Wertewandel im Gesundheitswesen – Bedeutung und Herausforderung für den Pflegealltag Mirjam Schwegler, Leiterin der Abt. Bildung, Beratung und Entwicklung Pflege, Kantonsspital Münsterlingen September 2009 2009 Seite 1 Inhalt Werte Wertearten Wandel in der Medizin & Pflege ….und was beobachten Sie bei den Patienten? Autonomie als zentrales Handlungsprinzip in der Medizin & Pflege Autonomieanspruch & Autonomiefähigkeit Autonomiefähigkeit Herausforderungen in der Umsetzung des Autonomieprinzips im Pflegealltag Reflexion & Diskussion 2009 Seite 2 Werte Herkunft: Begriff aus Ökonomie (Tauschwert von Dingen in Marktgesellschaften) Im 19. Jh.: in philosophische Terminologie aufgenommen Wertebegriff gerät ins Rampenlicht der Ethik 2009 Seite 3 Wertearten persönlich (Zuwendung, Unabhängigkeit, Toleranz) beruflich (hygienisches Arbeiten, Pünktlichkeit, sicheres Einkommen) gesellschaftlich (Recht auf Gleichberechtigung, sozialer Frieden) kulturell (nationale Feste oder Bräuche, Gebäude wie Bundeshaus, religiöse Bindung) materiell (Besitzstand privates Eigentum, Auto) Grundwerte (Gesundheit, physische Integrität, Freundschaft, Autonomie, nach Wahrheit streben) 2009 Seite 4 Wandel in der Medizin & Pflege Wandel der Gesellschaft Fortschritte in der Medizin, Spezialisierung Zunahme ökonomischer Vorgaben steigende Gesundheitskosten limitierte personelle Ressourcen im Gesundheitswesen etc. Resultat: Auswirkungen auf Wertesystem und ethische Fragestellungen 2009 Seite 5 ….und was beobachten Sie bei den Patienten? 2009 Seite 6 ….und was beobachten Sie bei den Patienten? Patienten betrachten Gesundheit als „höchstes Gut“ Patienten setzen sich mit ihrer Krankheit auseinander Patienten sind nachfragend, suchen nach Informationen und Erklärungen, bewerten diese Patienten fordern Mitentscheidung resp. treffen eine informierte Entscheidung Patienten fordern eine individuelle Behandlung & Betreuung etc. Bedeutung für Pflegefachpersonal: Vertrauensverhältnis (Fürsorge) vs. Vertragsverhältnis (Aufklärung) vertiefte Auseinandersetzung mit Autonomieprinzip 2009 Seite 7 Autonomie als zentrales Handlungsprinzip in der Medizin & Pflege Herkunft des Begriffes: autos = selbst & nomos = Gesetz wesentliche Prägung durch Immanuel Kant (1724 – 1804): Der Mensch ist zur Selbstgesetzgebung bestimmt. Heute: Selbstbestimmung des Menschen als Vernunftswesen Fähigkeit, aufgrund von Überlegungen eine Wahl zu treffen / eine moralische Entscheidung zu treffen 2009 Seite 8 Autonomieanspruch & Autonomiefähigkeit Autonomieanspruch Autonomie = Teil d. Wesens jeder Mensch besitzt eine wesenhafte Würde (Menschenwürde) diese Würde ist unantastbar, unverlierbar, absolut jeder Mensch ist unverfügbar, darf nicht instrumentalisiert werden Pat. bestimmt letztinstanzlich Autonomiefähigkeit konkrete / aktuelle Fähigkeit zur Selbstbestimmung Voraussetzung: Urteilsfähigkeit, ansonsten teilweise oder ganz verlierbar abhängig von äusseren & inneren Faktoren Autonomiefähigkeit kann je nach Fragestellung variieren 2009 Seite 9 Autonomiefähigkeit urteilsfähige Patienten nicht urteilsfähige Patienten Anspruch auf informierte Einverständniserklärung und Empowerment Anspruch auf Respekt des mutmasslichen Willens resp. auf Respekt des mutmasslichen, dem Lebenskontext angemessenen Entscheid 2009 Seite 10 Herausforderungen in der Umsetzung des Autonomieprinzips im Pflegealltag Erkennung resp. Unterscheidung des Autonomieanspruches und der Autonomiefähigkeit: betagte Patienten schwer kranke Patienten etc. Akzeptanz der Autonomiefähigkeit: Entscheidung urteilsfähiger Patienten gegen eine Therapie oder invasive Intervention sterbende / schwer kranke Patienten etc. Umgang mit bedingt oder nicht mehr urteilsfähigen Patienten: Patienten mit einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung sterbende Patienten etc. Cave: vermeiden der Delegation von Verantwortung 2009 Seite 11 Reflexion & Diskussion 2009 Seite 12 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 2009 Seite 13 Referenzen Battegay, R.; Rauchfleisch, H.: Menschliche Autonomie. Göttingen: Sammlung Vandenhoeck & Ruprecht, 1990. Brücker, L.: Lebenshilfe zum Ende – Sterbehilfe am Ende (Master Thesis). Zürich: Hochschule f. soziale Arbeit / Dialog Ethik, 2008. Brücker, L.: Der Patientenwille: Zwischen Autonomieanspruch und hoher Erwartungshaltung. Zoom Personalzeitung der Spital Thurgau AG, 2009, 2: 3233. 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