Universaldilettanten? Das war einmal: Geographie studiert – und

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Universaldilettanten? Das war einmal
Geographie studiert – und dann? Vier Beispiele
Von Gunda Achterhold
22. Juni 2009
Geographen haben sich erfolgreich aus der Nische befreit, und ihre
Jobchancen sind so gut wie lange nicht mehr. Wir stellen Ihnen vier
Geographen und ihre Jobs vor:
Jochen Flinner, Umlandkoordinator beim Münchener Flughafen
Auf den Volksfesten in der Flughafenregion ist Jochen Flinner
regelmäßig vertreten. „Mit einem Ohr sind wir immer dicht an den
Gemeinden dran.“ Im Regionalbüro der Flughafen München GmbH ist
Jochen Flinner,
Umlandkoordinator beim der Wirtschaftsgeograph für Fragen der Raumanalyse und
Umlandkooperation zuständig. Da geht es um klassische geographische
Münchener Flughafen
Kernkompetenzen: Anhand von Statistiken wertet der 32-Jährige die
wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens auf das Umland aus und analysiert die
wechselseitigen Verflechtungen. Ein Thema, das ihn bereits in seiner Diplomarbeit
beschäftigt hat, die in Kooperation mit dem Münchener Flughafen entstanden ist.
Anschließend machte er ein Praktikum und ist seit drei Jahren im Regionalbüro fest
angestellt. Mit Kommunen und Unternehmen rund um den Münchener Flughafen steht er
im ständigen Kontakt. Für Gemeinden und Bürgerinitiativen ist er ebenso Ansprechpartner
wie für den örtlichen Sportverein und die Arbeitsgemeinschaft Regionalmarketing. „Auf
der einen Seite halten wir uns als Betreibergesellschaft auf dem Laufenden, was in der
Region passiert“, so Flinner. „Zugleich nutzen wir unsere Netzwerke, um unsere Pläne ins
Umland zu tragen.“ Mit den Städten und Kreisen hat sich die Flughafen München GmbH
zusammengetan, um die Region nach außen geschlossen zu repräsentieren. Zum Beispiel
als attraktives Ziel für Tagesgruppen oder als Vermittlerin von Gewerbeflächen. In
anderen Bereichen geht es kontroverser zu. Die Pläne zu einer dritten Startbahn erfreuen
längst nicht jeden. „Da stehen wir im ständigen Austausch und versuchen zu vermitteln“,
betont der Umlandkoordinator. Manchmal ein durchaus schwieriger Spagat. „Es ist von
allem etwas dabei“, stellt Jochen Flinner fest. Von Analyse und Planung über Marketing
und Konzeption bis hin zum regen Austausch mit Ansprechpartnern aus der regionalen
Wirtschaft, der Kultur und dem Sozialbereich. „Eine Mischung, die sehr spannend und
abwechslungsreich ist.“
Veronika Landers, Produktmanagerin bei der AED-SICAD Aktiengesellschaft
Ein Bagger hat eine Gasleitung angegraben, eine Leitung ist undicht.
Jetzt muss schnell erfasst werden, wo die Störung stattgefunden hat
und wie sich der Gasfluss stoppen lässt. Ein Szenario, das für Veronika
Landers zum täglichen Geschäft gehört. Für solche
Anwendungssituationen muss ein Geoinformationssystem gewappnet
sein. Seit einem Dreivierteljahr arbeitet die Diplom-Geographin im
Veronika Landers,
Produktmanagement der AED-SICAD Aktiengesellschaft in Neubiberg
Produktmanagerin bei
bei München. Den Einstieg fand die 26-Jährige über ein Praktikum am der AED-SICAD
Standort in Bonn und anschließender Diplomarbeit. Das Unternehmen Aktiengesellschaft
stellt Software für Geoinformationssysteme her, speziell für
Energieversorger. „Wir bieten immer auch Beratung an und passen die Produkte den
Bedürfnissen des Kunden an“, erklärt Veronika Landers. „Das macht den Job so vielseitig.“
Auf internationalen Konferenzen, Veranstaltungen oder im Gespräch mit den
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Auf internationalen Konferenzen, Veranstaltungen oder im Gespräch mit den
Verantwortlichen in den Firmen stellt sie neue Produkte vor und demonstriert, wie sie sich
nutzen lassen. „Ich versuche dabei immer, den Blickwinkel des Anwenders einzunehmen.“
Wünsche und Anforderungen der Endkunden gibt die GIS-Expertin an die Entwickler der
AED-SICAD weiter, die das Standardprodukt entsprechend programmieren. Im
Geschäftsbereich Utilities hat sie es mit Kunden unterschiedlicher Größenordnung zu tun von Stadtwerken bis hin zum Großversorger. „Spannend wird es, wenn sich in vielen
Einzelgesprächen gewisse Brennpunkte herauskristallisieren“, so Landers. Stellt die
Produktmanagerin fest, dass bestimmte Aspekte immer wieder genannt werden, nimmt
sie Witterung auf. Informationen, die für die Weiterentwicklung der Software interessant
sein könnten, trägt sie ins Unternehmen. Dieser wechselseitige Austausch macht für
Veronika Landers den besonderen Reiz ihrer Aufgabe aus. „Geoinformationssysteme sind
ein wichtiges Werkzeug, um schnell an räumliche Informationen zu kommen“, stellt sie
fest. „Ich kann mit beeinflussen, wie sich diese Werkzeuge entwickeln.“
Stephanie Straub, Strategische Einkäuferin bei EADS Defense & Security
Mit der Technik musste sich Stephanie Straub anfangs erst einmal vertraut machen. „Ich
hatte mich vorher noch nicht damit beschäftigt, wie ein Radar funktioniert“, stellt die
Diplom-Wirtschaftsgeographin fest und lacht. „Bis heute kenne ich zwar immer noch nicht
jedes Detail - aber ich kann die Geräte gut einkaufen!“ Preisverhandlungen und
Marktanalysen gehören ebenso zu ihren Aufgaben wie die Auswahl von Lieferanten und die
Auswertung von Angeboten. Seit knapp einem Jahr arbeitet die 28-Jährige als
Strategische Einkäuferin in der Division „Defense & Security“ des Luft-, Raumfahrt- und
Verteidigungsunternehmens EADS in Unterschleißheim. Ihr Geschäftsbereich „Defense and
Communications Systems“ gilt als das „Systemhaus“ des Konzerns. Hier werden
Anwendungen entwickelt und umgesetzt, die zum Beispiel in der inneren Sicherheit eine
große Rolle spielen. „Wir betreuen Projekte weltweit“, so Straub. Die inhaltlichen
Anforderungen sind hoch. „Ein Grenzschutzsystem für ein ganzes Land umzusetzen ist ein
hochkomplexes Unterfangen und dauert Jahre.“ Stephanie Straub nimmt dabei eine
Schnittstellenfunktion ein. Als Einkäuferin ist sie Vermittlerin zwischen Technikern und
Ingenieuren auf der einen Seite und den Lieferanten auf der anderen. Anforderungen
inhaltlich-technischer Art gibt sie an Vertreter der Zulieferfirmen weiter, die ins Geschäft
kommen wollen. „Im Einkauf habe ich es mit extrem vielen Menschen aus sehr
verschiedenen Bereichen zu tun“, sagt die Geographin. „Jeder von ihnen bringt andere
Interessen mit und kommuniziert auch auf einem anderen Niveau.“ Verhandlungen mit
Geschäftspartnern laufen sowohl über Telefonkonferenzen ab als auch im persönlichen
Kontakt. Interkulturelles Fingerspitzengefühl ist dabei immer gefragt. „Egal ob wir in
Europa, im Mittleren Osten oder Südamerika verhandeln, man muss sich sehr auf das
jeweilige Land einstellen“, betont Stephanie Straub. „Wie etwas wahrgenommen wird, da
gibt es national erhebliche Unterschiede, die großen Einfluss auf ein Gespräch haben
können - aber genau das macht den Job letzten Endes so spannend.“
Mark Schmidt, Geschäftsführer im Tourismusverband
An diesem Morgen muss erst einmal der Baum aus dem Fluss, der den
Wasserwanderern die Saale versperrt. Was nicht so leicht ist, wie man
meinen könnte. „Erst wenn ich weiß, wem er gehört, kann ich einen
Gemeindetrupp losschicken“, stellt Mark Schmidt fest und lächelt.
Anfang 2009 ist der 28-Jährige zum Geschäftsführer des
Tourismusverbandes Jena-Saale-Holzland ernannt worden, nachdem er
ein Jahr lang im Marketing des Verbandes tätig war. Auch
verwaltungsrechtliche Feinheiten wie die Fließgewässerordnung hat der
Geograph im Studium gelernt - ein Querschnittswissen, das ihm
Stephanie Straub,
tagtäglich zugutekommt. „Mit dem Besitzer eines Weinguts kann ich
Strategische Einkäuferin mich über die Bodenqualität unterhalten, mit dem Bürgermeister über
bei EADS Defense &
die neuen Bebauungspläne, das ist ein ganz großer Vorteil.“ Mark
Security
Schmidt hat in Jena studiert und kennt sich in der Region bestens aus
- ein nicht unwesentlicher Aspekt bei seiner Berufung in den Tourismusverband. Wichtiger
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- ein nicht unwesentlicher Aspekt bei seiner Berufung in den Tourismusverband. Wichtiger
ist jedoch ein Gespür für Themen, die den Sportsfreund ebenso erreichen wie Kurgäste
oder Familien mit Kindern. Der Geschäftsführer ist ein touristischer Netzwerker. Er weiß
immer, wo der Schuh gerade drückt, ob die Gästezahlen sinken und was die Touristen
gerade besonders interessiert. Forstwirte, Gastronomen oder Naturschützer - wenn es
darum geht, tragfähige Strategien zu entwickeln, holt der Geschäftsführer große Runden
sehr unterschiedlicher Akteure an einen Tisch. „Da bin ich vor allem Vermittler“, so
Schmidt. „Denn diese Interessengruppen sprechen alle eine andere Sprache.“ Wie wichtig
es ist, den eigenen Geschmack und die eigenen Ansprüche nicht als Maß aller Dinge zu
sehen, hat er als Tourismusexperte gelernt. „So manches Angebot, von dem man selbst
total überzeugt ist, kommt bei den Gästen dann auf einmal gar nicht an“, stellt er fest.
„Wir müssen Vielfalt aufbauen, dafür ist der Kundenkreis einfach zu heterogen.“ Mit
anderen Worten: Kitsch geht eben manchmal auch.
Text: Hochschulanzeiger Nr.103, 2009, Seite 62
Bildmaterial: privat
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