HIV-Infektion und chronische Virushepatitis: über die Notwendigkeit, global zu denken Prof. Dr. med. Schlomo Staszewski, HIVCENTER, Klinikum der J.W. GoetheUniversität, Medizinische Klinik II, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main HIV-Infizierte müssen heute nicht mehr an ihrer Erkrankung sterben. Sie können mit wirksamen Medikamenten behandelt werden. Durch den Einsatz der antiretroviralen Kombinationstherapie ab Mitte der 90er Jahre konnte die Sterblichkeit von AIDS in den modernen Industriestaaten um mehr als 95% gesenkt und die Krankheitsprogression bei HIV-Infizierten erfolgreich aufgehalten werden. Trotz dieser Erfolge bleibt die HIV-Infektion weiterhin die weltweit folgenschwerste Krankheitsepidemie des ausgehenden 20sten und beginnenden 21sten Jahrhunderts. Laut WHO sind gegenwärtig auf Erdball 40 000 000 Menschen mit HIV infiziert. Alleine im Jahre 2005 wurden mehr als 4000 000 Neuinfektionen und 3000 000 Todesfälle an AIDS registriert. Der überwiegende Teil der Infizierten stammt aus den armen Entwicklungsländern, insbesondere aus den afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Sie sterben an AIDS, nicht weil es gegen ihre Erkrankung keine Behandlung gibt, sondern weil es für sie, bedingt durch Armut, Unwissenheit und unterentwickelten Gesundheitssystemen, keine Möglichkeit gibt, die notwendige Behandlung zu erhalten. Der Spannungsbogen zwischen der guten Behandelbarkeit auf der einen Seite und der extrem hohen Morbidität und Mortalität auf der anderen Seite hat Implikationen für den ärztlichen Umgang mit der Erkrankung. Der Qualitätsmaßstab zur Beurteilung der medizinischen Leistung im Bereich der HIVInfektion kann sich nicht ausschließlich im Wohlergehen des Einzelpatienten erschöpfen, sondern muss als wesentliches Kriterium die Kontrolle von AIDS als weltweite Epidemie mit umfassen. Dies ist nicht als moralischer Anspruch, sondern als wissenschaftliche und pragmatische Leitlinie bei der Behandlung der Patienten und bei der Entwicklung neuer Therapieansätze zu verstehen. Die Fortschritte, in der medizinischen Versorgung von HIV sind eng mit einer solchen globalen Sichtweise auf die Epidemie verbunden. Dies gilt sowohl für die behandelnden Ärzte als auch für die um Hilfe suchenden Patienten. Für die ärztliche Tätigkeit bedeutet die Realisierung dieses Anspruchs, dass Ergebnisse und Nebenwirkungen der vor Ort durchgeführten Therapien wissenschaftlich auswertbar und nach außen kommunizierbar sein sollen. Die Einhaltung wissenschaftlicher Kriterien bei der Behandlung und Dokumentation der Fälle, die Teilnahme an Studien, die Koordination und Kooperation mit Einrichtungen, die die gleichen Ziele verfolgen, sowie die kritische Vermittlung der gemachten Erfahrungen verbindet letztendlich die ärztliche Tätigkeit am Einzelpatient mit dem globalen Kampf gegen die weltweite AIDS Epidemie. Der infizierte Patient ist grundsätzlich ein Opfer der HIV-Epidemie. Ein potentieller Ansatz zur Überwindung dieser Opferrolle kann sich aus der Erkenntnis des Betroffenen ergeben, dass seine Behandlung nicht nur ihm selbst nutzt, sondern möglicherweise einen Beitrag zur Eindämmung der Epidemie und zur Kontrolle ihrer Auswirkungen darstellt. Der Wunsch, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen war für viele tausende von Patienten die wesentliche Motivation zur Teilnahme an den wichtigen Studien, die den Erfolg der antiretroviralen Therapie begründeten. Man war bereit, im gewissen Ausmaß vom eigenen persönlichen Schicksal zu abstrahieren und es durch die Teilnahme an einem Experiment, dem allgemeinen Interesse an einer Verbesserung der Behandlung zu subsumieren. Die individuelle Lage der meisten HIV-Patienten hat sich in den modernen Industriestaaten dank der Verfügbarkeit der antiretroviralen Therapie stabilisiert. Dennoch sind viele Probleme nicht gelöst und neue sind hinzugekommen. Langzeitnebenwirkungen, virale Resistenzentwicklung und Co-Infektionen mit chronischen Hepatitiden bedrohen die Erfolge der Therapie. Auch bei der Lösung der Langzeitprobleme der Therapie sind globale, wissenschaftlich motivierte Konzepte gefragt. Der globale Umgang mit der HIV-Infektion kann nur vollständig sein, wenn er auch die Situation in der 3. Welt umfasst. Die Klinikspartnerschaft zwischen dem HIVCENTER an der Frankfurter Universitätsklinik und der Karabong Klinik in Mafeteng, Lesotho ist ein Beispiel dafür, wie die Erfahrungen einer deutschen Klinik in einem armen Land dazu beitragen können,die den Bevölkerungsbestand gefährdende AIDS Epidemie, mit Hilfe einer medikamentösen Behandlung in den Griff zu bekommen.