Spezial 20/1/2011 Dr. Karin Schmidlin Enderli Neue Frauenklinik Kantonsspital Luzern Tauchen und der weibliche Zyklus Man(n) taucht – Frau natürlich auch! Frauen sind zu sportlichen Höchstleistungen fähig – wie ihre männlichen Kollegen. Beim Tauchen sind einige physiologische Unterschiede zu beachten. Medizinisch-wissenschaftlich widerlegte Ammenmärchen lassen sich auch hier schlecht ausrotten. Was für Folgen kann es geben, wenn Frauen mit Unter­ leibsproblemen – was weiss ich, was es da alles gibt – tauchen? Dürfen Frauen mit Kinderwunsch oder während der Schwangerschaft weiterhin tauchen? Was geschieht mit Brustimplantaten während des Tauchens? Als ich, in jungen Jahren versteht sich, mit dem Tauchen angefangen habe, hörte ich wildeste Geschichten über das Tauchen im Zusammenhang mit typisch weiblichen Problemen. Viele Fragen standen im Raum. Was für Auswirkungen kann es haben, wenn man in der Schwangerschaft taucht? Der weibliche Zyklus / Die Menstruation Frauen dürfen während des ganzen weiblichen Zyklus tauchen, das heisst, auch während der Menstruation. Es gibt Hinweise, dass das Risiko für eine Dekompressions­ krankheit während und kurz nach der Menstruation größer Abb. 1. Tauchen trotz Menstruation 36 Spezial 20/1/2011 Abb. 2. Ovulationhemmer haben keinen negativen Einfluss Abb. 3. Tauchverbot während der Schwangerschaft ist als während des restlichen weiblichen Zyklus [1, 2]. Während der Menstruation kommt es durch Hormon­ einflüsse zu einer vermehrten Flüssigkeitseinlagerung im Gewebe, was die Stickstoffaufnahme und –abgabe verändern kann [3]. Zudem reduzieren Frauen aufgrund der Regelbeschwerden häufig ihre Trinkmenge, sodass es zu einem Flüssigkeitsmangel kommt und dadurch beim Auftauchen der freiwerdende Stickstoff weniger gut abgegeben wird. Während der Menstruation sollten Taucherinnen deshalb auf jeden Fall auf eine genügend grosse Flüssigkeitszufuhr achten. Tauchmediziner raten auch vor tiefen Tauchgängen bzw. Wiederholungstauch­ gängen während und kurz nach der Monatsblutung ab [4]. Insgesamt kann aber auch gesagt werden, dass Frauen weniger häufig eine Dekompressionskrankeit erleiden als Männer [5, 6]. Vermutlich ist dies aber nicht auf die körperliche Konstitution zurückzuführen, sondern auf das konservativere Tauchverhalten der Frauen. Tauchen während der Menstruation bedeutet kein er­ höhtes Risiko für eine Infektion der weiblichen Geschlechtsorgane. Das Verwenden von Tampons ist ebenfalls unbedenklich. Menstruation und Haie Viele Frauen haben Angst vor einer Haiattacke während ihrer Monatsblutung. Es wurde in Studien nachgewiesen, dass Haie kleinste Mengen Blut auf grosse Distanzen mit ihrem ausgezeichneten Riechorgan erkennen können. Haie werden hauptsächlich durch Altblut von Tieren angezogen [7, 8]. Es existieren keinerlei Studien dazu, ob Menstrua­ tionsblut Haie anzieht oder nicht. Statistisch gesehen sind Haiangriffe extrem selten – eher wird man vom Blitz getroffen oder durch eine herabfallende Kokosnuss am Strand verletzt – und betreffen häufiger Männer als Frauen [8]. Es gibt also diesbezüglich keinen wissenschaftlichen Hintergrund für eine Empfehlung zum Tauchen während der Menstruation. Nichtsdestotrotz empfehlen einige – vor allem amerikanische – Organisationen, auf das Tauchen während der Menstruation zu verzichten oder wenn, dann Tampons zu verwenden [9]. Ich persönlich habe mich noch nie durch meinen Monatszyklus vom Tauchen abhal­ ten lassen. Wer gar nicht erst vor das Problem gestellt wer­ den möchte und keine gesundheitlichen Probleme hat, hat die Möglichkeit, mit der Anti­Baby­Pille die Menstruation zu verschieben. Am besten lässt man sich diesbezüglich durch die Gynäkologin / den Gynäkologen beraten. 38 Spezial 20/1/2011 Pille Stillzeit Frauen, welche die Anti­Baby­Pille einnehmen, dürfen ohne Einschränkung tauchen. Pilleneinnehmerinnen haben ein erhöhtes Risiko für Thrombosen. Theoretisch könnte man erwarten, dass somit auch ein erhöhtes Risiko für einen Dekompressionsunfall besteht, was aber nicht der Fall ist [4, 10]. Generell wird diesen Taucherinnen geraten, beim Tauchen auf eine ausreichende Flüssig­ keitszufuhr zu achten, speziell auch während und nach einer Flugreise. Nach der Geburt darf wieder getaucht werden, wenn der Wochenfluss versiegt ist und die normale körperliche Leistungsfähigkeit erreicht ist. Stillen bedeutet keine Einschränkung. Stillen geht aber mit einem erheblichen Mehrbedarf an Flüssigkeit einher, so dass unbedingt auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden muss. Bei einem Flüssigkeitsmangel wird einerseits die Milchproduktion beeinträchtigt und andererseits das Risiko für einen Dekompressionsunfall deutlich erhöht. Bei Brust­ entzündungen sollte aufs Tauchen verzichtet werden [4]. Schwangerschaft Infektionen Tauchen sollte in der ganzen Schwangerschaft strikte un­ terlassen werden, da eine Schädigung des ungeborenen Kindes nicht auszuschliessen ist [11, 12]. Der Stickstoff im Blut der Mutter geht über den Mutterkuchen auch zum Kind über. Theoretisch können die entstehenden Gas­ blasen zu Verschlüssen in den kindlichen Blutgefässen und in den Blutgefässen des Mutterkuchens führen, so­ dass es zu einer Schädigung des Kindes kommen kann. Es gibt allerdings zu diesem Thema keine aussagekräfti­ gen einheitlichen Studien [13, 14, 15]. Vereinzelt wird von Berufstaucherinnen berichtet, welche bis kurz vor der Geburt getaucht sind und gesunde Kinder geboren haben [16]. Andererseits gibt es auch kleine Studien, die über eine erhöhte Missbildungsrate bei den Kindern von Müt­ tern, die in der Schwangerschaft getaucht sind, berichten [17, 18, 19]. Es sollte deshalb schon dann, wenn die Möglichkeit für eine Schwangerschaft besteht, aufs Tau­ chen verzichtet werden, also auch während einer Kinder­ wunschbehandlung oder künstlichen Befruchtung [4, 12]. Wird in der Anfangsphase der Schwangerschaft unab­ sichtlich – da die Schwangerschaft noch nicht bekannt ist – trotzdem getaucht, ist dies kein Grund für einen medi­ zinischen Schwangerschaftsabbruch, sofern sich die Schwangerschaft normal entwickelt [16, 18]. Bei einer Infektion der weiblichen Genitalorgane oder bei einer Harnwegsinfektion sollte mit dem Tauchen zu­ gewartet werden, bis die Infektion ausgeheilt ist, da eine Infektion zumeist auch die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und somit das Risiko für einen Tauchunfall erhöht. Bei Tauchreisen in medizinisch schlecht versorgte Länder macht es immer Sinn, sich vom Arzt ein Antibio­ tikum zur Behandlung einer Blasenentzündung und ein Medikament zur Behandlung eines Vaginalpilzes mit­ geben zu lassen. Brustimplantate Kann beim Tauchen ein Brustimplantat platzen? In Druckkammerversuchen (mit höheren Stickstoffpartial­ drucken als beim Tauchen) konnte zwar eine Gasblasen­ bildung in den Implantaten bei der Dekompression nach­ gewiesen werden, dabei kam es aber nicht zu einer kri­ tischen Grössenzunahme, die zu einem Platzen des Implantates führen könnte. Brustimplantate bedeuten keine Einschränkung für das Tauchen[20, 21]. Lediglich Druckschädigungen durch zu engsitzende Ausrüstungen müssen vermieden werden. 39 Spezial 20/1/2011 Sonstiges St Leger Dowse M, Bryson P, Gunby A et al. Comparative data from 2250 male and female sport divers: diving patterns and decompres­ sion sickness. Aviat Space Environ Med 2002; 73:743–9. Zwingelberg KM, Knight MA, Biles JB. Decompression sickness in women divers. Undersea Biomed Res 1987; 14:311–7. Ritter E., Wegner G. Haiunfälle. Kosmos Verlag ISBN: 3­440­09807­9. International shark attack file, statistics of shark attacks on divers. 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Es gilt zu beachten, dass sich Männer und Frauen sowohl in ihrer Körperkon­ stitution als auch in ihrem Hormonhaushalt deutlich unterscheiden, was sich auch beim Tauchsport auswirkt. Inzwischen ist aber klar, dass Frauen für den Tauchsport genauso geeignet sind wie Männer. Literatur St Leger Dowse M, Gunby A et al. Problems associated with scuba diving are not evenly distributed across a menstrual cycle. J. Obstet. Gynaecol. 2006; 26(3):216–21. Lee V, St Leger Dowse M, Edge C et al. Decompression sickness in women: a possible relationsship with the menstrual cycle. Aviat Space Environ Med 2003; 74:1177–82. Wenzel J, Muth CM. Physikalische und physiologische Grundlagen des Tauchens. Dtsch Z Sportmed 2002; 53:162–9. Reich A et al. Tauchmedizinische Beratung in der gynäkologischen Praxis. Geburtsh Frauenheilk 2010; 70:369–73. Artikel erschienen in „Taucherrevue“ 4. November 2010 (ohne Literaturangaben) n 40