Strahlen lindern Schmerzen

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GESUNDHEIT
Landwirtschaftliches Wochenblatt
Strahlen lindern Schmerzen
Strahlentherapie ist etwas für Krebskranke – das denken viele. Tatsächlich
aber werden niedrig dosierte Röntgenstrahlen auch bei gutartigen
Erkrankungen wie Arthrose, Kalkschulter oder Fersensporn eingesetzt.
So wirkt die Strahlung
D
Eine Strahlentherapie kann akute
und chronische Entzündungsprozesse von Gelenken, wie
den Tennisarm, hemmen
und die Schmerzen
lindern.
Foto: Klinikum Weimar
as Wartezimmer der radiologischen Praxis ist voll. Die
meisten Patienten warten
auf ihre Bestrahlung. Neben Krebskranken sitzen hier auch solche,
die wegen einer gutartigen Erkrankung bestrahlt werden. Deutschlandweit sind dies etwa 50 000 Patienten jährlich – mit steigender
Tendenz. Viele leiden an degenerativen Gelenkerkrankungen, beispielsweise
an
Fersensporn,
schmerzhafter Schulter, Tennisellenbogen oder Arthrosen. Allen gemeinsam sind dauerhaft starke
Schmerzen, die mit den üblichen
Therapien nicht in den Griff zu bekommen sind. Eine niedrig dosierte Strahlentherapie soll helfen, die
Entzündung und Schmerzen zu
lindern. Dr. Stephan Christoph ist
Chefarzt der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie im
St. Ansgar Krankenhaus in Höxter.
Auf der jüngsten Informationsveranstaltung für Patienten klärte er
über Behandlungsmöglichkeiten
bei schmerzhaften Erkrankungen
des Bewegungsapparates auf.
Möglichst früh bestrahlen
Die Strahlentherapie von entzündlichen Weichteil- und verschleißbedingten Gelenk- und Bindegewebserkrankungen ist nicht neu.
Allerdings ist sie aufgrund medikamentöser Fortschritte und neuer
Operationsverfahren lange Zeit in
den Hintergrund geraten. In letzter
Zeit rückt sie wieder ins Bewusstsein der Ärzteschaft. Der Grund:
Die Strahlentherapie ist eine gesetzliche Kassenleistung und vergleichsweise kostengünstig. Sie ist
sehr wirksam und hat in der Regel
keine Nebenwirkungen. „Heute lassen sich Arthroseschmerzen an
Schulter-, Daumensattel-, Finger-,
Knie- und Hüftgelenk mittels einer
niedrig dosierten Strahlentherapie
in 50 bis 80 % der Fälle bessern“,
erklärte Radioonkologe Dr. Stephan
Christoph. Auch Patienten mit einer schmerzhaften Schulter, Fersensporn, einem Tennis- oder Golferellenbogen können schmerzlindernd bestrahlt werden.
Es gibt bestimmte Zeitfenster, in
denen die Therapie am wirkungsvollsten ist. Patient und Arzt sollten über eine Röntgenreizbestrahlung nachdenken, wenn absehbar
mierte der Radiologe. Sind die
Schmerzen gelindert, wird meist
auch die Schulter beweglicher. Bei
Patienten mit starken Gelenkveränderungen, oder wo die Symptome schon länger als zwei Jahre bestehen, sind die Erfolgsaussichten
jedoch nicht mehr ganz so gut.
ist, dass bisherige Behandlungen,
wie medikamentöse Schmerzbehandlung, Akupunktur, Stoßwellen-, Physio- oder Kältetherapie,
nicht den gewünschten Erfolg haben. „Bei Arthrosen sollte bestrahlt werden, wenn konservative
Maßnahmen innerhalb von drei
bis sechs Monaten nur unzureichend angesprochen haben“, sagte
Experte Stephan Christoph.
Veränderungen an den Gelenken
lassen sich durch die Radiotherapie nicht beseitigen. Aber Schmerzen können im günstigsten Fall
über Jahre ausgeschaltet werden.
Und in Einzelfällen lassen sich Gelenkoperationen hinausschieben
oder gar vermeiden. „Auf jeden
Fall sollte die Therapie versucht
werden, bevor über eine Umschulung oder vorzeitige Berentung
entschieden wird“, rät der Experte.
Fersensporn & Schulter
Insbesondere Schulterschmerzen
und Fersensporne sprechen gut
auf eine Strahlentherapie an.
■ Beim Fersensporn sind meist
die Sehnenansätze der Fuß- oder
Unterschenkelmuskulatur am Fersenbein gereizt. Es bilden sich knöcherne Sporne von bis zu 2 cm
Länge, die äußerst schmerzen können. Auslöser sind vor allem Fehlstellungen im Fußgelenk und Fußgewölbe oder Belastungen und
Traumata im Fußwurzelbereich.
Dadurch kommt es zu einem degenerativ-entzündlichen Prozess im
Weichteilgewebe. Versagen konservative Therapieverfahren, kann
eine Strahlenbehandlung die
Schmerzen lindern. Die Bestrahlung sollte dann bereits drei Monate nach misserfolgter Therapie erfolgen. Einen Sporn beseitigen
kann die Behandlung dabei nicht.
■ Dauerhafte Schulterschmerzen
werden häufig durch Überlastungen, Entzündungen in Gelenknähe, Reizungen der Sehnenansätze
und Schleimbeutel oder Verkalkungen verursacht. Auch dieses
Schultersyndrom, Periarthritis humeroscapularis (PHS) genannt,
lässt sich strahlentherapeutisch
behandeln. „Bis zu 80 % der Patienten haben danach weniger
Schmerzen oder sind schmerzfrei.
Und das über viele Jahre“, infor-
Zur Strahlentherapie überweist in
der Regel der behandelnde Orthopäde oder Allgemeinmediziner.
Vor jeder Strahlentherapie erfolgt
ein Aufklärungsgespräch. Denn
auch eine niedrig dosierte Reizstrahlung ist zellschädigend. Bei
der sogenannten Reizbestrahlung
liegt die verwendete Dosis jedoch
weit unterhalb der Gewebe abtötenden Menge. „Die verwendeten
Gesamtdosen liegen im Bereich
von 1 bis 6 Gray und betragen damit nur einem Bruchteil der Dosis
wie sie zur Therapie von Krebserkrankungen verwendet wird“, erklärte der Radioonkologe.
Prinzipiell besteht das Risiko,
durch die Bestrahlung einen bösartigen Tumor zu entwickeln. Daher sind Ärzte, die eine Strahlentherapie anwenden, verpflichtet, ionisierende Strahlen erst
dann einzusetzen, wenn andere
Therapiemaßnahmen
ausgeschöpft sind oder nicht infrage
kommen. Doch aufgrund der niedrigen Dosis stufen Mediziner das
Risiko für Erwachsene als sehr gering ein. „Wichtig ist, dass Patienten nicht schwanger und nicht unter 40 Jahre alt sind. Außerdem
sollten sie an der Körperstelle
nicht vorbestrahlt sein“, informierte Dr. Stephan Christoph.
Oft erst mehr Schmerzen
In der Regel erhalten die Patienten
je nach Diagnose innerhalb von
zwei bis drei Wochen vier bis acht
Bestrahlungen von bis zu 30 Sekunden. „Doch keiner geht am
letzten Tag heraus und ist völlig
schmerzfrei. Bis zu 80 % der Patienten mit Fersensporn und Schultersyndrom haben deutlich weniger Schmerzen. Bei allen anderen
Erkrankungen muss zumindest
sechs Wochen abgewartet werden,
ob die Therapie etwas gebracht
hat“, sagte der Radioonkologe. So
lange dauert es, bis Abbauprodukte des Entzündungsstoffwechsels
aus den bestrahlten Sehnen und
Bändern herausdiffundiert sind.
Deshalb nehmen die Schmerzen in
der Anfangsphase häufig zu, bessern sich aber etwa sechs Wochen
nach Ende der Behandlung. Ist das
nicht der Fall, kann eine Strahlentherapie auch wiederholt werden.
LHo
35 / 2014
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