Zuckermais – ein Nischenprodukt

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Gemüse
BAUERNBLATT l 14. Mai 2011 ■
Gemüsemais in Schleswig-Holstein
Zuckermais – ein Nischenprodukt
Wenn wir hierzulande etwas vom
Mais hören, gehen die Gedanken
zurzeit in Richtung Viehfutter oder
Energiepflanze. Die Ablehnung
des Maises als Grundlage für die
menschliche Ernährung ist tief verwurzelt, und nur allmählich nimmt
der Zuckermais oder Gemüsemais
auch bei uns an Bedeutung zu. Der
MaisistkeineeinheimischePflanze
mit europäischer Anbautradition.
Es gab aber amerikanische Hilfslieferungen mit großen Mengen an
Maismehl, mit denen die Deutschen damals nicht ihr gewohntes
Brot backen konnten.
Folglich wurde das Nahrungsmittel Mais wie auch die Kartoffel
als geringwertig eingestuft. Daran
änderte selbst die Patentschrift
Nummer 296648 des Kaiserlichen
Patentamts zur Herstellung eines
dem rheinischen Roggenschwarzbrot ähnelnden Maisschrotbrotes
nichts, das von den Herren Oebel
und einem gewissen Konrad Adenauer (damals Bürgermeister der
Stadt Köln, 1949 bis 1962 Bundeskanzler
der
Bundesrepublik
Deutschland) entwickelt worden
war, um der Bevölkerung den Mais
näherzubringen und die Berge an
gelbem Maismehl zu verwerten.
Nur etwa 1.500 ha von den weltweit angebauten 300.000 ha Zuckermais stehen in Deutschland,
und diese überwiegend in süddeutschen Bundesländern. In
Schleswig-Holstein beträgt der Anbau nicht einmal 20 ha.
Ursachen: Der US-Bürger verzehrt durchschnittlich über 14 kg
Gemüsemais in verschiedensten
Zubereitungsformen, der Deutsche nur 1 kg, und das überwiegend als Konservenware. Für den
Frischmais sind die Voraussetzungen äußerst ungünstig. Der Zuckermais unterscheidet sich vom
herkömmlichen Mais nur dadurch,
dass ein bestimmtes, nennen wir es
Zuckermaisgen die Umwandlung
von Zucker zu Stärke im Kolben
verlangsamt. Bei einer Bestäubung
Sorgentelefon
Tabelle 1: Sortiment an Zuckermaissorten
Sorten
Hi 06 113
Vanilla Sweet
Golden Supersweet
Golda
Noa
Sentinel
Sweet nugget
Signet
Sunrise
Passion
Tasty gold
Sweet Image
Tasty Sweet
Reife
früh
früh
früh
früh
früh
früh
früh
früh
früh
mittelfrüh
mittelfrüh
mittelfrüh
früh
mit herkömmlichen Maispollen
wird diese Eigenschaft völlig unterdrückt, und der Mais schmeckt
fade. Traditionelle norddeutsche
Maisanbaugebiete fallen damit
für eine gezielte Zuckermaisproduktion aus, oder die angebotenen Maiskolben haben einen eher
faden Geschmack und verdienen
die Bezeichnung Zuckermais nicht.
In Süddeutschland sind es dagegen eher die Gemüseanbauer, die
Zuckermaisanbau betreiben. Eine
weitere unangenehme Tatsache
besteht darin, dass der Zuckergehalt des geernteten Maises rapide
Vertrieb
Hild
Hild
Hild
Nebelung
Nebelung
Nickerson-Zwaan
Agri
Seminis
Agri
Seminis
Agri
Agri
Seminis
nach wenigen Tagen in den Keller
sinkt und sich der fade Geschmack
durchsetzt. Die in unseren Supermärkten angebotenen Maiskolben süddeutscher Herkunft haben
seit der Ernte in der Regel den Zenit weit überschritten und bereits
zu viel Zucker abgebaut, um noch
zu schmecken, was ebenfalls eher
die Kaufzurückhaltung fördert.
Damit bleibt der Zuckermais ein
Nischenprodukt für den Spezialisten mit günstiger Anbau- und Absatzlage und angesichts der mangelnden Mechanisierbarkeit der
Kleinflächen etwas für den Direkt-
vermarkter. Auch die mittlerweile
angebotenen Sortentypen „supersweet = extrasüß“ und „dreifachsüß“, bei denen der Abbauprozess
noch einmal verlangsamt abläuft,
können den Nachteil langer Vermarktungswege nicht kompensieren.
Als „maisfreie“ Region wurde
für den Zuckermaisversuch die
Marsch ausgewählt, die wiederum
den Nachteil in sich birgt, dass sich
Mais als C4-Pflanze in der windoffenen Lage nicht so prächtig entwickeln kann.
Angesät wurde der Versuch Anfang Mai mit herkömmlicher Silomaistechnik, wobei die mögliche
Saatstärke mit 90.000 Pflanzen für
den Zuckermais deutlich zu hoch
lag. Mehr als 60.000 Pflanzen/ha
verträgt ein guter Zuckermaisbestand auch auf guten Böden nicht.
Mit
einer
durchschnittlichen
Standzeit von 140 Tagen bis zur
Erntereife brauchten die Sorten
aus dem frühen und sehr frühen
Bereich deutlich länger, als von der
Einstufung zu erwarten war. Neben dem Ertrag wurde nach folgenden Erfolgsparametern ausgewertet: Zuckergehalt, Kolbenlänge (16 bis 22 cm „Schalenmaß“),
Kornausbildung (16 cm lang geschlossene Kornreihen) sowie La-
Übersicht 1: Zuckermais Barlt 2010 – Anzahl verwertbarer Kolben je Hektar
Tasty Sweet
11.428,57
Sweet Image
12.380,95
60.952,38
61.904,76
Tasty gold 5.714,29
75.238,10
Passion
48.571,43
Sunrise
24.761,90
Signet
42.857,14
20.000,00
Sweet nugget
42.857,14
33.333,33
Sentinel
32.380,95
Golden Supersweet*
33.333,33
Vanilla Sweet*
mittwochs 8.00 bis 12.00 Uhr
(04 31) 55 77 94 50
[email protected]
Hi 06 113*
19.047,62
17.142,86
0
10.000
nicht verwertbar
32.380,95
34.285,71
Golda
verwertbar
32.380,95
30.476,19
Noa
für landwirtschaftliche Familien
22.857,14
37.142,86
38.095,24
7.619,05
3.809,52
*unzureichender
* unzureichender
Feldaufgang
Feldaufgang
6.666,67
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
70.000
80.000
90.000
Gemüse
■ BAUERNBLATT l 14. Mai 2011
gerneigung, Anzahl voll ausgebildeter Kolben, Pflanzenlänge und
Ansatzhöhe.
Während die meisten Sorten zügig aufliefen, standen ‚Hi 06 113‘,
,Vanilla Sweet‘ nur mit rund 10 %
und ,Golden Supersweet‘ mit etwa
30 % der ausgesäten Körner da.
Die Ergebnisse müssen deshalb bei
diesen drei Sorten mit Zurückhaltung betrachtet werden, denn alle
anderen Sorten litten eher unter
zu dichten Beständen, und diese
Einzelpflanzen konnten sich frei
entfalten.
Die übermäßig hohe Bestandesdichte der übrigen Sorten führte
zu mangelhafter Kolbenausbildung. Leider reagierte der Mais
nicht mit Unterdrückung eines
Kolbens zugunsten des obersten
Kolbens, sondern bildete in der Regel zwei unzureichende Exemplare aus. Nur die Pflanzen der ausge- Nicht jeder Kolben wurde voll ausgebildet.
dünnten Sorten haben sogar zwei
und mehr brauchbare Kolben je
Tabelle 2: Sortenergebnisse im Überblick
Einzelpflanze entwickelt, was
ZuckerKolbenPflanzendeutlich am Durchschnittsgewicht Sorten
gehalte
gewicht
länge
des Einzelkolbens zu erkennen ist
in %
g
cm
(siehe Tabelle 2). Einen relativ hoHi
06
113
15,0
322
177
hen Anteil marktfähiger Kolben
16,0
347
170
brachte die Sorte ,Passion‘, deren Vanilla Sweet
17,5
314
193
Standfestigkeit aber nicht über- Golden Supersweet
zeugen konnte. Wenig überzeu- Golda
15,0
233
228
gend waren hier die Sorten ,Tasty Noa
15,0
237
205
Gold‘, ,Tasty Sweet‘, ,Sweet Image‘
Sentinel
14,5
231
220
und ,Signet‘. Sie wurden hinsicht16,5
234
183
lich der Anzahl verkaufsfähiger Sweet nugget
16,0
246
213
Kolben sogar von den ausgedünn- Signet
15,5
214
198
ten Beständen (20.000 Pflan- Sunrise
zen/ha) der Sorten ,Vanilla Sweet‘ Passion
17,0
238
205
und ,Hi 06 113‘ übertroffen.
Tasty gold*
15,0
212
215
Sicherlich hatten die überzoge- Sweet Image*
17,5
203
203
nen Bestände auch ihren Anteil an
Tasty Sweet*
17,0
232
203
der Standfestigkeit der Sorten,
*unzureichender
Bestand
dennoch muss hier auf die deutlichen Unterschiede bei der Lagerneigung (Übersicht 2) hingewiesen
werden, denn einerseits leidet die
Kolbenausbildung, andererseits
nehmen Fasanen, Krähen, Ratten,
Bisams und andere Mitbewohner
der Region die Gelegenheit gerne
wahr, wenn ihnen die Kolben auf
Fraßhöhe angeboten werden. Die
Sorten ,Golda‘, ,Signet‘ und ,Sweet
Image‘ erfüllten die Anforderungen an die Standfestigkeit nicht,
die Sorte ,Passion‘ konnte ebenfalls nicht überzeugen. Überzeugend standfest waren die Sorten
,Noa‘, ,Sentinel‘ , ,Tasty Sweet‘ und
,Tasty Gold‘.
Die beste Werbung für den Zuckermais ist der Zuckergehalt. Dieser wurde mittels Refraktometer,
mit dem durch Lichtbrechung die
lösliche Trockensubstanz einer
Flüssigkeit ermittelt werden kann,
festgestellt. Die Werte wurden Maiskolben auf „Fraßhöhe“ werden gerne angenommen.
Kolbenansatzhöhe
cm
61,5
55,0
69,0
82,5
67,5
91,5
56,5
77,5
62,5
80,0
82,5
67,5
81,5
24 Stunden nach der Ernte gemessen, und es ist davon auszugehen,
dass ein Teil des ursprünglich vorhandenen Zuckers bereits in Stärke umgewandelt wurde. Eine Messung nach weiteren 48 Stunden ergab um durchschnittlich 2,6 % real
gesunkene Zuckergehalte. Kühlung kann diesen Prozess zwar verlangsamen, aber nicht verhindern,
und so muss der Direktvermarkter
auf eine Strategie zurückgreifen,
die immer für frische Ware sorgt,
anderenfalls schwinden mit dem
Zuckergehalt auch die Kunden.
Die gemessenen Pflanzenlängen
und die Kolbenansatzhöhen der
Sorten lassen keine unmittelbaren
Rückschlüsse auf die Standfestigkeit zu. Die Kolbenansatzhöhe ist
beim handarbeitsintensiven Zuckermais eher ein Merkmal bequemer Beerntbarkeit.
Um den Anbau von Zuckermais
wirtschaftlich zu gestalten, ist es
wichtig, die Kulturmaßnahmen
auf eine gleichmäßige Marktbeschickung über einen längeren
Zeitraum auszurichten. Die Sortenwahl bietet dazu zwar eine Grundlage, ist aber keineswegs alleiniger
Faktor für den Erfolg. Nicht ausreichend zuverlässig ist dabei die Einstufung der Sorten in die Kategorien „sehr früh“ bis „spät“, denn
die im Norden ohnehin verzögerten Vegetationszeiten sind immer
für eine Überraschung gut. Ausschlaggebend müssen die Standfestigkeit und die Neigung der
Sorte zur Kolbenausbildung sein.
Gemüsebaubetriebe
können
sich Gedanken darüber machen,
ob auch beim Mais der Einsatz der
Pflanzmaschine, die sowieso vorhanden ist, für angezogene Topf-
Fotos: Johann-Heinrich Bitter
47
48
Veranstaltungen
BAUERNBLATT l 14. Mai 2011 ■
„Raus aufs Land“ in Futterkamp
Übersicht 2: Zuckermais Barlt 2010 – Lagerneigung
Tasty Sweet
Sweet Image
Tasty gold
Attraktives Programm am 22. Mai
1,66
6,66
2
Passion
5,5
Sunrise
4
Signet
7,3
Sweet nugget
3,33
Sentinel
1,66
Noa
1,66
Golda
8
Golden Supersweet*
Vanilla Sweet*
Hi 06 113*
niedrig
pflanzen eine zuverlässigere Terminplanung zulässt, als eine unsichere Saat. Dadurch sind auch präzise mehrere Anbausätze in etwa
14-tägigem Abstand zu platzieren.
Gleichmäßige
Pflanzabstände
werden sicherlich auch wesentlich
homogenere Kolben bringen. Frühe erste Sätze unter Vlies wären
dann bereits ab Anfang April möglich, die im Juli bereits erntereif
wären.
Der Flächenbedarf für den einzelnen Anbausatz richtet sich nach
den Absatzmöglichkeiten und darf
keinesfalls dem Zufall überlassen
bleiben. Nichts ist dem Erfolg abträglicher als alte Ware. Hier muss
gegebenenfalls konsequent entsorgt werden.
Konsequenz gilt auch für den
Erntetermin. Wenn die „Fäden“
der Kolben an der Spitze braun
werden, muss geerntet werden.
Längere Standzeiten wirken sich
sehr hoch
unmittelbar auf den Zuckergehalt
aus. Die kühleren Morgenstunden
sind bei der Ernte zu bevorzugen,
und bei einer Kühlung auf zirka
5 °C ist der Mais dann auch eine
Woche haltbar.
Es liegt beim Vermarkter, wie er
schließlich seinen Mais an den
Kunden bringt. Ein paar Küchentipps können in der Direktvermarktung immer hilfreich sein, damit der Kunde seinen Mais nicht
nur roh knabbern muss. Das beginnt mit dem simplen Hinweis,
dass beim Blanchieren der Maiskolben das Salz unangebracht ist,
weil die Kolben dann „hart“ werden, und muss nicht beim Klacks
Butter auf dem gegrillten Kolben
enden.
Johann-Heinrich Bitter
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-351
[email protected]
Wie zuletzt 2009 nimmt die Landwirtschaftskammer erneut an der
landesweiten Aktion „Raus aufs
Land“ teil und öffnet am Sonntag,
22. Mai, von 10 bis 18 Uhr die Tore.
Sie gewährt Einblick in die praktische Tierhaltung und stellt die Arbeit der Fachabteilungen vor. Neben vielen Partnern ist in diesem
Jahr wiederum die coop eG dabei,
die ihr Landklasse-Programm für
Rind- und Schweinefleisch präsentiertundvieleProduktezurVerköstigung anbietet.
Die Veranstaltung 2009 hatte mit
14.000 Besuchern und Besucherinnen eine überwältigende Resonanz
gefunden. Das diesjährige Programm ist noch vielfältiger und
macht den Familienausflug nach
Futterkamp zum noch größeren Erlebnis. Um 10 Uhr wird Präsident
Claus Heller den Tag eröffnen. Im
Anschluss daran findet eine Andacht
mit Pastor Dietmar Sprung aus der
Kirchengemeinde Blekendorf statt.
Bis 18 Uhr werden fachliche Informationen, Vorführungen, Spiel und
Spaß für Kinder und Erwachsene an
verschiedenen Stationen von der
Reithalle bis zum Kuhstall auf dem
Gelände geboten (siehe Lageplan,
Programm).
Neben Rindern, Schweinen, Pferden und Schafen werden dieses Mal
auch Kleintiere wie Kaninchen, Geflügel und Fische zu sehen sein. Auch
dazu gibt es fachkundige Auskunft.
Wer noch kleinere Lebewesen näher
betrachten möchte, findet diese im
Wettmelken ist eine Disziplin, zu der
Kinder und Erwachsene antreten können.
neu ausgelegten Naturgarten. Auf
dem Trockenrasen, der Feuchtwiese
und in der Teichanlage sind Frösche
und verschiedene Insektenarten beheimatet. Große Schautafeln geben
Informationen über deren Lebensräume. Geschaffen wurden diese
Biotope im Jahr 2010. Sie sollen die
die Landwirtschaft begleitende Flora und Fauna darstellen. Schulklassen, die im Rahmen ihrer agrarpädagogischen Klassenfahrt nach Futterkamp kommen, haben die Möglich-
Zwei unzureichend ausgebildete Kolben (li.) und zwei gut ausgebildete Kolben Eine große Besucherzahl wird auf dem Gelände erwartet. Einige können sich
im Baumklettern üben.
(r.) aus einem dünnen Bestand.
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