Feynman-Regeln

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N.BORGHINI
Elementarteilchenphysik
Wechselwirkende Teilchen
VIII. Feynman-Regeln
Zur Berechnung der Amplitude M für einen gegebenen quantenfeldtheoretischen Prozess wurde ein
günstiger Formalismus entwickelt, basierend auf einer graphischen Darstellung. In diesem kurzen
Kapitel werden diese sog. Feynman-Regeln ohne Beweis eingeführt.33
Betrachte den Übergang, induziert durch einen Wechselwirkungsterm, zwischen einem Anfangsund einem Endzustand bestehend aus beliebig vielen ein- und auslaufenden Teilchen mit bestimmten
Viererimpulsen und Spins, wie z.B. in Abb. VIII.1 schematisch dargestellt wird.
4
3
CC
6 COC
t
6
5
Prozess
CC
COC
1
2
Abbildung VIII.1: Schematische Darstellung eines Prozesses mit zwei Teilchen im Anfangszustand
und drei Teilchen im Endzustand.
Zu einer gegebenen Ordnung in Störungsrechnung — entsprechend der Potenz des Wechselwirkungsterms in der Entwicklung des Zeitentwicklungsoperators, vgl. Abschn. VI.2.2 b — lässt sich
die Amplitude als Summe von Teilamplituden schreiben. Jeder Teilamplitude kann ein FeynmanDiagramm zugeordnet werden, bestehend aus drei Arten von elementaren Bausteinen: externen
Linien, mit einem freien Endpunkt; Vertices, wo drei oder mehr Linien sich treffen; und möglicherweise internen Linien, auch Propagatoren genannt, mit einem Vertex an beiden Endpunkten.
Als Beispiel ist der Annihilationsprozess e− (p1 , σ1 ) + e+ (p2 , σ2 ) → γ(p3 , λ3 ) + γ(p4 , λ4 ) in
Abb. VIII.2 abgebildet, mit pi , σi bzw. λi den Viererimpulsen, Helizitäten bzw. Polarisationen
der ein- und auslaufenden Teilchen.
p3 ,λ3 ,µ3
p4 ,λ4 ,µ4
vvkFkuu
e d
E
e
d
I
@
@
6
t
p1 ,σ1
@
I
@
p2 ,σ2
Abbildung VIII.2: Feynman-Diagramm für Elektron–Positron-Annihilation zur führenden Ordnung.
Ein solches Diagramm darf nicht als Darstellung einer Folge von Ereignissen in der Raumzeit
interpretiert werden. Insbesondere bedeutet der mit t versehene Pfeil links nur, dass die externen
Linien 1 und 2 unten bzw. 3 und 4 oben für die ein- bzw. auslaufenden Teilchen stehen.
Jeder Baustein eines Feynman-Diagramms entspricht einem multiplikativen Beitrag zur Teilamplitude, gegeben durch die Feynman-Regeln, die jetzt formuliert werden.
Linien
À Externe
::::::::::::::
Diese stellen die ein- und auslaufenden Teilchen dar, wobei der freie Endpunkt dem asymptotisch
freien Anfangs- bzw. Endzustand bei t → −∞ bzw. t → +∞ entspricht. Jede solche Linie wird durch
den Viererimpuls des Teilchens gekennzeichnet, sowie, im Fall von Spin- 21 - bzw. Spin-1-Teilchen,
durch die zugehörige Helizität σ bzw. Polarisation λ.
33
Entäuschte Leserinnen können sich mit dem Gedanken trösten, dass Feynman selbst „seine“ Regeln für quantenelektrodynamische Prozesse nicht hergeleitet, sondern genial intuitiert hat.
VIII. Feynman-Regeln
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N.BORGHINI
Wechselwirkende Teilchen
Elementarteilchenphysik
Je nach der Art des Teilchens werden verschiedene Typen von Linien benutzt, entsprechend
verschiedenen Beiträgen zur Amplitude:
hh
kFk
p
−→
p,σ
−→
kk
p,σ
−→
gg
für ein Spin-0-Teilchen mit Viererimpuls p.
Dies gibt einen Faktor 1 in der Amplitude.
für ein Spin- 21 -Teilchen (z.B. ein Elektron) mit Viererimpuls p und Helizität σ.
Für ein einlaufendes Teilchen ist der Beitrag zur Amplitude gleich u(~
p, σ);
für ein auslaufendes Teilchen ist der Beitrag zur Amplitude gleich ū(~
p, σ).
für ein Spin- 21 -Antiteilchen (z.B. ein Positron) mit Viererimpuls p und Helizität σ.
Für ein einlaufendes Antiteilchen ist der Beitrag zur Amplitude gleich v̄(~
p, σ);
für ein auslaufendes Antiteilchen ist der Beitrag zur Amplitude gleich v(~
p, σ).
p,λ,µ
−→
für ein Spin-1-Teilchen (z.B. ein Photon) mit Viererimpuls p und Polarisation λ.
µ
Dies gibt einen Faktor ε(λ)
(~
p) in der Amplitude.
Bemerkungen:
∗ Äußere Linien stehen für on-Shell-Teilchen bzw. -Antiteilchen, so dass die Angabe des Impulses
p~ und der Masse m — je nach der Teilchenart: Elektron, Myon, Neutrino, Photon. . . — die Energie
und somit den Viererimpuls vollständig bestimmt.
∗ Der Pfeil auf den für Spin- 12 -(Anti)Teilchen stehenden Linien gibt an, welche Teilchen und welche Antiteilchen sind: bei den Ersteren propagieren die Ladungen in die gleiche Richtung wie der
Viererimpuls, bei den Letzteren propagieren sie rückwärts.
Die Linien für Spin-0- oder Spin-1-Teilchen können natürlich auch mit solchen Pfeilen versehen
werden, falls die Teilchen eine erhaltene Ladung tragen. Im Fall der Bosonen des Standardmodells
werden jene Pfeile traditionell nicht geschrieben.
∗ In dieser Vorlesung wurde angenommen, dass Polarisationsvektoren reell sind [vgl. Gl. (IV.12)].
Man darf auch komplexwertige Polarisationsvektoren betrachten. In jenem Fall ist der Faktor in der
µ
µ∗
Amplitude ε(λ)
(~
p) für ein einlaufendes Spin-1-Teilchen und ε(λ)
(~
p) für ein auslaufendes Teilchen.
Á Vertices
:::::::
Vertices stellen die Punkte dar, wo Teilchen miteinander wechselwirken. Dabei hat man, je nach
dem Wechselwirkungsterm im Hamilton-Operator, 3-Teilchen-Vertices, 4-Teilchen-Vertices, usw.
In Abschn. VI.2.2 b wurde gezeigt, dass die Reihenentwicklung des Zeitentwicklungsoperators
ÛI (t, t0 ) der nichtrelativistischen Quantenmechanik nach Potenzen der Wechselwirkung Terme der
Z
Form
i
−
g V̂I (t0 ) dt0
~
liefert. In einer quantentheoretischen Beschreibung, basierend auf einer Lagrange’schen Formulierung, lauten diese Terme
Z
i
L̂I dt0 d3 ~x 0 ,
~
mit L̂I dem Wechselwirkungsterm (im Wechselwirkungsbild) in der Lagrange-Dichte. Der Letztere
ist allgemein ein Polynom in den Feldoperatoren der an der Wechselwirkung teilnehmenden Teilchen,
wie z.B. für Teilchen mit Spin 0
L̂I = gjkl φ̂j φ̂k φ̂l + ghjkl φ̂h φ̂j φ̂k φ̂l + · · ·
(VIII.1)
Dann schreibt man für jeden Vertex des Feynman-Diagramms einfach einen Faktor ig, wo die
Kopplungskonstante g der passende Koeffizient des Polynoms ist. Im Beispiel der obigen LagrangeVIII. Feynman-Regeln
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Wechselwirkende Teilchen
Elementarteilchenphysik
Dichte (VIII.1) lautet der Beitrag zur Teilamplitude
jh
i
ji
ij
j
• für jeden 3-Teilchen-Vertex
k
kommt ein Faktor igjkl ;
l
• für jeden 4-Teilchen-Vertex
Linien
 Interne
:::::::::::::
h
k
j
l
kommt ein Faktor ighjkl , usw.
Eine günstige doch schnell irreführende Interpretation einer solchen Linie ist, dass sie das Propagieren von irgendeinem (Anti)Teilchen zwischen zwei Wechselwirkungspunkten beschreiben. Jenes
(Anti)Teilchen hätte dann die gleiche Masse m und die gleichen Quantenzahlen (Spin, Ladungen. . . )
wie das entsprechende „reale“ Teilchen, das im Anfangs- oder Endzustand auftreten kann.
Dagegen hat es keinen Helizitäts- oder Polarisationszustand — in den hiernach angegebenen
Propagatoren wird schon über alle Möglichkeiten summiert. Dazu trägt es einen Viererimpuls q, der
die Energie–Impuls-Beziehung q2 = m2 c2 nicht erfüllen soll: es ist „off-Shell“. Somit wird das Ding,
das man mit einer inneren Linie assoziiert, als virtuelles (Anti)Teilchen bezeichnet.
Hiernach werden die verschiedenen internen Linien je mit der zugehörigen Form des Propagators
dargestellt. In jedem Fall bezeichnet m die Masse des virtuellen (Anti)Teilchens.
q
i
−→
(VIII.2a)
(Spin-0-Teilchen) entspricht dem Propagator 2
.
q − m2 c2
q
)
−→
i (6 q + mc)
(Spin- 21 -Teilchen) und
q
(VIII.2b)
entsprechen dem Propagator 2
.
←−
1
q − m2 c2
(Spin- 2 -Antiteilchen)
q
−→
µ
−iη µν
ν
(VIII.2c)
(Spin-1-Teilchen) entspricht dem Propagator 2
.
q − m2 c2
Alle diese Propagatoren tragen multiplikativ zur Amplitude M bei.
hh
kFk
kk
gg
à Energie–Impuls-Erhaltung
:::::::::::::::::::::::::
An jedem Vertex muss der Viererimpuls erhalten sein. Diese Bedingung schränkt die möglichen Werte der Viererimpulse vieler interner Linien ein. Hier soll die globale Viererimpulserhaltung
zwischen Anfangs- und Endzustand benutzt werden.
über die Viererimpulse der internen Linien
Ä Integration
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Jetzt integriert man üben jedem internen Viererimpuls q, der im vorigen Schritt à nicht bestimmt wurde, mit dem Integrationsmaß d4 q/(2π)4 .
(1)
Å Antisymmetrisierung
:::::::::::::::::::::::
Für jede geschlossene Fermion-Schleife eines gegebenen Feynman-Diagramms wird die Teilamplitude mit (−1) multipliziert. Dazu soll man die Spur des entsprechenden Produkts von GammaMatrizen bilden.
Æ Gesamtphase
::::::::::::
Das Ergebnis der Schritte À bis Å wird jetzt noch mit einem Faktor i multipliziert, was die
endgültige Teilamplitude M liefert. Dies hat natürlich keinen Einfluss auf |M|2 , ist aber üblich.
Jetzt sollen alle Teilamplituden, die bis zu einer gegebenen Ordnung vorkommen, summiert
werden, um die gesamte Amplitude zu geben. Dabei kommt ein letzter Schritt, falls es zwei identische
ein- oder auslaufende Fermionen gibt:
(2)
Ç Antisymmetrisierung
:::::::::::::::::::::::
Zwei Diagramme, die sich nur durch Austausch von zwei externen Fermionen unterscheiden,
sollen nicht addiert, sondern subtrahiert werden, d.h. eines davon soll mit einem Minuszeichen
versehen werden.
VIII. Feynman-Regeln
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