbekannt. Lösung: Anwendung von statistischer Physik Kalibrierung mit Interferometrie und Langevin-Methode Positionsignal-Histogram Positionssignal Harmonisches Potential: Fluktuationsbreite Kalibrationsfaktor Autokorrelation Fluktuationsbreite Harmonisches Potential: Korrelationszeit Kraftkonstante Äquipartitionstheorem Vergleich zwischen Theorie und Experiment Kräfte in optischen Pinzetten: Theorie und Experiment Theorie Experiment & Theorie Fourieroptik → Hochfokussierte polarisierte Felder Mie-Theorie → Lichtstreuung in fokussierten Feldern → Optische Kräfte für Partikel mit d ≈ λ Rohrbach, PRL (2005) Gradientenkraft Streukraft Interferometrische Partikeldetektion: Theorie und Experiment Fourieroptik → Hochfokussierte polarisierte Felder Mie-Theorie → Lichtstreuung in fokussierten Feldern → Detektionsbereich für Partikel mit d ≈ λ Experiment & Theorie Axial detection range (μm) Theorie Kress et al. Phys. Rev. E (2005) Experiment Calculation Wozu kann man optische Pinzetten verwenden? Aufbau einer Zelle Alberts et. Al, Essential Cell Biology (2010) Elementare Zellbestandteile: Proteine • Ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung • Moleküle, die u. a. biochemische Reaktionen katalysieren (Enzyme) • Molekulare Maschinen Harvard University/XVIVO Anwendung in Einzelmoleküluntersuchungen an Proteinen Molekulare Motoren sorgen für Transport in Zellen Kinesin Motor und Mikrotubulus Alberts et. al, Essential Cell Biology (2010) Transportvorgänge in Nervenzellen Modifiziert von Alberts et. al, Essential Cell Biology (2010) Physikalische Charakterisierung von Motor-Proteinen: Geschwindigkeit Gemessene Geschwindigkeiten molekularer Motoren: Kinesin: 1-2 µm/s Myosin V: 0.2-0.4 µm/s Alberts et al., Essential Cell Biology, 2010 Physikalische Charakterisierung von Motor-Proteinen: Schrittweiten Schemazeichnung eines Aufbaus zur Messung der Schrittweiten eines molekularen Motors Svoboda et. al, Nature (1993) Experimenteller Aufbau für interferometrisches „Particle Tracking“ Rohrbach et. al, Rev. Sci. Instrum. (2003) Physikalische Charakterisierung von Motor-Proteinen: Schrittweiten Direkte Schrittmessung Funktion der „Paarweisen Distanzverteilung“ Svoboda et. al, Nature (1993) Ergebnis: Kinesin hat Schrittweite von 8 nm! Physikalische Charakterisierung von Motor-Proteinen: Schrittweiten Schrittweite 8 nm Alberts et. al, Essential Cell Biology (2010) Physikalische Charakterisierung von Motor-Proteinen: Kraft Messung der Kraft eines einzelnen Kinesin-Motors mit einer optischen Pinzette Joshua Shaevitz, Stanford University Steve Block Labor, Stanford University → Maximalkraft von Kinesin-Motoren: 5-8 pN (also 5-8∙10-12 N) RNA-Polymerase: Ein molekulare Motor für die Transkription von DNA ← Abstand zweier Basenpaare: 3.4 Å Schrittweite 8 nm Abbodanzieri et. al, Nature (2005) RNA-Polymerase: Ein molekulare Motor mit einer Schrittweite von 3.7 ± 0.6 Å Schrittweite 8 nm Abbodanzieri et. al, Nature (2005) Untersuchungen an einzelnen Zellen: Mechanik von Filopodien Filopodien agieren als Fangarme in Fresszellen Retraktion von Filopodien Kress et al., PNAS (2007) Diskrete Schritte in linearer Retraktion Schrittweitenhistogram Aktinfilamente sind notwendig für Retraktion → Aktinfilament-basierter Kraftgenerator mit Schrittweite von 36 nm Kress et al., PNAS (2007) Kraft-Geschwindigkeits-Relation der Retraktion Verfügbare freie Energie pro Motorschritt: Maximale Kraft eines einzelnen Motors: fit parameter: d = 4.6 ± 0.4 nm Kress et al., PNAS (2007) Thermodynamisches Modell für mehrere molekulare Motoren: • Kraft-abhängige Einzelmotor-Kinetik wird durch erweitertes Einzustandsmodell beschrieben • Mehrere Motoren teilen sich die Zugkraft gleichmäßig auf Einschub zu holographischen optischen Pinzetten Von Einzelstrahlpinzetten zu Mehrstrahlpinzetten 1µm Silicapartikel Mehrere Fallen 1µm Silicapartikel Objektiv Phasenmaske Chapin et al. (2006) Hologramm Laser Dufresne, et al (1998, 2001) 1998: Entwickliung der ersten holographischen optischen Pinzetten durch David Grier und Eric Dufresne Holographische optische Pinzetten Aktueller Aufbau an der Uni Bayreuth (Konrad Berghoff, Steve Keller, Adal Sabri, Wolfgang Groß und Lisa Gebhardt) Untersuchung einzelner Zellen: Raum-zeitlich flexible chemische Stimulierung Kontrolle über die chemische Mikroumgebung von einzelnen Zellen Immunzelle (Neutrophile) und Bakterium Hypothese: Kurzreichweitiger positiver und langreichweitiger negativer Rückkopplungskreis By David Rogers (Vanderbilt University) 1950s, 16 mm camera Weiner, Curr. Opin. Cell. Biol. 2002 Welches sind die charakteristischen Längen- und Zeitskalen? → Flexible raum-zeitliche Zellstimulierung nötig! Flexible Zellstimulierung mit optisch gefangenene Mikroquellen Mikroquellen: Struktur und Wirkstoff-Abgabeverhalten Material: PLGA (Polymer) Kontrollierte Wirkstoffabgabe eingeschlossener Chemikalien (Lockstoff fMLP) bead concentration: 1 mg/ml Konzentrationsprofil um einzelnes Mikropartikel Kress et al., Nature Methods (2009) → Gradient auf der Längenskala einer Zelle: Zellreaktionen auf flexible partikel-basierte Stimulierung Ein anziehendes Partikel (welches den Lockstoff fMLP absondert) Kress et al., Nature Methods (2009) Zwei repulsive Partikel (welche den Aktin-Inhibitor Cytochalasin absondern) Untersuchung einzelner Zellen: Zelluläre Entscheidungsfindung Zelluläre Entscheidungsfindung Aktuelles M.Sc. Projekt von Adal Sabri mit Unterstützung durch Konrad Berghoff, Steve Keller und Kathrin Weidner-Hertrampf Phagozytose: Einverleibung von Partikeln Monica Hagedorn, 2005 Mayer-Scholl et al., PLoS Pathogens 2005 Aufnahme von zwei Partikeln: Getrennt oder gemeinsam? Getrennte Internalisierung zweier Partikel Gemeinsame Internalisierung zweier Partikel Getrennte Aufnahme von zwei Partikeln Gemeinsame Aufnahme von zwei Partikeln Entscheidungsverhalten der Zelle hängt vom Partikelabstand ab Partikel ⌀ = 2 µm … was kann man noch so alles mit optischen Pinzetten machen? Vrije Universiteit Amsterdam Danksagung Doktoranden Konrad Berghoff Wolfgang Groß Steve Keller Herbst 2014 Master StudentInnen Tim Klaußner Silvie Krizova Adal Sabri Christina Zahn Bachelor Studenten Stefan Conrad Christopher Greve Veit Mengling TechnikerInnen Pamela Anger Andrea Hanold Ralf Pihan Kathrin WeidnerHertrampf Konrad Steve Adal Lisa Wolfgang Philipp Christina Andrea Kathrin Tim Margot Holger Alumni Philipp Dorscht Manuel Eisentraut Lisa Gebhardt Michael Schukalski Literatur: Erste Beschreibung einer optischen Pinzette Literatur: Erste Beschreibung einer holographischen optischen Pinzette Literatur: Übersichtsartikel (Reviews) zu optischen Pinzetten Literatur: Praktische Anleitungen zu optischen Pinzetten Zusammenfassung • Grundlagen und Funktionsweise optischer Pinzetten • Charakterisierung und Kalibrierung optischer Pinzetten • Vergleich zwischen Theorie und Experiment • Einzelmoleküluntersuchungen an Proteinen – Kinesin-Motor – RNA-Polymerase • Untersuchungen an einzelnen Zellen – Mechanik von Filopodien – Einschub zu holographischen optischen Pinzetten – Raum-zeitlich flexible chemische Stimulierung von Zellen – Zelluläre Entscheidungsfindung • Literaturempfehlungen