FREIE UND HANSESTADT HAMBURG Hygiene Institut Hamburg Zentrum für Impfmedizin und Infektionsepidemiologie Im Dienste der Gesundheit des Hygiene Institutes INFEKT-INFO Herausgeber: Infektionsepidemiologie des Hygiene Institutes ! Beltgens Garten 2 ! 20537 Hamburg Leiter: Dr. G. Fell (v.i.S.d.P.), e-Mail: [email protected] Nachdruck : mit Quellenangabe gestattet, jedoch nicht zu gewerblichen Zwecken Kurzbericht über die im Rahmen der Infektionskrankheiten-Surveillance nach IfSG in Hamburg registrierten Erkrankungen Ausgabe 9 / 2002 3. Mai 2002 Kardiotrope Mikroorganismen Es gehört zu den seit langem bekannten infektiologischen Grundtatsachen, dass auch das Herz Zielorgan von Krankheitserregern werden kann, was dann unter Umständen zu Myokarditis oder Perikarditis führt. Immerhin findet sich schon bei Homer ein Bericht über den Krieger Aristomenes, dessen Herz, dass ihm in einer Schlacht herausgerissen wurde, aussah, als sei es mit Haar bedeckt - wohl die früheste Beschreibung einer fibrinösen Perikarditis. Zu den möglichen Auslösern entzündlicher Herzerkrankungen gehören neben manchen selteneren Parasiten und Pilzen eine Reihe von weit verbreiteten Bakterien wie Staphylococcus aureus und Streptococcus spp. aber auch Viren wie das Epstein-Barr-Virus, das Varicella-Zoster-Virus, das InfluenzaVirus und verschiedene Vertreter aus dem Genus der Enteroviren u.a. Hier sind es vor allem die Echo- und die Coxsackie-Viren, die insbesondere mit der Myokarditis assoziiert sind. Während klinisch weitgehend inapparente Begleitmyokarditiden bei Virusinfektionen wahrscheinlich gar nicht selten sind, stellt die klinisch manifeste Erkrankung des Herzmuskels eine ausgesprochen seltene Komplikation dar. In einer 1983 publizierten über mehrere Jahre durchgeführten prospektiven Studie bei finnischen Militärrekruten wur- -2- de für infektiöse Myokarditiden eine durchschnittliche jährliche Inzidenz von 0,02% gefunden1. Ansonsten sind epidemiologische Daten zu dieser Krankheitsgruppe ausgesprochen rar. Über Enteroviren ist bekannt, dass sie weltweit verbreitet sind. Ihr natürliches Habitat ist der menschliche Verdauungstrakt, ein anderes Reservoir scheint nicht zu existieren. Offensichtlich kommt es nur in weniger als 10% der Infektionen zu einer klinisch manifesten Erkrankung, die dann meist als Gastroenteritis oder banaler grippaler Infekt der Atemwege imponiert. Als Hauptübertragungsweg wird die fäkal-orale Route betrachtet, wenngleich vor allem bei respiratorischen Krankheitsmanifestationen auch Tröpfcheninfektion eine Rolle spielen dürfte. Enteroviren, insbesondere Coxsackieviren der Gruppe A und B können allerdings auch eine Reihe weiterer Krankheitsbilder wie die Bornholm-Krankheit (Myalgia epidemica), aseptische Meningits, Herpangina, Hand-Fuß-MundKrankheit, akute schlaffe Lähmung und eben auch Perikarditis und Myokarditis auslösen. Saisonal haben Coxsackie-Virus-Infektionen ihren Häufigkeitsgipfel im Spätsommer und Herbst. Die am häufigsten betroffene Altersgruppe sind Kinder unter 10 Jahren. Mangels systematischer Surveillance gibt es über die Häufigkeit von Coxsackie-Virus-Infektionen und die Manifestationsrate der einzelnen durch sie hervorgerufenen Syndrome keine verlässlichen Daten. Angesichts einer anzunehmenden hohen weltweiten Durchseuchung der Bevölkerung, ist es indessen nicht überraschend, wenn man bei gezielter Suche immer auch Erkrankungsfälle mit Beteiligung des Herzens oder andere Manifestationen der Infektion findet. Eine Schwierigkeit, die sich derzeit auch in Griechenland zeigt, besteht indessen darin, dass es kaum möglich ist, einen normalen Erwartungswert für die Häufigkeit entsprechender Karditiden in der Bevölkerung anzugeben, von dem aus beurteilt werden kann, ob bestimmte Häufigkeitsbeobachtungen außergewöhnlich oder normal sind. 1 Karjalainen J et al. Etiology of mild acute infectious myocarditis. Relation to clinical features. Acta Med Scand 1983; 213: 65-73. -3- Zum Auftreten von virusbedingtem akutem respiratorischem Syndrom mit Myokarditis in Griechenland – April 2002 Zur Zeit liegen folgende aktuelle Informationen der Griechischen Gesundheitsbehörden vor, die vornehmlich über das Europäische Frühwarnsystem EUPHIN - HSSCD (European Public Health Information Network – Health surveillance system for communicable diseases) kommuniziert wurden: Anfang April verstarben 3 Erwachsene jüngeren bis mittleren Alters an kardialen Komplikationen in der Folge eines respiratorischen Infektes. Bereits nach dem 2. Todesfall begann die Griechische Nationale Gesundheitsbehörde mit einer intensiven landesweiten Surveillance des Auftretens weiterer Verdachts- und Erkrankungsfälle, die folgender Falldefinition entsprachen: Myokarditis und / oder Perikarditis, wenn dem in einem Zeitraum von 10 Tagen eine Erkrankung der oberen Atemwege voran gegangen war. Bis zum 25. April waren den Griechischen Behörden 44 Personen, die der Falldefinition entsprachen, gemeldet worden. Am 26.04. gingen zwei und in der Zeit vom 27. bis 29. 4. vier weitere Fallmeldungen ein. Alle Patienten sind klinisch stabil oder auf dem Weg der Besserung. Betroffen sind Personen mittleren Alters beiderlei Geschlechts aus allen Regionen Griechenlands. Es waren nur wenige Kinder und keine Personen erkrankt, die Griechenland geschäftlich oder touristisch bereisten. Derzeit ist noch nicht klar, ob es sich bei den Beobachtungen um einen regelrechten Ausbruch oder um einen saisonalen Anstieg der Erkrankung handelt, der aufgrund der intensiven Surveillance evident wurde. Untersuchungen an den ersten beiden Verstorbenen hatten mittels PCR eine EnterovirusInfektion bestätigt, zwei Stuhlproben von zwei weiteren Fällen ebenfalls. Inzwischen ist das Enterovirus als Coxsackievirus der Gruppe B identifiziert worden. -4- Die Griechischen Gesundheitsbehörden haben allgemeine Empfehlungen zu einer intensivierten persönlichen Hygiene ausgesprochen und alle Ärzte zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen. Als Vorsichtsmaßnahme wurden Schulen und Universitäten für zwei Tage geschlossen, danach begannen die griechischen Osterferien. In Übereinstimmung mit der WHO und den Repräsentanten von HSSCD EUPHIN wurde festgestellt, dass das Geschehen derzeit keine Einschränkungen im Reiseverkehr oder bei Erholungs- oder Sportaktivitäten rechtfertigt. Ein kontinuierliches weiteres Monitoring der Situation ist gewährleistet. Übersicht über die erfassten Erkrankungsfälle in Hamburg 2002 Bei dem in der 16. Kalenderwoche gemeldeten Fall von Dengue-Fieber handelt es sich um eine Person, die sich in Brasilien aufgehalten hatte und kurz nach der Rückkehr nach Deutschland erkrankt ist. Eine stationäre Behandlung war nicht erforderlich. Bei den drei in der 17. KW gemeldeten Fällen einer MeningokokkenMeningitis handelt es sich um Einzelinfektionen ohne erkennbaren epidemiologischen Zusammenhang. Betroffen waren ein Erwachsener und 2 Kinder unter 10 Jahren; in zwei Fällen wurden Meningokokken der Serogruppe B, in einem Fall der Serogruppe A diagnostiziert. Eines der Kinder ist unter dem Bild eines foudroyant verlaufenen Waterhouse-Friedrichsen-Syndroms verstorben. Nachfolgend die aktuelle Übersicht über die in Hamburg registrierten meldepflichtigen Infektionskrankheiten der Kalenderwochen 16 und 17 sowie kumulativ für die Wochen 1 bis 16. M gi ti C di sIn fe kt io s Erkrankung 3 se 10 io N or -F ku lo se llo se rs in io se be r Ye Tu on e kt io n fe kt io n sIn fe sIn A ie be r ep at iti s Sa lm Ro ta vi ru w al kVi ru H gu e 10 Ye rs in e 20 Tu be rk ul os se 1 el lo 40 Sa lm on 2 n ta vi ru sIn fe kt io n in iti A en ia rd ia si s tio n 1 Ro en ep at s 1 H iti D G -I nf ek Anzahl der gemeldeten Fälle 4 . ep at si s n Ca m py lo ba ct er 10 H ia rd ia fe kt io 30 G ac te rIn Anzahl der gemeldeten Fälle 30 N Ca m py lo b -5- Abb. 1: Registrierte Erkrankungen Hamburg 2002, 16. KW (n=129) -vorläufige Angaben 60 50 50 40 28 20 22 9 2 3 0 Erkrankung Abb. 2: Registrierte Erkrankungen Hamburg 2002, 17. KW (n=95) -vorläufige Angaben 60 50 35 30 18 4 0 1 -6- TuberkuAbb. 3: Die häufigsten registrierten Erkrankungen und Erregernachweise in Hamburg KW 1-16 kumulativ (n= 1796) lose mit Vergleichszahlen aus dem Vorjahr - vorläufige Angaben 600 550 500 450 Anzahl der Fälle 400 350 300 250 200 150 100 50 0 RotavirusInfektion reine Erregernachweise 14 Krankheitsfälle 3 491 532 Campylobacter-Inf. 11 7 428 542 Salmonellose 15 16 337 260 NorwalkVirusInf. 13 274 1 Tuberkulose Yersiniose 1 3 75 110 Giardiasis 8 4 51 71 3 17 26 Hepatitis A 1 19 19 Erkrankungen = aktuelle Fälle = Fälle im Vergleichszeitraum 2001 Shigellose = reine Erregernachweise 17 14 Hepatitis C Hepatitis B 6 19 2 3 9 14 9 15 -7- Tab. 1: Sonstige registrierte Erkrankungsfälle Hamburg, 2002 für die Kalenderwochen 1-16 kumulativ (n=49) im Vergleich zum selben Zeitraum 2001 – vorläufige Angaben Meldepflichtige Infektionskrankheiten Anzahl der Anzahl der Fälle Fälle 2002 2001 10 6 Sonstige E.coli-Infektionen 8 7 N. Meningitidis-Infektion 8 12 Influenza 7 11 Dengue-Fieber 6 1 Masern 5 Cryptosporidiose 2 Brucellose 1 Listeriose 1 3 Typhus 1 1 EHEC CJK 2 Hepatitis E 1 Legionellose 1 Q-Fieber 1