2.2010 trends in automation Impulse 24 25 Wenn Displays schweben Bild: Ricmar / Fotalia Luft hebt Touchpanels Ein Fingerstreich über das Handy und man hat in Windeseile seine Kontakte von A bis Z auf einen Blick. Auf Bildschirmen wird immer mehr mit den Fingern herumgedrückt: Touchdisplays machen‘s möglich. Möglichst dünn, leicht und sensibel müssen sie sein – für die Hersteller eine knifflige Aufgabe. Die Maschinenbauer von Ricmar sorgen mit ihren Messanlagen dafür, dass die Qualität der Touchpanels stimmt. Pneumatik bringt das Glas zum Schweben, Elektrik bewegt es – alles von Festo. Touchpanels setzen sich immer mehr durch – die dünnen Kontaktbahnen an ihrer Oberfläche sind für uns beinahe unsichtbar b Industrie-PC, Smartphone oder Fahrscheinautomat – Touchscreens erobern den Alltag und machen Maus & Co. zunehmend arbeitslos. Alles, was man zur Steuerung eines Displays braucht, ist der eigene Finger – und den hat man immer mit dabei. So leicht die praktische Anwendung aber auch ist, so groß ist die Herausforderung für die Hersteller, um die perfekte Berührungsempfindlichkeit zu garantieren. Messanlagen von Ricmar verleihen Touchdisplays den richtigen Touch, denn Fehler finden sie sofort heraus. Pneumatik von Festo lässt die Glaspanels schnell und sicher durch die Anlagen schweben. O Bilder: Ricmar – Spezialisten im Photovoltaik- und Halbleiterbereich Als Teil der international erfolgreichen RicmarGruppe kann die in Kramsach beheimatete Ricmar Beteiligungs GmbH auf rund 20 Jahre Erfahrung im Maschinen- und Anlagenbau zurückgreifen. Spezialisiert hat sich das Tiroler Unternehmen auf die Entwicklung und Herstellung kundenspezifischer Maschinen für die Photovoltaikund Halbleiterindustrie. Die umfangreiche Produktpalette reicht vom Wafer-Handling- bis zu Laser-basierten Systemen. Mit dem Trend zu Touchdisplays ist ein neues Spezialgebiet hinzugekommen: Anlagen zur Funktionskontrolle von Glaspanels. Adler-Auge gefragt Feine Leiterbahnen mit einer Größe im Tausendstel-Millimeter-Bereich – sie sorgen dafür, dass ein Touchpanel das tut, was man will: „Von dieser sogenannten ITO-Schicht hängt die Berührungssensitivität und damit die Funktionalität der Panels ab. Aufgabe unserer Anlagen ist es, diese Glasplatten optisch zu inspizieren und auf Störstellen, Defekte oder Unterbrechungen zu kontrollieren“, sagt Ing. Gerhard Zeindl, Geschäftsführer von Ricmar, über die Funktion der Messanlage, die es in zwei Ausführungen gibt: eine semi-automatische, bei der ein Ope- rator das Glaspanel nach dem Beschichtungsprozess manuell einlegt, sowie eine vollautomatische Version. Mit bloßem Auge sind die Leiterbahnen auf den Glasplatten nicht zu erkennen, deshalb muss ein High-Tech-Kontrolleur her: Hochauflösende Kameras werden im Messbereich automatisch von oben zugeführt und zur Kontrolle in einem Rasterverfahren über die bis zu 600 mal 500 Millimeter großen Glaspanels bewegt. Dabei werden Bilder aufgezeichnet, analysiert und ausgewertet – ein Vorgang, der lediglich 23 Sekunden in Anspruch nimmt. Werden Fehler geortet, wird die Ware ausgeschleust. Ist alles in Ordnung, schwebt das fertig inspizierte Glaspanel auf dem Luftkissen weiter in Richtung Magazin. Ab in die Luft! Um die Panels sicher festzuhalten und sorgsam durch die Anlage zu takten, war für die Experten von Ricmar Pneumatik von Festo die erste Wahl: „Die Glaspanels sind nur 0,6 bis 3 Millimeter dünn und sehr fragil. Höchste Vorsicht ist geboten. Gefragt war deshalb eine Lösung, bei der die Platten möglichst sanft und berüh- rungslos gehandelt werden – vor allem, um Kratzer, Verunreinigungen oder gar Brüche zu vermeiden. Luft ist hierfür das ideale Gleitmedium“, sagt Zeindl. Komponenten von Festo lassen die Glaspanels durch die Anlage schweben: Auf einem Luftpolster – erzeugt von ATBT-Luftlagerschienen – werden die Platten mechanisch von A nach B transportiert. Von den Gleitlagern wird Luft nach oben ausgeblasen und die Glasplatten heben ab. Der große Vorteil: Es kommt zu keiner Berührung. Neben der dadurch gewährleisteten Sicherheit garantiert die feinporige Struktur der Gleitlager zudem eine homogene Luft-Durchströmung und einen geringen Luftverbrauch. Das berührungslose Anheben der Panels wird mittels vorkonfektionierten Luftlagerschienen von Festo zuverlässig erledigt. Vakuum-Chuck als Highlight Damit die Panels auf dem Luftpolster schnell und zuverlässig durch die Anlage gleiten, kommen die elektrische Zahnriemenachsen des Typs EGC zum Einsatz. Mit Hilfe von selbstentwickelten Greifern werden die Panels sanft in den Inspektionsbereich transportiert. Dort wartet das Highlight der Anlage auf seinen Auftritt: ein Vakuum-Chuck, der für die lagerichElektrische EGC-Zahnriemenachsen führen die schwebenden Panels dem Messtisch zu. 2.2010 trends in automation Impulse 26 27 – Ein Vakuum-Chuck sorgt für die lagerichtige Fixierung des Panels während des Messvorgangs. Kolbenstangenlose Antriebe vom Typ DGO öffnen und schießen die einzelnen Magazinstationen. Kein „Durchhänger“ erwünscht Eine besondere Herausforderung bei der Konstruktion: „Das absolut gerade Schweben und Festhalten der Glaspanels ist nur durch eine gleichmäßige LuftDurchströmung möglich. Das wurde mit lasergebohrten Microdüsen in der Deckplatte des Vakuum-Chucks erreicht. Der Bohrdurchmesser liegt dabei im µm-Bereich“, unterstreicht Zeindl begeistert. Höchste Präzision war auch in Hinblick auf die unterschiedlichen Glasdicken gefragt: „Damit der Durchhang in der Mitte der Glasplatten nicht zu groß wird, mussten wir im Vorfeld umfangreiche Berechnungen durchführen“, sagt Zeindl, der sich über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Festo erfreut zeigt: „Ob bei der vorkonfektionierten Luftlager-Systemlösung oder der Konstruktion des VakuumChucks – unsere speziellen Anforderungen wurden optimal erfüllt.“ ¢ www.ricmar.com www.festo.at Ing. Michael Wurm, Gebietsverkaufsleiter Festo, Ing. Gerhard Zeindl, Geschäftsführer Ricmar, Ing. Stefan Gruber, Konstruktion Ricmar, und DI(FH) Arian Scholz, Festo Key Account Management Solar. Forschung Fliegenhirn als Vorbild für die Bildverarbeitung 20 µm Nun können erstmals einzelne Zellen in dem Gehirnbereich beobachtet werden, der bei Fliegen für das Bewegungssehen zuständig ist (Maßstab: 20 Mikrometer). Was Fliegen bei ihren rasanten Flügen leisten, schafft noch kein Computer. Sie verarbeiten in Echtzeit auf kleinstem Raum eine riesige Bilderflut. Wie sie so blitzschnell wahrnehmen und reagieren, konnte auf Ebene einzelner Nervenzellen bisher nicht gemessen werden. Forscher vom MaxPlanck-Institut für Neurobiologie sind nun einen Schritt weiter. ie Herausforderung in der Forschung mit Fliegen besteht darin, dass die Fliege ihr Bewegungssehen nur in einem sehr kleinen Areal im Gehirn verarbeitet. Auf weniger als einem Sechstel Kubikmillimeter Gehirn verfügt sie hier über 100.000 Nervenzellen, die jeweils mehrfach mit ihren Nachbarzellen verbunden sind. Die Zellen und ihre Verbindungen sind viel zu klein, als dass man sie mit feinen Elektroden einzeln beobachten könnte. D Moleküle markieren Nervenzellen Die Neurobiologen nutzten für diese Untersuchungen nun neue genetische Ansätze. Sie markierten einzelne Nervenzellen mit Molekülen, die im Aktivzustand ihre Fluoreszenz verändern. Zeigte man den Fliegen auf einem Leuchtdioden-Bildschirm Streifenmuster, die sich bewegten, so reagierte das Indikatormolekül auf die aktiven Nervenzellen im Leuchtverhalten. Ein zwei-Photonen-Lasermikroskop machte dies sichtbar und trennte dabei die geringe Lichtmenge vom einfallenden LED-Licht. Fliegenaugen in der Robtik Zelle für Zelle untersuchen die Wissenschaftler nun das Fliegenhirn mit dieser Methode. Neue Einblicke erhielten sie dadurch bereits etwa in der Hell-DunkelWahrnehmung der Fotorezeptoren. Das Ergebnis wird sich nicht auf einen Beitrag zur Grundlagenforschung beschränken: Die Forschung verläuft in enger Zusammenarbeit mit Robotik-Entwicklern. Studienleiter Dierk F. Reiff: „Die Evolution hat es innerhalb von hunderten Millionen Jahren geschafft, dass die Fliege mit relativ wenig Neuronen Bilder mit einer Geschwindigkeit überträgt, bei der ungleich viel größere Kameras nur ein Rauschen wahrnehmen. Auf lange Sicht ist zu hoffen, dass wir auf Grundlage neuer Erkenntnisse eine robuste, effiziente Hardware für visuelle Bewegungsdetektoren entwickeln.“ ¢ http://www.neuro.mpg.de Dr. Thomas Berndorfer, Leitung Festo Forschungseinheit für Bildverarbeitung, Wien In der industriellen Bildverarbeitung verwenden wir zahlreiche Algorithmen, die ursprünglich aus der biologischen Arbeitsweise des menschlichen bzw. tierischen Sehens stammen. Bei näherem Hinsehen können wir das Zusammenwirken von Netzhaut und Gehirn dort wiederfinden, wo wir nach Kanten, Mustern und Bewegungen in Bildern suchen. Sogar das effiziente Speichern und Übertragen von Bildern und Videos in den Formaten wie jpg oder mpg ist letztlich unserem Auge auf den Leib geschneidert. Bilder: Max-Planck-Institut für Neurobiologie tige Fixierung des Panels beim KameraCheck sorgt. „Beim Messvorgang muss sich das Glaspanel in einer absolut stabilen Lage befinden. Ist das Panel über Chuck, wird der Luftstrom von Ausblasen auf Vakuum umgeschaltet, um die Platten zu fixieren“, erklärt Zeindl. Ebenfalls pneumatisch gelöst: das automatisierte Öffnen und Schließen der einzelnen Magazinstationen mit Hilfe von kolbenstangenlosen Antrieben des Typs DGO. Die zuverlässige Verriegelung der Magazine übernehmen DSM-Schwenkantriebe. Blick ins Fliegenhirn: Mit modernsten Mikroskopie-Methoden beobachten Neurobiologen die Aktivität von Nervenzellen, während die Fliege bewegte Muster sieht und verarbeitet.