Update in der Diagnostik der Myokarditis

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FORTBILDUNG
Die Endomyokardbiopsie (EMB) bleibt der Goldstandard
Update in der Diagnostik der Myokarditis
Die klinische Manifestation einer Myokarditis ist überaus variabel und reicht von symptomlosen Formen bis hin zum plötzlichen Herztod. Bei jeder Herzinsuffizienz unklarer Genese
sollten EMB diskutiert werden, zumal die Komplikationsrate
bei deren Entnahme sehr niedrig ist.
D
ie Erkrankung beschreibt einen sich herdförmig oder diffus
im Herzmuskel ausbreitenden akuten bzw. chronisch-rezidivierend verlaufenden Entzündungsprozess, welcher mit Nekrose
und/oder degenerativen Veränderungen der Myozyten einhergeht,
die nicht typisch sind für eine ischämische Schädigung, wie sie im
Rahmen der koronaren Herzerkrankung auftritt. Der Verlauf der
akuten Myokarditis ist häufig gutartig, und das Krankheitsbild passager. Bei den fulminanten Formen kann es jedoch innerhalb weniger Tage zum Pumpversagen des linken Ventrikels, zu bedrohlichen
atrialen Rhythmusstörungen oder auch tachykarden ventrikulären Arrhythmien kommen. Rhythmusstörungen können allerdings
auch bei chronischen Formen der Myokarditis aufgrund von Störungen der Myokardstruktur, z. B. durch lokale Fibrosierung sowie
durch sekundäre Hypertrophie und Degeneration der Kardiomyozyten zum Tod führen. Neueren Untersuchungen zufolge ist eine
virusinduzierte chronische Myokarditis eine Hauptursache der dilatativen Kardiomyopathie (DCM).
Ätiopathogenese der Myokarditis
Hinsichtlich der Ätiopathogenese der Myokarditis konnte durch
Anwendung der Polymerasekettenreaktion und der in-situ-Hybridisierung an EMB belegt werden, dass vor allem virale Infektionen
Prof. Dr. med.
Karin Klingel
Tübingen
Prof. Dr. med.
Reinhard Kandolf
Tübingen
als pathogenetisch relevant anzusehen sind (1, 2). Hierbei wurden
in den vergangenen Jahren neben Enteroviren (EV), Coxsackieviren der Gruppe B, verschiedenen Coxsackieviren der Gruppe A
und Echoviren auch Adenoviren, verschiedene Herpesviren (Epstein-Barr Virus, humanes Herpesvirus 6, humanes Cytomegalievirus) sowie auch Parvovirus B19 (PVB19) als kardiotrope Erreger
im Myokard identifiziert (3, 4). Durch in-situ-Hybridisierung
konnte gezeigt werden, dass Enteroviren über eine lytische Infektion der Myozyten eine akute Myokarditis initiieren, sodann aber
auch als persistierendes Pathogen eine chronische Entzündungsreaktion aufrechterhalten können (3). Bei einer signifikanten Anzahl von Patienten resultiert dies in einem Verlust von Myozyten
mit reaktiver Myokardfibrose bis hin zur Dilatation des Herzmuskels und myokardialen Dysfunktion. Im Gegensatz zu Enteroviren
_ 2013 _ der informierte arzt
3810 replizieren Epstein-Barr-Virus und humanes Herpesvirus 6 offensichtlich in interstitiellen Immunzellen. PVB19, der Erreger der
Ringelröteln, hingegen infiziert im Myokard Endothelzellen von
kleineren Arteriolen und Venolen (1, 3, 4). Über die Expres­sion
von Adhäsionsmolekülen in infizierten Endothelien werden die
intravasale Akkumulation und Penetration von Entzündungszellen in das benachbarte Myokard induziert. Als überaus bedeutsam
erscheint die Beobachtung, dass PVB19 aufgrund seiner Affinität
zu Endothelien eine Mikrozirkulationstörung des Herzens induzieren kann, die bei einem Teil der Patienten trotz unauffälliger
Korona­rien mit den klinischen Zeichen eines Myokardinfarktes
einhergeht (5).
Bei vielen anderen Virusinfektionen, die in Zusammenhang
mit einer Myokarditis genannt werden, ist die ätiologische Bedeutung im Sinne einer direkten Virusvermehrung im menschlichen
Herzen bislang nicht gesichert, wobei aber aufgrund klinischer Arbeiten zumindest von einer virusassoziierten, unspezifischen entzündlichen Begleitaktivität im Herzmuskel ausgegangen werden
kann, wie bei Infektionen mit Influenzaviren oder HIV. Neben Viren sind auch verschiedene Bakterien, Pilze sowie einige Parasiten
ätiopathologisch für die Entstehung einer Myokarditis von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für Borrelia burgdorferi, dem Erreger
der Lyme-Karditis, der durch Zeckenbiss übertragen wird, oder den
Erreger der Chagas-Erkrankung, Trypanosoma cruzi (1, 2).
Neben infektiösen Ursachen sind als Auslöser von Herzmuskelentzündungen auch verschiedene Systemerkrankungen (z. B. Lupus
erythematodes, Sarkoidose) oder auch kardiotoxische Medikamente und Substanzen (z.B. Anthrazykline, Kokain) oder Hypersensitivitätsmyokarditiden (z.B. Antibiotika) von klinischer Relevanz
(1, 2).
Histopathologische und immunhistologische
Befunde bei Myokarditiden
Die strukturellen Veränderungen bei der Myokarditis werden seit
1987 durch die DALLAS-Kriterien definiert, wobei der Nachweis
von Myozytolysen und Entzündungszellen im Vordergrund der
morphologischen Myokarditisdiagnostik steht. Die seit einigen
Jahren in verschiedenen kardiopathologischen Zentren etablierte
Anwendung immunhistochemischer Verfahren an Paraffinschnitten erlaubt nun zudem eine Identifikation, Phänotypisierung und
Quantifizierung der das Myokard infiltrierenden Immunzellen;
zudem ermöglicht sie hierdurch Aussagen über die Aktivität der
immunologischen Prozesse in den verschiedenen Stadien der Erkrankung mit prognostischer Relevanz (6). Somit sichert der immunhistologische Nachweis eines zellulären Infiltrates von ≥ als 14
Lymphozyten und Makrophagen pro mm2 Myokardgewebe die Diagnose einer chronischen Myokarditis auch bei fehlendem Nachweis
von Myozytolysen. Eine persistierende, abheilende oder abgeheilte
Myokarditis lässt sich erst in einer Verlaufsbiopsie sichern.
Stellenwert der Endomyokardbiopsien
Trotz ständig sich weiterentwickelnder nicht-invasiver Methoden
wie der Magnetresonanztomographie im Rahmen der Herzinsuffizienzdiagnostik (7) stellt die histopathologische Untersuchung
von EMB nach wie vor den Goldstandard zur Differentialdiagnose von Myokarditiden und Kardiomyopathien dar (1, 2, 8). Insbesondere unter dem Aspekt der Ätiopathogenese dieser heterogenen
Erkrankungen und der hieraus resultierenden unterschiedlichen
der informierte arzt _ 10 _ 2013
Bildquelle: Karin Klingel (Autor)
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Abb. 1: Lichtmikroskopischer Nachweis einer Riesenzellmyokarditis
mit zahlreichen Myozytennekrosen und Infiltratzellen (A, Masson Trichromfärbung), Sarkoidose mit immunhistochemischem Nachweis von
CD68-positiven Makrophagen (B), eosinophilen Myokarditis (C, Giemsafärbung), follikulären Myokarditis (D, HE-Färbung) und einer akuten
lymphozytären Myokarditis (E, Masson-Trichromfärbung) mit immunhistochemischem Nachweis von CD3-positiven T-Lymphozyten (F).
therapeutischen Optionen sollte bei jeder Herzinsuffizienz unklarer
Genese die Indikation der EMB diskutiert werden, zumal die Komplikationsrate bei der Entnahme von EMB nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern als überaus niedrig einzustufen ist.
Wie in einer Arbeit von Cooper et al. (2007) zur Abschätzung der
diagnostischen, prognostischen und therapeutischen Wertigkeit der
EMB erläutert wurde, liegt das Risiko von schweren Komplikationen bei der Entnahme bei < 1% (9). Zur Minimierung des „sampling errors“ der EMB sollten mindestens 5 Biopsien mit einer Grösse
von 4 mm bis 6 mm3 entnommen werden. Hierbei ist von Vorteil,
dass sowohl die histologischen als auch die immunhistologischen
Färbungen, z.B. zur Differenzierung von Entzündungszellinfiltraten (CD3+-T-Lymphozyten, CD68+-Makrophagen mit MHCIIExpression, wie sie typischerweise bei der akuten und chronischen
Virusmyokarditis vorkommen) an 4% gepuffertem Formalin-fixiertem Herzmuskelgewebe durchgeführt werden können.
In Bezug auf die diagnostische Wertigkeit der EMB bleibt festzuhalten, dass es bislang kein nicht-invasives diagnostisches Verfahren gibt, das eine Differenzierung der Kardiomyopathien nach
ätiopathogenetischen Gesichtspunkten zulässt. Daher sind EMB
nicht nur Standard für die Diagnose der inflammatorischen Kardiomyopathie und anderer entzündlicher Herzmuskelerkrankungen,
wie z.B. der Riesenzellmyokarditis oder der eosinophilen Myokarditis, sondern auch diagnostisch bedeutsam zum Nachweis nichtinflammatorischer Ursachen einer ventrikulären Dysfunk­tion bei
den verschiedenen, nicht-ischämisch bedingten Kardiomyopathien.
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pie, z.B. mit Nukleosid-Analoga zur Behandlung kardialer (Herpes-)Virusinfektionen für Myokarditispatienten insbesondere im
Hinblick auf den Langzeitverlauf der Erkrankung erst noch evaluiert werden.
Prof. Dr. med. Karin Klingel
Prof. Dr. med. Reinhard Kandolf
Abteilung Molekulare Pathologie
Institut für Pathologie und Neuropathologie, Universitätsklinikum Tübingen
Liebermeisterstr. 8, 72076 Tübingen
[email protected]
B Interessenkonflikt: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklarier
Literatur:
1. Kindermann I, Barth C, Mahfoud F, Ukena C, Lenski M, Yilmaz A, Klingel K, Kandolf R, Sechtem U, Cooper LT, Böhm M. Update on myocarditis. J Am Coll Cardiol. 2012; 59779–92
Abb. 2: Darstellung viraler Infektionen im Myokard
durch radioaktive in-situ-Hybridisierung (schwarze
Signale). Epstein-Barr-Virus repliziert in mononukleären Entzündungszellen (A), während PVB19
Endothelzellen von Arteriolen (B) und Venolen
infiziert.
2. Caforio A, Pankuweit S, Arbustini E, Basso C, Gimeno-Blanes J, Felix SB, Fu M,
Heliö T, Heymans S, Jahns R, Klingel K, Linhart A, Maisch B, McKenna W, JMogensen J, Pinto Y, Ristic A, Schultheiss HP, Seggewiss H, Tavazzi L, Thiene G,
Yilmaz A, Charron P, Elliott PM. Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management and therapy of myocarditis. A position statement of the European Society of Cardiology working group on myocardial and pericardial diseases.
European Heart J. 2013, in press
3. Klingel K, Sauter M, Bock CT, Szalay G, Schnorr JJ, Kandolf R. Molecular pathology
of inflammatory cardiomyopathy. Med Microbiol Immunol. 2004; 193: 101–107
4. Bock CT, Klingel K, Kandolf R. Human parvovirus B19-associated myocarditis. N
Engl J Med. 2010; 362: 1248–1249
5. Bültmann BD, Klingel K, Sotlar K, Bock CT, Baba HA, Sauter M, Kandolf R. Fatal parvovirus B19-associated myocarditis clinically mimicking ischemic heart disease: an endothelial cell-mediated disease. Hum Pathol. 2003; 34: 92–5
6. Kindermann I, Kindermann M, Kandolf R et al. Predictors of outcome in patients
with suspected myocarditis. Circulation 2008; 118: 639–648
Als vielversprechend erweist sich die Integration der kardialen
Magnetresonanztomographie (MRT) in das diagnostische Prozedere bei Myokarditis (7). Bei histologisch gesicherter Myokarditis
reflektiert eine Kontrastverstärkung im kardialen MRT den myokardialen Gewebeschaden mit Ödem, Zelllyse und Infiltraten. Die
gezielte EMB in einer MRT-positiven Region minimiert den „sampling error“ mit entsprechender Erhöhung von Sensitivität und
Spezifität. Systemische inflammatorische Biomarker, wie z. B. CRP,
ICAM-1, Fibrinogen, MIP-1, P-Selektin und IL-6 haben sich hingegen als wenig spezifisch für die Diagnose der Myokarditis erwiesen (2).
Konsequenzen für die Therapie der Myokarditis
Die molekularbiologische Diagnose einer Virusinfektion des Herzmuskels rechtfertigt ein Umdenken hinsichtlich therapeutischer
Konsequenzen. Eine immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden ist bei akuten Virusmyokarditiden nicht gerechtfertigt, da
hierdurch in der Regel die Virusreplikation erhöht und das endogene Interferonsystem gehemmt wird. Somit erscheint eine immunsuppressive Therapie nur nach Ausschluss einer Virusinfektion bei
Riesenzellmyokarditis, eosinophiler Myokarditis, Sarkoidose oder
einer kardialen Beteiligung bei entzündlichen Systemerkrankungen
indiziert (10). Eine Therapie mit Immunglobulinen erscheint bei
der akuten Virusmyokarditis mit Nachweis einer Virämie sinnvoll.
Die Effektivität von Typ-I-Interferonen bei enteroviralen Myokarditiden wurde in Tiermodellen und klinischen Pilotstudien belegt.
Dahingegen muss die Wirksamkeit einer antiviralen Chemothera-
7. Yilmaz A, Ferreira V, Klingel K, Kandolf R, Neubauer S, Sechtem U. Role of cardiovascular magnetic resonance imaging (CMR) in the diagnosis of acute and chronic myocarditis. Heart Fail Rev. 2012 Oct 18. [Epub ahead of print]
8. Bennett MK, Gilotra NA, Harrington C, Rao S, Dunn JM, Freitag TB, Halushka
MK, Russell SD. An evaluation of the role of endomyocardial biopsy in 851 patients with unexplained heart failure from 2000–2009. Circ Heart Fail. 2013 Jun 3.
[Epub ahead of print]
9. Cooper LT, Baughman KL, Feldman AM et al. The role of endomyocardial biopsy
in the management of cardiovascular disease. J Am Coll Cardiol. 2007; 50: 1914–
1931
10.Frustaci A, Russo MA, Chimenti C. Randomized study on the efficacy of immunosuppressive therapy in patients with virus-negative inflammatory cardiomyopathy:
the TIMIC study. Eur Heart J. 2009; 30: 1995–2002
Take-Home Message
◆Virale Myokarditiden sind eine Hauptursache der dilatativen Kardiomyopathie
◆Bei jeder Herzinsuffizienz unklarer Genese sollten EMB diskutiert
werden, zumal die Komplikationsrate bei der Entnahme von EMB
sehr niedrig ist
◆Trotz Fortschritte in der nicht-invasiven Diagnostik mittels Magnet­
resonanztomografie (MRT) stellt die EMB den Goldstandard in der
Myokarditisdiagnostik dar
◆Nur die Aufarbeitung der EMB unter Verwendung histologischer,
immunhistologischer und molekularbiologischer Methoden ermöglicht
eine Differenzierung der Myokarditis nach ätiopathogenetischen
Gesichtspunkten mit Konsequenzen für die adäquate Therapie
(immunsuppressive vs. antivirale Therapie)
_ 2013 _ der informierte arzt
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