Übungsblatt 4 - Lehrstuhl für Optik, Uni Erlangen

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Experimentalphysik für Naturwissenschaftler 1
Universität Erlangen–Nürnberg
WS 2011/12
Übungsblatt 4 (09.12.2011)
Vorlesungen: Mo, Mi, jeweils 08:15 - 09:50 HG
Übungen: Fr 08:15 - 09:45 oder Fr 12:15 - 13:45, 14tägig
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1) Dreh- und Trägheitsmoment (qualitativ)
(a) An einem gleichseitigen Dreieck, das sich um den Punkt P drehen kann, greifen die fünf eingezeichneten,
betragsmäßig gleich großen Kräfte an. Ordnen Sie die Kräfte nach der Größe des Drehmoments, das sie bezüglich
P erzeugen.
(b) Die drei gezeigten Körper sind homogen gefüllt (grau) und besitzen alle dieselbe Masse. Ordnen Sie die
Trägheitsmomente der Körper, welche sie bezüglich der Drehung um die eingezeichneten Achsen besitzen, nach
ihrer Größe (qualitativ, keine Rechnung).
Lösung:
(a) Die Formel zur Berechnung des Drehmoments lautet D = r × F. Wir interessieren uns hier für dessen Betrag |D| = |r||F| sin(α). Eine mögliche Vorgehensweise ist nun die Länge |r| sowie den Winkel α zwischen
r und F für jede Kraft zu berechnen. Da dies jedoch aufwändig und nur eine qualitative Einordnung gefordert
ist, kann man sich einer geometrischen Konstruktion bedienen. Dazu teilt man den Ortsvektor r in einen Anteil
parallel zur Kraft (rk ) und senkrecht zur Kraft (r⊥ ). Dabei liefert nur der senkrechte Anteil r⊥ einen Beitrag zum
Drehmoment, da |D| = |r||F| sin(α) = |r⊥ ||F|. Aufgrund der Tatsache, dass alle Kräfte betragsmäßig gleich
groß sind, hängt die Größe des Drehmoments somit nur von der Länge von r⊥ ab. Für ein gleichseitiges Dreieck
der Seitenlänge a ergibt sich:
1
F1 :
F2 :
F3 :
F4 :
F5 :
√
|r⊥ | = a2 3
√
|r⊥ | = a4 3
|r⊥ | = 0 (Kraft parallel zum Richtungsvektor)
|r⊥ | = a2
√
0 < |r⊥ | < a4 3
Somit ergibt sich folgende Anordnung der Kräfte nach ihrem Drehmoment, das sie erzeugen:
F3 < F5 < F2 < F4 < F1 .
R
(b) Das Trägheitsmoment J berechnet sich bei einer kontinuierlichen Massenverteilung zu J = r2 dm. Da
bei der Integration jedes Massenelement dm mit seinem quadratischen Abstand r von der Drehachse gewichtet
wird, ist das Trägheitsmoment umso größer, je weiter sich die Massenelemente von der Drehachse befinden.
Bei einer Rotation um eine Achse, die nicht durch den Massenmittelpunkt des Körpers verläuft, ergibt sich das
Trägheitsmoment durch den Satz von Steiner zu J = JS + ml2 . Dabei bezeichnet JS das Trägheitsmoment des
Körpers bezogen auf eine Drehachse durch den Massenmittelpunkt, m die Gesamtmasse und l den senkrechten
Abstand der Drehachse zum Massenmittelpunkt. Somit ergibt sich für die Trägheitsmomente:
JB < JA , weil beim größeren Dreieck die Massenelemente weiter von der Drehachse entfernt sind.
JA < JD , da die Massenelemente im Inneren des gefüllten Dreiecks weniger zum Trägheitsmoment beitragen.
JD < JC aufgrund des Satzes von Steiner.
Damit ergibt sich die Reihenfolge JB < JA < JD < JC .
2) Lastenaufzug
(a) Berechnen Sie das Trägheitsmoment einer zylinderförmigen Scheibe (Radius R, Höhe H, Masse M ) bezüglich
einer Drehachse, die parallel zur Zylinderachse durch den Mittelpunkt der Scheibe geht.
(b) Ein masseloses Seil laufe um eine solche homogene Scheibe, die auf der Achse durch ihren Mittelpunkt reibungsfrei gelagert ist. Die Masse der Rolle beträgt M = 2 kg, ihr Radius ist R = 10 cm.
An einem Seilende ist ein Gestell der Masse m = 5 kg befestigt, das als vertikaler Lastenaufzug dient
(die Rolle befindet sich weit darüber). Ein Bauarbeiter hält das andere Seilende in der Hand und zieht
Lasten hinauf bzw. lässt sie herab. In Gedanken an das nahende Mittagessen vergisst der hungrige
Bauarbeiter das ruhende Gestell leerstehend in großer Höhe und lässt sein Seilende los. Nach einer
Sekunde bemerkt er seinen Fehler und schaut nach oben. Mit welcher Winkelgeschwindigkeit dreht
sich zu diesem Zeitpunkt die Rolle und wie groß ist deren Drehimpuls?
Lösung:
(a) Das Trägheitsmoment J wird berechnet, indem Massenelemente dm verwendet werden. Jedes Massenelement
dm ist ein Ring mit dem Radius r, Höhe H und der Dicke dr. Das Trägheitsmoment jedes Elements ist r2 dm. Das
Volumen der gesamten Scheibe ist V = πR2 H und somit das Volumen eines Massenelementes dV = 2πrdrH.
Damit beträgt die Masse eines Elements
dm =
M
M
dV =
2πHrdr
V
V
2
und daher gilt
J=
Z
2
r dm =
Z
R
0
2πHM
2πHrdr =
r
V
πHR2
2M
Z
R
r3 dr =
0
1
2M R4
= M R2 .
2
R 4
2
(b) Die Gewichtskraft des Gestells erzeugt ein Drehmoment, das die Rolle beschleunigt. Dabei greift die Gewichtskraft des Gestells FG = mg tangential am Rand der Rolle an, somit ist das Drehmoment
|D| = |r × F| = R · FG = mgR .
d
d
d
|L| = dt
(Jω) = J dt
ω. Dabei
Dieses Drehmoment führt zu einer zeitlichen Änderung des Drehimpulses |D| = dt
besteht das Trägheitsmoment J aus zwei Teilen. Einerseits besitzt die Rolle ein Trägheitsmoment JR = 12 M R2 .
Andererseits muss auch die Masse m des Gestells beschleunigt werden. Diese verhält sich, als ob sie sich am
Rand der Rolle befinden würde, womit das zusätzliche Trägheitsmoment JG = mR2 beträgt. Somit folgt
|D| = (JR + JG )
d
M
d !
ω = ( + m)R2 ω = mgR .
dt
2
dt
Durch zeitliche Integration erhält man die Winkelgeschwindigkeit
ω(t) =
mg
mgR
t=
t.
JR + JG
(M/2 + m)R
Demnach dreht sich die Rolle nach einer Sekunde mit ω(t = 1 s) = 81,75 1s . Der Drehimpuls der Rolle ist
gegeben durch
mgM R
t,
|L(t)| = JR ω(t) =
2m + M
so dass nach einer Sekunde gilt |L(t = 1 s)| = 0,8175 Js.
3) Zentrifuge
(a) Eine masselose Zentrifuge mit zylinderförmiger Probenkammer (Radius R = 1 cm) drehe sich reibungsfrei mit einer Winkelgeschwindigkeit ωa = 100 s−1 um ihre Schwerpunktachse, die identisch zur Zylinderachse
der Kammer ist. Die Probenkammer sei homogen mit Eis der Masse M = 0,1 kg gefüllt. Berechnen Sie die
Rotationsenergie des Eises.
(b) Nach einiger Zeit ist das Eis vollständig geschmolzen. Aufgrund der fehlenden Zentripetalkraft sammelt
sich das Wasser an der Mantelwand des Zylinders mit einer konstanten Dicke d = R2 . Wie groß ist die neue
Winkelgeschwindigkeit ωb der Kammer? Ist die Rotationsenergie noch genauso groß wie in Aufgabenteil (a)?
(c) Die Zentrifuge aus Teilaufgabe (a) fällt aufgrund eines Erdbebens vom Labortisch. Dabei bleibt der Drehimpuls des Systems erhalten, jedoch wird die Rotationsachse des Eises um l = 2R radial verschoben. Berechnen
Sie die neue Winkelgeschwindigkeit ωc und die zugehörige Rotationsenergie.
3
Lösung:
(a)
(a) Die Rotationsenergie ist gegeben durch Erot = 12 Ja ωa 2 =
1
2
· 21 M R2 · ωa 2 = 14 M R2 ωa2 = 25 mJ.
(b) Der Drehimpuls L bleibt erhalten, deshalb gilt |Lb | = Jb ωb = Ja ωa = |La |. Das Trägheitsmoment des
Eises Ja ist aus Aufgabenteil (a) bekannt. Das Trägheitsmoment des Wassers muss hingegen noch berechnet
werden. Dazu verwendet man Elemente der Masse dm = M
dV = M
2πHrdr (wie in Aufgabe 2(a)). Das
V
V
Trägheitsmoment ergibt sich durch Intergration über r von R − d bis R
Z
Z
8M 15 4 5
5
2πHM R 3
8M R4 − (R − d)4
2
2
=
R
=
M
R
=
Ja ,
J = r dm = 3 2
r dr =
2
2 64
3R
4
3R
8
4
πR
H
R−d
4
wobei d = R2 und das Volumen des Hohlzylinders V = πR2 H − π(R − d)2 H = 34 πR2 H verwendet wurde. Aus
der Drehimpulserhaltung folgt
1
4
Ja
ωb = ωa = ωa = 80 .
Jb
5
s
Demzufolge nimmt die Winkelgeschwindigkeit um 20% durch die Umverteilung des Wassers ab. Die Rotationsenergie ist dann
(b)
Erot
1
15
= Jb ωb2 =
Ja
2
24
4
ωa
5
2
4 (a)
1
(a)
= M R2 ωa2 = Erot = 20 mJ < Erot .
5
5
Die fehlende Rotationsenergie (5 mJ) ist bei der Umverteilung des Wassers durch Reibung in Wärme übergegangen.
(c) Die Drehimpulserhaltung ist nun |Lc | = Jc ωc = Ja ωa = |La |. Dabei wird das Trägheitsmoment des Eises mit
Hilfe des Satzes von Steiner berechnet
9
Jc = Ja + M l2 = M r2 = 9Ja ,
2
wobei l = 2r verwendet wurde. Dann ergibt sich aus der Drehimpulserhaltung die Winkelgeschwindigkeit
ωc =
Ja
ωa
= 11,1 s−1 .
ωa =
Jc
9
Für die Rotationsenergie gilt damit
1
9 ωa 2 1 (a)
1
(c)
(a)
Erot = Jc ωc2 = Ja
= Erot = M R2 ωa2 = 2, 78 mJ < Erot .
2
2
9
9
36
Ähnlich zu Teilaufgabe (b) ist hier die fehlende Rotationsenergie durch Reibung beim Verschieben der Rotationsachse in Wärme umgewandelt worden.
4
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