Universaldilettanten? Das war einmal: Geographie studiert – und dann? Vier Beispiele - hochschulanzeiger - hochschulanzeiger Schließen hochschulanzeiger Hochschulanzeiger 13.09.09 20:17 Drucken unternehmen Universaldilettanten? Das war einmal Geographie studiert – und dann? Vier Beispiele Von Gunda Achterhold 22. Juni 2009 Geographen haben sich erfolgreich aus der Nische befreit, und ihre Jobchancen sind so gut wie lange nicht mehr. Wir stellen Ihnen vier Geographen und ihre Jobs vor: Jochen Flinner, Umlandkoordinator beim Münchener Flughafen Auf den Volksfesten in der Flughafenregion ist Jochen Flinner regelmäßig vertreten. „Mit einem Ohr sind wir immer dicht an den Gemeinden dran.“ Im Regionalbüro der Flughafen München GmbH ist Jochen Flinner, Umlandkoordinator beim der Wirtschaftsgeograph für Fragen der Raumanalyse und Umlandkooperation zuständig. Da geht es um klassische geographische Münchener Flughafen Kernkompetenzen: Anhand von Statistiken wertet der 32-Jährige die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens auf das Umland aus und analysiert die wechselseitigen Verflechtungen. Ein Thema, das ihn bereits in seiner Diplomarbeit beschäftigt hat, die in Kooperation mit dem Münchener Flughafen entstanden ist. Anschließend machte er ein Praktikum und ist seit drei Jahren im Regionalbüro fest angestellt. Mit Kommunen und Unternehmen rund um den Münchener Flughafen steht er im ständigen Kontakt. Für Gemeinden und Bürgerinitiativen ist er ebenso Ansprechpartner wie für den örtlichen Sportverein und die Arbeitsgemeinschaft Regionalmarketing. „Auf der einen Seite halten wir uns als Betreibergesellschaft auf dem Laufenden, was in der Region passiert“, so Flinner. „Zugleich nutzen wir unsere Netzwerke, um unsere Pläne ins Umland zu tragen.“ Mit den Städten und Kreisen hat sich die Flughafen München GmbH zusammengetan, um die Region nach außen geschlossen zu repräsentieren. Zum Beispiel als attraktives Ziel für Tagesgruppen oder als Vermittlerin von Gewerbeflächen. In anderen Bereichen geht es kontroverser zu. Die Pläne zu einer dritten Startbahn erfreuen längst nicht jeden. „Da stehen wir im ständigen Austausch und versuchen zu vermitteln“, betont der Umlandkoordinator. Manchmal ein durchaus schwieriger Spagat. „Es ist von allem etwas dabei“, stellt Jochen Flinner fest. Von Analyse und Planung über Marketing und Konzeption bis hin zum regen Austausch mit Ansprechpartnern aus der regionalen Wirtschaft, der Kultur und dem Sozialbereich. „Eine Mischung, die sehr spannend und abwechslungsreich ist.“ Veronika Landers, Produktmanagerin bei der AED-SICAD Aktiengesellschaft Ein Bagger hat eine Gasleitung angegraben, eine Leitung ist undicht. Jetzt muss schnell erfasst werden, wo die Störung stattgefunden hat und wie sich der Gasfluss stoppen lässt. Ein Szenario, das für Veronika Landers zum täglichen Geschäft gehört. Für solche Anwendungssituationen muss ein Geoinformationssystem gewappnet sein. Seit einem Dreivierteljahr arbeitet die Diplom-Geographin im Veronika Landers, Produktmanagement der AED-SICAD Aktiengesellschaft in Neubiberg Produktmanagerin bei bei München. Den Einstieg fand die 26-Jährige über ein Praktikum am der AED-SICAD Standort in Bonn und anschließender Diplomarbeit. Das Unternehmen Aktiengesellschaft stellt Software für Geoinformationssysteme her, speziell für Energieversorger. „Wir bieten immer auch Beratung an und passen die Produkte den Bedürfnissen des Kunden an“, erklärt Veronika Landers. „Das macht den Job so vielseitig.“ Auf internationalen Konferenzen, Veranstaltungen oder im Gespräch mit den http://www.faz.net/s/RubC369C1C69080485483CF270374650FDE/Do…646AA324C1D0CD58E5E~ATpl~Ecommon~Scontent~Afor~Eprint.html Seite 1 von 3 Universaldilettanten? Das war einmal: Geographie studiert – und dann? Vier Beispiele - hochschulanzeiger - hochschulanzeiger 13.09.09 20:17 Auf internationalen Konferenzen, Veranstaltungen oder im Gespräch mit den Verantwortlichen in den Firmen stellt sie neue Produkte vor und demonstriert, wie sie sich nutzen lassen. „Ich versuche dabei immer, den Blickwinkel des Anwenders einzunehmen.“ Wünsche und Anforderungen der Endkunden gibt die GIS-Expertin an die Entwickler der AED-SICAD weiter, die das Standardprodukt entsprechend programmieren. Im Geschäftsbereich Utilities hat sie es mit Kunden unterschiedlicher Größenordnung zu tun von Stadtwerken bis hin zum Großversorger. „Spannend wird es, wenn sich in vielen Einzelgesprächen gewisse Brennpunkte herauskristallisieren“, so Landers. Stellt die Produktmanagerin fest, dass bestimmte Aspekte immer wieder genannt werden, nimmt sie Witterung auf. Informationen, die für die Weiterentwicklung der Software interessant sein könnten, trägt sie ins Unternehmen. Dieser wechselseitige Austausch macht für Veronika Landers den besonderen Reiz ihrer Aufgabe aus. „Geoinformationssysteme sind ein wichtiges Werkzeug, um schnell an räumliche Informationen zu kommen“, stellt sie fest. „Ich kann mit beeinflussen, wie sich diese Werkzeuge entwickeln.“ Stephanie Straub, Strategische Einkäuferin bei EADS Defense & Security Mit der Technik musste sich Stephanie Straub anfangs erst einmal vertraut machen. „Ich hatte mich vorher noch nicht damit beschäftigt, wie ein Radar funktioniert“, stellt die Diplom-Wirtschaftsgeographin fest und lacht. „Bis heute kenne ich zwar immer noch nicht jedes Detail - aber ich kann die Geräte gut einkaufen!“ Preisverhandlungen und Marktanalysen gehören ebenso zu ihren Aufgaben wie die Auswahl von Lieferanten und die Auswertung von Angeboten. Seit knapp einem Jahr arbeitet die 28-Jährige als Strategische Einkäuferin in der Division „Defense & Security“ des Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsunternehmens EADS in Unterschleißheim. Ihr Geschäftsbereich „Defense and Communications Systems“ gilt als das „Systemhaus“ des Konzerns. Hier werden Anwendungen entwickelt und umgesetzt, die zum Beispiel in der inneren Sicherheit eine große Rolle spielen. „Wir betreuen Projekte weltweit“, so Straub. Die inhaltlichen Anforderungen sind hoch. „Ein Grenzschutzsystem für ein ganzes Land umzusetzen ist ein hochkomplexes Unterfangen und dauert Jahre.“ Stephanie Straub nimmt dabei eine Schnittstellenfunktion ein. Als Einkäuferin ist sie Vermittlerin zwischen Technikern und Ingenieuren auf der einen Seite und den Lieferanten auf der anderen. Anforderungen inhaltlich-technischer Art gibt sie an Vertreter der Zulieferfirmen weiter, die ins Geschäft kommen wollen. „Im Einkauf habe ich es mit extrem vielen Menschen aus sehr verschiedenen Bereichen zu tun“, sagt die Geographin. „Jeder von ihnen bringt andere Interessen mit und kommuniziert auch auf einem anderen Niveau.“ Verhandlungen mit Geschäftspartnern laufen sowohl über Telefonkonferenzen ab als auch im persönlichen Kontakt. Interkulturelles Fingerspitzengefühl ist dabei immer gefragt. „Egal ob wir in Europa, im Mittleren Osten oder Südamerika verhandeln, man muss sich sehr auf das jeweilige Land einstellen“, betont Stephanie Straub. „Wie etwas wahrgenommen wird, da gibt es national erhebliche Unterschiede, die großen Einfluss auf ein Gespräch haben können - aber genau das macht den Job letzten Endes so spannend.“ Mark Schmidt, Geschäftsführer im Tourismusverband An diesem Morgen muss erst einmal der Baum aus dem Fluss, der den Wasserwanderern die Saale versperrt. Was nicht so leicht ist, wie man meinen könnte. „Erst wenn ich weiß, wem er gehört, kann ich einen Gemeindetrupp losschicken“, stellt Mark Schmidt fest und lächelt. Anfang 2009 ist der 28-Jährige zum Geschäftsführer des Tourismusverbandes Jena-Saale-Holzland ernannt worden, nachdem er ein Jahr lang im Marketing des Verbandes tätig war. Auch verwaltungsrechtliche Feinheiten wie die Fließgewässerordnung hat der Geograph im Studium gelernt - ein Querschnittswissen, das ihm Stephanie Straub, tagtäglich zugutekommt. „Mit dem Besitzer eines Weinguts kann ich Strategische Einkäuferin mich über die Bodenqualität unterhalten, mit dem Bürgermeister über bei EADS Defense & die neuen Bebauungspläne, das ist ein ganz großer Vorteil.“ Mark Security Schmidt hat in Jena studiert und kennt sich in der Region bestens aus - ein nicht unwesentlicher Aspekt bei seiner Berufung in den Tourismusverband. Wichtiger http://www.faz.net/s/RubC369C1C69080485483CF270374650FDE/Do…646AA324C1D0CD58E5E~ATpl~Ecommon~Scontent~Afor~Eprint.html Seite 2 von 3 Universaldilettanten? Das war einmal: Geographie studiert – und dann? Vier Beispiele - hochschulanzeiger - hochschulanzeiger 13.09.09 20:17 - ein nicht unwesentlicher Aspekt bei seiner Berufung in den Tourismusverband. Wichtiger ist jedoch ein Gespür für Themen, die den Sportsfreund ebenso erreichen wie Kurgäste oder Familien mit Kindern. Der Geschäftsführer ist ein touristischer Netzwerker. Er weiß immer, wo der Schuh gerade drückt, ob die Gästezahlen sinken und was die Touristen gerade besonders interessiert. Forstwirte, Gastronomen oder Naturschützer - wenn es darum geht, tragfähige Strategien zu entwickeln, holt der Geschäftsführer große Runden sehr unterschiedlicher Akteure an einen Tisch. „Da bin ich vor allem Vermittler“, so Schmidt. „Denn diese Interessengruppen sprechen alle eine andere Sprache.“ Wie wichtig es ist, den eigenen Geschmack und die eigenen Ansprüche nicht als Maß aller Dinge zu sehen, hat er als Tourismusexperte gelernt. „So manches Angebot, von dem man selbst total überzeugt ist, kommt bei den Gästen dann auf einmal gar nicht an“, stellt er fest. „Wir müssen Vielfalt aufbauen, dafür ist der Kundenkreis einfach zu heterogen.“ Mit anderen Worten: Kitsch geht eben manchmal auch. Text: Hochschulanzeiger Nr.103, 2009, Seite 62 Bildmaterial: privat Weitere Themen Geographie studiert – und dann? © F.A.Z. Electronic Media GmbH 2001 - 2009 Dies ist ein Ausdruck aus www.faz.net http://www.faz.net/s/RubC369C1C69080485483CF270374650FDE/Do…646AA324C1D0CD58E5E~ATpl~Ecommon~Scontent~Afor~Eprint.html Seite 3 von 3