Universität Paderborn Warburger Str. 100 33098 Paderborn SS 2007 Seminar Der Ring OK der ganzen Zahlen über einem Zahlenkörper K Armin Hecht, Sabine Naewe 04.Dezember 2007 Inhaltsverzeichnis 7 Der 7.1 7.2 7.3 Ring OK OK ist ein Dedekindring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerlegung von Idealen in Primidealen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Idealklassengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3 3 4 6 7 Der Ring OK Der Ring OK ist die Menge aller ganzen Zahlen eines algebraischen Zahlkörpers K. OK = {a ∈ K | a ganz über Z} = {a ∈ K | a ist Nullstelle eines normierten Polynoms f (x) ∈ Z[x]} Definition 7.0.1. Ein algebraischer Zahlkörper K ist eine endliche Körpererweiterung K von Q. Definition 7.0.2. Sei A ein Integritätsbereich. Man nennt A ganzabgeschlossen, wenn A ganz abgeschlossen in Quot(A) ist. Satz 7.0.1. Sei M ein endlich erzeugter OK −Untermodul von K. Dann ist M ein freier Z−Modul vom Rang [K : Q]. Jedes Ideal a von OK ist ein freier Z−Modul. 7.1 OK ist ein Dedekindring Der Ring OK der ganzen Zahlen eines algebraischen Zahlkörpers K ist als Verallgemeinerung des Ringes Z ⊂ Q der Hauptgegenstand aller unser Betrachtungen. Definition 7.1.1. Ein noetherscher, ganzabgeschossener Integritätsbereich, in dem jedes von Null verschiedene Primideal ein maximales Ideal ist, heißt Dedekindring. Theorem 7.1.1. Der Ring OK ist ein Dedekindring. Beweis. OK ist noethersch, da jedes Ideal a nach Lemma 7.0.1 ein endlich erzeugter Z−Modul und damit natürlich auch ein endlich erzeugter OK −Modul ist. Da OK der ganze Abschluss von Z ist, ist er auch ganz abgeschlossen. Es bleibt zu zeigen, dass jedes Primideal p 6= 0 maximal ist. Nun ist p ∩ Z ein von Null verschiedenes Primideal (p) in Z. Die Primidealeigenschaft ergibt sich aus der Primidealeigenschaft von p. Betrachte das Diagramm pZ = p ∩ Z /p / OK endlich Z Z/pZ / OK /p 3 OK /p kann als endlich-dimensionaler Fp −Vektorraum aufgefasst werden. Da p ein Primideal ist, ist OK /p nullteilerfrei. Da OK /p endlich ist, ist OK /p ein Körper. Hieraus folgt, dass p maximal ist. Bemerkung 7.1.1. Ein Hauptidealring ist ein Dekekindring. Beweis. Ein Hauptidealring ist trivialerweise noethersch. Außerdem ist er faktoriell und damit ganzabgeschlossen. Im Hauptidealring gilt für ein beliebiges Element Π: Π prim ⇔ Π irreduzibel ⇔ (Π) Primideal ⇔ (Π) maximal Damit ist ein Hauptidealring ein Dedekindring. 7.2 Zerlegung von Idealen in Primidealen Man kann die Ringe OK als Verallgemeinerung des Ringes Z ansehen. Auf die gleiche Weise kann man die Dedekindringe als Verallgemeinerung der Hauptidealringe ansehen: Ist A ein Hauptidealring mit dem Quotientenkörper K und L|K eine endliche Körpererweiterung, dann ist der ganze Abschluss B von A in L im allgemeinen kein Hauptidealring, aber wie man zeigen kann stets ein Dedekindring. Deswegen betrachten wir jetzt anstelle des Ringes OK einen beliebigen Dedekindring O. Dabei bezeichnen wir mit K den Quotientenkörper von O. Definition 7.2.1. Seien a und b zwei Ideale von O. Dann definiert b ⊆ a die Teilbarkeitsrelation a|b. Ihre Summe wird definiert durch a + b = {a + b|a ∈ a, b ∈ b} . Diese Summe ist das kleinste a und b umfassende Ideal, also der größte gemeinsame Teiler von a und b. Entsprechend ist der Durchschnitt a ∩ b das kleinste gemeinsame Vielfache von a und b. Wir definieren das Produkt von a undP b durch . ab = { i ai bi |ai ∈ a, bi ∈ b} Hinsichtlich dieser Multiplikation erhalten wir für die Ideale von O im Gegensatz zu den einzelnen Elementen eine eindeutige Primzerlegung. Für den Beweis benötigen wir zwei Lemmata. Lemma 7.2.1. Zu jedem Ideal a 6= 0 von O gibt es von Null verschiedene Primideale p1 , p2 , ..., pr mit a ⊇ p1 ...pn . Beweis. Sei M := {a | a Ideal von O, 6 ∃ p1 , p2 , ..., pr mit a ⊇ p1 ...pn }. Annahme: M 6= ∅ Da O noetherisch ist, besitzt M ein maximales Element a. Dann kann a kein Primideal sein. Also existieren b1 , b2 ∈ O mit b1 b2 ∈ a, aber b1 , b2 6= a. Dann definieren wir a1 = (b1 ) + a und a2 = (b2 ) + a Dann gilt, dass a ( a1 , a ( a2 und a1 a2 ⊆ a. Wegen der Maximalität enthalten a1 und a2 Primidealprodukte, deren Produkt in a liegt. Das ist ein Widerspruch zur Annahme. Lemma 7.2.2. Ist p ein Primideal von O und p−1 = {x ∈ K | xp ⊇ O}, P −1 so ist ap := { i ai xi | ai ∈ a, xi ∈ p−1 } = 6 a für jedes Ideal a 6= 0. 4 Beweis. Wir zeigen zuerst, dass p−1 6= O gilt. Dann zeigen wir indirekt die Behauptung. Sei a ∈ p, a 6= 0 und p1 p2 ...pr ⊆ (a) ⊆ p mit minimalem r. Dann ist eines der pi in p enthalten. Dies zeigt man durch Induktion und benutzt dabei, dass p ein Primideal ist. o.B.d.A. p1 ⊂ p Dann gilt p1 = p wegen der Maximalität von p1 . Wegen p2 ...pr 6⊆ (a) gibt es ein b ∈ p2 ...pr mit b 6∈ aO, also a−1 b 6∈ O. Andererseits ist aber bp ⊆ (a), also a−1 bp ⊆ O und somit a−1 b ∈ p−1 . Damit ist p−1 6= O. Sein nun a 6= 0 ein Ideal von O und α1 , ..., αn ein Erzeugendensystem. Annahme: ap−1 = a P Dann gilt für alle x ∈ p−1 : xαi = j aij αj , aij ∈ O Ist A die Matrix (xδij −aij ) ∈ Mn (K), so ist A(α1 , ..., αn )t = 0. Für die Determinante d = det(A) folgt mit dem Entwicklungssatz von Laplace, dass dα1 = ... = dαn = 0 und somit d = 0. Daher ist x als Nullstelle des normierten Polynoms f (X) = det(Xδij − aij ) ∈ O[X] ganz über O, dass heißt x ∈ O. Es ergibt sich somit p−1 = O. Das ist ein Widerspruch zur Annahme. Theorem 7.2.1. Jedes von (0) und (1) verschiedene Ideal a von O besitzt eine bis auf die Reihenfolge eindeutige Zerlegung a = p1 ...pr in Primideale pi von O. Beweis. Existenz der Primzerlegung: Sei M die Menge aller von (0) und (1) verschiedenen Ideale, die keine Primzerlegung besitzen. Annahme: M 6= ∅ Da O noethersch ist, existiert ein maximales Element a in M . Es liegt in einem maximalen Ideal p, und wir erhalten wegen O ⊂ p−1 a ⊂ ap−1 ⊂ pp−1 ⊂ O. Nach Lemma 7.2.2 ist a ⊂ ap−1 und p ⊂ pp−1 ⊆ O. Da p ein maximales Primideal ist, folgt pp−1 = O. Wegen der Maximalität von a in M und wegen a 6= p, also ap−1 6= O, besitzt ap−1 eine Primzerlegung ap−1 = p1 ...pr , also auch a = ap−1 p = p1 ...pr p. Das ist ein Widerspruch zur Annahme. Eindeutigkeit der Primzerlegung: Für ein Primideal p gilt ab ⊆ p ⇒ a ⊆ p oder b ⊆ p Das bedeutet p|ab ⇒ p|a oder p|b. Seien nun a = p1 p2 ...pr = q1 q2 ...qs zwei Primzerlegungen von a. Dann teilt p1 einen Faktor qi , o.B.d.A. q1 , und es gilt wegen der −1 Maximalität p1 = q1 . Wir multiplizieren mit p−1 1 und erhalten wegen p1 6= p1 p1 = O p2 ...pr = q2 ...qs So fortfahrend erhalten wir r = s und nach eventueller Umordnung pi = qi , i = 1, ..., r. Bemerkung 7.2.1. Fasst man in der Primzerlegung eines Ideals a 6= 0 von O die gleichen Primideale zusammen, so erhält man eine Produktdarstellung a = pv11 ... pvrr , vi > 0 Im Folgenden kann deshalb angenommen werden, dass pi paarweise verschieden sind. Satz T7.2.1. Seien a1 , ..., an Ideale in einem Ring O mit ai + aj = O für i 6= j. Ist dann a = ni=1 ai , so ist O/a ∼ = O/a1 × ... × O/an . Beweis. Den Beweis findet man im Skript zur Vorlesung Grundzüge der Algebra von Professor Wedhorn. 5 7.3 Die Idealklassengruppe Sei O ein Dedekindring. Für jedes von Null verschiedene Ideale von O erhalten wir ein multiplikatives Inverse, wenn wir den Begriff der gebrochenen Ideale im Quotientenkörper K einführen. Definition 7.3.1. Ein gebrochenes Ideal von K ist ein endlich erzeugter O−Untermodul a 6= O von K. Für ein Element a ∈ K ∗ ist zum Beispiel (a) = aO ein gebrochenes ”Hauptideal”. Da O noethersch ist, ist ein O−Untermodul a 6= 0 von K offenbar genau dann ein gebrochenes Ideal, wenn es ein c ∈ O, c 6= 0 gibt mit ca ⊂ O. Die gebrochenen Ideale werden genauso multipliziert wie die Ideale von O. Letztere bezeichnen wir von nun an auch als die ganzen Ideale von K. Bemerkung 7.3.1. Jedes Ideal 6=0 von O ist ein gebrochenes Ideal. Beweis. Jedes Ideal von O ist endlich erzeugt, da O noethersch ist. Satz 7.3.1. Die gebrochenen Ideale bilden eine abelsche Gruppe, die Idealgruppe JK von K. Das Einselement ist (1) = O und das Inverse zu a ist a−1 = {x ∈ K | xa ⊂ O} . Beweis. Die Assoziativität, Kommutativität und a(1) = a sind klar. Nach Lemma 7.2.2 gilt für ein Primideal p ⊂ pp−1 , also pp−1 = O wegen der Maximalität von p. Ist a = p1 ...pr ein ganzes −1 ein Inverses. Wegen ba = O ist b ⊆ a−1 . Ist umgekehrt Ideal, so ist hiernach b = p−1 1 ...pr xa ⊆ O, so ist xab ⊆ b, also x ∈ b wegen ab = O. Daher ist b = a−1 . Ist a ein gebrochenes Ideal und c ∈ O, c 6= 0 mit ca ⊆ O, so ist (ca)−1 = c−1 a−1 das Inverse von ca, also aa−1 = O. Korollar 7.3.1. Jedes gebrochene Ideal a besitzt eindeutige Produktdarstellung Q eine vp a = pp mit vp ∈ Z und vp = 0 für fast alle p. Das bedeutet, dass JK die durch die Primideale p 6= 0 erzeugte freie abelsche Gruppe ist. Beweis. Jedes gebrochene Ideal a ist Quotient a = bc−1 zweier ganzer Ideale b und c, die nach Theorem 7.2.1 eine Primzerlegung besitzten. Daber besitzt a eine Primzerlegung im Sinne des Korollars. Sie ist nach dem Theorem 7.2.1 eindeutig, wenn a ganz ist, und damit gleichermaßen auch im allgemeinen Fall eindeutig. Bemerkung 7.3.2. Die gebrochenen Hauptideale (a) = aO, a ∈ K ∗ , bilden eine Untergruppe der Idealgruppe JK . Sie wird mit PK bezeichnet. Die Faktorgruppe ClK = JK /PK heißt die Idealklassengruppe, oder auch Klassengruppe von K. Sie steht zusammen mit der Einheitengruppe O∗ von O in der exakten Sequenz 1 → O∗ → K ∗ → JK → ClK → 1, wobei der mittlere Pfeil durch a 7→ (a) gegeben ist. Die Klassengruppe ClK beschreibt damit die Größe der Ausdehnung und die Einheitengruppe O∗ die des Verlustes, die der Bereich der Zahlen bei Übergang zu den Idealen erfahren hat. Damit will man nun die Gruppen O∗ und ClK genauer untersuchen und erfassen. Bei allgemeinen Dedekindringen können diese beliebig ausfallen, während man hingegen für den Ring OK wichtige Endlichkeitsaussagen erhält. 6 Literaturverzeichnis [1] Jürgen Neukrich: Algebraische Zahlentheorie, Springer Verlag 1992 7