New Yorker Aids-Virus verblüfft die Wissenschaftler

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New Yorker Aids-Virus verblüfft die Wissenschaftler
von Sonja Kastilan
Boston Ursprünglich stand für Donnerstag abend kein Vortrag auf dem Plan. Das
offizielle Tagesprogramm der 12. Konferenz zu Retroviren und
opportunistischen Infektionen (CROI), sollte um 18.00 Uhr enden. Doch
das Hynes Convention Center in Boston leerte sich nicht, ein
Spezialsymposium hielt die internationalen Aids-Experten zurück: Nach
Berichten über innovative Wirkstoffe, Therapie von Schwangeren und
HIV-Übertragung wollten sie Neues erfahren über das vermeintliche
Supervirus aus New York, das weltweit für Aufruhr gesorgt hatte.
Bei einem Mann hatten Mediziner einen seltenen HIV-Stamm entdeckt,
gegen den alle Medikamente der drei üblichen Klassen wirkungslos
waren. Zudem war der Mittvierziger ungewöhnlich schnell an Aids
erkrankt - innerhalb von vier bis 20 Monaten nach der Infektion, was
sonst mehrere Jahre dauern kann. Die Gesundheitsbehörde schlug Alarm,
und verschiedene Spezialisten nahmen sich des Falles an. Dazu gehört
Professor David Ho von der Rockefeller-Universität, der in Boston nun
weitere Details über das Aids-Virus bekannt gab.
"Der Stamm vereint offenbar viele ungünstige Eigenschaften", erklärt
Professor Norbert Brockmeyer, der an dem Symposium teilgenommen hatte.
Der Sprecher des deutschen Kompetenznetzes HIV/Aids weiß, daß derart
resistente Viren inzwischen öfter auftreten, auch schnelle
Krankheitsausbrüche habe es schon gegeben. Und in Boston berichtete
Stephen Gange aus Baltimore über Verläufe, die man bei der Beobachtung
großer Personengruppen festgestellt hatte: In einem Prozent der Fälle
entwickelte sich Aids innerhalb von einem Jahr, bei 2,1 Prozent in
zwei Jahren. Bislang weist im New Yorker Fall nichts auf
immunologische Besonderheiten des Infizierten hin, der nach deutscher
Definition aber auch nicht das Aids-Vollbild zeigt. Der Fall sei
beachtenswert, so Brockmeyer, doch man habe übereilt die Angst vor
einem Supervirus geschürt.
"Ungewöhnlich ist sicher die Kombination von Resistenzen, viraler
"Infektionsfitneß", schnellem Ausbruch und die frühe Beobachtung von
Merkmalen, die eher später auftreten." So bilden die Viren sogenannte
Syncytien, größere Ansammlungen, und sie können mit Hilfe von beiden
bekannten Co-Rezeptoren in Körperzellen eindringen. Wenn sie an den
CD4-Rezeptor binden, können sie zwischen CCR5 und CXCR4 wählen. "Diese
Wahlmöglichkeit muß berücksichtigt werden, wenn bald neue
Aids-Medikamente auf den Markt kommen, die Rezeptoren gezielt
blockieren", so Brockmeyer, der in zunehmenden Resistenzen bei
Aids-Viren ein Hauptproblem der Zukunft sieht. Entsprechend gehöre das
Thema zu wichtigen Fragen bei der Konferenz neben der Therapie von
HIV-infizierten Schwangeren und dem Fokus auf Osteuropa, wo sich die
HIV-Epidemie dramatisch entwickle.
Artikel erschienen am Sa, 26. Februar 2005
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