Vorlesung QUANTENPHYSIK III: Festkörperphysik

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Quantenphysik
Festkörperphysik
Gerhard Franz
ISBN 978-3-9812472-9-9
30. Juni 2016
Inhaltsverzeichnis
1
2
Inhaltsverzeichnis
1 Festkörpermodelle
In diesem Kapitel werden wir im induktiven Verfahren die kubischen direkten Gitter studieren und danach das korrespondierende reziproke Gitter. Die
wichtigste Einheit ist die Elementarzelle, mit der das Translationsgitter definiert wird. Zum Abschluß wird die Bragg-Bedingung im reziproken Gitter
untersucht.
1.1 Das reale und das reziproke Gitter
1.1.1 Einleitung
Unter einem Gitter versteht man eine reguläre periodische Anordnung von Punkten im
Raum. Unter einer Basis versteht man eine Gruppe von Atomen, die sich periodisch
im Raum wiederholt und damit eine Kristallstruktur entstehen läßt. Damit sieht die
Anordnung, von einem beliebigen Gitterpunkt r aus in eine bestimmte Richtung
betrachtet, identisch aus:
r ′ = r + n1 i + n2 j + n3 k
(1.1)
mit ni ganzen Zahlen und den drei Einheitsvektoren i, j und k in den drei cartesischen Raumrichtungen x, y und z. Es hat sich herausgestellt, daß es im zweidimensionalen fünf und im dreidimensionalen 14 verschiedenen Gittertypen gibt, die sich
durch die Anzahl ihrer Symmetrieelemente voneinander unterscheiden. Diese werden als Bravais-Gitter bezeichnet. Dazu gehören im kubischen (drei rechte Winkel,
n1 = n2 = n3 ) das einfach-kubische, das kubisch-raumzentrierte und das kubischflächenzentrierte Gitter — zu diesem zählen auch die in der Halbleiterphysik wichtigen
Gitter des Diamanten (Si) und der Zinkblende (GaAs, InP).
Physikalisch besteht die Notwendigkeit, ein reziprokes Gitter zu konstruieren, da
die tatsächliche Wechselwirkung etwa mit elektromagnetischen Wellen in Wirklichkeit nicht mit Atomen an einem Ort, sondern mit einem ausgedehnten Ensemble
stattfindet. Es ist daher sogar sinnlos, die Ortsabhängigkeit der Wechselwirkung zu
untersuchen. Es soll daher zur weiteren Motivation zunächst die Beugung am eindimensionalen und dreidimensionalen Gitter rekapituliert werden.
1
2
1 Festkörpermodelle
1.1.2 Beugung und Streuung: Experimentelle Befunde
Reales Gitter aus der Vorlesung ist ein Modell: sehr kleine Kugeln in viel zu
großem Abstand. Wirklich reales Gitter: Atome berühren einander, Kalottenmodell
und Styropor-Kugeln dienen zur Beschreibung. Erstmalige Bestimmung einer Kristallstruktur durch Max von Laue und seine Doktoranden Friedrich und Knipping.
Was sieht man bei der WW von Strahlung mit einem linearen Gitter?
nλ
:
(1.2)
g
Der Beugungswinkel ist umgekehrt proportional dem Abstand zweier Gitterfurchen:
Wir sehen das Abbild des reziproken Gitters! Schulphysik: elastische Streuung
von Röntgenstrahlen mit Festkörper (Braggstreuung, Abb. 1.1): Der Gangunterschied der beiden Lichtstrahlen, die an der Netzebene C bzw. D reflektiert werden,
und der die Summe der Strecken BD und DA ausmacht, muß ganzzahlige Vielfache
n der Wellenlänge λ betragen, um als sog. Glanzwinkel“ einen Reflex zu erzeugen.
”
sin ϑ =
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
✻
d
❄
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
◗
✑
◗ C ✑
s✑ ϑ
ϑ ◗
✑
◗
✑
◗ ✓✓❙❙ ✑
✑A
B◗◗
s✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✑
✸
✑
✸
✑
d sinϑ D
Abb. 1.1. Im realen Gitter mit Netzebenenabstand d wird Röntgenstrahlung gestreut.
Bei entsprechendem Gangunterschied d sin ϑ zweier gestreuter Elementarwellen erfolgt konstruktive Interferenz unter der Bedingung 2d sin ϑ = nλ. Dieses Gesetz ist eine Konsequenz der Gitterperiodizität. ϑ und λ müssen zueinander passen! Bei 100 %iger
Reflexion bereits an der ersten Netzebene würden alle Wellen jeder Wellenlänge
reflektiert!
Wir sehen also, daß die Wechselwirkung eines Festkörpers mit elektromagnetischer
Strahlung vorteilhaft im Reziproken Gitter beschrieben wird.
1.1.3 Elementarzelle im realen Gitter
1.1.3.1 Unterschied zwischen Atomabstand und Gitterkonstante. Für die
Gitter stellt man zunächst fest, daß der Atomabstand, die kürzeste Verbindungslinie
zwischen zwei Atomkernen, und die Gitterkonstante nicht kongruent sind (Abbn. 1.2).
Die Gitterkonstante wird oft als Gitterparameter bezeichnet. Für andere als kubische
Gitter gibt es natürlich mehrere davon.
1.1 Das reale und das reziproke Gitter
3
d
d
2d
2d
c
c
c
b
b
a
a
d
b
a
Abb. 1.2. Nur im primitiven kubischen Gitter (lks.) ist die Gitterkonstante (a = b = c)
gleich dem Atomabstand d.√Im fcc-Gitter (M.) ist der kürzeste Abstand die halbe Länge
der Seitendiagonalen (d = 22 a), im bcc-Gitter (re.) der halbe Wert der Raumdiagonalen
(d =
√
3
2 a).
Es ist nicht trivial, aus einem Translationsgitter die Einheitszelle oder Elementarzelle herauszupräparieren, die die kleinste Einheit bildet, aus der man das Kristallgitter durch periodische Parkettierung gewinnen kann. So ist die kubisch-raumzentrierte
Struktur des CsCl zu schreiben als CsCl8/8 . Aber was ist die kleinste Einheit?
Am einfachsten ist die Methode von Wigner und Seitz (Abb. 1.3):
• Ist das Gitter ein Translationsgitter?
• Suche ein Zentrum (CsCl-Gitter: Cs, NaCl-Gitter: Na).
• Stelle die nächsten äquivalenten Nachbarn fest (CsCl-Gitter: 8 Cl, NaCl-Gitter:
6 Cl) und verbinde sie mit dem Zentrum.
• Errichte die Mittelsenkrechten als Ebenen.
• Das kleinste umschriebene Volumen ist die Elementarzelle: Es ist dasjenige Gebiet, dessen Punkte zum gewählten Zentrum näher liegen als zu jedem
anderen Gitterplatz.
Beispiel 1.1 Bestimmen Sie die primitive Elementarzelle (Wigner-Seitz-Zelle) des fccGitters und bestimmen Sie deren Volumen!
Wie aus Abb. 1.4 hervorgeht, baut man zweckmäßigerweise ein Dreibein von einem beliebigen Eckatom dadurch auf, daß man die jeweils drei nächsten Atome auf den benachbarten
Seitenwänden verbindet. Da jeder Würfeleckpunkt zu vier Würfeln gehört, muß man dieses
viermal machen und gelangt so zu den zwölf nächsten Nachbarn. Halbierung der Strecken
mit Ebenen erzeugt ein rhombisches Polyeder. Alternativ kann man die drei Basisvektoren
in einem Elementarwürfel um √12 d (d: Kantenlänge des Kubus) verschieben und erhält dann
auch die Elementarzelle. Die drei Basisvektoren bilden als Produkt das Elementarvolumen
des fcc-Gitters:
4
1 Festkörpermodelle
Abb. 1.3. Die Konstruktion der Wigner-Seitz-Zelle in einem zweidimensionalen Gitter eines chemischen Elements. Durch Parkettierung dieser
Elementarzelle läßt sich die periodische Struktur genau dieses Gitters
aufbauen. Ist dies nicht der Fall (z. B.
beim Diamantgitter), muß eine andere
Methode gewählt werden (s. Kap. 4).
j
j
a
b
a
i
k
b
k
c
c
i
Abb. 1.4. Lks: Aufbau des Dreibeins im fcc-Gitter. Re.: Die Wigner-Seitz-Zelle des fcc–
Gitters enthält alle sechs Atome der Flächenmitten, das Aufatom und das auf der Raumdiagonalen liegende Atom. Das Volumen ist 1/4 d3 mit d der Kantenlänge des Kubus.
a =
1/ d (i
2
b =
1/ d (j
2
c =
1/ d (k
2
+ j) 

+ k)



(1.3)



+ i) 
Diese Basisvektoren stehen im Winkel von 60 ◦ zueinander, die das Polyeder begrenzenden Flächen sind Rhomben, und die gegenüberliegenden Flächen sind um √12 d voneinander
entfernt. V, das Volumen der Wigner-Seitz-Zelle, ist das Spatprodukt der Gittervektoren:
V = a · [b × c].
(1.4)
Daraus bestimmt man als Spatprodukt zunächst das Kreuzprodukt (3×3-Determinante)
und dann das Skalarprodukt
1.2 Formalismus des reziproken Gitters

5
i
0
1


1
j k 

1 1 = 1 
−1
0 1  

1
1

 

 1  ·  1  = 1 + 1 = 2,
−1
0
so daß sich als Volumen
V =
3
1
2
1
× 2d3 = d3
4
(1.5.1)
(1.5.2)
(1.6)
ergibt (Abb. 1.4).
j
b
a
i
k
c
Abb. 1.5.
Die
rhomboedrische
WS-Zelle des fcc-Gitters mit der
(111)-Ebene. Man sieht, daß die
Vektoren a, b und c Elemente der
Raumdiagonalenfläche
sind.
Die
Winkel zwischen diesen Vektoren
betragen 60◦ .
In Abb. 1.5 ist die WS-Zelle nochmals gezeigt, zusammen mit der (111)-Ebene, die drei der
sechs Flächenmittenatome enthält.
d2
1
d
V = √ · √ = d3
4
2
8
(1.7)
Beispiel 1.2 Warum gehört der Tetraeder in die Klasse der kubischen Kristalle?
Mit Abb. 1.6 kann gezeigt werden, daß ein Tetraeder konstruiert werden kann aus der
Verbindung der Seitendiagonalen zweier gegenüberliegender Seiten eines Würfels.
Das Diamantgitter wird im Kap. 4 diskutiert werden.
1.2 Formalismus des reziproken Gitters
Die Wigner-Seitz-Zelle im reziproken Gitter ist die sog. Brillouin-Zone (BZ).
Sie spielt daher eine entscheidende Rolle in der Festkörperphysik und wird deswegen
hier näher untersucht: Die Gittervektoren des reziproken Gitters ergeben sich durch
6
1 Festkörpermodelle
Abb. 1.6. Ein Tetraeder kann konstruiert werden aus der Verbindung
(blau) der Seitendiagonalen zweier gegenüberliegender Seiten (rot) eines
Würfels.
Bildung des äußeren Produkts der jeweils anderen zwei Gittervektoren des realen Gitters, wobei V das Volumen der Wigner-Seitz-Zelle ist (genauer: das Spatprodukt
der Gittervektoren). Wir definieren die Gittervektoren
a = ai,
(1.8.1)
b = bj,
(1.8.2)
c = ck,
(1.8.3)
und erhalten
A=
2π
b × c,
V
(1.9.1)
B=
2π
c × a,
V
(1.9.2)
C=
2π
a × b,
V
(1.9.3)
so daß die Bedingung
G · g = 2πδij
(1.10)
mit δij dem Kronecker-Symbol gilt. Damit wird das Volumen der Brillouin-Zone
eines kubischen Gitters (sc)
VBZ = ABC =
8π 3
.
d3
(1.11)
Beispiel 1.3 Ein dreidimensionales, rechteckiges Gitter hat folgende Abmessungen: a =
b = d, c = 2d mit d der Basislänge (sog. tetragonal gestrecktes Gitter). Dann ist V = 2d3
und
1.2 Formalismus des reziproken Gitters
7
A=
2π
i,
d
(1.12.1)
B=
2π
j,
d
(1.12.2)
C=
π
k.
d
(1.12.3)
1.2.1 Konstruktion des zum fcc-Gitter reziproken Gitters
Wir gehen aus von der Definition des Dreibeins in Abb. 1.4.
a =
1
b =
1
c =
1

/2 d (i + j) 


/2 d (j + k)


(1.3)



/2 d (k + i) 

Die Gittervektoren des reziproken Gitters ergeben sich nach den Gln. (1.9)
A=
2π
b × c,
V
(1.9.1)
B=
2π
c × a,
V
(1.9.2)
C=
2π
a × b,
V
(1.9.3)
2π
(i + j − k),
d
(1.13.1)
2π
(−i + j + k),
d
(1.13.2)
2π
(i − j + k).
d
(1.13.3)
ausgeführt
A=
B=
C=
oder in Spaltenschreibweise






1
−1
1
2π 
2π 
2π 



A=
 1 ∧B =
 1 ∧C =
 −1  .
d
d
d
−1
1
1
(1.14)
Das sind die Gittervektoren des raumzentrierten Gitters: der Ursprung des Dreibeins wird hier in den Mittelpunkt der bcc-Zelle gesetzt, dort, wo sich die Raumdiagonalen treffen.
8
1 Festkörpermodelle
1.2.2 Elementarzellen im Reziproken Gitter: Brillouin-Zonen
• Das reziproke Gitter des primitiven Gitters (simple cubic, sc) ist das primitive
Gitter.
• Das reziproke Gitter des kubisch-flächenzentrierten Gitters (face-centered cubic,
fcc) ist das kubisch-raumzentrierte Gitter.
• Das reziproke Gitter des kubisch-raumzentrierten Gitters (body-centered cubic,
bcc) ist das kubisch-flächenzentrierte Gitter.
Beispiel 1.4 Das zum fcc-Gitter reziproke Gitter ist das bcc-Gitter. Folglich wird die
primitive Zelle durch Verbinden der acht nächsten Nachbarn eines Zentralatoms bestimmt,
auf denen die senkrecht stehenden Mittelebenen errichtet werden. Das Ergebnis ist Abb.
1.7, ein beschnittener Oktaeder, mit den drei Einheitsvektoren kx , ky , kz , die durch drei
quadratische Begrenzungsflächen in der Mitte stechen.
Es seien hier die ausgezeichneten Gitterpunkte der ersten Brillouin-Zone des
fcc-Gitters notiert:
• Ursprung (Γ-Punkt): (0, 0, 0);
• X-Punkt (1, 0, 0): Der Schnittpunkt der Achse [100] mit dem Rand der 1. BZ.
• L-Punkt (0.5, 0.5, 0.5): Der Schnittpunkt der Raumdiagonalen [111] mit dem
Rand der 1. BZ.
• K-Punkt (0.75, 0.75, 0): Der Schnittpunkt der Diagonalen in einer Ebene [110]
mit dem Rand der 1. BZ.
• U-Punkt (0.25, 1, 0.25).
• W-Punkt (0.5, 1, 0).
1.3 Braggstreuung und Reziprokes Gitter
Bei der Reflexion von Wellen interessiert uns die Phasenverschiebung zwischen verschiedenen Volumina, die Beugungszentren enthalten. Seien zwei Zentren um r voneinander verschieden mit den Koordinaten 0 und r, dann ist die Phasenverschiebung
der ebenen Welle eikr auf der Seite des Einfalls kr, auf der Seite der Reflexion dagegen
−k ′ r, zweidimensional dargestellt in Abb. 1.8. Über die ganze Kette gilt daher für die
Amplitude
A=
bzw. mit ∆k = k ′ − k
Z
′
n(x) ei(k−k )x dx,
(1.15)
1.3 Braggstreuung und Reziprokes Gitter
9
Abb. 1.7. Die Brillouin-Zone des zum fcc-Gitter reziproken bcc-Gitters (lks.) ist ein
beschnittener Oktaeder (re.), der durch Verbinden der acht Eckatome mit dem Mittelatom
gebildet wird, auf dem die senkrechten Mittelebenen errichtet werden. Die perspektivischen
Darstellungen stammen von Dipl.-Ing. (FH) Martin Rottenfusser.
10
1 Festkörpermodelle
eikr
k
k’
eik’r
Abb. 1.8. Streuung von Röntgenstrahlen im reziproken Gitter.
Wenn der Phasenfaktor im Ursprung
O 1 ist, ist er am Ort ρmnp
ma + nb + pc.
G
4G
A=
Z
n(x) e−i∆k x dx.
(1.16)
Wie wir wissen, läßt sich jedes periodische Ereignis als Fourier-Reihe niederschreiben. Im Fall einer linearen Kette sind das Gitterbausteine, die im Abstand a
periodisch angeordnet sind, und deren Dichte beschrieben werden kann als
n(x) =
X
nG eiGx
(1.17)
G
mit G reziproken Gittervektoren parallel zu x. Einsetzen von (1.17) in (1.16) liefert
A=
XZ
nG eiGx e−i∆kx dx,
(1.18)
G
ein Integral, das nur für den Fall G − ∆k = 0 verschieden von Null ist, da die
sonst stehenbleibenden Kreisfunktionen als Integral immer Null liefern (Aufgabe 1.1).
Damit läßt sich nun die Streuung von Photonen am Gitter sehr viel einfacher erklären:
Reflexe treten nur dann auf, wenn ∆k = G (Abb. 1.9): (k′: Wellenvektor des Photons
nach der Reflexion; k: Wellenvektor des Photons vor der Reflexion; G: Vektor des
reziproken Gitters):
k′ = k + G
(1.19.1)
∆k = G.
(1.19.2)
oder
k
′
H
B
B
B
B
B
B
B
B ∆k = G
B
B
HH
B
HH
B
H
k
H
HHB
jBN
H
Abb. 1.9. Streuung von Röntgenstrahlen im reziproken Gitter. Auswahlregel-Diagramm für die elastische Streuung (Reflexion) eines Röntgen-Photons
mit dem Wellenvektor k (vorher) und k ′ (nachher)
wegen der Wechselwirkung mit dem (reziproken) Kristallgitter (Wellenvektor ∆k = G).
1.4 Aufgaben und Lösungen
11
In der Realität ist das eine Auswahlregel für den gestreuten Lichtvektor k ′ :
k ′ 2 = (k ± G)2 = k 2 ± 2k · G + G2 ,
(1.20)
da, wenn G ein reziproker Gittervektor ist, −G aus Symmetriegründen ebenfalls dazu
gehört. Weil wir bei einer Streuung davon ausgehen, daß die Energie erhalten bleibt,
h̄ω = h̄ω ′ ,
(1.21)
ω = ck ⇒ ω ′ = ck ′ ⇒ k = k ′ .
(1.22)
2k · G = G2 ,
(1.23)
gilt dies auch für k wegen ω = ck:
Also wird aus Gl. (1.20) für −G (k ′ 2 − k 2 = 0):
was sich bei Division durch 4 umschreiben läßt zu
1
1
k · ( G) =
G
2
2
2
.
(1.24)
1
2
G ist aber gerade die Hälfte des Gittervektors, der zwei Punkten im reziproken Gitter verbindet. Senkrecht dazu, so war die Konstruktionsvorschrift von Wigner and
Seitz, errichten wir eine Senkrechte (im Dreidimensionalen eine senkrechte Ebene),
die damit eine Begrenzungsfläche der Brillouin-Zone darstellt.
1.4 Aufgaben und Lösungen
Aufgabe 1.1 Zeigen Sie, daß
π
Z
−π
cos kx sin lx dx = 0,
(1)
und
1
π
1
π
Rπ


−π cos kx cos lx dx 
Rπ
= δkl !
(2)


−π sin kx sin lx dx
Lösung.
Die Untersuchung der Orthogonalität der Kreisfunktionen geschieht am besten über
die Eulersche Formel
Z
π
−π
cos kx cos lx dx =
was die vier Terme
1 i(k+l)x
e
+ ei(k−l)x + ei(−k+l)x + ei(−k−l)x ,
4
(3)
12
1 Festkörpermodelle
π
π
1
1
e±i(k+l)x +
e±i(k−l)x ±i(k + l)
±i(k − l)
−π
−π
(4)
ergibt. Für k = l ist der erste Term Null, da eiπ0 = 1, beim zweiten müssen wir nach
l’Hôspital vorgehen und setzen als Veränderliche k − l = y und leiten danach ab:
d 1 ±iyx ±ixe±iyx
e
=
= xe±iyx .
dy ±iy
±i
(5)
Das gibt für beide Vorzeichen 2π, in der Summe also 4π, damit wird das Integral π.
Ein anderer Weg ist die Verwendung der Additionstheoreme. Es ist z. B.
sin kx sin lx =
1
(cos(k − l)x − cos(k + l)x) ,
2
(6)
also
π
π
1 1
1 1
sin(k − l)xl +
sin(k + l)xl = 0.
−
2 k−l
2 k+l
−π
−π
(7)
Aufgabe 1.2 Bestimmen Sie die primitive Elementarzelle (Wigner-Seitz-Zelle)
des fcc-Gitters und bestimmen Sie deren Volumen!
Lösung. Wie aus Abb. 1.10 hervorgeht, baut man zweckmäßigerweise ein Dreibein
von einem beliebigen Eckatom dadurch auf, daß man die jeweils drei nächsten Atome
auf den benachbarten Seitenwänden verbindet. Diese bilden als Produkt das Elementarvolumen des fcc-Gitters:
j
b
a
i
k
c
Abb. 1.10. Das Volumen der Wigner-Seitz-Zelle
des fcc-Gitters ist 1/4 x3 mit x der Kantenlänge des
Kubus.
a =
1
b =
1
c =
1

/2 x (i + j) 


/2 x (j + k)


(1)



/2 x (k + i) 

V, das Volumen der Wigner-Seitz-Zelle, ist das Spatprodukt der Gittervektoren:
V = a · [b × c].
(2)
1.4 Aufgaben und Lösungen
13
Daraus bestimmt man als Spatprodukt zunächst das Kreuzprodukt (3 × 3Determinante) und dann das Skalarprodukt
x
0
1
so daß sich als Volumen

 

y z 1
1

 
1 1 = 1 · 1 
 = 1 + 1 = 2,
0 1 −1
0
V =
3
1
2
1
× 2x3 = x3
4
(3)
(4)
ergibt.
Aufgabe 1.3 Der Atomradius des Kupfers ist 1,28 Å, seine Struktur fcc. Machen
Sie eine Skizze und errechnen Sie daraus die Gitterkonstante des Kupfers!
Lösung.
c
a
Abb. 1.11. Die Gittervektoren a und
b (beide Ortsvektoren) sind zueinander orthogonal und spannen die Oberfläche des fcc-Cu-Gitters auf. Ihre
Länge ist gleich dem doppelten Atomradius.
b
Wie aus Abb. 1.11 ersichtlich, ist die Gitterkonstante nach Pythagoras zu
errechnen. Der Abstand nächster Nachbarn ist gleich dem doppelten Atomradius,
also 2,56 Å, und damit ergibt sich c mit a = b = 2 × r zu
c=
der Würfellänge.
q
a2 + b2 = 3, 62 Å,
(1)
Aufgabe 1.4 Geben Sie die Gittervektoren des dazu reziproken Gitters an und fertigen Sie eine Skizze!
Lösung. Das Volumen der WS-Zelle ergibt sich aus den einzelnen Vektoren






1
0
1
1  
1  
1  
a = d 1 ,b = d 1 ,c = d 0 
2
2
2
0
1
1
(1)
14
1 Festkörpermodelle
zu
1
V = |a · b × c| = d3 .
(2)
4
Damit werden die drei Gittervektoren des reziproken Gitters (hier demonstriert am
Vektor A:
1 2
d
4
1 3
d
4
A = 2π
Sein Betrag ist |A| =
2π
d
√






1
0
1
2π 

 


 1 × 0 ⇒A=
 1 
d
1
1
−1
(3)
3. Entsprechend




−1
1
2π 
2π 


B=
 1 ∧C =
 −1 
d
d
1
1
(4)
Die Skalarprodukte zwischen gleichen Vektoren des realen und des reziproken
Gitters ergeben immer
a · A = 2π ⇒ |A| =
2, 45
2π
,
=
|a|
Å
(5)
die zwischen gemischten, wie z. B. a und B, verschwinden; diese Vektoren stehen also
zueinander senkrecht. Damit sind
A k a, B k b, C k c.
(6)
Folglich ist auch das reziproke Gitter des fcc-(Flächen-)Gitters rechtwinklig (s. dazu
Abb. 1.12).
(0,1)
Abb. 1.12. Die Gittervektoren A und
B (beide Ortsvektoren) sind zueinander orthogonal und spannen die Oberfläche des zum fcc-Gitter reziproken
Gitters auf. Sie stehen ihrerseits parallel zu a und b.
B
(0,0)
A
(1,0)
_
(0,1)
Das Volumen der 1. BZ ist dann
V = |A · B × C| = 4
2π
d
3
.
(7)
1.4 Aufgaben und Lösungen
15
G3
G2
Abb. 1.13. Die ersten drei Gittervektoren in einem primitiven quadratischen Gitter.
G1
Aufgabe 1.5 Konstruieren Sie für ein zweidimensionales quadratisches Gitter die
ersten drei Brillouin-Zonen mit den drei kürzesten Gittervektoren.
Lösung. Als erstes werden die Gittervektoren identifiziert (Abb. 1.13).
Dann werden die Zonen nach dem Verfahren von Wigner und Seitz bestimmt
(Abb. 1.14):
Aufgabe 1.6 Magnesium kristallisiert in einem hexagonal dichtesten Gitter (hcp).
Bei einer Dichte von 1,74 g/cm3 , einem Molgewicht von 24,3 g und einem Atomradius
von 1,72 Å:
• Wieviel Mg-Atome befinden sich in einem cm3 ?
• Wie groß ist die Packungsdichte? Beachten Sie dafür, daß die Abfolge der Schichten in einem hcp-Gitter ABAB ist, die zweite Schicht von Kugeln in den Lücken
der ersten sitzt, und daß in der Elementarzelle (benutzen Sie die Konstruktion
für die Wigner-Seitz-Zelle!) zwei Atome sitzen.
Lösung.
24, 3
= 13, 966 cm3 .
1, 74
(1)
n = 4, 3 · 1022 Atome/cm3 .
(2)
VM =
Die hcp-Packung zeichnet sich durch die einfachste Schicht-Abfolge überhaupt
aus: ABAB (Abb. 1.15).
16
1 Festkörpermodelle
G1
G2
G2
G1
G1
G2
G1
G2
G3
G3
G3
G3
Abb. 1.14. Die ersten drei Brillouin-Zonen in einem primitiven quadratischen Gitter.
Aufgabe 1.7 Die Dichte von Aluminium ist 2,7 g/cm3 , das Molgewicht 26,98 g und
die Struktur ist fcc. Gehen Sie von der Einheitszelle aus, die insgesamt vier Atome
umfaßt und zeichnen Sie diese. Wie groß ist der Abstand nächster Nachbarn bzw. der
Atomradius?
Lösung.
Wie aus Abb. 1.16 ersichtlich, besteht die Einheitszelle aus 4 Atomen, 6 · 1/2 und 8 · 1/8 .
Die Diagonale ist 4r. Also ist nach Pythagoras die Kantenlänge a:
4
4r2 = 2a2 ⇒ a = √ r.
2
Da vier Atome in eine Einheitszelle passen, gibt es davon
(1)
1.4 Aufgaben und Lösungen
17
H
C
D
30°
2r
1/2
3 r
S
60°
B
A
G
F
Abb. 1.15. Anordnung der Atome in der Schicht A (lks.) und in den Schichten A und
B (re.). Die Basisfläche (lks.) ergibt sich als die Summe der Flächen zweier gleichseitiger
Dreiecke, die wiederum geteilt werden, um rechtwinkelige √
Dreiecke zu bekommen. Die Höhe
ist dann entweder r/ tan 30◦ √
oder 2r cos 30◦ , die Fläche 3r2 /2, davon gibt es 4, also die
Gesamtfläche 4r2 cos 30◦ = 2 3r2 . Die Strecke von einem Eckpunkt des kleinen Dreiecks
zum eingezeichneten Schwerpunkt
S der sog. Oktaeder-Lücke ergibt aus dem punktierten
√
Dreieck zu r/ cos 30◦ = 2r/ 3. Der Mittelpunkt der in der Schicht B liegenden Kugel
liegt genau über dem Schwerpunkt S. Wieqhoch? Die Höhe des rechtwinkligen Dreiecks
√
p
re. ergibt sich nach Pythagoras aus h = 4r2 − 4r2 / 3 = 2 2/3r, die Höhe der Einheitszelle ist doppelt √
so groß,
unten geht. Damit ergibt sich das Volumen
√ nach
p weil es auch
2
3
zu V = A · h = 2r 3 · 2 2/3r = 8 2r . In dieses Volumen passen genau zwei ganze
Mg-Atome. Damit ergibt sich die Packungsdichte η zu η =
2·4π 3
r
3
√
8 2r 3
=
π
√
3 2
= 0, 74.
0, 60223
· 1024 = 0, 151 · 1024 .
4
(2)
Auf eine Achse passen also
N=
q
3
0, 151 · 108 = 0, 532 · 108 .
(3)
Das Molvolumen ist 9,99 cm3 , also ist die Kantenlänge des molaren Würfels
A = 2, 154 cm.
(4)
Damit wird die Kantenlänge des Elementarwürfels
a=
A
= 4, 05 · 10−8 cm.
0, 532 · 108
(5)
Also ist der Radius eines Al-Atoms:
a
a
r= √ =
= 1, 43 Å,
2, 828
2 2
und der Abstand nächster Nachbarn das Doppelte.
(6)
18
1 Festkörpermodelle
Abb. 1.16. Die Einheitszelle des fcc-Gitters besteht aus sechs halben und acht Achteln,
also insgesamt 4 ganzen Atomen. Die Basislänge a ist √42 3r.
2 Metalle
2.1 Der kondensierte Zustand
Was ist ein Elektronengas? Warum können wir in einer einfachen Betrachtung die potentielle Energie der Wechselwirkung zwischen den freigesetzten
Elektronen und ihren Mutterionen vollständig vernachlässigen? Was ist die
Zustandsdichte?
• Warum kondensieren Atome?
• In welcher Weise ordnen sich die Energieniveaus an?
• In welcher Weise ordnen sich die Atome an?
y2(r) [a. u.]
Abb. 2.1. Bringt man Atome dicht
und geordnet zusammen, überlappen die Wellenfunktionen der äußeren
Elektronen, der sog. Bindungselektronen, was dazu führt, daß diese Elektronen die lokalen Potentiale verlassen
können und sich frei“ innerhalb des
”
Systems bewegen können. Die Elektronen der inneren Schalen sind deutlich stärker gebunden und bleiben lokalisiert, was zu deutlich schmaleren
Bändern führt (Röntgen-Spektren).
a
x [a. u. ]
Erhöht man die Dichte eines Dampfes, führt das irgendwann zur Kondensation. Dabei verändern sich die Wellenfunktionen der einzelnen Atome auf Grund ihrer gegenseitigen Nähe. Im einfachsten Fall, bei dem eine translatorische Bewegung
des Elektrons von einem Atom zum nächsten zunächst vernachlässigt wird, was der
Bedingung k = 0 entspricht, kommt es zu einer Addition der Amplituden im zwischenatomaren Bereich (Abb. 2.1), wodurch der exponentielle Abfall der Amplituden
19
20
2 Metalle
gemildert wird. Spätestens beim halben zwischenatomaren Abstand muß der Wert
von ψ konstant und endlich sein, denn hier ist die Nahtstelle mit der Wellenfunktion des Nachbaratoms, wo die beiden Funktionswerte also gleich sein müssen. Wie
aus Abb. 2.1 ersichtlich, verstößt der Kreuzungspunkt außerdem gegen die quantenmechanische Forderung der Stetigkeit und Differenzierbarkeit der zu verwendenden
Funktionen. Von Wigner und Seitz stammt die Bedingung für die Nahtstelle
dψ
dr
!
=0
(2.1)
r0
Y
für eine kugelförmige Zelle mit Radius r0 , eine Näherung, die für Systeme, die im fcc
oder bcc kristallisieren, ja gar nicht schlecht ist (Abb. 2.2, s. a. Kap. III,1) [?].
0.0
Metall, k = 0
freies Atom
0
1
2
3
4
Abb. 2.2.
Wellenfunktionen des
3s-Elektrons eines isolierten und
eines Ketten-Natrium-Atoms nach
Wigner und Seitz. Durch Aneinanderreihen auf Abstände, die
dem Atomdurchmesser entsprechen,
sinkt der asymptotische Ast nicht
so stark ab, die Krümmung von Ψ
wird geringer. Dadurch nimmt die
kinetische Energie ebenfalls ab [?].
r [a0]
Damit wird die Krümmung der Wellenfunktion geringer und folglich auch die
kinetische Energie der Elektronen
Ekin
h̄2 2
≈−
∇ ψ.
2m
(2.2)
Da das Quadrat der Wellenfunktion eine Aussage über die räumliche Abhängigkeit
der Elektronendichte erlaubt, können wir damit auch feststellen, daß die Dichte der
Valenzelektronen stärker im zwischenatomaren Bereich konzentriert ist. Damit wird
auch die potentielle Energie abgesenkt, und zwar in allen drei Raumrichtungen.
Ist dies die Sicht von zwei benachbarten Atomen, wissen wir von den aneinander
kondensierten Benzol-Kernen und schließlich den unendlich ausgedehnten ein- und
zweidimensionalen Strukturen, daß wir aus n AOs n MOs herstellen, also werden aus
1023 AOs 1023 MOs. Und die Energieniveaus beeinflussen sich wechselseitig: Die Anordnung der Atome (Abstand, Struktur) wird durch das Minimum der Potentialkurve
(z. B. Morse-Kurve) bestimmt (Abbn. 2.1 − 2.3), die zu Bändern verschmieren.
2.2 Das freie Elektronenmodel (FEM)
21
0.25
E [Rydberg]
p
Eg
s
0.00
Gitterabstand
im Festkörper
-0.25
2
3
4
R [a0]
5
Abb. 2.3. Durch das Zusammenbringen vieler Zentren verschmieren die
einzelnen Morse-Kurven zu Bändern.
Die energetische Aufspaltung hängt dabei — wie bei Molekülen — von
der Stärke der Wechselwirkung und
vom Symmetrietyp ab und führt zu
Zuständen, deren Energie kleiner oder
größer als die des Ausgangszustandes
sind — hier gezeigt für ein Metall mit
einem s- und einem p-Band, die überlappen und ein Hybridband bilden.
2.2 Das freie Elektronenmodel (FEM)
Eine Bindungsbildung erfolgt durch die sog. Valenzelektronen in der äußersten Schale.
Als Folge spalten ihre Energieniveaus auf in bindende und antibindende Zustände,
während die Energien der inneren Schalen (nahezu) unverändert bleiben. Sie sind
stark an ihre Kerne gebunden und bleiben daher lokalisiert. Wie wir bei den größeren Molekülen gesehen haben, die wir bis zu unendlichen eindimensionalen Ketten
und zweidimensionalen Netzwerken verfolgt haben, werden die energetischen Distanzen innerhalb dieser Zustände im Verhältnis zum Abstand HOMO-LUMO immer
geringer. Im Idealbild des HMO-Modells sind diese Valenzelektronen nun vollständig
delokalisiert und können damit nicht mehr ihrem Mutteratom zugeordnet werden.
Zwar gewinnen diese freien“ Elektronen die Delokalisierungsenergie, aber nun be”
legen sie alle den gleichen Raumbereich, nämlich den gesamten Kristall. Daher müssen
diese Elektronen dem Pauli-Prinzip gehorchen. Sie besetzen ein System energetisch
sehr eng benachbarter Zustände mit je zwei Elektronen; man spricht von einem Quasikontinuum. Auf Grund der sehr großen Zahl der Elektronen ist trotz des engen
Abstands der Energiniveaus das am höchsten besetzte Niveau immer einige eV, also
bedeutend höher, als wir das für schwere Teilchen, z. B. Luftmoleküle, bei Raumtemperatur berechnen. Dieser Zustand wird als Fermi-Niveau und seine Energie als
Fermi-Energie bezeichnet. Wir werden uns dem Problem der Besetzung der Zustände
durch die Elektronen und dem Abstand der Zustände mäandernd nähern.
Wie aus Abb. 2.4 ersichtlich, entstehen durch die periodische Anordnung der Atome im Festkörper Bänder, in die die Spitzen der Potentialbögen eintauchen: Durch den
Gewinn an Delokalisierungsenergie sinkt die Energie der frei gewordenen Elektronen
unter die der lokalisierten Elektronen. Da die Elektronen tunneln können, bleiben die
freien Elektronen frei und werden nicht im Minimum zwischen zwei Potentialbögen
eingeschlossen. Je nachdem, wie stark die Wechselwirkung der Ionenrümpfe auf das
oberste Band ist, kann man verschiedene Näherungen verwenden. Ist die Wechselwir-
22
2 Metalle
kung Null, sind die Elektronen frei; sie haben nur kinetische Energie. Dieser Fall ist
in guter Näherung für die fluiden Alkalimetalle erfüllt.
Bandoberkante
Fermi-Niveau
U [a. u.]
Bandunterkante
Gitterpotential
r [a . u.]
Abb. 2.4. Bringt man Atome dicht
und geordnet zusammen, nimmt die
Energie der Valenzelektronen unter
die der einzelnen Atome ab. Als Folge davon können sie sich frei“ inner”
halb des Systems bewegen, sind also
delokalisiert. Das Ausmaß, mit dem
die Spitzen der Portalbögen von unten
in das Band hineinragen, bestimmt die
Grenzen des Modells freier Elektronen
(FEM).
Die Elektronen sehen“ in einem amorphen System keine Ordnung und müssen
”
daher ihre Energie auch nicht anpassen, im Kristall mit einer periodischen Anordnung dagegen schon. Daher ist der Prototyp ungeordneter kondensierter Materie eine
Flüssigkeit ohne Nahordnung, der Prototyp einer geordneten kondensierten Phase
dagegen der unendlich ausgedehnte kristalline Festkörper. Die Elektronen bewegen
sich im Idealfall durch die Materie, als würden sie von den Atomen überhaupt nicht
beeinflußt: Man spricht vom Freien Elektronenmodel (FEM).
Wir werden uns daher zunächst um das Verhalten der Elektronen in einem
amorphen System kümmern, bei dem wir die Wechselwirkung mit den Ionenrümpfen, gleich, ob sie nun regelmäßig oder chaotisch angeordnet sind, vernachlässigen
(können).
Diese Veränderung der einzelnen Wellenfunktionen zu einer Gesamtwellenfunktion
ist wesentlich verantwortlich für das Zustandekommen der metallisch“ genannten
”
Bindung und für das Phänomen der elektrischen Leitfähigkeit.
2.3 Dichte der Zustände in Metallen
Bei der Kondensation nimmt die Zahl der Energiezustände stark zu; gleichzeitig
erhöht sich die Dichte der Atome. Wir erwarten also eine Zunahme der Zustandsdichte, der Dichte der Zustände pro Energieintervall. Einfachste Atome: Alkalimetallatome. Im einfachsten Fall des FEM vernachlässigen wir die potentielle Energie der
Ionenrümpfe, die nach Abgabe von Elektronen an das Elektronengas von den Atomen übriggeblieben sind. Das bedeutet, daß wir uns nicht für die potentielle Energie
im Ortsraum interessieren, sondern für die kinetische Energie im Impulsraum oder
k-Raum (p = h̄k). Im cartesischen Koordinatensystem — und nur in diesem — ist
2.4 Zustandsdichte im reziproken Raum
23
die kinetische Energie durch die Summe der Quadrate der Impulskomponenten px , py
und pz gegeben:1
Ekin =
p2 + p2y + p2z
p2
= x
,
2me
2me
(2.3)
wobei die px,y,z durch die Quantenzahlen nx,y,z gekennzeichnet sind.
2.4 Zustandsdichte im reziproken Raum
Betrachten wir nochmals die Unschärferelation. Den Elektronen als Fermionen soll
ein Volumen von V = abc zur Verfügung stehen. Die Wellenfunktionen müssen
periodische Randbedingungen erfüllen, z. B. in x-Richtung ψ(x + L) = ψ(x), und
die Lösungen der Schrödinger-Gleichung sind ebene Wellen ψ(x) = ψ0 eikx,n x mit
kx,n = 2πn/L, analog für y und z. Die Zustände im k-Raum sind also äquidistant,
und jeder Zustand beansprucht ein Volumen von
2π
Vk =
L
3
.
(2.4)
Da die Lösungen der Schrödinger-Gleichung ebene Wellen sind, gilt aber der Zu2 2
sammenhang E(k) = h̄2mk . Wir haben aber nicht nur einen Zustand, sondern sehr
viele. Um bulk-Eigenschaften berechnen zu wollen, müssen wir über alle Zustände integrieren. Wir wollen die Abhängigkeit weiterhin nicht im k-Raum, sondern im Energieraum wissen. Daher müssen wir die im k-Raum äquidistante Dichte der Zustände
in eine von der Energie abhängige Dichte umrechnen.
Wir überlegen uns als nächstes, wie groß die Dichte der Zustände pro Energieintervall ist, die für diese Elektronen zur Verfügung stehen. Da sie nach dem Energieprinzip eingefüllt werden, kommt es also darauf an, möglichst viele Elektronen zu
möglichst günstigen Konditionen unterzubringen. In jeden Zustand sollen nach dem
Pauli-Prinzip zwei Elektronen hineinpassen.
Dabei ist das größte Volumen, das von einer Fläche eingeschlossen werden kann,
die Kugel, die größte Fläche, die von einer Strecke eingeschlossen werden kann, die
Kreisfläche, und umgekehrt die kürzeste Linie, die das größte Volumen bzw. die größte
Fläche einschließt, der Umfang.
Daher werden wir diese geometrischen Körper zur Bestimmung der Elektronendichte n = N/V verwenden. Das Volumen V im eindimensionalen Fall ist dabei L,
im zweidimensionalen Fall A, im dreidimensionalen Fall V . Wir bestimmen in jedem
Fall den Zustand mit dem höchsten Impuls, dem wir den Index F“ für Fermi geben.
”
1
In krummlinigen Koordinatensystemen muß der Laplace-Operator entsprechend modifiziert
werden. Dies ist im Kap. 14 der Chemischen Bindung explizit dargestellt.
24
2 Metalle
2.4.1 Eindimensionaler Fall
Ki netische Energie [a. u.]
Auf der eindimensionalen Energieskala nimmt jedoch die Dichte der Zustände pro
Energieeinheit dramatisch ab, denn die Energie ist proportional dem Quadrat der
Quantenzahl (Elektron im Kasten, s. Abb. 2.5). Diese Quantenzahl ist im einfachsten
Fall die Zahl der Zustände 1/2 N (zur Entartung s. Abschn. 2.6).
Abb. 2.5. Die (rein kinetische) Energie der Elektronen im Kasten nimmt
quadratisch mit dem Impuls (und damit auch k) zu.
Impuls [a. u.]
Die kürzeste Linie, die die größte Fläche einschließt, ist ein Kreis. Das erforderliche
Impulsvolumen, hier also eine Impulslänge, ist
2πpF =
1
N
h.
2 (L = V )
(2.5)
Damit ergibt sich ein Grenzimpuls von
1
pF = nh̄
2
(2.6.1)
1
kF = n.
2
(2.6.2)
bzw. ein Fermi-Vektor von
Die Grenzenergie EF beträgt damit
1 2 2
h̄2
NF ,
EF =
2me 2L
so daß die Zahl der Elektronen eine Abhängigkeit von
N=
und die Zustandsdichte D
q
L
h̄
(2.8)
2me L
EF h̄
(2.9)
8me EF
dN
D=
=
dE
s
(2.7)
2.4 Zustandsdichte im reziproken Raum
25
N, dN/dE [a. u.]
aufweisen. Im eindimensionalen Fall nimmt die Zahl der Zustände mit
√
E zu, die
Abb. 2.6. Im eindimensionalen Fall
nimmt die Zahl der Zustände mit
der Quadratwurzel aus der Energie
zu. Wegen der fehlenden Entartung
nimmt die Zustandsdichte mit √1E ab.
Zahl N der Zustände
dN/dE
Energie [a. u.]
Zustandsdichte mit
q
1/E sogar ab.
2.4.2 Zweidimensionaler Fall
Im Zweidimensionalen nimmt allerdings gleichzeitig die Zahl der Zustände durch Entartung schneller zu: Gibt es (in einem einwertigen Metall) N Elektronen, dann ist das
Impulsvolumen
πp2F =
1
N
h2
2 (A = V )
(2.10)
woraus sich ein Fermi-Impuls von
p2F = 2πnh̄2
(2.11.1)
und ein Fermi-Vektor von
kF =
√
2πn
(2.11.2)
ergeben, und für die Fermi-Energie:
EF =
h̄2
(2πnF ) :
2me
(2.12)
2
Die Fermi-Energie hängt nur von der Elektronendichte ab, und zwar linear mit n1= /2 .
Löst man Gl. (2.12) nach N auf (n = N/V ), folgt
me L 2
N =2·
EN :
(2.13)
2π h̄
Im zweidimensionalen Fall wächst die Zahl der Zustände linear mit E. Damit wird
für die Ableitung
26
2 Metalle
dN
me
D=
=
dE
π
L
h̄
2
= const.
(2.14)
2
Im zweidimensionalen Fall nimmt die Zahl der Zustände mit E /2 zu, die Zustandsdichte ist mit E 0 konstant (Abb. 2.7).
N, dN/dE [a. u.]
Zahl N der Zustände
dN/dE
Abb. 2.7. Im zweidimensionalen Fall
nimmt die Zahl der Zustände Energie linear mit der Quantenzahl zu.
Bei fehlender Entartung bleibt die Zustandsdichte konstant.
Energie [a. u.]
2.4.3 Dreidimensionaler Fall
Im Dreidimensionalen nimmt die Zahl der Zustände durch noch schnellere Entartung
erheblich zu. Wir erhalten für das Impulsvolumen
4π 3
1N 3
pF =
h,
3
2V
(2.15)
und damit für den Fermi-Impuls
1
pF = (3π 2 n) /3 h̄
(2.16.1)
bzw. den Fermi-Vektor
1
kF = (3π 2 n) /3 .
(2.16.2)
Die maximale Energie EF ist dann
p2F
,
2me
(2.17.1)
h̄2 2 2/3
:
3π n
2me
(2.17.2)
EF =
oder, auf den Fermi-Vektor bezogen:
EF =
Die Fermi-Energie hängt nur von der Elektronendichte ab (und zwar mit n2/3 , Abb.
2.8) und gibt die gesamte Translationsenergie der Elektronen und damit die Breite
des Bandes an. Für die einfachen Metalle mit einem s-Elektron, die Alkalimetalle,
2.4 Zustandsdichte im reziproken Raum
27
Zahl N der Zustände
dN/dE
n, dN/dE
n, dN/dE
Zahl N der Zustände
dN/dE
Energie [a. u.]
Energie [a. u.]
Abb. 2.8. Im dreidimensionalen
Metall nimmt die Zahl der Zustände mit E 3/2 und die
√
Dichte der Zustände mit E zu, re. eine vergrößerte Darstellung.
3
/
beträgt sie zwischen 3 und 5 eV. Umgekehrt wächst die Zahl der Zustände mit EF 2
1
/
und nicht, wie im eindimensionalen Fall, mit EF 2 , oder im zweidimensionalen Fall,
2
/
mit EF 2 (s. Tab. 2.1).
Tabelle 2.1. Abhängigkeiten der Zahl der Zustände N und der Zustandsdichte D von der
Dimension.
Dimension
1
Zahl der Zustände N
1
∝ E /2
2
∝ E /2
3
∝ E /2
2
3
Zustandsdichte D
1
∝ E − /2
∝ E0
1
∝ E /2
Die Dichte der Zustände pro Energieintervall ist schließlich die Ableitung
der nach N (n = N/V ) aufgelösten Gl. (2.17.2):
L
8π
dN
=
(2me ) /2
D(E) =
dE
3
h
3
3
3
dE /2 ×
dE L
= 4π ×(2me ) /2 ×
h
3
EF
3
q
× EF : (2.18)
Die Dichte der Zustände an der Fermi-Kante ist der Wurzel aus der Fermi-Energie
proportional.2
Beispiel 2.1 Wie grob ist in unserer Herleitung die Körnigkeit der Fermi-Fläche
für EF = 5 eV?
2
Diese Herleitung hängt nicht vom Füllgrad des Bandes ab und gilt daher sowohl für gefüllte wie
halb gefüllte oder halb leere Bänder.
28
2 Metalle
3
Das (kubische) Impulsvolumen eines jeden Zustands ist V = Lh , damit wird für
den Fermi-Impuls pF 10−24 kg m/sec, für die Unsicherheit in jeder Koordinate
h
∆p aber ∆L
. Für L = 3 cm Kubuskantenlänge 2 × 10−32 N sec, also 10 ppb von pF .
Beispiel 2.2 Nach Gl. (2.15) setzen wir für die Größe der Fermi-Kugel die Volumengleichung der Kugel an. Deren Oberfläche, die Fermi-Oberfläche, steht als Äquipotentialfläche senkrecht auf dem Fermi-Vektor, so, wie die Fronten einer Kugelwelle
senkrecht auf dem Wellenvektor stehen. Ist diese Oberfläche zwangsläufig?
Ja, denn wir füllen die Elektronen dreidimensional nach dem Energieprinzip ein. Diese
müssen der Kugelgleichung gehorchen, denn diese ist definitionsgemäß das größtmögliche Volumen bei kleinster Oberfläche. Elliptische Verformungen der Oberfläche beispielsweise hätten in zumindest einer Richtung einen Wert für k zur Folge, der größer
als der in den beiden anderen Richtungen wäre. Daher müßten nach dem Le Chatelierschen Prinzip Ausgleichsprozesse ausgelöst werden, bis die Kugelgestalt erreicht
werden würde.
Beispiel 2.3 Wie groß sind Fermi-Vektor, Fermi-Geschwindigkeit und FermiEnergie für Na (Elektronendichte: 2, 65 × 1022 /cm3 ), K (Elektronendichte: 1, 40 ×
1022 /cm3 ), Rb (Elektronendichte: 1, 15 × 1022 /cm3 ) und Cs (Elektronendichte: 0, 91 ×
1022 /cm3 ) (s. Tab. 2.2)?
• Valenz = 1.
• Elektronendichte Valenz × atomare Konzentration.
1
• kF = (3π 2 n) /3
Tabelle 2.2. Fermi-Parameter für einige Metalle (Alkalimetalle bei 5 K).
Metall
Dichte
Na
K
Rb
Cs
Cu
Ag
Au
Al
[g/cm3 ]
1,1013
0,910
1,629
1,997
8,93
10,50
19,28
2,70
Elektronen- FermiFermidichte
vektor
geschw.
22
−3
8
−1
[10 cm ] [10 cm ] [108 cm/s]
2,65
0,92
1,07
1,40
0,75
0,86
1,15
0,70
0,81
0,91
0,64
0,75
8,45
1,36
1,57
5,85
1,20
1,39
5,90
1,20
1,39
18,06
1,75
2,02
Fermienergie
[eV]
3,23
2,12
1,85
1,58
7,00
5,48
5,51
11,63
Die thermische Geschwindigkeit eines Moleküls ist um den Faktor 103 kleiner
als die Fermi-Geschwindigkeit der Elektronen. Die Fermi-Vektoren liegen in der
Größenordnung der reziproken Gitterkonstanten oder Atomabstände.
2.4 Zustandsdichte im reziproken Raum
29
Tabelle 2.3. Entartungsfaktoren für verschiedene Zustände, definiert durch die spektroskopischen Symbole.
Zustand
s
p
d
f
Entartung g
2
6
10
14
Der Vorfaktor 2 gilt für s-Elektronen. Da die Entartung in höheren winkelabhängigen Funktionen größer ist, gelten dort andere Vorfaktoren (Tab. 2.3).
h̄2
EF =
2me
3π 2 n
g
!2/3
:
(2.19)
sind die Atome weit voneinander entfernt, ist also die Dichte niedrig, ist
die Bandbreite ebenfalls klein. Bei steigender Dichte, d. h. zunehmender
WW, steigt die Bandbreite an.3 Energieunschärfe kF und E F hängen auch
nicht von der Teilchenmasse ab!
Beispiel 2.4 Aus der Gl. (2.17.2) bestimmen wir die Zahl der Zustände an der
Fermi-Kante:
2me E
N=
h̄2
logarithmiert
ln N =
woraus
3/2
V
,
3π 2
3
3
ln E + const ⇒ d ln N = d ln E,
2
2
dN
3 dE
=
N
2 E
folgt und damit
dN
3N
=
,
dE
2E
insbesondere also
3N
dN
=
.
dEF
2 EF
3
Geht man zum Grenzfall des united atom, ist ersichtlich, daß Wellenfunktionen ursprünglich
verschiedener Atome zusammenfallen würden. Dies ist nach dem Pauli-Prinzip verboten. Folglich
gilt für die Impulsunschärfe die Heisenbergsche Unschärferelation: ∆p ≥ h̄/∆x: Der Impuls, damit
die kinetische Energie, müssen zunehmen!
30
2 Metalle
2.5 Mittlere Energie der Elektronen
Wie hoch ist nun die mittlere Energie eines Elektrons? Am Boden des Fermisees ist
die Energie Null, am Ufer EF . Der Mittelwert einer Größe ist die normierte Größe
selbst, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens:
< Ekin > =
R EF
0
0
< Ekin > =
R EF
0
V
2π 2
R EF
0
< Ekin > =
also schließlich (bei T = 0 K):
3/2
√
E E dE
,
3/2 √
2me
E dE
h̄2
V
2π 2
E D dE
,
D dE
R EF
2me
h̄2
5
/2
2
E
5q F
2
EF3
3
=
5
/2
3
E
5q F
,
EF3
< Ekin > = 3/5 EF .
(2.20.1)
(2.20.2)
(2.20.3)
(2.20.4)
Dieses sehr einfache Modell gilt besonders gut für einfache Metalle
(Alkalimetalle), am besten im flüssigen Zustand.
• Warum Alkalimetalle? EF ist kleiner als Emax , d. h. viele Zustände unmittelbar oberhalb EF sind frei, in denen sich die Elektronen durch Aufnahme eines
infinitesimalen Energiebetrags frei bewegen können. Für einen Na-Kristall mit
1 m Kantenlänge ist die Schrittweite etwa 1 neV. Diese Energiezufuhr kann in
Form eines elektrischen Felds erfolgen (gute elektrische Leitfähigkeit) oder auch
als elektromagnetische Welle bis hin zum UV (hohe Absorption, imaginärer
Brechungsindex).
• Warum flüssig? Im festen Zustand mit Fernordnung durch das Gitter, d. h.
nicht zu vernachlässigender, aber periodischer, WW der freien“ Elektronen
”
mit den positiven Ionenrümpfen, dagegen kommen zusätzliche Effekte ins Spiel.
Im flüssigen Zustand ist die Fermifläche eine Kugeloberfläche, also einfach zu
berechnen. Wir haben gesehen, daß der Fermi-Vektor vergleichbar dem reziproken Atomabstand ist. Wir erwarten daher einen Einfluß des Gitters auf die
Mobilität der Elektronen, selbst wenn das Hintergrundpotential schwach ist.
2.6 Verteilungsfunktion für ein freies Elektronengas
Jedes Elektron besetzt ein Spinorbital, und daher ist die Höhe des Fermi-Sees einige
eV (Aufgabe 2.5). Wegen ihrer Eigenschaft als sog. Fermion ist es einem tiefsitzenden Elektron nicht möglich, sein Orbital zu verlassen und ein etwas höher gelegenes
2.6 Verteilungsfunktion für ein freies Elektronengas
31
zu besetzen, denn dieses Orbital ist bereits besetzt. Das bedeutet, daß nur die Elektronen, die unmittelbar an der Fermi-Kante sitzen, durch äußere Effekte beeinflußt
werden können. Dazu gehören elektrische und magnetische Felder (Leitung des elektrischen Stroms, Hall-Effekt) und die Wärmeleitung. Wie sieht nun die Verteilung
der Elektronen aus?
2.6.1 Fermi-Dirac-Verteilung
• Absoluter Nullpunkt: Die Elektronen füllen den Fermi-See bis zur FermiKante; darüber ist alles leer. Die Nullpunktsenergie beträgt einige eV.
• Temperaturerhöhung: An der Fermi-Kante wird die Verteilung aufgeweicht,
und dort beheimatete Elektronen besetzen höhere, ursprünglich leere Zustände
und hinterlassen ein Loch. Dadurch sinkt die Besetzungsdichte energetisch tiefer
gelegener Niveaus. Die Besetzung erfolgt über den Maxwell-BoltzmannAnsatz und ist das Produkt aus der Dichte der Zustände bei E und der Wahrscheinlichkeit, daß Elektronen dieses Niveau erreichen können.
Eine Funktion, die diese Eigenschaft beschreibt, ist die Gl. (2.21), Abb. 2.9:
f (E) =
1
,
(2.21)
+1
wobei EF eine (schwache) Temperaturfunktion ist und so definiert wird, daß die Zahl
der Zustände N erreicht [?]. Am absoluten Nullpunkt ist f (E) Eins bis E < EF und
für E > EF Null.4 In jenem Fall (E < EF ) wird das Elektronengas als vollständig
entartet bezeichnet. Alle Zustände unterhalb von EF sind besetzt, alle darüber sind
leer. Durch den Summanden Eins im Nenner kann f (E) nie größer als Eins werden:
kein Zustand kann mehr als einmal besetzt werden.
Bei allen Temperaturen ist f (E) = 1/2 für E = EF , da dann der Nenner 2 ist
(sog. Halbwertsordinate“ von f ).5 Von besonderer Bedeutung ist die Umgebung von
”
E − EF ≈ kB T , d. h. dicht an der Fermi-Kante: Nur hier ist f (E) verschieden von
Null oder Eins. Für sehr hohe Temperaturen, für die kB T ≫ EF , erhalten wir wieder
eine Maxwell-Boltzmann-Charakteristik. Schreiben wir nämlich
e(E−EF )/kB T
A = eEF /kB T ,
(2.22)
ist also
4
Im ersten Fall ist EF − E ≫ kB T , im zweiten Fall dagegen E − EF ≫ kB T , insbesondere für
T = 0.
1
1
1
1
≈ =1
= −(E −E)/k T
=
1
F
B
1
e(E−EF )/kB T + 1
e
+1
+
1
e(EF −E)/kB T
1
≈ e−(E−EF )/kB T → 0.
e(E−EF )/kB T + 1
5
Dies gilt auch für Halbleiter, s. Kap. 4.
32
2 Metalle
f (E) =
1
1 E/kB T
e
A
+1
.
(2.23)
Wenn A nach Voraussetzung klein ist, ist 1/A groß, und die Eins als Summand im
Nenner kann vernachlässigt werden, so daß wir
f (E) = Ae−E/kB T
(2.24)
als Ergebnis erhalten.
1.00
1K
100 K
1 000 K
10 000 K
100 000 K
f(E)
0.75
0.50
0.25
0.00
0
25000
50000
E/k B [K]
75000
100000
Abb. 2.9. Die Fermi-Dirac-Funktion für fünf Temperaturen. Bei T = 0
K ist es eine Stufenfunktion mit einer
Diskontinuität bei E = EF = 4,3 eV =
50 000 K; bei höheren Temperaturen
(hier gezeigt für etwa 5000 K) wird die
steile Stufe aufgeweicht, und es entsteht ein exponentieller Schwanz. Bei
E = EF ist f (E) = 1/2 . Die Funktion
ist punktsymmetrisch um EF .
Die Fermi-Funktion beschreibt die Verteilung der Elektronen. Die Bedeutung von
EF im Argument des Exponenten liegt darin, daß damit ein fixes Normal für diese
Eigenschaft gegeben wird. Man kann also nicht, wie das etwa für den Absolutbetrag
der potentiellen Energie möglich ist, einen additiven Beitrag einfach auf Null setzen.
Denn offensichtlich ist die Wahrscheinlichkeit f (E) = exp(−E/kT ) verschieden von
f (E) = exp(−E/kT ) · exp(EF /kT ).
Die Fermische Eisblock-Funktion schmilzt innerhalb eines sehr engen Energieintervalles. Da die Funktion um EF symmetrisch ist, gelten etwa folgende Werte für
f (E):
• E − EF = −2kB T : 0, 88;
• E − EF = −kB T : 0, 73;
• E − EF = +kB T : 0, 27;
• E − EF = +2kB T : 0, 12.
Daß ein Elektron sich in einem bestimmten Zustand befindet, ist also von zwei
unabhängigen Größen abhängig. Einmal davon, daß ein Zustand überhaupt vorhanden ist, was über die Zustandsdichte n(E) definiert wird, und zweitens davon, mit
welcher Wahrscheinlichkeit f (E) dieser Zustand besetzt werden kann.
2.7 Entartung
33
2.6.2 Spezifische Wärme
Die innere Energie U eines Metalls ist nach der Fermi-Dirac-Verteilung also bei
T = 0 K eine Konstante. Demzufolge verschwindet ihre Temperaturabhängigkeit,
und die spezifische Wärme ist Null. Damit verschwindet auch die Wärmeleitfähigkeit. Führen nämlich auf ihrem Weg von einer aufgeheizten Zonen eines Metalls die
Elektronen keine höhere Wärmeenergie mit sich, gilt dies auch für kühlere“ Elek”
tronen. Die Temperaturabhängigkeit steckt lediglich in dem winzigen Bereich des
Maxwell-Schwanzes, der bei höheren Temperaturen die Fermi-Dirac-Verteilung
aufweicht (Abb. 2.10). Die Temperaturabhängigkeit erweist sich als proportional zu
T 2 , womit die spezifische Wärme also proportional zu T wird (N : Zahl der betrachteten Elektronen) [?] [?]:
3
1
γ
.
(2.25)
U = U0 + T 2 ⇒ cV = γT mit U0 = N EF , γ ≈
2
5
200
Der sehr kleine Faktor γ bewirkt, daß die Elektronen nahezu keinen Beitrag zur
spezifischen Wärme eines Metalls leisten.
1.5
f(E)
-df/dE [a.u.]
1.0
0.5
0.0
0
2
4
6
8
10
Abb. 2.10. Die Fermi-Dirac-Funktion und ihre Ableitung nach der
Energie für zwei Temperaturen. Die
bei T = 0 K vorliegende Stufenfunktion mit einer Diskontinuität bei
E = EF = 4,3 eV = 50 000 K ergibt die Diracsche δ-Funktion mit
unendlicher Höhe und der Fläche 1;
bei höheren Temperaturen erhält man
als Ableitung Glockenkurven.
4
E/kB [10 K]
2.7 Entartung
Unter Entartung“ verstehen wir einerseits die Zahl unterschiedlicher Zustände glei”
cher Energie. So sind im Benzol die Hückelschen Energieniveaus HOMO6 und LUMO7 beide doppelt entartet mit der relativen Energie ±1.
In der Metallphysik verstehen wir darunter die Abweichung der Zustandsgleichung
und der Energieverteilung von der klassischen, die es erforderlich macht, eine neue
Statistik einzuführen, da die Quanteneigenschaft des Spins dazu führt, daß die Nullpunktsenergie eines Metalls um Größenordnungen über der liegt, die wir etwa vom
6
7
Highest Occupied Molecular Orbital
Lowest Unoccupied Molecular Orbital
34
2 Metalle
harmonischen Oszillator her kennen, und bei dem wir die Energie des Grundzustandes
als ersten Eigenwert des Energieoperators zu E0 = 1/2 h̄ω berechnet haben.
2.7.1 Translatorische Bewegung
Für den einfachsten Fall des Teilchens im Kasten der Länge L gilt für die kinetische
Energie der translatorischen Bewegung
h̄2 π 2 2
2
2
En =
n
+
n
+
n
,
(2.26)
x
y
z
2mA L2
wobei die ni positive ganze Zahlen sind. Wie dicht sind diese Niveaus bei Zimmertemperatur kB T = 0,025 eV gepackt, wie groß ist also das Verhältnis r der Zahl der
Zustände Z bis zur Energie kB T zur Gesamtzahl N der Partikeln? Zunächst ist die
maximale Quantenzahl nmax :
s
q
h̄2 π 2 2
L
2mA L2 kB T
kB T =
= 2mA kB T .
(2.27)
nmax ⇒ nmax =
2 2
2
2mA L
h̄π
h̄ π
Beachten wir, daß die Masse des Teilchens gleich der molaren Masse M dividiert
durch die Avogadro-Konstante NA ist, wird
nmax =
s
2M kB T L
.
NA h̄π
(2.28)
Die Zahl der Zustände in einem Achtel des Kugelvolumens (Oktant positiver
Quantenzahlen, Abb. 2.11!) ist
1 4π 3
n ,
8 3 max
wenn N die Teilchenzahl ist. Damit wird für Z
Z=
(2.29.1)
pz
iz
iy
Abb. 2.11. Graphische Darstellung
des Quantenzahltripels ix , iy , iz mit
i natürlichen Zahlen, die im rechten
oberen Oktanten liegen.
py
ix
px
1 4π
Z=
8 3
2M kB T
NA
!3/2 L
h̄π
3
.
(2.29.2)
2.7 Entartung
35
Mit dem idealen Gasgesetz V /NA = kB T /p wird für r =
π kB T
r=
6 p
2M kB T
NA
!3/2
Z
N
1
,
(h̄π)3
(2.29.3)
insgesamt also
√
8
r= 3 2
6h̄ π
5
3
M /2 (kB T ) /2
×
NA
p
(2.29.4)
bzw. mit numerischen Werten für alle Konstanten
5
3
atmMol
M /2 T /2
× 3 5 .
r=
50 × p
g /2 K /2
(2.30)
Ist diese Zahl r groß gegen Eins, dann gibt es genügend Zustände der Translation, die die Partikeln besetzen können, um die Boltzmann-Statistik anwenden zu
können, gleichgültig, ob es sich um Bosonen oder Fermionen handelt. So liegt r selbst
für Wasserstoff bei 20 K und 1 bar bereits bei etwa 50.
2.7.2 Elektronen
Für Elektronen erhält man aber unheimliche Ergebnisse. So ist die Gl. (2.30) zwar
auch für Elektronen gültig, und wegen der Spins, die entweder 1/2 h̄ oder −1/2 h̄ sein
können, ist Z sogar doppelt so groß wie nach Gl. (2.30) berechnet. Also lautet die Gl.
(2.29.2) für Elektronen
2π
Z=
6
2M kB T
NA
!3/2
V
,
(h̄π)3
(2.31)
Im Verhältnis zum Wasserstoffatom ist aber ihre Masse me = 1/1840 × mH . Das
Molvolumen der dicht gepackten Atome (und Elektronen) im Feststoff beträgt einige 10 cm3 , damit erhält man Dichten von einigen 1022 /cm3 (statt einigen 1019 /cm3
im Gas). Setzen wir für Silber die Werte ein: ρ = 10, 51 g/cm3 , VM = 10, 26 cm3 ,
3
erhalten wir bei 300 K einen Wert für r von 3, 59 · 10−8 · 300 /2 = 0, 003 : 309 Elektronen müßten sich einen Zustand teilen. Bei 1 K sind es bereits 2, 8 · 108 Elektronen,
bei 0 K alle, was aus der Fermi-Funktion ersichtlich ist: Ist E bei 0 K größer als
1
1
EF , wird f = e(a)/0
→ 0, ist E dagegen kleiner als EF , erhalten wir für
≈ ∞
+1
1
1
f = e(−a)/0 +1 ≈ 1/ea/0 +1 → 1: Alle Zustände unterhalb von EF sind besetzt, alle
oberhalb von EF sind leer. Für diese Energie kann das System nur einen einzigen Zustand einnehmen, in dem jedes Elektron seinen Platz einnimmt.
Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Zustand eingenommen
wird, Eins. Damit ist die Entropie Null, genau wie für das Kristallgitter.
Elektronen mit E = EF liegen an der Oberfläche des Fermi-Sees. Dieser Fall wird
als vollständig entartet bezeichnet.
36
2 Metalle
Rechnet man umgekehrt aus, bei welcher Temperatur r Eins wird, kommt man
für Silber auf einen Wert von 91 900 K. Ein Metall müßte also bis weit über seinen Siedepunkt erhitzt werden, damit die Elektronen mit der Boltzmann-Statistik
beschrieben werden könnten. Da der metallische Zustand aber notwendig an hohe
Dichten gekoppelt ist, ist ein Metall immer hochgradig entartet.
2.8 Bänder
In einem flüssigen Metall lassen sich also besonders einfach darstellen:
• Die Energie als Funktion des Impulses (Wellenvektors) und
• die Dichte der Zustände als Funktion der Energie.
f(E) = 1
Zustandsdichte, f(E)
f(E) = 0
d(E)
f(E)
d(E) x f(E)
Energie
Zustände
besetzt nicht
besetzt
Abb. 2.12. Die tatsächlich besetzten Zustände sind das Produkt aus
Zustandsdichte und der Verteilungsfunktion nach Fermi, hier gezeigt für
T = 0 K. Für Alkalimetalle geht das
Band weiter, für Erdalkalimetalle fiele
das Bandende mit dem Fall der Fermi-Funktion von Eins nach Null zusammen.
EF
Im ersten Fall beobachten wir den einfachen quadratischen Zusammenhang zwischen E und n2 , im zweiten Fall die Wurzelabhängigkeit der Zustandsdichte D von
E. Den Zusammenhang zwischen E und k bezeichnet man als Energieband oder
einfach als Band. Die Zahl der Zustände in einem Band ist prinzipiell endlich; daher
muß jedes Band ein Ende haben. Die besetzten Zustände sind das Produkt aus der
Zustandsdichte und der Verteilungsfunktion (Abb. 2.12).
Leider gibt die hier vorgestellte Theorie keine einfache Erklärung für den Abfall
vom Maximum für die Zustandsdichte. Das wäre auch eine Überforderung des Modells. Charakteristisch für Metalle sind ungefüllte Bänder, so daß ein problemloser
Übergang der Elektronen in freie Zustände möglich ist, wodurch die hohe elektrische
und thermische Leitfähigkeit der Metalle erklärt wird. Ist ein Band eigentlich bis
zur Fermi-Kante gefüllt (wie in Erdalkalimetallen oder auch Quecksilber), kommt es
zu einer Überlappung mit einem darüberliegenden Band, so daß die Zustandsdichte
an der Fermi-Kante kleiner als etwa in Alkalimetallen wird, aber immer noch ein
kontinuierlicher Übergang in freie Zustände möglich ist (Abb. 2.13).
37
Zustandsdichte
2.8 Bänder
Zustandsdichte
EF
Zustände
besetzt nicht besetzt
EF
Energie
Energie
Abb. 2.13. Einfachster Fall eines flüssigen Alkalimetalls (lks.) und eines Erdalkalimetalls
(oder auch von Quecksilber, re.). Die s-Elektronen füllen im Falle des Alkalimetalls das
Band nicht voll auf, sondern nur bis zur Fermi-Energie EF . Dadurch ist es den Elektronen
an der Fermi-Kante leicht möglich, durch infinitesimale Energiezuwächse in freie Zustände
zu wechseln. Bei den Erdalkalimetallen überlappt das eigentlich gefüllte s-Band unterhalb
der Fermi-Energie mit dem p-Band, weswegen an der Fermi-Kante die Zustandsdichte
endlich ist.
Im Energieschema sieht das so aus, daß die am Anfang des Kapitels gezeigte Bildung von Bändern in Wirklichkeit zwei Möglichkeiten zuläßt. Und je nachdem, wieviel
Elektronen untergebracht werden müssen, gibt es einen Halbleiter mit Bandgap oder
ein Metall (Abb. 2.14).
0.25
E [Rydberg]
p
Eg
s
0.00
Gitterabstand
im Festkörper
-0.25
2
3
4
5
Abb. 2.14. Beim Annähern von
großen Abständen auf den Bindungsabstand können die entstehenden Bänder überlappen. In der traditionellen Sprechweise findet eine
sp3 -Hybridisierung zwischen s- und
p-Zuständen statt.
R [a0]
• Die Fermi-Energie gibt die Bandbreite an. Sie hängt bei konstanter Elektronenmasse ausschließlich ab von der Elektronendichte.
• Die Elektronendichte hängt ab vom das Ensemble kondensierter Materie konstituierenden Atom und dem Abstand der Atome untereinander. Die Kompression der Atome führt nicht nur zu erhöhter elektrostatischer Abstoßung, sondern
38
2 Metalle
auch zu einem Quanteneffekt. Geht man nämlich zum Grenzfall des united atom
über, ist ersichtlich, daß Wellenfunktionen ursprünglich verschiedener Atome zusammenfallen würden. Dies ist nach dem Pauli-Prinzip verboten. Folglich gilt
für die Impulsunschärfe die Heisenbergsche Unschärferelation: ∆p ≥ h̄/∆x:
Der Impuls und damit die kinetische Energie müssen zunehmen!
2.9 Elektrische Leitfähigkeit
2.9.1 Ohmsches Gesetz
Ohmsches Gesetz der Stromleitung durch einen metallischen Draht der Länge l und
dem Querschnitt A:
U = RI = ̺ × c × I
(2.32)
j = σE.
(2.33)
mit ̺ dem spezifischen Widerstand und c = l/A der Zellkonstanten. Die vektorielle
Darstellung ist
Die Stromdichte j ist dabei die Zahl der Elektronen, die pro Zeiteinheit eine
Einheitsfläche durchströmen. Sie ist der Größe des elektrischen Felds E proportional.
Das ist das makroskopische Bild.
Wie sieht das ein einzelnes Elektron? Die Beschleunigung eines einzelnen Elektrons im elektrischen Feld gehorcht der Gleichung
d2 x
= e0 E,
(2.34)
dt
die für t → ∞ — selbst bei kleinen Feldern — einen divergierenden Strom ergeben würde. Offensichtlich ist also Gl. (2.34) nicht vollständig, sondern muß um einen
Term korrigiert werden, der der immerwährenden Beschleunigung des Elektrons zuwiderläuft. In welche Richtung dieser Bremsterm laufen muß, geht aus dem Temperaturkoeffizienten der Leitfähigkeit hervor, der negativ ist: bei steigender Temperatur
nimmt die Leitfähigkeit ab. Die erste Hypothese ist, daß bei steigender Temperatur
die Atome ihre Schwingungsamplitude und auch die Zahl der Schwingungsfrequenzen
erhöhen und so eine gewisse Reibungskraft erzeugen, die der Beschleunigung durch
das elektrische Feld entgegenwirkt. Dafür spricht auch die Tatsache, daß der elektrische Widerstand reiner, getemperter Metalle bei Annäherung an den absoluten
Nullpunkt gegen Null geht. Dort kann man den Impuls und den Wellenvektor eines
Elektrons mit der de-Broglie-Beziehung
me
me,eff. v = h̄k
(2.35)
beschreiben, allerdings mit einer Elektronenmasse, die einen oft deutlich
höheren, manchmal aber auch kleineren Wert aufweist als die des freien Elektrons! In diesem höheren Wert verbirgt sich die WW des Elektrons mit den
2.9 Elektrische Leitfähigkeit
39
einzelnen, periodisch angeordneten Atomen [?]. Man bezeichnet me,eff. als effektive
Masse des Elektrons.
Wir gehen also davon aus, daß Stöße mit Atomen zu einer Abbremsung der sonst
ungehindert wachsenden Geschwindigkeit des Elektrons führen. Gl. (2.34), einmal
integriert, ergibt zunächst für die Geschwindigkeit des Elektrons:
v = v0 +
e0 Ex t
,
me,eff.
(2.36)
wobei v0 die Anfangsgeschwindigkeit des Elektrons ist. Diese ist jedoch Null, da ohne
elektrisches Feld alle Richtungen der Geschwindigkeit gleich wahrscheinlich sind und
somit deren Mittelwert verschwinden muß. Erleidet das Elektron nun einen Stoß,
soll es die gesamte aufgenommene Energie verlieren; anschließend wird es wieder
beschleunigt. Dabei wird τ als Relaxationszeit und
vx [a. u.]
vx(t = 0) + e0Ex2t/me, eff
Abb. 2.15. Während der Zeit t = 2τ
wird das Elektron gleichförmig beschleunigt, es legt dabei den Weg
λ = 2τ × (vF + v) zurück; erleidet es
einen Stoß, wird es auf die Anfangsgeschwindigkeit abgebremst.
<vx>
vx(t = 0)
t = 2t
t [a . u.]
λ = 2τ × (vF + v)
(2.37)
als mittlere freie Weglänge bezeichnet; für normale Felder ist vF ≫ v. Der Mittelwert
der Geschwindigkeitszunahme < vx > ist natürlich die Hälfte des maximal erzielten
Geschwindigkeitszuwachses (Abb. 2.15):
< vx > =
e0 Ex τ
.
me,eff
(2.38)
Unter der Annahme, daß alle Elektronen an dieser sägezahnartigen Bewegung teilnehmen, wird für die gesamte Elektronenstromdichte
jx =
N
N
e0 τ
e0 < vx >= e0
× Ex :
V
V me,eff
(2.39)
der Strom ist also dem Feld proportional, was eine andere Schreibweise des Ohmschen
Gesetzes darstellt, und damit ist für die Leitfähigkeit bzw. den Kehrwert, den spezifischen Widerstand:
40
2 Metalle
σ=
ne20 τ
1
me,eff.
⇒̺= =
.
me,eff.
σ
ne20 τ
(2.40)
Mit dieser Ergänzung wird die Driftgeschwindigkeit wirklich proportional zur elektrischen Feldstärke mit einer Proportionalitätskonstanten, der sog. Beweglichkeit:
v = µE,
(2.41)
und es ergibt sich eine weitere Bestimmungsmöglichkeit für σ:
σ = ne0 µ.
(2.42)
Damit ist die Leitfähigkeit
• proportional zur Ladungsträgerdichte;
• unabhängig vom Vorzeichen;
• proportional der Relaxationszeit τ ;
• umgekehrt proportional zur effektiven Masse des Ladungsträgers.
Damit werden die Unterschiede in der elektrischen Leitfähigkeit von Metallen
erklärbar: Obwohl z. B. die Elektronendichte in Gold höher ist als die des Silbers, ist
dennoch die Leitfähigkeit des Silbers höher (0,63 zu 0, 45 · 106 Ω−1 cm−1 ), was auf die
unterschiedliche Beweglichkeit der Elektronen in den beiden Metallen zurückzuführen
ist.
2.9.2 Weitere Eigenschaften des elektrischen Widerstandes
Die Streuung der Elektronen — und damit der elektrische Widerstand ̺ — wird also
durch Gitterdefekte verursacht: entweder durch temperaturinduzierte Schwingungen
der Atome (T), aber auch durch Verunreinigungen (Verunr., sowohl interstitiell als
auch substitutional), schließlich auch durch mechanische Deformation (Def.: Versetzungen, Leerstellen . . . ). Diese Beiträge sind additiv (Regel von Mathiessen, Abb.
2.16):
̺ = ̺T + ̺Verunr. + ̺Def. .
(2.43)
Der Grund liegt in der Natur des Streuprozesses. Die in Gl. (2.37) eingeführte mittlere freie Weglänge ist eben ein Mittelwert der verschiedenen Streuvorgänge. Dazu
diene folgendes (makroskopisches) Modell, das die unterschiedliche Natur der Streuprozesse ignoriert.
Die Schwächung des Elektronenstrahls beim Durchgang durch ein Stück Materie
ist
dN (x)
N (x)
=−
,
dx
const
(2.44)
2.9 Elektrische Leitfähigkeit
6
Cu + 3.32 % Ni
deformiertes Cu
reines Cu
r [10 -6 W cm]
5
41
Cu + 2.16 % Ni
Cu + 1.2 % Ni
Abb. 2.16.
Die additive Natur des Widerstands, gezeigt an
Cu/Ni-Legierungen. Es gibt einen von
der Temperatur unabhängigen und
einen von ihr abhängigen Anteil. Jener
ist bedingt durch die Verunreinigung
des Cu-Gitters durch Fremdatome
(hier: Ni) oder durch Deformation,
dieser wird durch Gitterschwingungen
bestimmt (nach [?]).
4
3
2
1
0
0
50
100
150 200
T [K]
250
300
integriert:
N (x) = N0 e−x/const .
(2.45)
Die Konstante const hat natürlich die Dimension einer Länge. Wir bezeichnen sie mit
λ1 . Gibt es noch einen zweiten Schwächungsprozeß mit einer zweiten Konstanten λ2 ,
so ist die erweiterte DGl.:
dN (x)
N (x) N (x)
=−
−
dx
λ1
λ2
(2.46)
N (x) = N0 e−x/λ1 e−x/λ2 = N0 e−x(1/λ1 +1/λ2 ) .
(2.47)
mit der Lösung
Die vollständige mittlere freie Weglänge ist folglich
1
1
1
=
+ ,
λ
λ1 λ2
(2.48)
die gesamte Relaxationszeit
1
1
1
= 2vF ×
+
,
τ
λ1 λ2
(2.49)
und damit schließlich der Widerstand nach Gl. (2.43):
̺ = ̺1 + ̺2 =
me,eff. me,eff.
+ 2 :
ne20 τ1
ne0 τ2
Die Beiträge der einzelnen Widerstandsarten sind additiv.
(2.50)
42
2 Metalle
2.10 Kontaktpotentiale
Jedes Metall weist ein individuelles Fermi-Niveau auf. Das bedeutet, daß die Differenz zum Nullpotential, die sog. Austrittsarbeit WA = e0 Φ, die mit dem Einsteinschen Photoeffekt gemessen wird, verschieden negativ ist (Abb. 2.17).
0
-2
E=0
e0F2
e0 F 1
Energie [eV ]
E F,2
-4
EF,1
Metall 2
-6
Metall 1
-8
Abb. 2.17. Unterschiedliche Metalle
mit verschiedenen Fermi-Potentialen
EF und Austrittsarbeiten e0 Φi .
-10
Beim Zusammenbringen der Metalle wird ein Potentialausgleich erfolgen, der
durch Stromfluß erreicht wird: das Metall mit dem höheren Fermi-Potential (II)
gibt an das Metall I Elektronen ab, weil ein Teil der besetzten Energieniveaus im
Metall II oberhalb der Grenze der aufgefüllten Niveaus in Metall I liegt, so daß ein
Tunnelübergang möglich ist (Abb. 2.17).8 Anschließend sind zwar die Fermi-Niveaus
ausgeglichen, dafür aber nun die Potentiale an der Metalloberfläche unterschiedlich;
die Potentialdifferenz oder Spannung beträgt
Vc = Φ2 − Φ1 .
10
Energie [eV ]
8
E=0
e0V c
e0 F1
6
EF,1
EF,2
e0F2
4
Metall 1
2
0
(2.51)
Metall 2
Abb. 2.18. Werden die beiden Metalle kontaktiert, gleichen sich die Fermi-Potentiale aus; die Oberflächen liegen jetzt auf unterschiedlichem Potential, das durch die verschiedenen Austrittsarbeiten e0 Φi bestimmt:
Vc = Φ1 − Φ2 .
Diese Potentialunterschiede bewegen sich in der Größenordnung einiger Volt und
werden als Kontaktpotentialdifferenz Vc bezeichnet. Wichtig sind sie für Thermoele8
Der umgekehrte Weg: Elektronen von I nach II, ist deswegen unmöglich, weil alle Elektronen
des Metalls I Energien besitzen, die bereits aufgefüllten Niveaus in Metall II entsprechen.
2.11 Aufgaben und Lösungen
43
mente und Halbleiter als p-n-Übergang. Der Effekt wurde bereits von Volta entdeckt
und ist nur mit dem Tunneleffekt erklärbar.
2.11 Aufgaben und Lösungen
Aufgabe 2.1 Beim Kondensieren zu einem Metall geben die Atome Elektronen an
das sog. Elektronengas ab. Die Elektronen werden frei(gesetzt), also delokalisiert.
Schätzen Sie mittels der 4. Unschärferelation für Wasserstoff ab, wie groß dieser Energiegewinn ist, wenn ein Elektron bereits nach einem Umlauf seinen Basiskern verläßt
und zum Nachbarkern tunnelt!
Lösung.
• τ=
l
v
• ∆E =
=
h̄
τ
2πa0
1/137·c
= 1, 52 · 10−16 sec
= 4, 3 eV
Aufgabe 2.2 Leiten Sie Gl.
5
3
M /2 T /2
atmMol
r=
× 3 5 .
50 × p
g /2 K /2
her und wenden Sie sie auf Wasserstoff und Elektronen an!
(1)
Aufgabe 2.3 Die spezifische Leitfähigkeit des Na bei RT beträgt σ ≈ 2, 2 × 105 Ω−1
cm−1 und die effektive Masse me,eff. ≈ 1, 2me , das Molgewicht 23 g und die spezif.
Dichte 1,01 g/cm3 . Berechnen Sie
• den Fermi-Vektor kF ,
• die Fermi-Energie EF ,
• die Relaxationszeit τ ,
• die mittlere freie Weglänge λ,
• die Beweglichkeit µ und
• die Driftgeschwindigkeit in einem Feld der Stärke 1 V/cm.
Dabei wird angenommen, daß die durch das elektrische Feld erzielte Geschwindigkeit
klein gegen die Fermi-Geschwindigkeit ist.
Daten und Gleichungen:
• Molvolumen = Molmasse/Dichte.
• NA = 0, 6 × 1024 .
44
2 Metalle
1
• kF = (3π 2 n) /3 .
• Ekin =
h̄2 k2
.
2m
• me : 9, 1 × 10−31 kg.
• e0 : 1, 6 × 10−19 C.
• σ=
ne20 τ
.
me,eff.
• σ = ne0 µ.
• µ=
vx
.
Ex
Lösung.
VM =
n=
(1)
0, 6 × 1024
= 2, 64 × 1022 /cm3 ,
2
0, 228 × 10
kF = 78, 16 × 1022
EF =
23
= 22, 77 cm3 ,
1, 01
1/3
= 781, 6 × 1021
1/3
= 9, 21 × 107 /cm,
6, 6252 × 9, 212 × (10−27 )2 × (107 )2
erg2 s2 cm−2 g−1 ,
4π 2 × 2 × 1, 2 × 9, 1 × 10−28
EF = 4, 32 × 10−12 erg = 2, 7 eV,
τ=
σ × meff
2, 2 × 105 × 1, 2 × 9, 1 × 10−28 Acm−1 gcm3
,
=
ne20
2, 64 × 1022 × 2, 56 × 10−38 V Asec Asec
τ = 3, 55 × 10−23+16
µ=
cm2 gs−1
= 3, 55 × 10−14 s,
107 erg
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
2, 2 × 105
AV−1 cm−1 cm3
σ
=
×
= 0, 52 × 102 cm2 /Vsec, (8)
ne0
2, 64 × 1022 × 1, 6 × 10−19
Asec
vx = µE ⇒ vx = 0, 52 × 102 cm/s,
vF =
(9)
pF
h̄kF
6, 625 × 10−27 × 9, 21 × 107 erg s cm−1
=
=
= 0, 89 × 108 cm/s,
×
me
me,eff
6, 283 × 1, 2 × 9, 1 × 10−28
g
(10)
λ = vF × τ = 3, 16 × 10−6 cm = 316 Å,
(11)
cm2 V
cm
·
= 52
.
V sec cm
sec
(12)
vD = µEx = 52 · 1
2.11 Aufgaben und Lösungen
45
Aufgabe 2.4 Gold hat eine Fermi-Energie von 5,51 eV. Um welchen Bruchteil der
mittleren kinetischen Energie der Elektronen bei T = 0 K erhöht sich der Mittelwert
bei T = 300 K?
Daten und Gleichungen:
• < Ekin >= 3/5 EF .
• kB T = 0, 025 eV.
• f (E) =
1
.
e(E−EF )/kB T +1
Lösung. Bei T = 0 K ist < Ekin >= 3, 31 eV, die thermische Energie also 3, 31+0, 025
eV = 3,335 eV ⇒ 0, 025/3, 335 ≈ 0, 7%.
Aufgabe 2.5 Wie bestimmt man die Tiefe des Fermi-Sees?
Lösung. Dies ist die Frage nach der Ermittlung der Bandstruktur. Das Prinzip ist
das des Einsteinschen Photoeffekts: Es gilt
Ekin,e = h̄ω − WA
(1)
mit WA der Austrittsarbeit. Bestrahlt man ein Metall mit kontinuierlich abnehmender Wellenlänge, wird ab einer Schwellenenergie ein Strom fließen. Dieser rührt von
Elektronen her, die von der Fermi-Kante abgelöst werden. Bei weiter abnehmender
Wellenlänge können auch Elektronen aus größeren Tiefen des Fermi-Sees herausgelöst werden, was zu einem Stromanstieg führt. Ist der Seeboden erreicht, geht der
Elektronenstrom gegen Null, bis das nächste Band beginnt. Man findet eine Größenordnung von 10 eV. Die Geschwindigkeit der Elektronen ist etwa 1/100 c (Abb. 2.19).
6
Abb. 2.19. Äußerer Photoeffekt: Bestrahlt man ein Metall mit kontinuierlich abnehmender Wellenlänge, wird
ab einer Schwellenenergie, der sog.
Austrittsarbeit WA , ein Strom fließen,
der bis zum Erreichen des Seebodens
ansteigt. Wegen Anisotropien der Zustandsdichte ist das tatsächliche Spektrum sehr viel komplizierter.
EF
I [mA]
4
2
0
WA
0
2
4
6
Energie [eV]
8
10
46
2 Metalle
Aufgabe 2.6 Berechnen Sie die Relaxationszeit τ = 1/νm der Elektronen in Kupfer
(ρ = 1, 7 · 10−6 Ω cm). Wie hoch ist die Driftgeschwindigkeit der Elektronen vD in
einem Draht mit 1 mm2 Querschnitt, durch den ein Strom von 1 A fließt?
Lösung.
σ=
e20 n
m e νm
(1)
Die Zahl der Elektronen im cm3 ergibt sich aus der Dichte des Cu (8,9 g/cm3 ) zu
n=
0, 602 · 1024
NA
=
= 8, 44 · 1022 / cm3 .
VM
63, 5/8, 9
(2)
Damit wird
τ = 2, 5 · 10−14 sec.
j = ρv = e0 nv ⇒ v =
j
.
e0 n
(3)
(4)
Bei einer Stromdichte von 100 A/cm2 ergibt sich eine Driftgeschwindigkeit von
vD = 0, 74 · 10−2 cm/sec = 74µm/sec.
(5)
Aufgabe 2.7 Bestimmen Sie den Elektronendruck in Kupfer (ρ = 8, 93 g/cm3 , EF =
7, 00 eV)! Warum explodiert das Metall nicht?
Lösung.
n=
EF = 7, 00 · 1, 6 = 11, 2 · 10−19 J.
(1)
NA
0, 602 · 1024
=
= 8, 44 · 1022 / cm3 .
VM
63, 5/8, 9
(2)
3
2
3
< E >= Ekin = kB T = EF ⇒ kB T = pV = EF .
2
5
5
(3)
2
p = EF · n.
5
(4)
p = 3, 8 · 105 bar.
(5)
2.11 Aufgaben und Lösungen
47
Aufgabe 2.8 Bestimmen Sie den Elektronendruck in Silber (Dichte 10,5 g/cm3 ,
Atomgewicht 107,9) unter der Annahme eines einwertigen Metalls mit dem Modell
freier Elektronen!
Lösung.
pV = RT ∧ < E >= 3/2 RT ⇒ pV = 2/3 < E > .
(1)
< E >= 3/5 EF ⇒ pV = 2/5 EF .
(2)
2
p=
/5 EF 2
= /5 EF · ne .
V
(3)
h̄2 2
k .
2me F
(4)
(3π 2 ne )3 .
(5)
EF =
kF =
n=
q
NA
= 5, 9 · 1022 /cm3 .
107, 9/10, 5
(6)
h̄2
= 6, 1 · 1035 m−2 .
2me
(7)
(3π 2 )2/3 = 9, 57.
(8)
n2/3
· ne = 8, 94 · 1047 m5/3 .
e
(9)
p = 5, 2 · 105 bar.
(10)
p = 0, 50 Mbar.
(11)
Aufgabe 2.9 Da die Dichte der Valenzelektronen bei Kompression erhöht wird, steigen sowohl EF wie < E > eines Metalls an.9 Wenn die (isotherme) Kompressibilität
eines idealen Gases gegeben ist durch
κT = −
1 ∂V
:
V ∂p
(1)
wie hoch ist die Kompressibilität eines freien elektronischen Fermi-Gases? Setzen Sie
für Quecksilber die Fermienergie an zu 6,7 eV.
9
Genau genommen gilt dies auch für die Core-Elektronen, da sie aber sehr viel dichter am Atomkern sind, werden sie durch äußere Einflüsse wie Veränderungen von Druck und Temperatur kaum
beeinflußt.
48
2 Metalle
Lösung. ν ist hier die Molzahl (Stoffmenge).
pV = νRT ⇒ V =
νRT
3
∧ Ekin = RT.
p
2
∂V
νRT
νRT
= − 2 ⇒ κT =
.
∂p
p
V p2
(3)
V2
νRT
·
.
V
(νRT )2
(4)
5 V
5 1
V
V
⇒ κT =
=
.
=2 3
/3 · /5 EF ν
νRT
2 νEF
2 n EF
(5)
κT =
κT =
(2)
Damit ergibt sich für Hg mit einer Elektronendichte von 8, 1 · 1022 /cm3 :κT = 2, 8 ·
10−11 /Pa oder κT = 2, 8 · 10−6 /bar.
Aufgabe 2.10 Bei der Herleitung der Zustandsdichte von Fermionen im dreidimensionalen Fall bestimmt man die Zahl der Zustände innerhalb der Fermi-Kugel mit
dem Volumen 4π/3p3F , wobei das Volumen der (kubischen) Phasenraumzelle zu h3 /L3
angenommen wird (maximale Unschärfe des Impulses für einen Würfel der Kantenlänge L). Natürlich ist das nur eine Näherung, da die Oberfläche der Fermi-Kugel
dadurch rauh wird. Wie rauh? Gehen Sie von einem Würfel der Kantenlänge 1 cm
und einer Fermi-Energie von 5 eV aus und bestimmen Sie die Unsicherheit der Elektronengeschwindigkeit!
Lösung. Die Zahl der Zustände, in die zwei Elektronen hineinpassen, ist
4π 3
p
3 F
,
h3
3
L
(1)
8πL3 3
· pF
3h3
(2)
N
=
2
woraus für N
N=
oder
8πL3 q
· (2me EF )3
(3)
3h3
folgt. Die Fermi-Energie ist in der Gegend von 5 eV, was für den Fermi-Impuls einen
Wert von etwa 10−19 g cm/sec bedeutet, womit die Unsicherheit in jeder Koordinate
N=
6, 63 · 10−27
h
≈
g cm sec−1
(4)
∆L
1
wird, was für ein freies Elektron eine Unsicherheit in der Geschwindigkeit von 7,3
cm/sec ergibt. Verglichen mit der Fermi-Geschwindigkeit, die in der Gegend von 1%
der Lichtgeschwindigkeit liegt, ist das völlig zu vernachlässigen.
∆p =
2.11 Aufgaben und Lösungen
49
Aufgabe 2.11 Beschreiben Sie ein Experiment, mit dem Sie mit Hilfe des sog. Freien
Elektronenmodells unter der Randbedingung einwertiges Metall“ die Zeit zwischen
”
zwei Stößen in Kupfer bestimmen!
1. Ohmsches Gesetz: j = σE
2. σ = ne20 τ /me
3. τ = σme /ne20
4. σ = 5.88 × 105 Ω−1 cm−1
5. n = 8.45 × 1022 /cm3
6. τ = 2.47 × 10−14 sec
50
2 Metalle
3 Elektronen im realen Festkörper
Das periodische Potential eines Kristallgitters und die von k quadratische
Abhängigkeit der kinetischen Energie sind ein unlösbarer Widerspruch. Die
Antwort der Natur ist die Ausbildung von Bändern, die durch energetische
Lücken voneinander separiert sind.
3.1 Das Modell fast freier Elektronen (NFE-Modell)
3.1.1 Elektronengas im Gitter positiver Ionen
Bisher gingen wir davon aus, daß die Elektronen nur kinetische Energie besitzen,
und deswegen ist der Hamilton-Operator nur eine Funktion des Impulsoperators,
dessen Eigenfunktionen nicht-lokalisierte ebene Wellen sind. Sie bewegen sich in einer
Flüssigkeit vor einem nahezu amorphen positiven Hintergrund, der in erster Näherung
als konstant betrachtet werden kann, im Festkörper dagegen vor einem periodisch
angeordneten, positiven Hintergrund. Dazu zwei Überlegungen:
• In jedem Fall ist der Abstand der Atome vergleichbar mit ihrem Durchmesser —
also fast kein freier Raum! Daher ist es sehr erstaunlich, daß sich die Elektronen
in einem idealen Gitter mit wenig Fehlstellen fast so frei wie im Vakuum bewegen
(Elektronenröhre vs. Diode oder Transistor).
• Die Periodizität im direkten Gitter zieht auch die im reziproken Gitter nach
sich, was sowohl für die Elektronendichte wie für die Energie zutrifft:
E(k + G) = E(k).
(3.1)
Das hat die wesentliche Konsequenz, daß das Modell freier Elektronen an jedem
Wiederholungspunkt Unstetigkeit liefern muß, was eine flagrante Verletzung der
quantenmechanischen Prinzpien darstellt (Abb. 3.1).
Im isolierten Atom besteht der Hamilton-Operator dagegen aus einem Anteil,
der die kinetische Energie beschreibt, und aus einem für die potentielle Energie. Wie
wir wissen, ist die potentielle Energie bedeutend größer als kinetische Energie, was
zur Folge hat, daß die Elektronen am Atom lokalisiert sind. Im Kristallgitter mit
einer periodischen Anordnung von Ionen befinden wir uns zwischen diesen beiden
51
52
3 Elektronen im realen Festkörper
3
f(k)
2
1
0
-3.14
0.00
3.14
6.28
9.42
Abb. 3.1. Das Elektron bewegt sich
im reziproken Gitter. Ist seine energetische Abhängigkeit dem Quadrat des
reziproken Gitterektors proportional,
führt das zu Situationen mit undifferenzierbaren Stellen (Periode hier π/a
mit a = 1 Å).
k [n p/a]
Y
Extremen. Kommt man vom Model Freier Elektronen (FEM), spricht man vom Model
fast freier Elektronen (Nearly Free Electron- Modell). Der alternative Ansatz ist der
des tight-binding-Modells, bei dem man also von den isolierten Atomen ausgeht.1
Mit geeigneten Wellenfunktionen werden in einer SCF-Schleife durch Lösen der
Schrödinger-Gleichung für ein Elektron im Potential eines Na+ -Ions die Eigenwerte
für die Energie ermittelt. Für das freie Atom ist dabei die (übliche) Randbedingung
ψ(r) → 0 für r → ∞; und der Eigenwert ist im Falle des Natriums −5, 14 eV, dem
ersten Ionisationspotential. Für das im Gitter gebundene Atom ist dψ/dr = 0 für r
dem Bindungsabstand (Bedingung von Wigner und Seitz, s. Abschn. 2.1), und die
in einer SCF-Schleife von Wigner und Seitz berechnete Energie ist E0 = −8, 2 eV
[?] (Abb. 3.2), also bedeutend niedriger als die des freien Atoms.
0.0
Metall, k = 0
Metall, k an der Zonengrenze
freies Atom
0
1
2
3
4
Abb. 3.2. Wellenfunktionen des 3s–
Elektrons eines isolierten (−5, 15 eV)
und eines Ketten-Natrium-Atoms mit
k = 0 (−8, 2 eV), also am Boden eines Bandes, und mit k an der Zonengrenze (+2, 7 eV), die allerdings in Natrium nicht besetzt sind (halbgefülltes
Band!), nach Wigner und Seitz [?].
r [a0]
Die Energie eines derartigen Systems aus N Atomen ist gegenüber dem N -fachen
Eigenwert der Energie der einzelnen Atome abgesenkt. Hierbei sind zwei gegenläufige
Effekte von Bedeutung:
1
s. Skript Chemische Bindung, Kap. 12
3.1 Das Modell fast freier Elektronen (NFE-Modell)
53
• ⊕ Wenn sich die Atome nähern und die Valenzelektronen überlappen, wird die
potentielle Energie eines jeden Elektrons abgesenkt.
• ⊖ Das Elektronengas wird komprimiert, und dadurch erhöht sich die mittlere
kinetische Energie der Elektronen.
Bei der metallischen Dichte sind beide Kräfte im Gleichgewicht. Bezeichnen wir die
Energie des freien Atoms mit Efrei (= 5,15 eV), die des gebundenen Atoms mit E0 ,
dann ist mittlere Elektronenenergie Eav für k = 0 am Boden eines Bandes unter
Berücksichtigung von < Ekin >= 3/5 EF :
Eav = E0 + < Ekin >= (−8, 2 + 1, 9 = −6, 3) eV.
(3.2)
Vergleichen wir dies mit den −5, 15 eV für das freie Atom, finden wir eine Absenkung
um etwa 1,1 eV. Sie wird als Sublimationsenergie bezeichnet. Für die Alkalimetalle
beträgt sie recht genau 2/5 EF , steigt aber für Übergangsmetalle bis auf fast 10 eV an
(W, Tab. 3.1, gezeigt für Natrium in Abb. 3.3 und im Beispiel 3.1).
Ion und freies Elektron
0
Energie [eV]
-2
-4
-6
-8
Eion
Na-Atom
Grundzustand
Metall
Fermi-Niveau
Ecoh mittlere kinet. Energie
Abb. 3.3. Natrium: Die Kohäsionsenergie ergibt sich als Differenz zwischen dem Ionisationspotential Eion
des isolierten Atoms (−5, 15 eV), das
in erster Näherung auf das Fermi-Niveau gesetzt wird, und der Summe aus mittlerer kinetischer Energie
der freien Elektronen (60 % von 3,1
eV = 1,1 eV) sowie der abgesenkten
Energie des 3s-Elektrons.
k=0
Beispiel 3.1 Das Ionisationspotential des isolierten Natrium-Atoms beträgt 5,14 eV. Das
muß verglichen werden mit der Tiefe der 3s-Orbitalenergie des gebundenen Natriums. Wigner und Seitz fanden einen Wert für k = 0 von −8, 2 eV für diesen Zustand [?], wozu
noch die mittlere kinetische Energie der Elektronen (3/5 des Wertes für EF ) addiert werden
muß; also ist die mittlere Energie eines Elektrons im Na-Metall um etwa 1,2 eV gegenüber
dem Na-Atom abgesenkt. Das sind etwa 2/5 EF , ein Wert, der für alle Alkalimetalle gilt.
3.1.2 Wellenfunktion im Gitter: 1. Approximation
Was ist eine geeignete Approximation für eine derartige Wellenfunktion, die in die
Schrödinger-Gleichung mit einem periodischen Gitterpotential eingesetzt, die richtigen Eigenwerte der Energie ergibt? Die Periodizität wird mit einer Fourier-Reihe
54
3 Elektronen im realen Festkörper
Tabelle 3.1. Sublimationswärmen einiger Metalle [?].
Metall
Li
Na
K
Cs
Ag
Al
Fe
W
Wertigkeit
Esubl [eV]
1
1,58
1
1,13
1
0,94
1
0,82
1
2,99
3
3,28
2 +3
4,20
3+4+5+6
8,75
beschrieben, und für das Potential eines einzelnen Gitterbausteins gibt es viele verschiedenene Näherungen, die alle irgendeinen Vorteil haben, aber natürlich auch Nachteile, so wie es auch keine perfekte Projektion der Erdkugel auf zweidimensionale
Landkarten gibt.2 Betrachten wir zunächst die Periodizität des (eindimensionalen)
Gitterpotentials, das aus Atompotentialen U0 zusammengesetzt ist, so daß mit den
reziproken Gittervektoren G ganz allgemein gilt:
U=
X
U0 eiGx .
(3.3)
G
Dieses Potential mit unendlich vielen Gittervektoren wechselwirkt mit einer Elektronenwelle, die als ebene Welle ψ = ψ0 eikx approximiert wird, so daß wir diese prinzipiell
als
ψ=
X
U0 ψ0 ei(G±k)x
(3.4)
G
beschreiben können. Durch die Wechselwirkung entsteht ein Wellenvektor k ′ , und von
der Röntgen-Streuung, die wir im Kap. 1 behandelt haben, wissen wir: Besonders
interessant ist der Fall
k′ = k ± G,
(3.5.1)
also wenn k in der Nähe des Zonengrenze liegt oder auf ihr draufliegt, d. h. wenn
1
π
|k| = ± |G| = ±n
(3.5.2)
2
a
mit n einer ganzen Zahl, weil unter dieser Bedingung die Röntgenstrahlen gebeugt
werden, und es damit zu Interferenzen kommen kann. D. h. die Propagation der
Röntgenstrahlen ist unter dieser Bedingung nicht möglich, sondern es kommt zur
Reflexion, und wir beobachten die Glanzwinkel.
2
Eines der am häufigsten verwendeten ist das empty-core-Potential von Ashcroft, das die tiefe
Trichtersenke am Kern auf sehr flache Werte anhebt und über einen kleinen Bereich konstant ist.
3.2 Elektronenenergie im periodischen Feld eines realen Gitters
55
In Kap. 2 hatten wir gesehen, daß die Elektronen an der Fermi-Kante den Charakter weicher Röntgenstrahlen haben. Also ist die Näherung einer freien Elektronenwelle offenbar gerade für die Elektronen, die den metallischen Charakter bestimmen, falsch. Durch die Wechselwirkung mit den Vektoren des reziproken Gitters ist
das Ergebnis eine stehende Welle. Bei fehlender Dämpfung kommt es, je nach Phasenlage, zu konstruktiver (n gerade) oder destruktiver (n ungerade) Interferenz. Aus den
π
ebenen Wellen ψ mit den Phasenfaktoren e±i a x kann man zwei Linearkombinationen
erzeugen:
π
x ,
a
(3.6.1)
π
x .
= 2i sin
a
(3.6.2)
ψ(+) = ψ0 e+i( a x) + e−i( a x) = 2 cos
ψ(−) = ψ0 e
π
x
+i( π
a )
π
−e
−i( π
x
a )
Beide sind harmonische Wellen mit einer Periode des doppelten Kernabstandes
2a. Während jene ihre Extrema bei na hat, hat diese ihre bei n2 a. Damit ergeben sich
ortsabhängige Elektronendichten (ψ 2 ) als Quadrate der Gln. (3.6), die cos-Funktion
am Kern, die sin-Funktion genau in der Mitte zwischen zwei Kernen. Die cos-Funktion
hat s-, die sin-Funktion dagegen p-Charakter (Abb. 3.4.2).
Diese Funktionen hatten wir für das Elektron im Kasten“ mit kx = nx Lπx defi”
niert; und wir hatten gefunden, daß durch die Randbedingungen ψ(x = 0) = 0∧ψ(x =
Lx ) = 0 die Exponentialfunktion verschwinden muß, was ein imaginäres Argument
bzw. eine Kreisfunktion bedingt. Nun fordern wir, daß für einen unendlich ausgedehnten Kristall, wenn x also bei einem Sprung um x = 2Lx vom Aufatom zu einem
benachbarten Atom springt, die Funktion um exp[i2πnx ] = exp[i2π]nx = 1nx = 1
wachsen muß. Nur wenn nx eine ganze Zahl ist, dann wird der Wert Eins, und die
Funktion ist tatsächlich periodisch. Im Unterschied zur stehenden Welle des
Elektrons im Kasten sind nun die Exponentialfunktionen fortlaufende ebene Wellen.
3.2 Elektronenenergie im periodischen Feld eines realen
Gitters
Es entsteht beim Aneinanderreihen von vielen Atomrümpfen mit jeweils gleichen
Abständen also ein periodisches Potential. Jedem Gitteratom entspricht in diesem
einfachen eindimensionalen Fall eine Elementarzelle. Wir benötigen jetzt eine Ortsfunktion, mit der diese Anordnung von Atomrümpfen wiedererkannt werden kann.
Wir werden einige Restriktionen einführen, um die Vielzahl der Möglichkeiten aus
physikalischen Gründen zu verringern.
U (x) ist die potentielle Energie eines Elektrons in einem linearen Gitter mit der
Gitterkonstanten a. Dann ist U (x) bei einer Translation des Kristallgitters invariant:
U (x) = U (x + a).
(3.7.1)
56
3 Elektronen im realen Festkörper
f(r)
a
x [a. u. ]
[y(-)]2
y(+)
[y(+)] 2
f(r)
f(r)
y(-)
r [a. u. ]
r [a. u. ]
Abb. 3.4. Die hohe Beweglichkeit der Elektronen im Elektronengas schirmt die Ionenrümpfe nahezu perfekt ab.
- Sicht eines einzelnen Elektrons: Die Ionenrümpfe schirmen sich mit Elektronen weitgehend
ab; das Elektron sieht“ keine ganze positive Ladung, sondern nur einen Bruchteil davon
”
(Debye-Länge).
- Alternatives Bild (Sicht aller Elektronen): U. lks.: Die freien Elektronen bilden in zweiter
Näherung kein chaotisches Elektronengas. In der Einelektronennäherung ist das Elektron
eine durch das reziproke Gitter propagierende Welle mit einer Wellenlänge 2a und einem
Wellenvektor πa , die schwach mit dem periodischen Gitterpotential wechselwirkt. Die dadurch ortsabhängige Elektronendichte hat ihr Maximum — je nach Energie der Welle —
entweder am Ort des Kerns (ψ(+))2 oder zwischen den Kernen (ψ(−)2 und hat damit die
halbe Periode der Wellen.
Eine Funktion mit dieser Eigenschaft kann als Fourier-Reihe der reziproken Gittervektoren G entwickelt werden, und wir schreiben dafür
U (x) =
X
G
UG eiG x ,
(3.7.2)
3.2 Elektronenenergie im periodischen Feld eines realen Gitters
57
wobei die UG für ein Coulomb-Potential mit 1/G2 abnehmen, und U (x) eine reelle Funktion sein soll. Dies hat eine Restriktion für die Amplitudenkoeffizienten zur
Folge. Es ergibt sich nämlich daraus sofort, daß die konjugiert-komplexen Amplitudenkoeffizienten UG∗ die Eigenschaft
UG∗ = UG
(3.8.1)
haben müssen, so daß
X
UG eiG x =
X
UG∗ e−iG x
(3.8.2)
G
G
wird. Wie man durch Einsetzen zeigt, wird diese Gleichung einfach durch die Amplitudenkoeffizienten
U−G = UG∗
(3.9)
gelöst. Das ist unsere erste Restriktion für die Fourier-Reihe, mit der wir die potentielle Energie U (x) beschreiben. Fordern wir weiter, daß U (x) durch eine symmetrische
(gerade) Funktion beschrieben wird, also
U (−x) = U (x),
(3.10.1)
woraus
U (−x) =
X
UG e−iG x
(3.10.2)
G
folgt, dann sehen wir durch Vergleich von (3.7.2) mit (3.10.2), daß die beiden Reihen
für
UG = U−G
(3.11)
identisch werden. Durch Vergleich von (3.9) mit (3.11) sehen wir schließlich, daß die
oben aufgestellte Behauptung
UG = UG∗
(3.12)
bestätigt wird: Unter der Voraussetzung, daß U (x) eine gerade reelle Funktion ist,
sind die Amplitudenkoeffizienten reell. Setzen wir U0 für G = 0 auf Null, können wir
für U (x) schreiben:
U (x) =
X
UG (eiG x + e−iG x ) = 2
X
UG (eiG x − e−iG x ) = 2i
G>0
X
UG cos(Gx),
(3.13.1)
X
UG sin(Gx),
(3.13.2)
G>0
aber natürlich auch
U (x) =
G>0
G>0
58
3 Elektronen im realen Festkörper
3.3 Wellenfunktion im periodischen Feld: 2. Approximation
Wir definierten in Kapitel I,4 die Wellenfunktion mit Hψ = Eψ oder mit ausgeschriebenem Hamilton-Operator
h̄2 2
∇ ψ + V (r) ψ = Eψ.
(3.14.1)
2m
Setzen wir mit Gl. (3.5) das periodische Potential des (reziproken) Gitters ein, also
−
h̄2 2 X
UG eiG·r
∇ +
−
2m
G
!
ψ = Eψ,
(3.14.2)
dann beschreibt diese Gleichung die Bewegung eines Elektrons im Potential der
Ionenrümpfe und im (gemittelten) Potential der anderen Leitungselektronen. Wir
drücken die Wellenfunktion des Elektrons als Fourier-Reihe
ψk =
X
Ck eik·r
(3.15)
k
aus, wobei die k die durch die Randbedingungen eingeschränkten Werte des Wellenvektors bedeuten, die in der uns bekannten Form 2π/L n auftreten mit L der Länge
des Gitters und n einer ganzen Zahl, positiv oder negativ. Es ist noch nicht einmal
erforderlich, anzunehmen, daß sich die periodische Länge a aus Gl. (3.3) hier niederschlüge. Die Aufgabe der Eigenwertbestimmung der Energie besteht jetzt darin, die
Amplitudenkoeffizienten Ck zu bestimmen, wozu wir (3.15) in (3.14) einsetzen:
Der Term für die kinetische Energie lautet
h̄2 2
h̄2 X 2
∇ ψk =
k Ck eik·r ,
2m
2m k
der für die potentielle Energie
−


X
G

UG eiG·r  ψk =
XX
UG eiG·r Ck eik·r =
G k
XX
(3.16)
UG Ck ei(G+k)·r ,
(3.17)
G k
und die Wellenfunktion ist die Summe der rechten Terme. Als nächstes bilden wir das
Linienintegral über das Produkt der konjugiert-komplexen Wellenfunktion mit den
rechten Termen der Gln. (3.16) und (3.17).
Dazu erinnern wir uns, daß die einzelnen Fourier-Komponenten orthogonal zueinander
sind:
Z
0
L
eik1 x e−ik2 x dx = 0 ∨ 1;
(3.18)
für k1 = k2 ergibt sich ein Wert von 1, während für k1 6= k2 Null herauskommt. Das
bestimmte Integral in den Grenzen zwischen 0 und L ist
3.3 Wellenfunktion im periodischen Feld: 2. Approximation
h
i
1
ei(k1 −k2 )L − 1 .
i(k1 − k2 )
59
(3.19)
Für k1 6= k2 ergibt sich für den Exponenten
iL n1
2π
L
− n2
2π
L
= i2πn ⇒ ei2πn = 1,
(3.20)
und die Differenz in der eckigen Klammer von (3.19) wird Null, für k1 = k2 werden Zähler
[in der eckigen Klammer von (3.19)] und Nenner Null, und wir müssen mit der Regel von
l’Hôspital die Ableitungen nach y von Zähler und Nenner für y = k1 − k2 = (2π/L) (n1 −
n2 ) bilden und durcheinander dividieren:
2π
2π
ix e L i(n1 −n2 )x
L
2π
e L i(n1 −n2 )x − 1 ⇒
i(k1 − k2 ) ⇒ i
2π
2π
i(n1 −n2 )x L
L
L ixe
2π
i
L
0
2π
L
= L − 0 = L.
(3.21.1)
(3.21.2)
(3.21.3)
Damit fallen nahezu alle Fourier-Komponenten aus den Gln. (3.16) und (3.17)
heraus, im ersten Term alle außer denen, für die k′ = k ist, im zweiten Term alle
außer denen, für die k′ = k + G,3 und wir erhalten für die kinetische Energie
h̄2 ′2
k Ck′
2m
(3.22)
und für die potentielle Energie
X
G
UG Ck′ −G ,
(3.23)
so daß wir als Eigenwert-Gleichung
X
h̄2 ′2
UG Ck′ −G = E Ck′ .
k Ck′ +
2m
G
(3.24)
erhalten. Da wir frei sind in der Wahl unserer Indices, schreiben wir noch für k′
einfach k, und für die kinetische Energie der Fourier-Komponente k
λk =
h̄2 k 2
2m0
(3.25)
und erhalten eine Fundamentalgleichung der Festkörperphysik in der Betheschen
Notation
(λk − E)Ck +
3
X
In unserem Beispiel ist k1 = k′ und k2 = k.
G
UG Ck−G = 0,
(3.26)
60
3 Elektronen im realen Festkörper
die in der Literatur als Hauptgleichung bekannt ist. Diese Gleichung verbindet einen
gegebenen Fourier-Koeffizienten Ck mit der unendlichen Zahl anderer FourierKoeffizienten, für die sich der Wellenvektor um einen reziproken Gittervektor unterscheidet. Für k = k − G′ etwa sieht die Gleichung (3.26) dann wie folgt aus:
(λk−G′ − E)Ck−G′ +
X
G
UG C(k−G′ )−G = 0,
(3.27)
dargestellt für einen abzuziehenden reziproken Gittervektor G′ . Die Herleitung zeigt,
daß es unendlich viele Vektoren k gibt, die sich um irgendwelche G unterscheiden.
Eine vielfach verwendete Konvention besteht daher darin, denjenigen k-Vektor von ψ
zu benutzen, der innerhalb der ersten Brillouin-Zone zwischen −π/a und π/a liegt.
Dieser k-Vektor erhält daher den Index 0: k0 . Über die Konstruktionsregeln für die
Brillouin-Zonen ist sichergestellt, daß damit alle anderen Komponenten mit k0 +G
sich außerhalb der ersten Zone befinden.
Der Hauptvorteil dieser Methode ist, daß man tatsächlich selten mehr als zwei
Koeffizienten der potentiellen Energie, UG , benötigt, damit die Reihe konvergiert, weil
die Koeffizienten mit 1/G2 abnehmen. Für zwei Gleichungen muß man eine 2 × 2Determinante lösen, um die Fourier-Koeffizienten C zu finden, aus denen sich dann
die Wellenfunktion ergibt
ψk =
X
G
Ck−G ei(k−G)·r ,
(3.28)
und damit die Eigenwerte E nach dem üblichen Verfahren. Dabei sind die FourierKoeffizienten frei wählbar. Um das etwas zu vereinfachen, reduzieren wir das im
folgenden auf eine Dimension (r → x → x):
Sei z. B. der einzige Gittervektor G, um den k0 modifiziert werden kann, dann erhalten
wir die drei Koeffizienten Ck0 und Ck0 ±G , die in Gl. (3.26) eingesetzt, ergeben (wegen der
Symmetrie haben wir zu jedem Gittervektor G einen mit −G):
(λk0 −G − E)Ck0 −G +
U [Ck0 + Ck0 −2G ] = 0;
(λk0 − E)CK0
+ U [Ck0 +G + Ck0 −G ] = 0;
(λk0 +G − E)Ck0 +G +
U [Ck0 +2G + Ck0 ] = 0 :
(3.29)
Selbst für den Fall, daß das Gitterpotential nur eine einzige Fourier-Komponente aufweist,
erhalten wir einen unendlich großen Satz von Eigenwertgleichungen, den wir aber in den
meisten Fällen auf sehr wenige Gleichungen reduzieren können.
3.3.1 Verknüpfung mit der Bragg-Gleichung
Wir werden uns jetzt die Gln. (3.26) und (3.28) genauer ansehen. Schreiben wir die
Hauptgleichung (3.26) etwas um, so daß
P
Ck = − G
UG Ck−G
λk − E
,
dann sehen wir leicht, daß die Fourier-Koeffizienten groß werden für
(3.30)
3.4 Bloch-Funktionen
61
h̄2 k 2
λk =
≈ E,
(3.31)
2m
d. h. wenn die kinetische Energie der ebenen Welle mit dem Wellenvektor k etwa gleich
der Energie E der Wellenfunktion ψk ist. Gilt dieses zusätzlich auch noch für einen
anderen Fourier-Koeffizienten, dessen Wellenvektor sich von dem eben vorgestellten
′
um G′ unterscheidet, also Ck−G
), das ist Gl. (3.28) äquivalent umgeschrieben:
P
G
UG Ck−G−G′
,
(3.32)
λk−G′ − E
dann sehen wir, daß sowohl die erste ebene Welle mit dem Wellenvektor k wie die um
den sich um den reziproken Gittervektor unterscheidende Welle mit dem Wellenvektor
k − G′ bedeutende Komponenten der Wellenfunktion ψk sind, und wir schreiben
Ck−G′ = −
(k − G′ )2 = k 2 ,
(3.33)
eine Bedingung, die wir in Gl. (1.18) als Bragg-Bedingung identifiziert haben, der
Bedingung für Reflexion von Röntgen-Strahlen, Elektronen oder Neutronen an einem Kristallgitter.
3.4 Bloch-Funktionen
Gl. (3.28) zeigt uns, daß die Wellenfunktion
ψk (x) =
X
Ck−G ei(k−G)x ,
(3.34)
G
die wir verwenden, um die Bewegung eines Elektrons im Potentialfeld der regulär angeordneten Ionenrümpfe und im mittelnden Potential der anderen Leitungselektronen
zu beschreiben, und die umgeschrieben folgendermaßen aussieht
ψk (x) =
X
G
Ck−G e
−iGx
!
eikx ,
(3.35)
als Produkt zusammengesetzt ist aus einer Fourier-Reihe der reziproken Gittervektoren G, in der sich die translatorische Symmetrie des Gitters widerspiegelt, und
einer ebenen Welle eikx . Wegen ihrer überragenden Bedeutung in der Festkörperphysik bezeichnen wir Wellenfunktionen des Typs (3.35) nach ihrem Entdecker als
Bloch-Funktionen und schreiben für die Summe der Fourier-Koeffizienten
X
Ck−G e−iGx = uG (x).
(3.36)
G
Für das lokale Potential sind die verschiedensten Ansätze in Gebrauch (s. Chemische Bindung, Kap. 11). Wir werden uns in dieser Vorlesung nicht mit der speziellen
Form der Potentiale beschäftigen, sondern sie im Gegenteil als klein gegenüber der kinetischen Energie der Elektronen betrachten — was ja offenbar im Gültigkeitsbereich
62
3 Elektronen im realen Festkörper
des FEM eine gute Näherung darstellt und die Voraussetzung für die Anwendung der
Störungsrechnung ist.
Wenn das Gitterpotential verschwindet, bedeutet das mit Gl. (3.24)
(λk − E)Ck = 0,
(3.37)
oder anders: alle Fourier-Koeffizienten Ck−G werden Null außer Ck , und damit wird
uk konstant,
ψk (x) = eikx ,
(3.38)
wie für ein freies Elektron, dessen Dichte ortsunabhängig ist.
Zeigen wir noch die Invarianz von ψk bzw. von uG bei einer Gittertranslation.
Wenn die Wellenfunktion ψk invariant unter der Operation einer Gittertranslation sein soll,
dann muß gelten:
ψk (x + a) = const = C ψk (x),
(3.39)
und an der Stelle x + N a muß dann sein:
ψk (x) = ψk (x + N a) = C N ψk (x),
(3.40)
C N = 1,
(3.41)
und damit
die nur nicht-triviale Lösungen hat für
C = exp 2πi
n
N
mit n = 0, ±1, ±2, ± ,
N
2
(3.42)
mit dem Wellenvektor
kx =
2πn
:
Na
C = eikx a
(3.43)
(3.44)
und damit dreidimensional als Bloch-Funktion:
ψk (r) = eikr uk (r).
(3.45)
k ist der (radiale) Wellenvektor, dessen Komponenten mit n einer ganzen Zahl lauten:
kx =
2πn 1
,
N a
(3.46.1)
ky =
2πn 1
,
N b
(3.46.2)
kz =
2πn 1
.
N c
(3.46.3)
3.5 Bandlücke (Gap)
63
3.5 Bandlücke (Gap)
Wir sehen uns nun die Hauptgleichung (3.26) für einige Werte an der Zonengrenze
an, also dort, wo k → 1/2 G1 [Gl. (3.31)]. An dieser Stelle ist Ck−G1 eben nicht klein
gegenüber Ck , und der Koeffizient der Welle exp [i(k − G) · x] wird dort von großer
Bedeutung. Wird er gleich groß wie exp [ik · x], kommt es zur Reflexion — so, als ob
ein Röntgenstrahl gestreut worden wäre.
3.5.1 Auf der Grenze
Hier ist k = 1/2 G = πa , woraus für die Wellenvektoren folgt:
2
1
1
k =
G1 = (k − G1 )2 =
G1 − G1
2
2
Wir betrachten die zwei Komponenten
2
2
1
=
G1
2
eikx ∧ ei(k−G1 )x ;
2
.
(3.47)
(3.48)
alle anderen Koeffizienten werden deswegen vernachlässigt, weil sie gegenüber diesem
Term klein sein müssen. An der Zonengrenze sind ihre kinetischen Energien
h̄2 1
G1
λk =
2m 2
λk−G1
2
h̄2 1
=
G1
2m 2
(3.49.1)
2
(3.49.2)
gleich, wobei wir wissen, daß, wenn C(1/2 G1 ) an der Zonengrenze in der Gleichung
ψk =
X
Ck−G ei(k−G)x ,
(3.28)
G
von Bedeutung ist, das auch für C(−1/2 G1 ) zutrifft, und wir verwenden die Hauptgleichung zur Bestimmung der Koeffizienten C(1/2 G1 ) und C(−1/2 G1 ):
(λk − E)Ck +
X
UG Ck−G = 0,
(3.27)
G
wobei
2
1
h̄2 1
k = G1 ∧ λk=1 =
G1
(3.50)
2
2m 2
= U−G1 = U1 , dann erhalten wir die zwei Gleichungen
ist. Schreiben wir für UG1
(λ1 − E)C1/ G + U1 C1/ G −G + C1/ G +G = 0;
1
1
2 1
2 1
2 1
(λ−1 − E)C−1/ G + U1 C−1/ G −G + C−1/ G +G = 0.
1
1
2 1
2 1
2 1
(3.51.1.1)
(3.51.1.2)
64
3 Elektronen im realen Festkörper
Abschneiden bei |G| = |G1 | führt zu
(λ1 − E)C1/ G + U1 C1/ G −G = 0;
1
2 1
2 1
(3.51.2.1)
(λ−1 − E)C−1/ G + U1 C−1/ G +G = 0;
1
2 1
2 1
vereinfacht
(3.51.2.2)
(λ1 − E)C1/ G + U1 C−1/ G = 0 ∧ (λ−1 − E)C−1/ G + U1 C1/ G = 0; (3.51.3)
2 1
2 1
2 1
2 1
geschrieben als Determinante
(λ1 − E)C1/ G
2
1
(λ−1 − E)C−1/ G
2
1
+ U1 C−1/ G
2
+
1
U1 C1/ G
2
1
= 0
= 0
.
(3.51.4)
Die Determinante dieses Systems ist quadratisch in G1 und hat nur dann nicht-triviale
Lösungen, wenn sie verschwindet:
Da λ1 = λ−1 , folgt für E
λ −E
1
U1
= 0.
−E U1
λ−1
(3.52)
2
h̄2 1
E1,2 =
G1 ± U1 ⇒ E1,2 = λ1,−1 ± U1 :
(3.53)
2m 2
Das periodische Potential 2U1 cos(G1 x) erzeugt an der Zonengrenze eine Bandlücke
der Größe 2U1 . Aus den Gln. (3.51) bestimmen wir das Verhältnis der FourierKoeffizienten zu
C−1/ G
2
1
C1/ G
2
1
=−
λ1 − E
= ±1,
U1
(3.54)
und damit bekommen wir für die Wellenfunktion zwei Lösungen für die Welle am
Boden des Gaps und eine an der Decke des Gaps:
1
1
ψ(x) = ei /2 G1 x ± e−i /2 G1 x .
(3.55)
Dabei entspricht gemäß der Euler-Relation das ⊕ dem zweifachen Cosinus, das ⊖
dem zweifachen Sinus. Den Cosinus kann man für kleine x nach cos y ≈ 1 − 1/2 y 2
entwickeln und erhält erneut mit y = G1 x die bekannte quadratische Abhängigkeit
von ω(k) weit weg von der Zonengrenze. Dies gilt auch für das Potential, Gl. (3.13)
kann also für eine Komponente
U (x) = 2
X
G>0
geschrieben werden.
UG cos(Gx) ≈ UG
1
1 − (G1 x)2
2
(3.56)
3.5 Bandlücke (Gap)
65
3.5.2 In der Nähe der Zonengrenze
Hier gilt das eben beschreibene Verfahren analog. Natürlich haben wir jetzt eine
Wellenfunktion
ψ = Ck eikx + Ck−G1 ei(k−G1 )x ,
und wir erhalten ein Paar der Gleichungen (λk =
(3.57)
2
h̄
k2)
2m
(λk − E)Ck + U1 Ck−G1 = 0
,
(λk−G1 − E)Ck−G1 +
U1 Ck
= 0
(3.58)
aus denen wir die Determinante
λ −E
k
U1
=0
−E U1
λk−G1
(3.59)
gewinnen. Diese Gleichung hat die beiden Wurzeln
h
i1/2
1
(λk−G1 + λk ) ± 1/4 (λk−G1 − λk )2 + U12
(3.60)
2
die in der Abb. 3.5 zusammen mit der Lösung für das freie Elektron für ein U1
von 0.25 atomic units gezeichnet sind. In der Abb. 3.6 ist das im sog. ausgedehnten
Zonenschema gezeigt.
E=
E [atomic units]
2.0
1.5
freies Elektron
+
U = -0,25
1.0
0.5
0.0
0.0
1/2 G1
0.5
1.0
1.5
2.0
Abb. 3.5. Lösungen im periodischen
Zonenschema an der Grenze der 1.
BZ. U1 = −0, 25 atomic units,
2
G1 = 2, h̄m = 1. Die Bandlücke beträgt 0,5 atomic units. Im allgemeinen
ist λ1 ≫ U1 .
k
3.5.3 Zusammenfassung
Im Ergebnis wird die parabolische Abhängigkeit der Energie E vom Wellenvektor
kx leicht, aber entscheidend modifiziert, da bei k = nπ Unstetigkeiten auftreten,
der Funktionswert ist also an diesen Stellen mehrfach, also nicht eindeutig, definiert.
Physikalisch gesehen, entspricht dieses einem verbotenen Bereich, einem Bereich
66
3 Elektronen im realen Festkörper
Energie [a. u.]
Abb. 3.6. Ausgedehntes Zonenschema: Die Elektronenwellen werden an
der Grenze der Brillouin-Zone bei
π
a reflektiert. Dadurch kommt es zur
Ausbildung einer verbotenen“ Zone,
”
innerhalb derer keine Ausbreitung einer Elektronenwelle möglich ist [?].
2p/a
[111]
p/a
0
k
p/a
2p/a
[100]
also, in dem keine Wellenausbreitung möglich ist. Die Elektronenwelle wird am
Gitter reflektiert, geradeso, als ob es ein äußerer Elektronenstrahl wäre. Damit kommt
es zur Ausbildung einer stehenden Welle, deren Gruppengeschwindigkeit dω
= h̄1 dE
dk
dk
verschwindet (horizontale Tangente). Das bedeutet, daß hier die Energie unabhängig
von der Wellenzahl ist! Für die stehende Welle gibt zwei Hauptphasenlagen:
πx
πx
∧ ψ = ψ0 cos
.
(3.61)
a
a
Dabei ist die Phasenlage des Cosinus energieärmer, weil ihr Maximum mit dem Kernpotential zusammenfällt. Der FEM-Wert
ψ = ψ0 sin
π
p = h̄k = h̄ ,
(3.62)
a
spaltet folglich in zwei Zustände erheblich unterschiedlicher Energie auf. So entstehen
Bänder einer gewissen Energiebreite, die durch Lücken einer gewissen Energiebreite
voneinander getrennt sind (Abb. 3.6).
Die Breite der Energiebänder ergibt sich in erster Näherung mit kn = nπ/a aus
Ekin =
h̄2 kn2
h̄2 π 2
= n2
,
2me
2me a2
(3.63)
sie nimmt also für höhere Bänder mit n2 zu. Der Unterschied der Energien zwischen
Sinus- und Cosinuswelle ist maximal der Betrag der potentiellen Energie eines gebundenen Elektrons, also
E=
1 e20
.
4πε0 a
(3.64)
Setzt man in die Gln. (3.63) u. (3.64) typische Abstände von 3 Å ein, erhält man
sowohl für die Bandbreite wie deren Differenz Werte von einigen eV [?]. Der energetisch niedrigere Zustand, der die Elektronendichte am Ort des Atomkerns lokalisiert
hat, wird als s-Zustand, der höhere Zustand mit dem Maximum der Elektronendichte
3.6 An den Band- und Zonengrenzen
67
zwischen den Kernen, dagegen als p-Zustand charakterisiert.4 Diese Bezeichnung gilt
nicht für die ungestörten Zustände weiter weg von der Zonengrenze.
Gerade, weil der Fermi-Vektor die Größe des reziproken Gitterabstands erreicht,
kommt es für diese Elektronen zur Reflexion. Das sind aber genau die Valenzelektronen, eben jene Elektronen, die zur metallischen Leitfähigkeit entscheidend beitragen.
Obwohl wir also sehen, daß das Modell freier Elektronen in Schärfe deswegen nicht
gelten kann, weil es zur Aufspaltung der parabolischen Abhängigkeit freier Elektronen an einer Grenze kommt, die eng mit dem reziproken Gitterabstand verknüpft ist,
kann man erstaunlich viele metallische Eigenschaften mit dem FEM gut beschreiben.
3.6 An den Band- und Zonengrenzen
Zustandsdichte
Wir haben gesehen, daß am Boden eines Bandes der einfache quadratische Zusammenhang zwischen der Energie und dem Wellenvektor (Impuls) gilt, und die FermiOberfläche ist eine Kugeloberfläche, auf der die Energie konstant ist. Beim Annähern
an die Grenze der Brillouin-Zone wird diese quadratische Abhängigkeit zunächst
schwächer, um dann bei k = πa zu springen. Auch dann ist die E(k)-Abhängigkeit
zunächst schwächer, um dann wieder einen quadratischen Zusammenhang zu zeigen.
Diese Abhängigkeit ist im Festkörper meist anisotrop. Die Umkehrfunktion der Dispersionsrelation zeigt genau dieses Verhalten — schließlich ist der in Abb. 3.6 als
Abszisse aufgetragene Wellenvektor im FEM proportional der Wurzel aus der kinetischen Energie (Abb. 3.7).
1/2
E
Abb. 3.7. Die Umkehrfunktion der
Dispersionsrelation ist die Zustandsdichte als Funktion der Energie. Deutlich sichtbar ist der steile Anstieg bei
Annäherung an die Zonengrenze (Steigung 1/0 → ∞).
Energie
Gleichzeitig wird die Fermi-Kugel deformiert: die Zustandsdichte
steigt bei
√
Annäherung an die Zonengrenze zunächst steiler als mit E und fällt dann steil
auf Null ab, wenn das Band gefüllt ist (Abb. 3.8, s. a. Abschn. 3.8).
4
Diese Bezeichnung ist nur aus der Erfahrung zu rechtfertigen: s und p beziehen sich auf ein
radialsymmetrisches Potential, aber kein periodisches.
3 Elektronen im realen Festkörper
Zustandsdichte [a. u.]
68
einfache
Theorie
Abb. 3.8. Zustandsdichte an der Zonengrenze. Es kommt zu signifikanten Abweichungen von der einfachen
Theorie (s. a. Tabelle 3.1).
Energie [a. u.]
Etwa noch vorhandene Elektronen müssen in die zweite Brillouin-Zone gehen,
die ebenfalls nach der Vorschrift des Kap. 1 konstruiert wird, und es kommt zu komplizierten Oberflächen, wobei die Dynamik der Elektronen keineswegs mehr mit dem
Modell freier Elektronen (FEM) beschreibbar ist. Insbesondere nimmt die Masse Werte an, die sehr entfernt von der des freien Elektrons sind, und sogar das Vorzeichen
kann wechseln. Beispielsweise kann die mit dem Hall-Effekt gemessene Ladungsträgerdichte positives Vorzeichen haben. Da in einem Metall nur die Elektronen zum
Strom beitragen, muß also die Masse ihr Vorzeichen wechseln: es handelt sich um
Löcher, die für den Stromtransport verantwortlich sind.
FermiNiveau
gefüllte
Zustände
leere
Zustände
Energie [a. u.]
Zustandsdichte [a. u.]
Zustandsdichte [a. u.]
Der Unterschied zwischen einem einfachen und einem etwas komplizierteren Metall wird in Abb. 3.9 verdeutlicht.
FermiNiveau
gefüllte
Zustände
leere
Zustände
Energie [a. u.]
Abb. 3.9. Besetzung von Zuständen in einem einfachen und einem etwas komplizierteren
Metall. Die Zustandsdichte selbst wird mit der Verteilungsfunktion Fermis modifiziert.
3.7 Effektive Masse
69
3.7 Effektive Masse
Wg. der Wechselwirkung der Ladungsträger mit dem Gitter ist die Masse sowohl der
Elektronen wie auch der Löcher von der der freien Elektronen deutlich verschieden. Es
stellt sich sogar heraus, daß me und mh richtungsabhängig sind und damit Tensoren
darstellen. Für ein freies Elektron ist die Abhängigkeit einfach; im Gitter jedoch gilt
für eine Änderung der Geschwindigkeit (Abb. 3.10):
E = h̄ω ⇒ ω =
1 dE
dω
⇒
.
dk
h̄ dk
(3.66)
F =
dp
dk
= h̄
⇒
dt
dt
(3.67)
1 ∂ ∂E
1 ∂ ∂E
1 ∂ ∂E ∂k
1 ∂ 2 E ∂k
dv
=
=
=
=
,
dt
h̄ ∂t ∂k
h̄ ∂k ∂t
h̄ ∂k ∂k ∂t
h̄ ∂k 2 ∂t
(3.68.1)
F
1 ∂ 2 E ∂p
1 ∂2E
dv
=
= 2 2
= 2 2 ×F ⇒
dt
m
h̄ ∂k ∂t
h̄ ∂k
(3.68.2)
me,h = h̄
Energie [a. u.]
(3.65)
v=
2
CB
VB
p/a
[111]
E
,
h̄
0
k
p/a
[100]
d2 E
dk 2
!−1
,
(3.69)
Abb. 3.10. Reduziertes Zonenschema
zur Darstellung der effektiven Masse, die durch die Krümmung des Bandes bestimmt wird. Bei kleinen k gilt
der parabolische Zusammenhang. Ist
die Parabel invertiert (untere Funktion), ist die effektive Masse negativ.
Schwache Krümmung bedeutet gleichzeitig numerisch hohe Masse. Ist die
Parabel normal (obere Funktion), ist
die effektive Masse positiv. Die starke
Krümmung bedeutet darüber hinaus
eine niedrige effektive Masse.
sie sind also der Krümmung der E(k)-Bänder umgekehrt proportional, und für eine
Linkskurve (umgekehrte Parabel) wird die effektive Masse negativ: Die kinetische
Energie sinkt bei Anwendung einer äußeren Kraft (eines elektrischen Feldes). Das
70
3 Elektronen im realen Festkörper
bedeutet, daß sich diese Elektronen entgegen der Feldrichtung bewegen. Ordnet man
das negative Vorzeichen in der Kraftgleichung
F = meff a = e0 E
(3.70)
dagegen der Ladung zu, ergeben sich zwanglos die positiv geladenen Löcher. Dieses
Vorzeichen ergibt sich durch eine Hall-Messung (s. Abschn. 3.8.4). Unabhängig von
der Stärke der Krümmung gilt: Nur wenn der Zusammenhang zwischen E und k
parabolisch ist, bleibt die Masse konstant.
Diese Beschreibung zeigt, daß nur für kleine k eine einfache Abhängigkeit vom
Wellenvektor besteht. Die Masse meff ist etwa gleich m, und das Elektron verhält
sich als laufende Welle mit dem Phasenfaktor eikx und einer kleinen Komponente
e−iG1 x , der aber mit zunehmendem k zunimmt. Eine Zunahme dieser Komponente ist
gleichbedeutend mit einem Impulsübertrag vom Gitter zum Elektron, seine Geschwindigkeit nimmt ab. Das ist gleichbedeutend mit einer Zunahme seiner trägen Masse,
die an der Wendestelle sogar unendlich wird. Weitere Versuche, das Elektron zu beschleunigen, führen im Gegenteil zu einer Umkehr der Geschwindigkeit, bis an der
Zonengrenze durch Reflexion an der Zonengrenze aus laufenden Wellen stehende mit
Gruppengeschwindigkeit Null geworden sind, mit einem Wellenvektor k = 1/2 G1 = πa ,
der der entsprechende des Gitters gegenübersteht.
Wir sahen im Kap. 2, daß die Bandbreite bei konstanter Elektronenmasse ausschließlich durch die Elektronendichte bestimmt wird. Annäherung von Atomen auf
Abstände, die für kondensierte Materie typisch sind, bedeutet aber keineswegs gleiche Bandbreite auch für die tiefer liegenden Elektronen, da deren effektive Masse
bedeutend zunimmt. Das führt zu Bandbreiten, die genauso scharf sind wie die Energieniveaus im isolierten Atom: Diese Elektronen sind und bleiben lokalisiert.
3.8 Bestimmung der Fermi-Fläche
Wie wir gesehen haben, sind die Elektronen an der Fermi-Kante zuständig für die
Transportgrößen elektrische Leitfähigkeit, Thermokraft, Wärmeleitfähigkeit, HallEffekt . . . Die hohe elektrische Leitfähigkeit der Metalle ist auf freie Zustände im
Valenzband zurückzuführen, die für Elektronen an der Fermi-Kante über infinitesimal geringe Energiedifferenzen zugänglich sind.
Leider ist der einfache E(k)-Zusammenhang, der zu Fermi-Kugeln führt, auf
deren Oberfläche die Energie konstant ist, nur für flüssige Alkalimetalle gültig. So ist
die Abweichung von der Kugelform für das Alkalimetall Kalium weniger als 1 % [?],
bei Cäsium etwa 10 %. Auch die beiden Erdalkalimetallatome Be und Mg besitzen
ebenfalls nahezu kugelförmige Fermi-Flächen. Das Volumen ist allerdings genauso
groß wie das der 1. BZ, erstreckt sich aber wegen der Kugelform über diese hinaus.
Für alle anderen Metalle gibt es bereits in flüssigem Zustand Komplikationen (etwa
die Überlappung von Bändern bei Erdalkalimetallen oder Quecksilber oder s − dHybridisierung bei Kupfer und Gold [?]). Generell findet man aber, daß
• die Fermi-Fläche die Zonengrenzen senkrecht schneidet, und
3.8 Bestimmung der Fermi-Fläche
71
• die dadurch entstehenden Ecken der Fermifläche durch den Einfluß des Kristallpotentials verrundet werden (Abbn. 3.11 [?]).
Aber immer ist das Volumen der Fermi-Kugel nur von der Elektronendichte abhängig
und unabhängig von der Wechselwirkung mit dem Gitter.
K
Cs
Ag
Au
Abb. 3.11. Die Fermi-Kugeln von vier sehr einfachen Metallen: K, Cs, Ag und Au [?]. Ag
und Au kristallisieren im fcc-Gitter, K und Cs im bcc-Gitter.
Daher sind zahlreiche Verfahren entwickelt worden, um die Fermi-Fläche experimentell zu bestimmen. Dazu zählen u. a.
• Untersuchung mit Röntgenstrahlen,
• Elektronen-Cyclotronresonanz (bei Halbleitern),
• de Haas-van Alphen-Effekt,
• Wechselwirkung akustischer Phononen mit Elektronen,
• Hall-Effekt und
• der anomale Skin-Effekt.
Einige dieser Verfahren werden im folgenden vorgestellt.
3.8.1 Röntgenstrahlen
Das Röntgen-Spektrum isolierter (Gas-)Atome ist scharf, da die elektronischen Niveaus scharf sind. Bei der Kondensation verbreitern sich zur Bindung verwendete Niveaus zu Bändern einer bestimmten Breite, während darunterliegende Niveaus scharf
bleiben (Abb. 3.12). Somit kann aus der spektralen Breite des emittierten Röntgenstrahls zunächst die Breite des Valenzbandes ermittelt werden.
Darüber hinaus kann aber auch eine Aussage über die Zustandsdichte getroffen
werden. Wären nämlich alle Emissions-Übergänge aus einem Band gleich wahrscheinlich, würden wir eine konstante Intensität beobachten.
√ Tatsächlich zeigt das Spektrum
für ein einfaches Metall, wie Natrium, die erwartete E-Abhängigkeit bis zur FermiEnergie. Kurz danach nimmt aber die Intensität nicht ab, sondern steigt zunächst an,
um dann allerdings steil abzufallen (Abb. 3.13.
72
3 Elektronen im realen Festkörper
Energie [a. u.]
3s-Band
2p-Niveau
0
0
-5,01 eV
-38,7 eV
Abb. 3.12. Mit weichen Röntgen-Strahlen kann die Breite des Valenzbandes (3s) bestimmt werden. Es
ergibt sich eine Breite von etwa 3 eV.
2p-Niveau
Gasförmiges Na
berechn. Zustandsdichte [a. u.]
Röntgenstrahlen-Intensität [a. u.]
Festes Na
3s-Niveau
0
1
2
3
Abb. 3.13. Zustandsdichte des Natriums bei endlicher Temperatur,
bestimmt
mit
weicher
Röntgenstrahlung (rot). Strichliert
und
√
schwarz: D(E) = const E.
Energie [eV]
Wie wir dem sehr steilen hochenergetischen Abfall mit kleiner Spitze entnehmen,
wird die Zustandsdichte bei endlicher Temperatur mit der Fermi-Funktion moduliert.
3.8.2 Elektronen-Cyclotronresonanz
Anregung von Elektronen ins Leitungsband und Anlegen eines starken statischen
Magnetfelds zwingt die Elektronen auf Kreisbahnen. Einstrahlung eines variablen
Wechselfeldes führt bei der Kreisfrequenz der Elektronen zur Resonanz [?]. Bestimmt
wird die effektive Masse der Elektronen. Da das Magnetfeld in unterschiedliche Richtungen orientiert werden kann, erhält man zusätzlich Aussagen über die Anisotropie
der Elektronenmasse (Abb. 3.14).
3.8 Bestimmung der Fermi-Fläche
73
Abb. 3.14. Deformation der Fermi-Kugel in Kupfer. Bei Anlegen eines Magnetfeldes folgen die Elektronen den eingezeichneten Bahnen. Man
unterscheidet zwischen Bauchbahnen
(B) und Halsbahnen (H). Die Fermi-Fläche schneidet die Zonengrenze
senkrecht [?].
3.8.3 de Haas-van Alphen-Effekt
Die magnetische Suszeptibilität χ gibt an, ob sich ein Stoff diamagnetisch oder paramagnetisch verhält, wenn er in ein Magnetfeld gehalten wird und ist als Verhältnis
der Magnetisierung M zur magnetischen Flußdichte B definiert:
M
µ
= µ0
.
(3.71)
B
VB
Wird ein Metall in ein Magnetfeld gehalten, bewegen sich die freien Elektronen mikroskopisch nicht auf Geraden, sondern rotieren auf Kreisbahnen. Ist der Radius dieser
Kreise derart, daß die Kreisfrequenz an der Fermi-Kante
χ = µ0
ωL =
e0 µ0 M
v
e0
B=
= = vkkF ,
me,eff
me,eff χ
r
(3.72)
beobachten wir eine Erhöhung der magnetischen Suszeptibilität. Damit können nicht
nur Fermi-Oberflächen einfacher Alkalimetalle, sondern auch von sich nicht einfach
verhaltenden Metallen ausgeleuchtet werden.
3.8.4 Halleffekt
In welche Richtung fließt ein elektrischer Strom durch einen Leiter? Wie aus dem differentiellen Ohmschen Gesetz j = σE ersichtlich, fließt der Strom immer in Richtung
des Feldes. Dies ist mit der Formel j = ρv nur dadurch in Einklang zu bringen, indem
wir feststellen, daß das Vorzeichen der Ladung auch das Vorzeichen der Geschwindigkeit sein muß:
sign(ρ) = sign(v)
(3.73)
Da aber Ströme in Abhängigkeit ihres Ladungsvorzeichens durch ein Magnetfeld
in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt werden, entsteht eine Erhöhung der Dichte
der Majoritätsträger immer an derselben Elektrode, entweder ⊕ für Defektelektronen
74
3 Elektronen im realen Festkörper
oder ⊖ für Elektronen. Diese Ladungstrennung findet solange statt, bis das dadurch
entstandene Feld, der Gradient der Hall-Spannung, gleich der Lorentz-Kraft ist:
F L = qE = qv × B.
(3.74)
In Abb. 3.15 ist dieser Effekt qualitativ dargestellt: Zwischen zwei Elektroden ist
ein Silberstreifen gespannt; die Äquipotentiallinien laufen senkrecht zur Stromrichtung. Beispielsweise befinden sich die Punkte A und C auf gleichem Potential. Wird
nun senkrecht zum Silberstreifen ein Magnetfeld angelegt (Richtung in die Zeichenebene hinein), dann werden Elektronenströme, die von rechts nach links fließen, durch
die Lorentz-Kraft in Richtung nach A abgelenkt.
V
Abb. 3.15. In einem magnetischen
Feld
erfahren
Ströme eine Ablenkung, die
zu einer Ladungsseparation
und damit zum Aufbau einer
Spannung führt, der sog.
Hall-Spannung, hier gezeigt
für Elektronen in einem
typischen Metall.
A
Ag
C
In Halbleitern, aber auch Halbmetallen wie Bismuth, können auch positive Ladungen (sog. Defektelektronen oder Löcher) fließen, und zwar von links nach rechts.
Beide Ladungsträgersorten werden daher in Richtung A abgelenkt. Deswegen kann durch die Polarität der Elektrode A entschieden werden, ob es sich um einen
n- oder p-Typ handelt (Abb. 3.16).
V
A
Bi
C
Abb. 3.16.
In Bismuth oder
p-Halbleitern werden Defektelektronen im elektrischen Feld bewegt.
Diese bewegen sich, bezogen auf
die Elektronen, in entgegengesetzter
Richtung und werden daher von
einem magnetischen Feld in dieselbe
Richtung abgelenkt wie die Elektronen. Die sich an der Elektrode A
kumulierende Ladung hat aber jetzt
das andere Vorzeichen.
Die Hall-Spannung ergibt sich aus dem Linienintegral über das Feld
3.9 Metall und Halbleiter
75
UH =
Z
0
l
E ds
(3.75)
für l den Abstand der Elektroden, an der senkrecht dazu die Strombewegung durch
ein äußeres Feld stattfindet. Ist die Dicke des Substrats d, dann ist die Stromstärke
durch das äußere Feld
I
,
ld
damit für die Hall-Spannung bei linearem Gradienten mit v aus (3.76)
I = jA = jld ⇒ j = ne0 v =
(3.76)
IB
.
nqd
(3.77)
UH = El = vBl =
1
ne0
hat je nach Typ unterschiedliches Vorzeichen und wird als Hall-Konstante tabelliert (s. Tab. 3.2). In dieser Tabelle ist auch die Beweglichkeit aufgeführt, die einen
Zusammenhang zwischen der Driftgeschwindigkeit und dem äußeren Feld darstellt:
v = µE.
(3.78)
Besonders wichtig ist der Hall-Effekt für Halbleiter, in denen die Beweglichkeit
der Ladungsträger deutlich höher als in Metallen ist (einen Faktor 5 − 1 000) — und
damit auch eine hohe Geschwindigkeit im elektrischen Feld, was wiederum bedeutet,
daß die Lorentz-Kraft hohe Beträge erreicht.
Tabelle 3.2. Hall-Konstanten und Hall-Beweglichkeiten für einige Metalle bei Raumtemperatur.
Metall
Ag
Al
Na
Zn
Cd
R [1010 m3 /Coul] µ [m2 /V sec]
−0, 84
0,0056
−0, 30
0,0012
−2, 50
0,0053
+0, 3
0,0060
+0, 6
0,0080
3.9 Metall und Halbleiter
Die entsprechenden Bilder sollen zunächst wiederholend gegenübergestellt und dann
ergänzt werden. In der Abb. 3.17 betrachten wir die Aufspaltung der atomar scharfen
Niveaus bei der Annäherung auf Abstände, wie sie im kondensierten Zustand üblich
sind.
Im Banddiagramm sieht das so aus (Abb. 3.18):
76
3 Elektronen im realen Festkörper
0.25
E [Rydberg]
p
Eg
Abb. 3.17. Beim Annähern von
großen Abständen auf den Bindungsabstand können die entstehenden
Bänder überlappen. Je nach Anzahl der unterzubringenden Elektronen kann dann ein Halbleiter oder ein
mehrwertiges Metall entstehen.
s
0.00
Gitterabstand
im Festkörper
-0.25
2
3
4
5
R [a0]
p-Band
EF
EF
Energie [a. u.]
Energie [a. u.]
CB
s-Band
VB
0
p/a
k
0
p-Band
Energie [a. u.]
EF
s-Band
0
k
k
p/a
Abb. 3.18. Bandstrukturen eines
Halbleiters (o. lks.) und eines Metalls (o. re.). Beim Metall findet ein
Überlapp zwischen zwei Bn̈dern statt,
so daß die Elektronen immer freie
Zustände erreichen können. Zum Vergleich unten ein einfaches einwertiges
Metall mit einem teilweise besetzten
p-Band.
p/a
3.10 Legierungen
Legierungen sind Mischphasen von mindestens zwei Elementen, im engeren Sinne
zweier Metalle, die mittels der Phasendiagramme beschrieben werden, in denen die
einzelnen Phasen durch Strichlinien voneinander getrennt sind. Es gibt voll mischbare Systeme wie Gold/Kupfer oder Gold/Silber, merkwürdigerweise aber nicht Kupfer/Silber, es gibt Metalle, in die bis zu einem bestimmten Prozentsatz ein weiteres
3.11 Aufgaben und Lösungen
77
Metall zulegiert werden kann, ohne daß die Kristallstruktur sich ändert, und dann
plötzlich“ ein Umbruch in der Struktur erfolgt. Die dieses Verhalten regelnden Ge”
setze sind weitestgehend empirisch, so gibt es etwa die sog. 15 %-Regel“, die ein Zu”
legieren bis eben etwa 15 % ohne Umschlag des Kristallgitters erlaubt. Dann gibt es
sog. elektronische Legierungen, die durch die hier besprochenen Festkörperparameter
Fermi-Fläche und Brillouin-Zone beschrieben werden. Hier soll auf die Regeln von
Hume-Rothery hingewiesen werden, die in den Übungsaufgaben zu Kap. 3 extensiv ausgeleuchtet werden und dort am Beispiel des α-Messings (fcc) und β-Messings
(bcc) verdeutlicht werden.
3.11 Aufgaben und Lösungen
Aufgabe 3.1 Konstruieren Sie für ein zweidimensionales quadratisches Gitter die
ersten drei Brillouin-Zonen mit den drei kürzesten Gittervektoren und legen Sie
die in die 1. BZ!
Lösung. Als erstes werden die Gittervektoren identifiziert (Abb. 3.19).
G3
G2
Abb. 3.19. Die ersten drei Gittervektoren in einem primitiven quadratischen Gitter.
G1
Dann werden die Zonen nach dem Verfahren von Wigner und Seitz bestimmt
(Abb. 3.20):
Schließlich ziehen wir den reziproken Gittervektor G1 ab (Abb. 3.21):
Aufgabe 3.2 Wir finden eine Aufspaltung der Elektronen, die für die elektrische
Leitfähigkeit verantwortlich sind, zu Bändern, die einige eV breit sind. Schätzen Sie
diesen Wert im Modell Freier Elektronen ab mit dem Abstand a nächster Nachbarn
in x-Richtung, der für Kupfer 2,56 Å beträgt!
Lösung.
• Ekin =
h̄2 2
k
2m
• k1. BZ =
π
a
78
3 Elektronen im realen Festkörper
G1
G2
G2
G1
G1
G2
G1
G2
G3
G3
G3
G3
Abb. 3.20. Die ersten drei Brillouin-Zonen in einem primitiven quadratischen Gitter.
• Ekin = 5, 75 eV.
Aufgabe 3.3 Das Bändermodell geht davon aus, daß sich die Wellenfunktionen der
einzelnen Atome bei Annäherung auf den Gitterabstand überlappen. Warum gilt dies
nur für die Valenzelektronen? Was ist die typische Breite solcher Bänder? Vergleichen
Sie Wasserstoff und Natrium (für den Radius der äußersten Bahn verwenden Sie den
Mittelwert aus kovalentem und atomaren Radius: rH = 1/2 (0, 32 + 0.79) = 0, 55 Å und
rNa = 1/2 (1, 54 + 2, 23) = 1, 88 Å).
Lösung. Bei Annäherung an den Bindungsabstand tunneln Valenzelektronen, und
zwar sie ausschließlich, zwischen den Atomen immer heftiger hin und her, wodurch sich
ihre Aufenthaltsdauer an einem Atom verkürzt. Angenommen, nach jedem Umlauf
finde im Wasserstoff eine Tunnelung zum nächsten Atom statt, dann ist das nach
3.11 Aufgaben und Lösungen
79
G3
G3
G3
G2
G2
G2
G3
G2
Abb. 3.21. An den 2. und 3. Brillouin-Zonen wird an einem bzw. zwei Segmenten die
Reduktion auf die 1. Brillouin-Zone gezeigt. Alle Brillouin-Zonen sind gleich groß.
2πa0
= 1, 5 × 10−16 sec
1/137 · c
(1)
der Fall. Damit ist nach der 4. Unschärferelation eine Energieverbreiterung von ursprünglich Null auf
∆E =
h
≈ 27, 5 eV
∆t
(2)
verbunden.
Für Na im Verhältnis zu Wasserstoff dagegen sieht die Bilanz wie folgt aus: Die
kinetischen Energien verhalten sich wie
Ekin,Na
5, 1
=
= 0, 375,
Ekin,H
13, 6
(3)
damit die Verhältnisse der Bahngeschwindigkeiten wie
v3s,Na
=
v1s,H
Also folgt für die Umlauffrequenz ν =
ν3s,Na =
oder
s
5, 1
= 0, 61.
13, 6
(4)
v
2πr
0, 61 · 3
· 1018 Hz = 1, 13 · 1015 Hz
137 · 6, 28 · 1, 88
(5)
80
3 Elektronen im realen Festkörper
τ=
1
= 0, 88 · 10−15 sec.
ν
(6)
∆ENa = 4, 7 eV,
(7)
Damit wird
der Wert beträgt nurmehr 17 % des für Wasserstoff ermittelten. Die zum Tunneln
erforderliche Energie für Na ist bedeutend kleiner als die für H. Damit wird es sehr
viel leichter sein, den metallischen Zustand für Na im Verhältnis zum H zu realisieren.
Aufgabe 3.4 Elektronendichte im Festkörper: Geben Sie als erstes die Verteilung der
Elektronendichte im Metall mit dem Modell freier Elektronen an. Geben Sie zweitens
die Elektronendichte im Modell fast freier Elektronen an. Gehen Sie hier zunächst
davon aus, daß eine Reflexion an der Zonengrenze bei k = πa erfolgt, und beschreiben
Sie die zwei möglichen Linearkombinationen an dieser Stelle, in Worten und mit einer
einfachen Skizze! Wo haben die beiden Funktionen ihre Extremwerte?
Lösung.
• FE-Modell
ψ = ψ0 eikr
(1)
ρ ∝ ψ 2 = ψ02 eikr e−ikr = 1 :
(2)
Die Elektronendichte ist konstant.
• NFE-Modell
k = ±n
π
:
a
(3)
π
π
π
ψ1 = ψ0 ei a r + e−i a r = 2 cos r,
a
(4)
π
π
π
ψ2 = ψ0 ei a r − e−i a r = 2i sin r,
a
(5)
ρ ∝ ψ 2 = cos2
π
π
r ∨ sin2 r :
a
a
(6)
die Elektronendichte weist distinktive Maxima und Minima auf, die CosinusFunktion an den Zentren, die Sinus-Funktion in der Mitte zwischen den Zentren
(s. Abb. 3.4).
Aufgabe 3.5 Ein 2D-Metall hat ein Elektron in einem s-Zustand und kristallisiert
in einem primitiven quadratischen Gitter der Anordnung AAA mit dem Atomabstand
d. Zeigen Sie, daß bei einer Dichte n pro Quadratzentimeter (= 1/d2 )
3.11 Aufgaben und Lösungen
81
• die Fermi-Energie gegeben ist durch den Ausdruck
EF =
h̄2
(2πn),
2me
(1)
• und daß die Zustandsdichte unabhängig von der Energie ist.
Bestimmen Sie außerdem das Aussehen der 1. Brillouin-Zone. Wieviele Elektronen
passen hinein, wann stößt also der Fermi-Kreis an die erste Brillouin-Zone an?
Lösung. Zu den ersten beiden Fragen s. Abschn. 2.4.2. Das reziproke Gitter eines primitiven Gitters (sc) ist wieder ein primitives. Aus Abb. 3.22 geht hervor, daß bei qua-
Abb. 3.22. Die Wigner-Seitz-Zelle
eines primitiven quadratischen Gitters.
d
dratischer Parkettierung die Wigner-Seitz-Zelle (und damit auch die BrillouinZone) ein Quadrat ist. Die Vektoren A und B des reziproken Gitters sind gegeben
durch (a = b = d, die Fläche F ist der Betrag des Kreuzprodukts zwischen den beiden
Vektoren a und b, also d2 , der fiktive Vektor in z-Richtung soll die Einheitslänge k
haben)
A=
a = ai
(1)
b = bj
(2)
c=k
(3)
2π
2π
bj × k = 2 bi,
2
d
d
(4)
2π
2π
ak
×
i
=
aj.
d2
d2
Damit wird die Fläche der Brillouin-Zone
(5)
B=
2π 2
F = |A × B| ⇒ F = (ab = d ) ·
= 4π 2 /d2 .
(6)
d2
Das eine Elektron wird ans Elektronengas abgegeben. Damit wird der Fermi-Vektor
2
82
3 Elektronen im realen Festkörper
kF =
q
(2π)n0 =
q
2π/d2 ,
(7)
mit n0 der Elektronendichte des einwertigen Metalls und die Fermi-Fläche
FF = 2π 2 /d2 :
(8)
Die Fermi-Fläche ist also genau 1/2 mal so groß wie die 1. BZ. Die Kantenlänge des
Quadrats ist 2π/d, und die Grenzen nach links und rechts, oben und unten sind (s.
Abb. 3.23)
p
d
B
p
d
Abb. 3.23. Die Brillouin-Zone eines primitiven quadratischen Gitters
mit einbeschriebenem Fermi-Kreis
für ein einwertiges Metall.
A
p
d
p
d
π
1
± A = ± i,
2
d
(9)
1
π
± B = ± j,
2
d
(10)
√
numerisch also 3, 14/d. Der Betrag des Fermi-Vektors ist aber ( 2π = 2, 51)/d,
also 79 % der halben Kantenlänge. Damit ist die Brillouin-Zone genau doppelt so
groß wie die Fermi-Fläche, der Fermi-Kreis berührt die Zonengrenze nicht, und die
Elektronen passen alle in die 1. Brillouin-Zone. Wenn sich der Betrag des FermiVektors nun um einen Betrag x erhöht, so daß
mit nmax
√
π
,
d
= xn0 , sich also die Elektronendichte um
kF =
2πnmax =
(11)
π
= 1, 57n0
(12)
2
√
bzw. der Fermi-Vektor um 1, 57 = 1, 25 oder etwa 25 % erhöht haben,
stößt die Fermi-Fläche an. Der Fermi-Kreis ist der Inkreis der 1. BZ. Alle nun
weiter einzufüllenden Elektronen müssen in die 2. BZ. Insbesondere passen für ein
zweiwertiges Metall nicht alle Elektronen in die 1. BZ. Für die Fermi-Fläche ist
nämlich
x=
3.11 Aufgaben und Lösungen
83
√
π(2π · 2)
2π 2
(13)
=
π(k
=
=
2π2n =)2 = F1.BZ :
F
d2
d
die Flächen sind genau gleich groß, haben aber unterschiedliche Geometrie. Der
Fermi-Kreis ist nun gerade der Umkreis.
FF =
Aufgabe 3.6 Gegeben ist das ebene flächenzentrierte Gitter nach Abb. 3.24 (einwertiges Metall). Bestimmen Sie
d
Abb. 3.24. Ein ebenes flächenzentriertes Gitter mit der Gitterkonstanten d.
• die 1. Brillouin-Zone nach der Methode von Wigner und Seitz sowie ihr
Volumen in (Flächen-)Einheiten,
• die Größe des Fermi-Kreises.
• Jetzt füllen Sie Elektronen hinein dadurch, daß Sie ein zweiwertiges Metall
zulegieren. Wann erreicht der Fermi-Kreis die Zonengrenze?
Lösung. Zunächst bestimmen wir das Volumen der Wigner-Seitz-Zelle (Abb. 3.25,
c = k):
d
d
Abb. 3.25. Die 1. Wigner-Seitz-Zelle des flächenzentrierten quadratischen mit der Gitterkonstanten d.
84
3 Elektronen im realen Festkörper
1
a = d (i + j),
2
(1)
1
b = d (i − j),
2
(2)
F = |a × b| :
(3)
d2
1
F = (−1 − 1) = d2 .
4
2
(4)
Damit ergeben sich für die reziproken Gittervektoren
A=
2π
[−i − j],
d
(5)
2π
[j − i],
d
somit für das Volumen der 1. Brillouin-Zone
B=
2
l=
√ π
8 ,
d
2π
V =2
d
=
(6)
8π 2
,
d2
(7)
ihre Basis damit
(8)
die Hälfte also
√
8π √ π
l
=
= 2 .
2
2 d
d
Die Fermi-Kugel, in diesem Falle ein Kreis, hat einen Wert von
kF =
√
2πn =
s
2π
=
1/2 · d2
s
2√
4π
π:
=
d2
d
(9)
(10)
√
√
Da 2 2 < 2π, berührt der Fermi-Vektor die Zonengrenze noch nicht! Wann? Wenn
die Elektronendichte n1 um x zugenommen hat:
√ π √
1
kF = l = 2 = 2πxn1 ,
2
d
(11)
woraus sich für nx ergibt:
π
n1 .
(12)
2
D. h. n1 muß sich um π/2 = 57 % erhöhen, damit kF an die Zonengrenze des 2DGitters anstößt. Damit werden:
nx = xn1 =
3.11 Aufgaben und Lösungen
85
2√
3, 54
,
π=
d
d
√
2 √ 2 4, 44
kF (BZ-Anstoß):
,
π =
d
d
√
8π
5, 01
kF (zweiwertig) :
=
.
d
d
kF (einwertig) :
(13)
(14)
(15)
Aufgabe 3.7 Das Valenzband eines einfachen, einwertigen Metalls hat die analytische Form
E = ak 2 + b
(1)
mit a = 10−38 J m2 und b = −12 eV (k = 2π/λ). Die Ionisierungsenergie
des freien
√
3
Atoms ist 1,0 eV, das Band ist ein p-Band, die Zustände sind bis ka = 2π 2 gefüllt,
wobei a, die Würfellänge der Struktur, 2,0 Å beträgt. Bestimmen Sie
• die effektive Masse,
• die Zahl der Valenzelektronen,
• die Fermi-Energie und
• die Sublimationswärme des Metalls!
Lösung.
∗
1
2
m = h̄
∂E 2
∂k2
!
= 5, 6 · 10−28 g = 0, 62 · me,frei .
√
3
(2)
kF =
2π 2
cm−1 = 1, 35 · 108 cm−1 .
2 · 10−8
(3)
EF =
h̄2 2
k = 18 · 10−19 J = 11, 2 eV.
2m∗ F
(4)
Esubl = Efrei − Ebond + 3/5 EF .
(5)
Aufgabe 3.8 Aus Al (χ = 2·10−5 ) wird ein Toroid mittleren Umfangs von l = 20 cm
hergestellt und mit N = 250 Drahtwicklungen gleichmäßig umwickelt. Wenn durch
den Draht ein Strom von I = 10 A fließt:
• Wie groß ist die Magnetisierung M des Aluminiums?
• Wie hoch ist die magnetische Flußdichte im Aluminium?
86
3 Elektronen im realen Festkörper
• Welcher Strom müßte fließen, damit in der leeren Spule die gleiche magnetische
Induktion herrscht wie im Aluminium (wenn Strom fließt)?
Lösung.
Definitionsgleichungen mit Ergebnissen:
H=
NI
A
= 12 500 .
l
m
M = χH = 0, 25
(1)
A
.
m
B = µ0 (H + M ) = µ0 H(1 + χ) = 4π · 10−7 · 12 500 · 1, 00002
(2)
Vsec
.
m2
(3)
Vsec
.
(5)
m2
Aus Gl. (3) ist ersichtlich, daß der Beitrag von M zu B verschwindend klein ist.
Gleiches B ohne das Al-Toroid erhält man, indem man den Strom 20 ppm erhöht.5
B = 1, 57 · 10−2
Aufgabe 3.9 Die Sättigungsmagnetisierung in Eisen ist etwa 1, 7·106 A/m. Wie hoch
ist das magnetische Moment µ eines einzelnen Eisenatoms in Bohrschen Magnetonen,
wenn man annimmt, daß bei Sättigung alle atomaren Momente ausgerichtet sind?
Lösung.
Wir bestimmen zunächst die Größe des Bohrschen Magnetons:
µBohr =
e0 h̄
1, 6 · 10−1 · 6, 6, 2 · 10−34 Coul J sec
=
.
2me
2 · 9, 1 · 10−31 · 2π
kg
(1)
µBohr = 9, 27 · 10−24 (A m2 = J/T ).
(2)
Die Magnetisierung M ist das magnetische Moment µ pro Volumeneinheit:
M =µ
N
= µn,
V
(3)
wobei die Dichte der Fe-Atome pro cm3
n=
6, 02 · 1023
NA
=
= 8, 4 · 1022 /cm3
VM
(55, 8 g/Mol)/(7, 8 g/cm3 )
(4)
beträgt. Sind alle Atome ausgerichtet, ist nach Gl. (3) das magnetische Moment
µ = 2, 0 · 10−19 Acm2 ,
5
(5)
Bei Ferromagneten wird dieser Unterschied allerdings erheblich! Ausgerichtete magnetische Momente der Atome sind also gleichbedeutend mit zusätzlichem Spulenstrom.
3.11 Aufgaben und Lösungen
87
und in Bohrschen Magnetonen
µ = 2, 2 µBohr .
(6)
Aufgabe 3.10 Wie groß sind Zustandsdichte und Dichte der Leitungselektronen in
Kupfer bei E = EF , wenn die Größe der Elementarzelle des fcc-Gitters V = 0, 36 nm3
ist und 4 Cu-Atome mit je einem Leitungselektron pro Elementarzelle vorhanden
sind? Wie groß ist der Radius der Fermi-Kugel?
Daten und Gleichungen:
• EF : 7 eV = 1, 12 × 10−18 J.
• n = e0 N/V .
• D(EF ) =
V
2π 2
2me
h̄2
3/2 √
EF .
Lösung.
kF =
√
3
3π 2 n =
4 × 3π 2
a3
!1/3
≈
4, 90
,
a
(1)
und der Durchmesser ist 9, 8/a. Der kleinste Durchmesser der Brillouin-Zone ist
aber
10, 9
2π √ 2
2π √
1 + 12 + 12 =
3≈
,
(2)
a
a
a
also etwas größer als der Durchmesser der Fermi-Kugel. Danach sollte die Brillouin-Zone nirgendwo mit der Fermi-Kugel in Konflikt kommen!
G=
Aufgabe 3.11 Die (ganze) Zahl der pro Atom ans Elektronengas abgegebenen Elektronen wird e/a-Verhältnis genannt und als Elektron/Atom-Verhältnis oder auch als
Valenzelektronenkonzentration bezeichnet. e ist dabei die Anzahl der an der Verbindungsbildung beteiligten Valenzelektronen, a die Anzahl der Atome pro Verbindung.
Zeigen Sie, daß
• die Fermi-Kugel die erste Zonengrenze des bcc-Gitters (die das reziproke Gitter
des fcc-Gitters darstellt, in dem Kupfer kristallisiert) bei einem e/a-Verhältnis
von 1,36 erreicht, und
• bei welcher Zusammensetzung die Zugabe von Zink (e/a-Verhältnis 2) zu Kupfer
(e/a-Verhältnis 1) dieses Verhältnis von 1,36 erreicht wird!
• Bei diesem Verhältnis kippt das fcc- in das bcc-Gitter um. Wenn Sie die ZinkZugabe weiter erhöhen, bei welchem e/a-Verhältnis berührt der Fermi-Vektor
die 1. Brillouin-Zone des bcc-Gitters?
88
3 Elektronen im realen Festkörper
Lösung. Im fcc-Gitter passen 4 Elektronen in einen Kubus des Volumens a3 . Damit
wird der Fermi-Vektor
1
(12π 2 ) /3
4, 91
kF = (3π n) /3 =
=
.
(1)
a
a
Der kürzeste Einheitsvektor in der Brillouin-Zone, die einen abgeschnittenen Oktaeder im reziproken Gitter darstellt [?], ist die Diagonale
2
1
10, 9
2π √
3=
.
(2)
a
a
Die Frage ist also: Bei welcher Elektronenkonzentration n berührt der Fermi-Vektor
die 1. Brillouin-Zone (s. Abb. 3.26)? Wenn
|G| =
10, 9/2
4, 91
G
⇒
kF =
2
!3
= 1, 376.
(3)
2 kF
Abb. 3.26. Bei einer Einlagerung von 37 % zweiwertigen Atomen in das Kupfergitter
berührt der Fermi-Vektor die 1. Brillouin-Zone ⇒ das Gitter wird instabil und kippt in
das bcc-Gitter des β-Messings um.
Experimentell findet man ein Umklappen von α-Messing (fcc) nach β-Messing (bcc)
bei einer Zugabe von etwa 37 Atom-Prozent Zink [?].
Eine entsprechende Abschätzung für das Ende der β-Phase (bcc) ergibt: Im bccGitter passen 2 Elektronen in einen Kubus des Volumens a3 . Damit wird der FermiVektor
1
(6π 2 ) /3
3, 90
kF = (3π n) /3 =
=
.
(4)
a
a
Der kürzeste Einheitsvektor in der Brillouin-Zone, die einen sog. rhombischen Dodekaeder im reziproken Gitter darstellt [?], ist die Diagonale
2
1
3.12 Das reziproke Gitter — da capo
89
1050
Schmelze
Temperatur [°C]
900
750
a-Messing (fcc)
600
b-Messing (bcc)a + b
450
300
0
10
20
30
40
50
Zn-Gehalt [Mol %]
Abb. 3.27. Bei einer Einlagerung von 37 % zweiwertigen Zn-Atomen in das Kupfergitter
wird die Zone des fcc-α-Messings verlassen, und es folgt ein Zwischenbereich mit Mischkristallen aus α- und β-Messing (bcc). Bei einer Zugabe von 48 % wird auch das bcc-Gitter
instabil. Beide Ereignisse werden mit einer unglaublichen Präzision vom ganz einfachen
NFE-Modell beschrieben (obwohl die Fermi-Fläche gerade des Kupfers bei Annäherung an
die erste Brillouin-Zone Hälse zeigt!).
8, 89
2π √
.
(5)
2=
a
a
Die Frage ist auch hier: Bei welcher Elektronenkonzentration n berührt der FermiVektor die 1. Brillouin-Zone? Wenn
|G| =
G
kF =
⇒
2
8, 89/2
3, 90
!3
= 1, 48.
(6)
Das Stabilitätsmaximum des β-Messings ist beim e/a-Verhältnis 1,48 erreicht. Experimentell findet man nahezu denselben Wert [?]. Dies wurde erstmals von Mott und
Jones in ihrem berühmten Buch Theory of Metals and Alloys 1936 gezeigt [?] (Abb.
3.27).
3.12 Das reziproke Gitter — da capo
Aufgabe 3.12 Warum verwenden wir das reziproke Gitter?
90
3 Elektronen im realen Festkörper
Lösung. Das reziproke Gitter wechselwirkt auf erstaunlich einfache Weise mit den
Wellen, also periodisch sich ausbreitenden Störungen. Beide kann man auf elegante
Weise quantitativ mit Fourier-Transformationen beschreiben.
Und auch der Fermi-Formalismus ist wesentlich eleganter im reziproken Raum:
Fermi-Kugeln gehen vielleicht noch im realen Gitter zu beschreiben, vor allem aber
bei deformierten Fermi-Oberflächen kommt die Eleganz des Ansatzes zum Tragen.
Aufgabe 3.13 Im reziproken Gitter ist der k-Vektor gegeben durch einen Einheitsvektor, der mit 2π
zu multiplizieren ist. Was bedeutet das für Atome, die im Ursprung
L
des realen Gitters sitzen?
Lösung. Das reziproke Gitter zeigt die Wellenvektoren und Richtungen von Wellen
und eben keine Verteilungen im realen Gitter oder Raum.
Ein Atom, was im Ursprung des realen Gitters sitzt, sitzt auch in der Ecke der
Wigner-Seitz-Zelle etc., eben mit der jeweiligen Periodizität des Gitters. Im reziproken Gitter wird dieses Atom z. B. in einer Ecke der 1. BZ sitzen, und die Wellenlänge der Welle definiert seine Wahrscheinlichkeitsamplitude. Wegen der Translationssymmetrie kann dieses Atom auch im Ursprung der 1. BZ sitzen.
Aufgabe 3.14 Warum zeigen der Wellenvektor und die Elektronengeschwindigkeit
nicht notwendig in die gleiche Richtung?
Lösung. Die Bloch-Elektronen wandern in die Richtung, in welcher die Wahrscheinlichkeitsamplitude läuft. Und die ist das Produkt aus ebener Welle und der
Bloch-Funktion, die in Wirklichkeit ein Strauß verschiedener Wellenvektoren und
Ortsvektoren ist:
ψk(r + l) = eik·lψk(r).
(1)
Für ein freies Elektron ist das trivial:
ψk(r) = eik·r .
(2)
Ein Ansatz ist, die Wellenfunktion zu einem gegebenen Wert von k mit der eines
freien Elektrons zu approximieren, indem man annimmt, daß uk(r) nahezu konstant
sein wird:
ψk(r) = eik·r uk(r).
(3)
Dazu muß uk(r) periodisch sein, also:
uk(r + l) = uk(r).
(4)
3.12 Das reziproke Gitter — da capo
91
Aufgabe 3.15 Zeigen Sie, daß die ebene Welle die Eigenfunktion des Impulsoperators ist!
Lösung. Der Impulsoperator lautet
h̄
∇,
i
eindimensional auf die ebene Welle angewendet
p=
(1)
h̄ ∂ ikx
e = (h̄k = p)eikx .
i ∂x
(2)
Aufgabe 3.16 Gilt das auch für eine Bloch-Welle?
Lösung. Die Bloch-Welle ist für
uk(r + R) = uk(r)
(1)
ψk(r) = uk(r)eik·r
(2)
durch den Ausdruck
gegeben. Anwendung auf die rechte Seite (eindimensional)
h̄ ∂ uk(x)eik·x
i ∂x
(3)
ergibt
!
h̄ ik·x ∂
e
uk(x) + ikuk(x) :
i
∂x
(4)
Die Bloch-Welle ist keine Eigenfunktion des Impulsoperators. Die Geschwindigkeit
einer ebenen de Broglie-Welle ist gegeben durch
vk =
h̄k
,
me
(5)
gilt dies nicht für eine Bloch-Welle. Wie wir aus den Dispersionsdiagrammen (Bandstrukturen) her wissen, ist die Gruppengeschwindigkeit
vk =
1 ∂
E(k).
h̄ ∂k
(6)
92
3 Elektronen im realen Festkörper
Aufgabe 3.17 Zeigen Sie durch Transformation in Kugelkoordinaten und anschließende Ausintegration, daß die Fourier-Transformierte des Yukawa-Potentials
Φ(r) = Φ0
e−µr
r
gegeben ist durch
Φ(k) = Φ0
µ2
(1)
4π
+ k2
(2).
Lösung. Es geht um das Integral
Y =
Z
+∞
−∞
e−µr ik·r 3
e
d r.
r
(3)
Das Volumenelement d3 x ist in Kugelkoordinaten r2 sin ϑdr dϑ dϕ, das Skalarprodukt
k · r = kr cos ϑ.
Z π
Z 2π
e−µr 2
eikr cos ϑ sin ϑdϑ.
(4)
dϕ
r dr
r
0
0
0
Das zweite Integral ist 2π, wir substituieren cos ϑ → α, so daß dα = − sin ϑdϑ, und
wir lösen erstmal das dritte Integral:
Y =
Z
π
0
e
∞
Z
ikr cos ϑ
Z
1
−1
sin ϑdϑ = −
e
ikrα
Z
−1
1
e
ikrα
dα =
Z
1
−1
eikrα dα,
(5)
eikr − e−ikr
sin kr
dα =
=2
.
ikr
kr
(6)
Um das letzte Integral
e−µr 2 sin kr
4π Z ∞ −µr
r
dr =
e
sin kr dr
(7)
r
kr
k 0
0
zu lösen, benutzen wir wiederum die Euler-Formel und integrieren gliedweise:
Y = 2 · 2π
Z
∞
4π 1
Y =
k 2i
Z
∞
0
e
−r(µ−ik)
dr −
Z
0
∞
e
−r(µ+ik)
dr ,
(8)
∞
"
∞ #
1
1
4π 1
e−r(µ−ik) −
e−r(µ+ik) Y =
k 2i −(µ − ik)
−(µ + ik)
0
0
#
"
1
1
4π 1
(0 − 1) −
(0 − 1) ,
Y =
k 2i −(µ − ik)
−(µ + ik)
"
#
1
1
4π 1
,
−
Y =
k 2i (µ − ik) (µ + ik)
Y =
4π 1 (µ + ik) − (µ − ik)
,
k 2i (µ + ik)(µ − ik)
,
(9)
(10)
(11)
(12)
3.12 Das reziproke Gitter — da capo
Y =
93
4π 1 2ik
,
k 2i µ2 + k 2
Y =
µ2
4π
,
+ k2
(13)
(14)
was zu zeigen war; der langreichweitige Anteil des Coulomb-Potentials wird beseitigt. Für verschwindende Abschwächung (µ → 0) ergibt sich die Fourier-Transformierte des Coulomb-Potentials zu
4π
:
(15)
µ→0
k2
Bei k = 0 ist entsprechend der unendlich großen Reichweite des Coulomb-Potentials
die Fourier-Transformierte singulär.
lim Φ(k) = Φ0
94
3 Elektronen im realen Festkörper
4 Halbleiter
4.1 Elektrisches Verhalten
Zustandsdichte [a. u.]
Halbleitende Materialien verhalten sich am absoluten Nullpunkt als Isolatoren und
zeigen bei höherer Temperatur elektrische Leitfähigkeit, da die Gapenergie zwischen
einem gefüllten Valenzband (VB) und einem leeren Leitungsband (CB) durch thermische Fluktuationen überbrückt werden kann (s. Abb. 4.1).1 Daher ist der Temperaturkoeffizient — im Gegensatz zu Metallen — positiv. Metalle wie Halbleiter gehorchen
dem Ohmschen Gesetz. Im Fall der Metalle haben wir Elektronen als bewegliche Ladungsträger, im Fall der Isolatoren und Halbleiter aber nicht nur Elektronen, sondern
auch Löcher (Defektelektronen), die auf mehrere Arten angeregt werden können.
VB
voll
Eg
Abb. 4.1. Zustandsdichte eines Halbleiters bei T = 0 K. Es sind keine elektronischen Zustände im Leitungsband besetzt, daher ist die elektrische Leitfähigkeit sehr gering. Die
Abnahme nach dem Maximum ist
durch die Multiplikation mit der Fermi-Verteilungsfunktion bedingt.
CB
leer
Energie [a . u.]
Wir werden uns zunächst um die Banddarstellung in einer vereinfachten Darstellung kümmern. Dazu ist es lediglich erforderlich, anzunehmen, daß die vier Valenzelektronen eines Halbleiters wie Silicium oder Germanium oder eines III/VVerbindungshalbleiters wie GaAs in zwei gefüllten Bändern untergebracht sind, die
damit vollständig gefüllt sind. Bei einer Abfolge wie in Abb. 2.3 folgt daraus, daß das
höchste besetzte Band p-Charakter und das niedrigste unbesetzte Band s-Charakter
1
Der Unterschied zwischen Isolatoren und Halbleitern ist graduell. Ein guter Isolator mit einem
spez. Widerstand von > 1014 Ω cm verfügt über eine Gapenergie von mehreren eV. Bei RT ergibt
das bei 4 eV einen Boltzmann-Faktor von 10−35 . Ein Halbleiter mit typischen Widerstandswerten
zwischen 10−2 − 109 Ω cm (z. B. der II/VI-Halbleiter PbTe mit einem Gap von 0,3 eV) hat aber
einen Boltzmann-Faktor von 10−5 .
95
96
4 Halbleiter
tragen. Dann ergibt sich im reduzierten Zonenschema eine Darstellung wie in Abb.
4.2.
Energie [a. u.]
CB
Abb. 4.2. Vereinfachte Bandstruktur
eines direkten Halbleiters im reduzierten Bandschema. Gezeigt ist das
oberste besetzte Band (Valenzband
mit p-Charakter) und das unterste
unbesetzte Band (Leitungsband mit
s-Charakter).
VB
0
k
p/a
[111]
p/a
[100]
Energie [a. u.]
Es sei explizit darauf hingewiesen, daß diese s- und p-Bänder unterschiedliche
Energien bei gleichem reduzierten Wellenvektor aufweisen: Die Energie erscheint im
reduzierten Zonenschema als vielwertige Funktion von k, was eine Folge des BlochTheorems ist. Daher wäre das ausgedehnte Zonenschema, in dem jeder Zustand durch
seinen richtigen“ Wellenvektor dargestellt wird, die suggestivere Darstellung (Abb.
”
4.3).
2p/a
[111]
p/a
0
k
p/a
2p/a
[100]
Abb. 4.3. Vereinfachte Bandstruktur
eines direkten Halbleiters im ausgedehnten Bandschema. Gezeigt ist das
untere s-Valenzband und das obere p-Valenzband. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, daß das ausgedehnte Bandschema zwar suggestiver,
aber dennoch bald sehr unübersichtlich wird.
Daher erfolgt anschaulich jeweils eine Drehung um 180 ◦ bei nπ/a, wodurch das reduzierte Zonenschema entsteht (Abb. 4.4). Diese Drehung ist der Reflexion an den
Zonengrenzen geometrisch äquivalent. Wie wir bei der Herleitung des Bändermodells gesehen haben, ist die Amplitude einer Bloch-Funktion periodisch genau mit
einem reziproken Gittervektor. Dabei ist die Amplitude wg. ei2πn = 1 gleich an
den Gitterpunkten: ψ1 (r, t) = ψ2 (r, t), wobei ψ1 = ψ10 exp[ik · r] · exp(−iωt) und
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
97
Energie [a. u.]
ψ2 = ψ20 exp[i(k + G) · r) · exp(−iωt), aber natürlich sind deren Energien verschieden.
Diese Energien liegen nun beim gleichen Impuls, verziert um das ganzzahlig Vielfache eines reziproken Gittervektors, übereinander. Für Photonen des VIS-Bereichs,
deren Impuls zu vernachlässigen ist, erfolgt Anregung mit ihnen und durch sie also
senkrecht. Für Phononen, deren Energie zu vernachlässigen ist, dagegen horizontal
(s. Abschn. 4.6).
2p/a
[111]
p/a
0
k
p/a
2p/a
[100]
Abb. 4.4. Wie entsteht das reduzierte Zonenschema? Die höheren Brillouin-Zonen werden durch n-fache
Drehung an den Zonengrenzen bei
nπ/a auf die erste Zone reduziert“.
”
Gezeigt ist das untere s-Valenzband
(elektrisch unwirksam) und das obere p-Valenzband. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, daß das reduzierte Bandschema alle Informationen
enthält, aber großer Übung und Erfahrung bei der Interpretation bedarf.
Tatsächlich ist die Bandstruktur wesentlich komplizierter. Wir werden das zum
Abschluß dieses Kapitels genauer studieren (Abschn. 4.6). Da die Gapenergie bei
k = 0 liegt, ist ein optischer Übergang ohne Phononenunterstützung möglich.
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
Die elektrische Leitfähigkeit hängt — wie in Metallen — von zwei Größen ab: von der
Dichte der Ladungsträger und ihrer Beweglichkeit. Für ein einfaches Metall hatten
wir gesehen, daß
ne ∝ natom. =
N
V
(4.1)
und
1
ne20
=
.
(4.2)
̺
νm m e
Wir werden uns zunächst der Frage der Elektronenkonzentration zuwenden.
σ=
4.2.1 Der intrinsische Halbleiter
Unter einem intrinischen Halbleiter wollen wir einen Halbleiter ohne Verunreinigungen verstehen. Die einzige Möglichkeit der Erzeugung von Ladungsträgern ist die
98
4 Halbleiter
thermische Anregung von Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband. Für Si und Ge
sind dazu 1 eV notwendig. Für jedes so erzeugte Elektron bleibt ein Loch
im Valenzband zurück; es wird ein Paar von beweglichen Ladungsträgern
erzeugt.
Die Wahrscheinlichkeit der Besetzung eines Zustands ist wegen E − EF ≫ kB T
sehr klein, so daß die Fermi-Dirac-Verteilung in die Maxwell-BoltzmannVerteilung übergeht,
−
fe (E) = e
E−EF
kB T
,
(4.3)
wobei der Index e auf Elektronen hindeutet und EF das Energienormal (E > EF )
ist, auf das die Änderung bezogen wird. Um diese Näherung zu erfüllen, muß die
Mindestbedingung E − EF > 2 kB T sein (Abbn. 4.5). Umgekehrt heißt das, daß die
Bandkante um mindestens 2 kB T von der Fermi-Energie entfernt sein muß.
1
1.0
0.5
f(E)
f(E)
0.1
kT = 0,006 eV
(-196 °C)
kT = 0,006 eV
(-196 °C)
0.01
EF = 0.75 eV
Fermi-Dirac
Maxwell-Boltzmann
0.70
EF = 0.75 eV
Fermi-Dirac
Maxwell-Boltzmann
0.75
0.80
0.70
0.75
E [eV]
0.80
E [eV]
2.0
1.5
kT = 0,025 eV
(25 °C)
EF = 0.75 eV
1.0
0.1
f(E)
f(E)
1
Fermi-Dirac
Maxwell-Boltzmann
0.5
0.01
Fermi-Dirac
Maxwell-Boltzmann
kT = 0,025 eV
(25 °C)
EF = 0.75 eV
0.0
0.6
0.7
0.8
E [eV]
0.9
0.6
0.7
0.8
0.9
E [eV]
Abb. 4.5. Die Näherung nach Maxwell/Boltzmann ist nur möglich für E − EF > 2kB T
(oben für Flüssigen Stickstoff, unten für RT).
Die Dichte der Elektronen in einem bestimmten Energieintervall ist die Wahrscheinlichkeit der Besetzung, multipliziert mit der Dichte der Zustände in diesem
Energiebereich, bezogen auf das Einheitsvolumen:
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
ne (E) =
99
Z
Emax
Eg
De (E)f (E) dE
(4.4.1)
3
E−E
1 2me /2 Z Emax q
− k TF
B
ne (E) = 2
E
−
E
·
e
·
dE.
(4.4.2)
g
2π
Eg
h̄2
Die Dichte der Elektronen im Leitungsband wird durch Integration der Gln. (4.4)
über das ganze Band (von E = Eg bis E = Emax ) erhalten. Wegen der exponentiellen
Abhängigkeit kann man die obere Grenze einfach nach ∞ setzen, und Substitution
mit x = kB1T /E − Eg führt zu
ne (E) =
Z
∞
Eg
1
De (E) f (E) dE = 2
2π
3
2me /2 Z ∞ √ −x
xe dx.
0
h̄2
(4.5.1)
0.5
0.4
f(x)
0.3
0.2
0.1
Abb. 4.6. Zur Integration der Funkti√
on x e−x .
0.0
0
2
4
6
8
10
x
Das Integral dieser Funktion (Abb. 4.6) ist tabelliert und beträgt
erhalten:
q
π
,
4
womit wir
!3/
me kB T 2 − Egk−ET F
(4.5.2)
·e B .
ne (E) = 2
2πh̄2
Dabei ist der Vorfaktor des Exponenten die Elektronendichte am Energieminimum
des Leitungsbandes, ne,C , die sog. effektive Zustandsdichte; es wäre die Zustandsdichte
der freien Elektronen, wenn alle Zustände bei E = Eg konzentriert wären:
ne (E) = ne,C · e
−
Eg −EF
kB T
.
(4.5.3)
Die Ähnlichkeit mit der Arrhenius-Gleichung ist frappant.2 Da für jedes Elektron
im Leitungsband ein Loch im Valenzband entsteht, bekommen wir mit der (ausschließenden) Wahrscheinlichkeit3
2
Der präexponentielle Vorfaktor ist allerdings etwas stärker temperaturabhängig als bei der
Arrhenius-Gleichung, in der er mit der Aktivierungsentropie identifiziert wird.
3
Die Wahrscheinlichkeit, ein Loch mit der Wahrscheinlichkeit fh in einem Band anzutreffen, ist
gleich der Wahrscheinlichkeit, ein Elektron an dieser Stelle nicht anzutreffen.
100
4 Halbleiter
fh = 1 − fe ,
also4
fh = 1 −
1
eE−EF /kB T + 1
=
(4.6)
eEF −E/kB T + 1
eEF −E/kB T
1
−
, (4.7.1)
= E −E/k T
E
−E/k
T
E
−E/k
T
B
B
B
e F
+1 1+e F
e F
+1
was insgesamt für EF − E ≫ kB T
fh (E) ≈ e
E−EF
kB T
∨ fh (E) ≈ e
−
EF −E
kB T
,
(4.7.2)
ergibt, wobei die Anregungsenergie vom Fermi-Niveau aus mit dem Energienull an
der Oberkante des Valenzband positiv gezählt wird (Abb. 4.7), so daß der Exponent
nach wie vor negativ bleibt, und die die Verteilungsfunktion für die Löcher nach
Energie [a. u.]
Leitungsband (CB)
EF
Fermi-Niveau
E
Eg
E=0
Valenzband (VB)
Abb. 4.7. Zur Definition der verschiedenen Energien: Das Energienull ist
die Oberkante des Valenzbandes, die
Gapenergie ist die Differenz der Energien Leitungsband/Unterkante und
Valenzband/Oberkante. Sind Löcherund Elektronenmasse gleich, liegt das
Fermi-Niveau genau in der Mitte der
Gapenergie.
mh kB T
Dh (E) fh (E) dE = 2
nh (E) =
−∞
2πh̄2
Z
0
!3/2
·e
EF
BT
−k
.
(4.8.1)
beschreibt. Analog zu Gl. (4.5.3) können wir auch hier in dem Vorfaktor der Exponential-Funktion die Löcherdichte am Energiemaximum des Valenzbandes erkennen
(wegen der für Löcher umgekehrten Energieskala ist das also das Energieminimum):
nh (E) = nh,V · e
EF
BT
−k
;
(4.8.2)
es wäre die Zustandsdichte der Löcher, wenn sie alle bei E = 0 konzentriert wären.
Die Elektronen- bzw. Defektelektronendichte, die mit den Gln. (4.8) bestimmt wird,
ist in Abb. 4.8 dargestellt.
ne,C und nh,V werden effektive Zustandsdichten genannt; sie enthalten die effektiven Massen der Elektronen und Löcher. Sie wären die Zustandsdichten, wenn alle
4
(1) Minuend: Erweitern mit eEF −E/kB T + 1, (2) Subtrahend: Erweitern mit eEF −E/kB T
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
101
Abb. 4.8. Die thermisch angeregten Elektronen- bzw. Defektelektronendichten sind näherungsweise das
Produkt aus Zustandsdichte (schwarz)
und Fermi-Funktion [blau, Gln. (4.5),
(4.6) u. (4.8)] für den symmetrischen
Fall (me,eff = mh,eff ). Aus didaktischen Gründen ist die Temperatur
stark überhöht (1/10 EF ).
1.0
n(E), f(E)
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
E [a.u.]
Zustände bei E = EC und E = EV angesiedelt wären, in einem Zustand mit der
Entartung ne,C bzw. nh,V . Es sind die Entartungskonzentrationen für die Bänder, für
die also ne (E) = ne,C und nh (E) = nh,V gelten würde, was voraussetzt, daß der Exponentialfaktor in den Gln. (4.5.2) und (4.8.1) gegen Eins geht, also EC,V → EF .
Das erfordert unsinnig hohe Temperaturen. Ein Erreichen dieses Wertes ist nur durch
Dotierung möglich.
Für Silicium etwa erhält man für me = mh bei 300 K einen Wert für np von
2, 25 · 1020 cm−6 , woraus sich mit der Gapenergie von 1,10 eV bei 0 K ein Wert für
ne,C = nh,V von 1, 5 · 1010 cm−3 bei 300 K ergibt (Abb. 4.9) [?].
-1
0.0008
0.0012
1/T [K ]
0.0016 0.0020
0.0024
19
10
18
(np)1/2 [cm-3]
10
17
10
16
10
15
10
14
10
1200
1000
800
600
400
Abb. 4.9. Wurzel aus dem Produkt
der Ladungsträgerdichten im intrinischen Bereich des Siliciums als Funktion von absoluter und reziproker absoluter Temperatur. Die Meßpunkte
sind experimentell ermittelt, aus der
angepaßten Geraden wurde die Gapenergie des Siliciums zu 1,21 eV am
absoluten Nullpunkt ermittelt [?].
T [K]
4.2.1.1 Effektive Masse. In Wirklichkeit sind die effektiven Massen von Elektronen und Löchern natürlich nicht gleich. Da das Valenzband sehr viel schwächer gekrümmt ist als das Leitungsband, ist folglich die effektive Masse der Elektronen sehr
viel kleiner (typisch eine Größenordnung) als die der Löcher (Tab. 4.1). Nach Gl. (2.18)
3
ist die Zustandsdichte proportional m /2 . Daher ist die Zustandsdichte z. B. in GaAs
102
4 Halbleiter
Energie [a. u.]
zwischen Leitungs- und Valenzband um einen Faktor 25 unterschiedlich. Insbesondere
die sehr geringe effektive Masse der Elektronen im GaAs erklärt die jahrzehntelangen, heftigen Bemühungen, dieses Material für elektronische Bauelemente einzusetzen
(Abb. 4.10).
Abb. 4.10. An der Oberkante des Valenzbandes ist die effektive Masse numerisch groß (schwache Krümmung)
und negativ, an der Unterkante des
Leitungsbandes numerisch klein (starke Krümmung) und positiv. Der parabolische Zusammenhang gilt nur für
kleine k.
CB
VB
p/a
[111]
0
k
p/a
[100]
Tabelle 4.1. Mittlere effektive Massen für Elektronen und Löcher in einigen Halbleitern.
Halbleiter me,eff /me
Si
0,19
Ge
0,22
GaAs
0,067
InP
0,078
mh,eff /me
0,56
0,37
0,48
0,64
4.2.1.2 Effektive Zustandsdichten. Damit werden die effektiven Zustandsdichten
für Valenz- und Leitungsband verschieden. Tab. 4.2 gibt einen Eindruck für vier
unterschiedliche Halbleiter.
3
Wie aus den Gln. (4.5.2) und (4.8.1) ersichtlich, sind beide schwach mit T /2 temperaturabhängig, was in einer Arrhenius-Auftragung im üblichen Maßstab kaum
auffällt, und für Silicium ist etwa
3
neff = 4, 59 · 1015 cm−3 · T /2 ,
(4.8.3)
neff ändert sich also um etwas mehr als eine Größenordnung, wenn sich T um eine
Größenordnung ändert (Abb. 4.11). Damit die Zahl der Elektronen gleich der Zahl
der Löcher wird, müssen die Exponenten der Gln. (4.5) und (4.8) gleich sein. Wären
die Massen der Elektronen und Löcher gleich, dann müßte
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
103
Tabelle 4.2. Effektive Zustandsdichten ne,C und nh,V für einige Halbleiter bei 300 K.
Halbleiter
Si
Ge
GaAs
InP
ne,C
[1019 /cm3 ]
2,81
1,02
0,0435
0,0546
nh,V
[1019 /cm3 ]
1,83
0,564
0,757
1,166
1/T [K-1]
0.0008
20
2.0x10
0.0012
0.0016
0.0020
0.0024
neff [cm-3]
1.6x1020
1.2x1020
19
8.0x10
4.0x1019
1000
800
600
400
200
0
Abb. 4.11. Temperaturabhängigkeit
der effektiven Zustandsdichte im intrinsischen Bereich des Siliciums.
T [K]
EC + EV
Eg
=
(4.9)
2
2
sein. Physikalisch gesehen, ist die Anregung eines Elektrons von der Oberkante des
Valenzbands zur Unterkante des Leitungsbandes mit der Aufnahme der Energie Eg
und der Erzeugung eines Lochs an der Oberkante des Valenzbandes verbunden. Da
die Hälfte der Gapenergie so zum Elektron und die andere Hälfte zum Loch geht, muß
EF in der Mitte zwischen den beiden Bandkanten liegen. Im Halbleiter/Isolator liegt
die Fermi-Energie EF , bei der die Besetzungswahrscheinlichkeit durch freie Ladungsträger 1/2 ist, in der Mitte der verbotenen Zone. EF ist die energetische Referenz, von
der aus Elektronen und Löcher durch thermische Anregung erzeugt werden. Diese
Näherung gilt um so besser, je kleiner kB T gegenüber E − EF ist. — Mathematisch
und energetisch gesehen, ist es gleichgültig, ob die Quelle des Elektron/Loch-Paares
in der Mitte zwischen Valenz- und Leitungsband, also bei EF liegt, oder ob das Elektron den ganzen Weg vom Valenz- zum Leitungsband zurücklegt und dabei ein Loch
zurückläßt bzw. erzeugt.
Damit ergibt sich weiter für die Gln. (4.5) und (4.8), daß der Exponent wegen
EF =
Eg − EF = 1/2 Eg
in beiden Fällen 1/2 Eg ist, so daß wir für das Produkt der beiden Dichten
(4.10)
104
4 Halbleiter
ne (E)nh (E) =
n2i
kB T
=4
2πh̄2
!3
3
(me mh ) /2 · e
me kB T
ne (E) = 2
2πh̄2
!3/2
Eg
BT
−k
= ne,C nh,V · e
− 2 k gT
B
(4.11.1)
E
E
·e
Eg
BT
−k
= ne,C · e
− 2 k gT
B
(4.11.2)
!3/
E
mh kB T 2 − 2 kEgT
− 2 k gT
B
B
nh (E) = 2
=
n
·
e
(4.11.3)
·
e
e,V
2πh̄2
erhalten: Das Produkt der Ladungsträgerkonzentrationen ist von der Fermi-Energie
unabhängig und dem Massenwirkungsgesetz algebraisch ähnlich. ni wird Inversionsdichte oder auch Eigenleitungskonzentration genannt. Wegen der exponentiellen
Abhängigkeit reagieren die Dichten sehr empfindlich auf die Breite des Gaps.
In den Halbleitern ist die Bandlücke in der Gegend von einigen eV, so daß unsere
beiden Annahmen Eg − EF ≫ kB T und EF ≫ kB T gerechtfertigt sind.
4.2.2 Massenwirkungsgesetz der Halbleiter
Das Produkt aus beiden Ladungsträgerdichten ist
• bei gegebener Temperatur konstant,
• proportional einem Boltzmann-Term,
• ist unabhängig vom Fermi-Level EF . Die Energie im Zähler ist die Gap-Energie
allein.
Dies entspricht dem Massenwirkungsgesetz in der Chemie, und deswegen wird es
auch in der Festkörperphysik so genannt. Die einzige Voraussetzung für seine Anwendung ist, daß der Zähler im Boltzmann-Term groß gegen kB T ist, so daß Gln. (4.1)
und (4.7) gültige Näherungen sind. Die Erhöhung der Konzentration einer Ladungsträgersorte erniedrigt also die der gegensinnigen Sorte. Durch kontrollierte Dotierung
eines unreinen Kristalls mit einem geeigneten Dopanden kann damit die Konzentration der (beweglichen) Ladungsträger und damit die elektrische Leitfähigkeit enorm
verringert werden (sog. Kompensation).
Setzt man für einen intrinsischen Halbleiter die Gln. (4.5) und (4.8) gleich (Elektroneutralität), erhält man für die Fermi-Energie den Ausdruck
3
mh
Eg
EF = kB T ln
+
:
(4.12)
4
me
2
wir beobachten eine schwache Temperaturabhängigkeit im Falle unterschiedlicher effektiver Massen.
In allen intrinsischen Halbleitern zeigt sich, daß die effektiven Massen der Löcher
größer als die der Elektronen sind. Nach den Gln. (4.11) ist weiters die effektive Zustandsdichte der Löcher größer als die der Elektronen. Nach Gl. (4.12) liegt damit
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
105
aber auch die Fermi-Energie immer leicht oberhalb der halben Gapenergie, so daß
sich damit die höhere Zustandsdichte der Löcher wieder ausgleicht: im intrinsischen
Halbleiter sind die Dichten der beiden Ladungsträgersorten gleich groß. Bei Raumtemperatur ist die Dichte der Elektronen im Leitungsband in Silicium damit etwa
1, 45 · 1010 /cm3 , in Germanium wegen der kleineren Gapenergie (0,67 gegen 1,14 eV)
dagegen bereits 2, 4 · 1013 /cm3 , und in GaAs mit einer Gapenergie von 1,43 eV nur
1, 79 · 106 /cm3 .
Besonders drastisch sind die Unterschiede der effektiven Massen der beiden Ladungsträgersorten in den III/V-Halbleitern. Z. B. hat ein Leitungsbandelektron im
GaAs ein me,eff von 0, 067me , während ein Loch eine effektive Masse von 0, 48me
aufweist. Damit ist die effektive Zustandsdichte der Elektronen im Leitungsband 20x
höher als die der Löcher im Valenzband.
4.2.3 Extrinsische Halbleiter
Gln. (4.11) legt nahe, daß bei Erhöhung der Konzentration einer Ladungsträgersorte die der anderen zurückgehen sollte. Dies wird durch Dotieren bewerkstelligt. Die
Idee dahinter ist, daß bei Vorhandensein von besetzten Zuständen eines Donators in
der verbotenen Zone dicht am Leitungsband bzw. eines Akzeptors dicht am Valenzband, also energetisch weniger als Eg , bei thermischen Fluktuationen die Dichte im
jeweiligen Band erheblich höher als bei einem intrinsischen Halbleiter sein müßte.
Derartige Dotierstoffe gibt es für Elektronenüberschuß (n) und für Löcherüberschuß (p). Beim Einbau eines Fremdatoms in das sog. Wirtsgitter wird dieses ionisiert
und gibt entweder zu viel oder zu wenig Elektronen an das Wirtsgitter ab. Dabei wird
die elektrostatische Energie, die zur Ionisation notwendig ist, um die Dielektrizitätskonstante ε des Wirtsgitters entscheidend gesenkt (Abb. 4.12):
e20
e20
−→ −
,
(4.13)
4πε0 r
4πε0 εr
während der Aktionsradius“ der freigesetzten Ladung um ε gegenüber dem Atom”
radius bedeutend erhöht wird.
W =−
Energie [a. u.]
Leitungsband (CB)
Donator-Niveau
Acceptor-Niveau
Valenzband (VB)
Abb. 4.12. Die Donator- und Acceptor-Niveaus eines (flachen) extrinsischen Halbleiters befinden sich dicht
an den Grenzen des Leitungs- bzw.
Valenzbandes (dicht bedeutet: energetischer Abstand ist deutlich kleiner als
die Gapenergie), und flach“ bedeutet,
”
daß Ed > 1/2 Eg bzw. Ea < 1/2 Eg .
106
4 Halbleiter
Beispiel 4.1 Im Silicium beträgt die effektive Masse der Elektronen, gemessen mit
Elektronen-Cyclotron-Resonanz, 0, 19 me , die relative DK 12,1, gemessen mit einer Kapazitätsbrücke [?]. Wir schätzen damit die effektive Austrittsarbeit WA im Verhältnis zum
Wasserstoffatom [I, (3.7.2), ε = 1] ab zu
E = Epot + Ekin =
1 me (e20 )2
,
2 4ε20 h2 n2
(2.57)
woraus für unsere Anwendung folgt
WA =
1 me,eff (e20 )2
,
2 (2 ε0 ε)2 h2
also
WA = me,eff ×
1
× 13, 6 [eV] = 93 meV.
12, 12
Experimentell ergibt sich z. B. für As ein Wert von 54 meV. Damit wird der effektive Radius
statt 1 Å 12 Å, was bedeutet, daß das effektive Volumen auf ca. 1 700 Å3 zunimmt. Derartige
Elektronen sind bereits als frei“ zu betrachten.
”
Wie aus dieser Abschätzung ersichtlich, sind die in den Dopanden bzw. Akzeptoren vorhandenen Ladungsträger über einen wesentlich größeren Raum als ein Atom
verteilt. Daher ist eine Kontinuumsbeschreibung mit einer Beschreibung dieser Niveaus als sog. Störband gerechtfertigt. Da aus jedem dieser Zustände nur ein beweglicher
Ladungsträger abgegeben werden kann, ändert sich auch die Verteilungsfunktion dieser Zustände.
Die Donatoren sind entweder mit einem Elektron besetzt (dann kann der Spin up
oder down sein), oder sie sind nicht besetzt (dann ist der Donator bereits einfach positiv ionisiert). Doppelbesetzung wird ausgeschlossen, da dieser Zustand wg. der dann
erforderlichen Spinpaarungsenergie energetisch höher liegen müßte). Die Akzeptoren
sind entweder mit einem Loch besetzt (dann sind sie elektrisch neutral), oder sie haben ein Elektron angezogen, und dann sind sie einfach negativ geladen (der Spin ist
up oder down).
Betrachtet man nun in einem Donator die Dichte ionisierter Dotieratome n+
d zu
deren Gesamtzahl nd , dann ist deren Verteilungsfunktion nicht gegeben durch
n+
1
d
= f (E) = (E −E )/k T
,
F
B
d
nd
e
+1
(4.14.1)
sondern nur5
f (E) =
1
1 (Ed −EF )/kB T
e
2
+1
,
(4.14.2)
womit die Dichte der neutralen Atome zu
5
Zur Herleitung dieses Sachverhalts, bei der die Elektron-Elektron-Wechselwirkung eine wichtige
Rolle spielt, benötigt man das großkanonische Ensemble, s. [?].
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
107
n0d
nd − n+
1
d
=
= (E −E )/k T
,
nd
nd
2e F d B + 1
(4.14.3)
Leitungsband (CB)
Eg
EF
Ed
Fermi-Niveau
Donator-Niveau
0
Eg
Energie [a. u.]
Energie [a. u.]
wird.6
Die Abgabe von Ladungsträgern bedeutet, daß auch die Fermi-Energie gegenüber dem Niveau im intrinsischen Halbleiter verschoben wird (Abb. 4.13). Sie
gibt ja die mittlere Energie an, die notwendig ist, um Elektronen ins Leitungsband
(bzw. Löcher ins Valenzband) zu befördern.
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Elektron/Loch-Paarbildung eines intrinsischen Halbleiters und der Ionisierung eines extrinsischen Dopanden besteht also darin,
daß in diesem Fall nur ein bewegliches Elektron/Loch (dazu ein stationäres Ion) erzeugt wird und kein mobiles Paar wie beim intrinsischen Halbleiter. Das bedeutet,
daß die Dichte der gebildeten Ladungsträger/Dopandenatom nur halb so groß ist wie
bei der Elektron/Loch-Paarbildung!
Leitungsband (CB)
Eg
0
Ea
EF
Acceptor-Niveau
Eg
Fermi-Niveau
Valenzband (VB)
Valenzband (VB)
Abb. 4.13. In einem extrinsischen Halbleiter wird auch die Fermi-Energie EF verschoben:
Lks.: in einem n-dotierten Halbleiter dichter ans Leitungsband, in einem p-dotierten dichter
ans Valenzband (re.), nicht maßstabsgerecht).
Natürlich muß die Dichte nd der Donatoren bzw. na der Akzeptoren klein gegen
die Gesamtdichte des Halbleiters sein. Es ist qualitativ sofort einsichtig, daß jedes
Heteroatom zu einer Störung der Ordnung des Einkristalls führen muß und damit die
Leitfähigkeit beeinträchtigt. Die Frage ist, ob die durch den Einbau der Heteroatome
verursachte Erhöhung der Dichte an freien Ladungsträgern stärker zunimmt als die
Abnahme der Beweglichkeit. Es muß aber immer die Elektroneutralitätsbedingung
erfüllt sein:
+
ne + n−
a − nh − nd = 0,
6
1) Gleichnamig-Machen, 2) Erweitern mit e(Ed −EF )/kB T + 1.
(4.15)
108
4 Halbleiter
d. h. die Summe aus Elektronen und ionisierten, negativen Akzeptoren muß gleich
der Summe aus Löchern und ionisierten, positiven Donatoren sein, absolut und aufs
Volumen (Dichte) bezogen.
4.2.3.1 Lage der Fermienergie.
Qualitative Betrachtung. In der Nähe des absoluten Nullpunkts wird es nun wesentlich
schwieriger sein, Elektronen über das Gap zwischen VB und CB zu befördern, denn
direkt aus den Donatorzuständen, d. h. alle Elektronen im Leitungsband werden bei
sehr tiefen Temperaturen aus den Donatorzuständen kommen ⇒ das Fermi-Niveau
muß in Richtung CB verschoben werden. Die Lage des Fermi-Niveaus war im Kap.
2 definiert worden als höchster besetzter Elektronenzustand, so daß wir fordern, daß
für T ≈ 0 K
Ed = EF
(4.16)
mit Ed dem Energieniveau der Donatoren. Andererseits ist in intrinsischen Halbleitern
die Lage der Fermi-Energie irgendwo zwischen Oberkante Valenzband und Unterkante Leitungsband, in der Näherung gleicher effektiver Massen genau bei 1/2 Eg . Wir
erwarten also, daß die Fermi-Energie dicht am absoluten Nullpunkt oberhalb von
Ed liegt. Bei hoher Temperatur wird dieser Effekt dagegen vom intrinsischen Effekt
der Ladungsträgererzeugung überholt, da nd ≪ nsc sein muß, und wir das qualitative
Bild in Abb. 4.14 erhalten. Damit muß der Grenzwert von EF wieder bei der halben
Gapenergie Eg liegen.
Energie [a. u.]
Leitungsband (CB)
Ec
EF
Ed
1/2 Eg
Ev
Valenzband (VB)
T [a. u.]
Abb. 4.14. In einem extrinsischen
Halbleiter ist die Fermi-Energie EF
deutlich konzentrations- und temperaturabhängig. Liegt sie bei T = 0
K dicht am Niveau der Donatoren
(genau: in der Mitte zwischen Ed
und der Unterkante des Leitungsbandes), rutscht sie für höhere Temperaturen, wenn die thermische Aktivierung der Wirtsgitteratome erfolgt ist,
zur halben Gapenergie (hier gezeigt
für n-Dotierung).
Quantitative Betrachtung. Der Fall T = 0 K ist klar. Jetzt erhöhen wir die Temperatur. Es werden einige Donatoren ionisiert und geben ihr Elektron ans Leitungsband
ab:
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
109
0
−(Eg −EF )/kB T
ne = n+
,
d = nd − nd = ne,C e
(4.17)
was mit einer Grenzwertbetrachtung für niedrige T der Gl. (4.14.3)
n+
1
d
= e−(EF −Ed )/kB T
nd
2
(4.14.4)
zu vergleichen ist und eine Näherungsgleichung für die Fermi-Energie7 zu
EF (T ) =
1
1
nd
(Ed + Eg ) + kB T ln
2
2
2ne,C
(4.18)
mit
ne,C
me kB T
=2
2πh̄2
!3/2
.
(4.11.2)
ergibt, also mit Gl. (4.9) der analoge intrinsische Wert + ein temperaturabhängiger
Anteil. Aus Gl. (4.18) ermitteln wir die Grenzfälle für sehr niedrige und sehr hohe
Temperaturen:
1
(Ed + Eg ) ,
(4.19.1)
2
die Fermi-Energie liegt in der Mitte zwischen den Donatorniveaus Ed und der Unterkante des Leitungsbandes Eg — analog zu einem intrinsischen Halbleiter. Bei
vollständiger Ionisation wird bei höherer Temperatur wegen 2ne,C ≫ nd der Logarithmus negativ, und EF wird in Richtung Ed verschoben. Wir verwenden Gl. (4.17)
und erhalten mit nd ≈ n+
d = ne
T → 0 : EF (T ) =
ne,C
.
(4.19.2)
nd
In der Abb. 4.15 ist diese Abhängigkeit für einen n-dotierten Halbleiter gezeigt.
Bei weiter steigenden Temperaturen überwiegen dann die intrinsischen Effekte.
Wird dagegen die Dichte der Dopanden nd weiter erhöht, wandert das FermiNiveau immer dichter an die Bandkante und kann sie sogar überschreiten. Eine Betrachtung als isolierte Atome ist nicht weiter gültig. Es entstehen aus den Donatorbzw. Akzeptor-Atomen eigene Bänder, die um so breiter werden, je höher die Dichte
der Atome wird. Beim schließlichen Überlapp dieser Bänder mit dem Leitungs- bzw.
Valenzband ist die Dichte der Ladungsträger entartet, die Bedingung Eg − EF ≫ kB T
ist nicht länger gültig, und die Fermi-Dirac-Statistik muß Anwendung finden. Dies
ist typisch bei Dichten ab 1018 /cm3 der Fall (Abb. 4.16).
Wir finden also, daß im Unterschied zum intrinsischen Halbleiter die Zahl der
Löcher nicht gleich der Zahl der Elektronen ist, weil wir zusätzliche Elektronen aus
den ionisierten Donatoren gewonnen haben. Auf Grund der Tatsache, daß bei tieferen
Temperaturen nur ein Teil der Donatoren tatsächlich ionisiert ist, viele Elektronen
EF (T ) = Eg − kB T ln
7
Für eine genauere Betrachtung muß erstens berücksichtigt werden, daß die Dichte der Akzeptoren endlich ist, und daß zweitens mit steigender Temperatur die intrinsischen Effekte immer größere
Bedeutung bekommen.
110
4 Halbleiter
0.50
0.45
Abb. 4.15. Verlauf der Fermi-Energie, berechnet mit Gl. (4.17), als Funktion der Temperatur. Dichte der Donatoren: 1 · 1018 /cm3 , Eg = 0, 5 eV,
Ed = 0, 45 eV. Bei hohen Temperaturen wird der intrinsische Fall
(EF = 1/2 Eg ) gefunden.
E F [eV]
0.40
0.35
0.30
0.25
0.20
0
200
400
600
800
1000
T [K]
n(E)
modifizierte
Zustandsdichte
für Elektronen
Zustandsdichte
für
Elektronen
Zustandsdichte
für
Löcher
Zustandsdichte
für
Donatoren
Abb. 4.16. Bei sehr hohen Dopandenkonzentrationen
ab
etwa
1 · 1018 /cm3 ist die Betrachtung als
isolierte Atome nicht mehr gültig: es
entsteht ein zusätzliches Band, hier
gezeigt für Donatoren, das mit dem
Leitungsband überlappen kann.
E [a. u.]
also lokalisiert sind, unterscheiden sich derartige Systeme prinzipiell von Metallen,
bei denen die Elektronendichte von der Temperatur unabhängig ist.
4.2.4 Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerdichte
Mit den zwei unterschiedlichen Quellen zur Erzeugung von Ladungsträgern können
wir die Dichte der Ladungsträger sehr effektiv steuern. Die Zunahme der Ladungsträger von Null auf einen endlichen Wert, bei dem ne ≈ nd , läßt den Logarithmus
der Leitfähigkeit zunächst linear ansteigen, da bei sehr tiefen Temperaturen nahezu alle Ladungsträger aus den Dopanden stammen, die ihrerseits entgegengesetzt
ionisiert werden. Ab einer bestimmten Temperatur ist diese Quelle erschöpft, die
Elektronen/Loch-Paarbildung aber noch nicht effizient, und es kommt zu einer Temperaturunabhängigkeit der Leitfähigkeit. Irgendwann, bei einer bestimmten kritischen
Temperatur, aber wird die Elektron/Loch-Paarbildung immer bedeutender, um den
4.2 Die Fermi-Energie in Halbleitern
111
extrinischen Beitrag zu überholen, womit die extrinsischen Eigenschaften verlorengehen.
Um diese Bereiche
• exponentieller Anstieg der Trägerdichte (Dopanden beginnen, ihr Elektron abzugeben, keine Eigenleitung),
• Konstanz der Trägerdichte (Dopanden voll ionisiert, Eigenleitung noch nahezu
nicht aktiviert) und
• erneuter exponentieller Anstieg der Trägerdichte durch thermische Eigenleitung
zu bestimmen und gegeneinander abzugrenzen, müssen wir die Gleichung (4.11.2)
genauer lösen, hier dargestellt für Donatoren. Es war
n+
d
= nd 1 −
1
e(Ed −EF )/kB T + 1
,
(4.14.3)
und es gilt immer
ne = ne,C e−(Eg −EF )/kB T ,
(4.5.3)
woraus wir die Fermi-Energie isolieren können zu
ne Eg /kB T
e
= eEF /kB T .
ne,C
(4.20)
Einsetzen in Gl. (4.14.3) liefert nach mühsamer Algebra
ne ≈
1+
q
2nd
.
d
e(Eg −Ed )/kB T
1 + 4 nne,C
(4.21)
Aus dieser Gleichung gewinnen wir Näherungslösungen für die drei Temperaturzonen
(Abb. 4.17):
1. Tiefe Temperaturen, bei denen viele Donatoren noch ihr Elektron gebunden
haben,
Eg − Ed
Eg − Ed ≫ kB T ⇒ exp
kB T
≫ 1,
(4.22)
und eine Erhöhung der Temperatur eine exponentielle Zunahme der Elektronendichte mit der Aktivierungsenergie Ed verursacht (bzw. eine Temperaturabnahme ein Ausfrieren“ der Ladungsträger an ihren Donatorzentren):
”
ne ≈
√
nd ne,C e−(Eg −Ed )/kB T .
(4.23)
Wenn wir diese Gleichung mit der für die intrinsische Dichte vergleichen,
ne =
√
nh,V ne,C e−Eg /2kB T ,
(4.11.1)
112
4 Halbleiter
sehen wir, daß die Zustandsdichte an der Valenzbandkante durch die Dichte
der Donatoren und das Bandgap durch den wesentlich kleineren Donatorabstand ersetzt sind. Dies ist der Bereich der Störstellenreserve oder Bereich des
Ausfrierens.
2. Mittlere Temperaturen, bei denen die Donatoren alle ihr Elektron abgegeben
haben, aber die Elektronen aus dem Valenzband noch nicht wesentlich zur
Leitfähigkeit beitragen: sog. extrinsische Region oder Erschöpfungszustand:
Eg − Ed ≪ kB T ≪
Eg
∧ e(Eg −Ed )/kB T ≪ 1 ∧ Eg ≫ kB T :
2
ne ≈ nd = const.
(4.24)
(4.25)
3. Hohe Temperaturen, bei denen aus dem Leitungsband thermisch angeregte
Elektronen die elektrischen Eigenschaften bestimmen: intrinsischer Bereich:
ne ≈
√
nh,V ne,C e−Eg /2kB T
(4.11.1)
Die kritische Temperatur Ti , bei der alle Dopanden ionisiert sind, ist für einen
n-Leiter ne = nd = ni , was mit dem auf Donatoren/Elektronen modifizierten
Massenwirkungsgesetz [Gl. (4.11.1)]
n2i = nd ne = ne,C nh,V · e
Eg
B Ti
−k
(4.11.1)
für die Temperatur
Ti =
Eg
n
2kB ln ne,C
0
(4.26)
d
ergibt.
Beispiel 4.2 Bei einer Elektronendichte von 2, 5·1019 /cm3 ergeben sich bei einer Konzentration an Donatoren von 2, 5 · 1014 /cm3 für Silicium mit einer Bandlücke von 1,21 eV und
für Germanium mit einer Bandlücke von 0,75 eV (jeweils bei 0 K) kritische Temperaturen
von 510 bzw. 360 K.
Für Bauelemente interessant ist die Breite des Bereichs der extrinsischen Region,
da hier die Dichte der Ladungsträger über einen großen Temperaturbereich konstant
ist. Es ist die Lage der Inversionstemperatur, die den Einsatzbereich dotierter Halbleiter — und damit der daraus hergestellten elektronischen Bauelementen — nach oben
begrenzt. Je kleiner die Bandlücke, bei um so tieferen Temperaturen setzt bereits
das Regime der intrinsischen Leitfähigkeit ein. Es ist aus dieser Abschätzung klar,
warum Germanium gegen Silicium verlor, obwohl die ersten Halbleiterbauelemente
aus Germanium bestanden.
4.3 Elektrische Leitfähigkeit
113
T [K]
1000
1017
100
10
1015
ne [1/cm3]
m ~ exp(-Eg /2kT)
1013
11
10
109 -3
10
1013/cm3
15
3
10 /cm
1016/cm3
m ~ exp(-Ed /kT)
-2
10
-1
1/T [1/K]
10
Abb. 4.17. In einem extrinsischen
Halbleiter können wir drei Regime
erkennen: Bei sehr niedrigen Temperaturen thermisch aktivierte Anregung mit der Steigung exp(−Ed /kB T )
(Störstellenreserve), dann einen nahezu konstanten Bereich (Erschöpfungszustand) und schließlich den intrinsischen Bereich, in dem die Steigung
proportional exp(−Eg /2kB T ) ist, hier
gezeigt für Arsen-dotiertes Silicium.
4.3 Elektrische Leitfähigkeit
4.3.1 Intrinsische Halbleiter
Die Leitfähigkeit wird durch die Ladungsträgerdichte und ihre Beweglichkeit bestimmt. Im Gegensatz zu Metallen mit Elektronen als einzigen Ladungsträgern gibt
es in Halbleitern zwei Sorten: Elektronen und Löcher. Diese haben unterschiedliche
Beweglichkeiten und können verschiedene Dichten aufweisen; auch sind ihre Massen
unterschiedlich.
Folglich muß die Leitfähigkeit funktional von beiden Ladungsträgersorten abhängen:
ne e20 τe nh e20 τh
+
,
σ=
me,eff
mh,eff
(4.27)
was auch in Beweglichkeiten ausgedrückt werden kann:
σ = ne | e0 | µe + nh | e0 | µh :
(4.28.1)
die Leitfähigkeit ist immer positiv und unabhängig vom Vorzeichen des Ladungsträgers.
Bei einem intrinsischen Halbleiter sind die Dichten der beiden Ladungsträgersorten gleich, und Gl. (4.27) kann geschrieben werden als
σ = ne | e0 | (µe + µh ).
(4.28.2)
Die Leitfähigkeit und ihre Temperaturabhängigkeit hängen von zwei Größen ab:
der Dichte der Ladungsträger und ihrer Beweglichkeit. Gln. (4.11) beschreibt jene
Größe, und die Beweglichkeiten werden nahezu vollständig durch die Streuung der
Ladungsträger an den Phononen bestimmt.
Der Streuquerschnitt σ für diesen Prozeß ist proportional zur mittleren quadratischen Amplitude der Gitterbausteine oder proportional zu kB T . Die mittlere Ge-
114
4 Halbleiter
√
schwindigkeit der (wenigen freien) Elektronen ist proportional zu kB T , insgesamt
3
3
also σ ∝ T /2 , so daß die Beweglichkeit zu 1/T /2 gefunden wird, was sich wunderbar
3
gegen die T /2 der Ladungsträgerdichte herauskürzt, so daß wir
σintrins. ≈ const · e−Eg /2kB T
(4.29)
erhalten (Abb. 4.18).
750
T [°C]
500
250
4
10
1 x 10-3/K = 727 °C
-3
2 x 10 /K = 227 °C
3
s [W-1cm -1]
10
2
10
10
1
0.0010
0.0015
1/T [1/K]
0.0020
Abb. 4.18. Trägt man den Logarithmus der elektrischen Leitfähigkeit eines intrinsischen Halbleiters gegen die
reziproke absolute Temperatur auf, ergibt sich eine fallende Gerade, deren Steigung ziemlich genau die halbe
Gapenergie ist: m = 1/2 Eg /kB .
Die Methode der Wahl, um die Ladungsträgerdichte, ihren Typ (p oder n) und
ihre Beweglichkeit zu bestimmen, ist die Messung der Hall-Spannung (s. Abschn.
2.8).
4.3.2 Extrinsische Halbleiter
Demgegenüber hängt die Leitfähigkeit eines extrinsischen Materials natürlich von
beiden Parametern ab: den Eigenschaften des Wirtsgitters und denen des Dopanden.
Die Dichten der beiden Ladungsträgersorten müssen immer stark unterschiedlich sein;
man unterscheidet zwischen Majoritäts- und Minoritätsträgern. Das Produkt der
beiden Dichten aus Gln. (4.11.1/2),
ne = ne,C e−(Eg −EF )/kB T ∧ nh = nh,V e−EF /kB T ,
(4.30)
das dort eingeführte Massenwirkungsgesetz, zeigt hier seine Kraft, da das Quadrat der
Inversionsdichte sich — wie bei intrinsischen Halbleitern — als Konstante erweist:
ne · nh = ne,eff nh,eff e−Eg /kB T = n2i .
(4.31)
Der zweite Beitrag zur Leitfähigkeit, die Beweglichkeit, muß sich zur Zahl der
durch die Heteroatome erzeugten Ladungsträger aber invers verhalten, da ja durch
deren Einbau das Kristallgitter gestört wird. Wir unterscheiden in extrinsischen Halbleitern damit zwei Beiträge, die Streuung an
4.4 Halbleiteroberflächen
115
• ionisierten Störstellen, die mit der Formel von Rutherford beschrieben wird
3
und eine T /2 -Abhängigkeit ergibt, und an
3
• Phononen (∝ T − /2 ).
Bei tiefen Temperaturen ist also der erste Effekt stark, bei hohen Temperaturen
dagegen der zweite. Auf jeden Fall ergibt sich aber durch die gegenläufigen Funktionen
ein Maximum der Beweglichkeit (Abb. 4.19).
3/2
T-3/2
log m
T
durch
ionisierte
Störstellen
durch
Phononen
Abb. 4.19. Die Beweglichkeit der Ladungsträger in einem extrinsischen
Halbleiter zeigt ein Maximum der
Temperatur durch zwei gegenläufige
Effekte, der Streuung an gebundenen
Störstellen bei tiefen Temperaturen
und bei hohen dagegen an (akustischen) Phononen.
log T
Aus der Abhängigkeit des Logarithmus der elektrischen Leitfähigkeit von der
reziproken Temperatur eines extrinsischen Halbleiters ergibt sich bei niedriger Temperatur (großem 1/T ) eine kleine Steigung, da sie durch die Dotieratome definiert
wird, deren Dichte niedrig gegen die der Wirtsgitteratome ist. Die zwar flache, aber
von Null verschiedene Neigung der Kurve bedeutet eine zunehmende Lokalisation der
Ladungsträger bei abnehmender Temperatur. Die Steigung ist 1/2 Ei /kB , wenn Ei die
Bindungsenergie zwischen Loch bzw. Elektron und Mutterion ist. Steigt die Temperatur (kleine 1/T ), wird die Steigung durch die Eigenleitfähigkeit des Halbleiters
bestimmt, woraus man die Gapenergie ermittelt: m = 1/2 Eg /kB (Abb. 4.20).
4.4 Halbleiteroberflächen
Bisher haben wir die Verhältnisse im isotropen Volumen (Bulk) des Halbleiters betrachtet. Diese sind verschieden von denen der Oberfläche, an der prinzipiell ungesättigte Atome existieren müssen. Damit sind dort Zustände vorhanden, die im
Volumen nicht existieren. Verunreinigungen können dort andocken, aber bei endlichen Temperaturen auch Elektronen (Löcher) aus dem Leitungsband, und insgesamt
führt das zu einer Zusatzladung (im p-Typ ⊕, im n-Typ ⊖). In dieser Grenzzone existieren wesentlich mehr Atome, die eine gestörte Chemie aufweisen, als Dotieratome,
typisch ein Verhältnis 106 − 108 . Weil das für beide Ladungsrichtungen gilt, erwarten
wir, daß diese Oberflächenzustände ihren Schwerpunkt bei der Fermi-Energie haben.
116
4 Halbleiter
ln s
Eg
Abb. 4.20. Abhängigkeit des Logarithmus der elektrischen Leitfähigkeit
von der reziproken Temperatur eines
extrinsischen Halbleiters.
Ei
1/T [K -1]
Das gilt natürlich erst recht bei höheren Temperaturen, wenn der Einfluß der
Oberflächenzustände gegenüber dem intrinsischen Zustand weiter ins Hintertreffen
gerät. Man redet vom Pinning des Fermi-Levels. Ganz wichtig ist, daß diese Oberflächenzustände ortsfest sind. Die Eigenschaft dieser Grenzfläche ist damit nicht mehr
die eines Halbleiters, sondern eher eines Metalls mit sehr mäßiger Leitfähigkeit.
Die Fermi-Energie im Bulk des n-Halbleiters befindet sich in der Nähe der Leitungsbandkante, die Fermi-Energie an der Oberfläche dagegen etwa in der Mitte
zwischen Valenz- und Leitungsband (Abb. 4.21). Machen wir nun ein Gedankenexperiment und führen die beiden Zonen zusammen! Wie wir in Kap. 2 gesehen haben,
führen ungleiche Fermi-Niveaus zum Stromfluß solange, bis sich diese angeglichen
haben. In unserem Fall fließen die Majoritätsträger des n-Halbleiters, also Elektronen,
in die Oberflächenzustände.
Energie [a. u.]
CB
Oberflächenzustände
EF
+
+
EF
n-Typ
Eg
+
Bulk
+
+
+
+
+
VB
Abb. 4.21. Unterschiedliche Fermi-Niveaus in der Oberflächenzone
und dem Bulk eines n-Halbleiters. Es
kommt im ersten Schritt zum Fluß von
Elektronen aus dem Bulk in die ortsfesten Oberflächenzustände und zum
Ausgleich der unterschiedlich hohen
Fermi-Niveaus.
x [a. u.]
Da diese ortsfest sind, entsteht dort jetzt eine negative Überschußladung, die
mobile Elektronen in den Bulk treibt. Umgekehrt gewendet, heißt das jedoch, daß sich
das Potential der Oberflächenzone erhöht hat! Zusätzlich bedeutet das die Entstehung
4.4 Halbleiteroberflächen
117
eines elektrischen Feldes ⇒ diese zusätzliche ortsfeste Ladung an der Oberfläche führt
also zum Abfluß von Elektronen in den Bulk (Abb. 4.22).
Das von den ionisierten Donatoratomen erzeugte Feld reicht nicht aus, um das
durch die Oberflächenladungen erzeugte Feld zu kompensieren. Wir müssen also eine
gewisse Tiefe ins Bulk gehen, um die Kompensation zu bestimmen.
Um die Tiefe der Zone nach der Oberflächenzone zu bestimmen, in der die Bänder
verbogen sind, und die Raumladungszone (RLZ) genannt wird, wenden wir die (eindimensionale) Poisson-Gleichung
d2 Φ
ρ
=−
(4.32)
2
dx
ε0
an. Die Oberfläche beginne bei x = 0, der Halbraum x > 0 sei halbleitend. Innerhalb
der oberflächennahen Raumladungszone sei ρ =const (z. B. seien alle Donatoren ionisiert und alle anderen Beiträge vernachlässigbar). (4.32) kann mit der Produktregel
umgeschrieben werden zu
d
dx
dΦ
dx
!2
d2 Φ
d
d2 Φ dΦ
⇒
=
=2 2
2
dx dx
dx
dx
dΦ
dx
!2
·
1
2 dΦ
dx
,
(4.33)
woraus zunächst eine Beziehung für die Feldstärke gewonnen wird:
ρ dΦ
d
−2
=
ε0 ε dx
dx
dΦ
dx
!2
ρ dΦ
dΦ
⇒ −2
dx = d
ε0 ε dx
dx
!2
,
(4.34)
also
2ρ
2ρ
E dx = d(E 2 ) ⇒
Ex = E 2 ,
(4.35)
ε0 ε
ε0 ε
2ρ
E=
x + C1 :
(4.36)
ε0 ε
Das elektrische Feld steigt linear mit der Ausdehnung der Raumladungszone, was für
das Potential eine quadratische Abhängigkeit in x ergibt:
ρ 2
x + C1 x + C2 .
(4.37)
ε0 ε
Die Randbedingungen werden danach bestimmt, daß am Ende der Raumladungszone
bei x = xd
Φ=−
dΦ
= 0 ∧ Φ = 0,
dx
(4.38)
ρ
ρ
dΦ
= −2
xd + C1 = 0 ⇒ C1 = 2
xd
dx
ε0 ε
ε0 ε
(4.39)
also
Φ=0=−
ρ 2
ρ 2
ρ 2
xd + 2
xd + C2 ⇒ C2 = −
x .
ε0 ε
ε0 ε
ε0 ε d
(4.40)
118
4 Halbleiter
n-Typ
Energie [a. u.]
Ec
Oberflächenzustände
EF
Ev+
Ec
Bulk
+
+
Ev
Abb. 4.22. Die (ortsfesten) negativen Oberflächenzustände erzeugen ein
Feld, das zum Abfluß von Ladungen
in den Bulk führt. Daher muß das Potential der Oberflächenzone höher sein
als das des Bulks.
x [a. u.]
Damit wird für Φ
Φ=
ρ 2
ρ
(x − xd )2 .
−x + 2xxd − x2d = −
ε0 ε
ε0 ε
(4.41)
Entsprechend für x − xd die Wurzel. Wir sehen, daß
• die Größe x − xd umgekehrt proportional zur Wurzel aus ρ wird; die Tiefe
der Raumladungszone gibt also an, wann die Oberflächenzustände kompensiert
sind. Diese Abschirmlänge heißt Debye-Länge und liegt für typische Ladungsdichten in Halbleitern zwischen einigen 10 nm bis zu einigen µm, in Metallen
dagegen wegen der sehr viel höheren Elektronendichten unter 1 nm;
• die Potentialänderungen und damit die Bandverbiegung mit dem Quadrat von
x−xd skalieren. Wenn das Oberflächenpotential als Φs und das Volumenpotential
mit Φb bezeichnet werden, dann ist deren Differenz die Bandverbiegung Φsb :
Φsb = Φs − Φb .
(4.42)
4.5 Hetero-Übergang
4.5.1 Gleichgewichtszustand
Metalle sind Systeme mit nur einer Ladungsträgersorte, den Elektronen. Der oberste
mit Elektronen besetzte Zustand definiert die Fermi-Energie, die beim Halbleiter
in der Bandlücke liegt. Wie wir im Kap. II,2 beim Zusammenfügen zweier Metalle
unterschiedlicher Fermi-Energien gesehen haben, findet dann ein Stromfluß solange
statt, bis sich Fermi-Niveaus ausgeglichen haben, was die Bezeichnung chemisches
Potential rechtfertigt.
4.5 Hetero-Übergang
119
Bringen wir nun ein Metall und einen n-Leiter in Kontakt zueinander, so fließen
ebenfalls solange Elektronen aus dem Metall in den Halbleiter oder vom Halbleiter
in das Metall, bis sich die Fermi-Niveaus angeglichen haben. Voraussetzung dafür
ist in jenem Fall, daß die Austrittsarbeit WA des Metalls niedriger ist als die Elektronenaffinität des Halbleiters, oder anders herum ausgedrückt, wenn relativ zum
Vakuumniveau die Fermi-Energie des Halbleiters vom n-Typ vor der Kontaktierung
niedriger ist als die des Metalls; in diesem Fall ist es umgekehrt: die Austrittsarbeit
WA des Metalls ist höher als die Elektronenaffinität des Halbleiters, oder relativ zum
Vakuumniveau ist die Fermi-Energie des Halbleiters vom n-Typ vor der Kontaktierung höher als die des Metalls (Tab. 4.3 und Abb. 4.23).
Vakuumniveau
Wm
CB
Wm
Energie [a. u.]
Energie [a. u.]
Vakuumniveau
Wsc Fsc
EF
n-Typ
EF
Eg
Fsc
EF
Wsc
CB
EF
Metall
Eg
n-Typ
Metall
VB
VB
x [a. u.]
x [a. u.]
Abb. 4.23. Hetero-Kontakt I: Lks.: Vor der Kontaktierung ist die Fermi-Energie des
Metalls niedriger als die des n-Halbleiters. Umgekehrt ist die Austrittsarbeit Wm des Metalls höher als die Elektronenaffinität Φ des Halbleiters. Re.: Vor der Kontaktierung ist die
Fermi-Energie des Metalls höher als die des n-Halbleiters. Umgekehrt ist die Austrittsarbeit Wm des Metalls damit niedriger als die Elektronenaffinität Φ des Halbleiters. Das
Vakuumniveau definiert das Nullniveau.
Daher fließen zum Ausgleich der Fermi-Niveaus Elektronen aus dem n-Halbleiter
ins Metall. Als Folge dieses Ladungsflusses bildet sich auf Seiten des Metalls eine
negative, auf der des Halbleiters eine positive Raumladungszone, die an eine elektrochemische Doppelschicht erinnert, und es kommt nach Poisson zum Aufbau eines
elektrischen Feldes und einer elektrischen Spannung, der sog. Schottky-Barriere, die
für n-Si und gebräuchliche Metalle zwischen 0,5 und 1 V liegt, und die beiden FermiEnergien haben sich zum Ende des Ausgleichsprozesses angeglichen (EF,m = EF,sc ), so
daß ein Elektron beim Übergang Halbleiter → Metall oder Metall → Halbleiter keine
Energie gewinnt; dazu haben sich die Bänder im Halbleiter verbogen (Abb. 4.24.1).
Wie groß sind nun die einzelnen Energien? Im ersten Fall hat sich die Energie
der Unterkante des Leitungsbands abgesenkt um Wm − Wsc , die Differenz bis zur
120
4 Halbleiter
Fermi-Kante ist Wsc − Φsc . Damit wird die Potentialstufe auf der Seite des Metalls
(Wm − Wsc ) + (Wsc − Φsc ) = Wm − Φsc , die von den Elektronen bei Stromfluß in das
Metall überwunden werden muß.
Im umgekehrten Fall hat sich nach Abgleich der Fermi-Energien die Unterkante
des Leitungsbandes um Wsc −Wm abgesenkt, so daß die (sehr enge) Raumladungszone
energetisch unter der Fermi-Energie liegt. Damit existiert keine Barriere, es ist ein
Ohmscher Kontakt entstanden. Da die Differenz zwischen Unterkante Leitungsband
und Fermi-Level Wsc − Φsc beträgt, ist die Differenz (Wsc − Wm ) − (Wsc − Φsc ) =
Φsc − Wm [?].
Die Doppelschicht, die wir schon bei der Betrachtung der Oberflächenzustände
kennengelernt hatten, ist ein Charakteristikum aller Interfaces. Die metallische Seite
ist elektronenreich und kann kein Feld stabilisieren, das nur durch die Halbleiterseite
aufrechterhalten wird.
Vakuumniveau
Fm - FscWsc - Fsc
EF
EF
+
+
+
Metall
Eg
Energie [a. u.]
Wm - Fsc
Wsc - Fsc
Fsc - Wm
EF
EF
Eg
Metall
VB
VB
x [a. u.]
Wsc - Wm
CB
+
+
+
Energie [a. u.]
Vakuumniveau
x [a. u.]
Abb. 4.24. Hetero-Kontakt II: Nach der Kontaktierung haben sich die Fermi-Energien
des Metalls und des n-Halbleiters auf gleiches Niveau eingestellt. Lks. haben wir eine
Flächenladung von Elektronen auf der Seite des Metalls, re. dagegen eine Akkumulation
von Elektronen auf der Halbleiterseite und eine positive Flächenladung auf dem Metall.
Das auf die Elektronen wirkende Feld haben wir in I, Aufgaben 5.1 + 5.2, besprochen (Bildkraft).
Auf der rechten Seite aber haben wir in der Grenzzone die Dichte der Majoritätsträger durch den Elektronenfluß in den n-Halbleiter erhöht. Die Fermi-Energie
liegt oberhalb der Bandkante; in dieser Grenzzone handelt es sich also um einen entarteten Halbleiter mit metallischer Leitfähigkeit! Damit wird die Ausdehnung dieser
Raumladungszone sehr gering sein, und sie ist identisch mit der Debye-Länge. Deswegen ist sie in Abb. 4.24.2 nicht eingezeichnet.
Betrachten wir nach Poisson diese Ladungsanhäufung wieder unter dem Aspekt
der Felderzeugung, sehen wir umgekehrt, daß dieses durch die hohe Dichte an freien
Ladungsträgern sehr schnell unwirksam gemacht wird.
4.5 Hetero-Übergang
121
Tabelle 4.3. Austrittsarbeiten WA für verschiedenen Systeme. WA hängt stark von der
Oberflächenbeschaffenheit und der Kristallorientierung, weniger dagegen von der kristallographischen Richtung ab [?].
Material Austrittsarbeit WA
[eV]
Na
2,28
K
2,25
Ba
1, 8 − 2, 52
BaO
1,0
LaB6
2,14
Al
3, 0 − 4, 2
Cu
4, 3 − 4, 5
Ag
4, 05 − 4, 6
Au
4, 8 − 5, 4
W
4,5
Si
4, 4 − 4, 7
4.5.2 Nichtgleichgewichtszustand
Bei Anlegen einer elektrischen Spannung in Flußrichtung,8 also ⊕-Pol am Metall, ⊖Pol am Halbleiter, womit die potentielle Energie auf der Halbleiterseite steigt, und
die auf der Metallseite sinkt (es handelt sich um negative Ladungsträger!),9 findet
leicht ein Elektronenfluß vom Halbleiter ins Metall statt, der sog. Vorwärtsstrom;
und es wird das Entstehen einer Raumladungszone unterdrückt. Die Dichte der freien
Ladungsträger und der Dotieratome ist im Halbleiter gleich und klein zur Ladungsträgerdichte im Metall (Abb. 4.25.1).
Für den zweiten Fall ist der Stromfluß für die Elektronen aus dem Halbleiter in
das Metall ebenfalls leicht möglich, die Begrenzung des Stroms wird jedenfalls nicht
durch diesen Kontakt bestimmt (Abb. 4.25.2).
Im umgekehrten Fall (⊕-Pol am Halbleiter, ⊖-Pol am Metall: die potentielle Energie auf der Halbleiterseite sinkt, die auf der Metallseite steigt) wird dagegen die Raumladungszone vergrößert, und es fließt — bis auf den sehr kleinen Sperrstrom, der auf
quantenmechanisches Tunneln oder auf thermische Elektronen zurückgeführt wird —
kein Strom (Abb. 4.26.1).
Dagegen ist im zweiten Fall es für die Elektronen aus dem Metall leicht möglich,
in den Halbleiter zu fließen (Abb. 4.26.2).
8
Die Konvention ist, daß externe Spannungen und Ströme in Durchlaßrichtung als positiv, die in
Sperrichtung dagegen als negativ gewertet werden.
9
Für positive Ladungsträger steigt das Potential, wenn es sich zahlenmäßig erhöht, für negative
Ladungsträger nimmt es dagegen ab. Umgekehrt erhöht sich das Potential für negative Ladungsträger, wenn sich sein Wert erniedrigt: Elektronen laufen abwärts, Löcher dagegen aufwärts!
122
4 Halbleiter
Vakuumniveau
Vakuumniveau
Vakuumniveau
+U
Eg
Metall
Fsc - Wm + U
Wsc - Wm
CB
EF
EF + U
X
EF
Wsc - Fsc
X
W
Wm - Fsc + U
CB
EF
W
Fm - FscWsc - Fsc
V Energie [a. u.]
U
Energie [a. u.]
Vakuumniveau
+U
Eg
Metall
VB
VB
x [a. u.]
x [a. u.]
Abb. 4.25. Hetero-Kontakt III: Bei Anlegen einer Spannung mit ⊕-Pol auf der Metallseite
und ⊖-Pol auf der Halbleiterseite fließen in beiden Fällen leicht Ströme. Lks.: Es muß eine
Aktivierungsenergie überwunden werden, der Strom wird exponentiell zunehmen, re.: keine
systemimmanente Barriere bedeutet Freie Fahrt.
Eg
Metall
Wsc - Fsc
W
Fsc - Wm - U
W
EF
Energie [a. u.]
/
Wsc - Fsc
U
EF -/U
Fm - Fsc
W
W
W
Energie [a. u.]
Wm - Fsc - U
Vakuumniveau
CB
EF
EF
Eg
Metall
VB
VB
x [a. u.]
Wsc - Wm
U
Vakuumniveau
-U
Vakuumniveau
x [a. u.]
Abb. 4.26. Hetero-Kontakt IV: Bei Anlegen einer Spannung mit ⊖-Pol auf der Metallseite
und ⊕-Pol auf der Halbleiterseite fließt nur im Fall Wm < Wsc ein Strom, dazu auch noch
unbehindert (Ohmsche Charakteristik). Im Fall Wm > Wsc dagegen fließt kein Strom, denn
bei beiden Fällen muß eine Energiebarriere überwunden werden, im Falle Halbleiter →
Metall ist die Reaktion zusätzlich endotherm“.
”
Im ersten Fall haben wir einen Schottky-Kontakt, im zweiten dagegen einen
Ohmschen Kontakt erzeugt. Die Kennlinie des Ohmschen Kontaktes ist linear, die
des Schottky-Kontaktes dagegen extrem nichtlinear. Im Falle U = 0 fließt effektiv
kein Strom, jedoch ein Diffusionsstrom vom n-Halbleiter zum Metall, der durch den
Potentialsprung ausgelösten Konvektionsstrom in umgekehrter Richtung kompensiert
wird. Die technische Ausführung ist in Abb. 4.27 gezeigt.
4.6 p-n-Übergänge
123
Metall
(Anode)
SchottkyKontakt
n-SC
SiO2
+
n -SC
ohmscher Kontakt
Metall (Kathode)
Abb. 4.27. Hetero-Kontakt V: Aufbau einer Hetero-Diode in Planartechnik. Für WM > Φsc Ohmscher
Kontakt, für WM < Φsc Schottky-Kontakt.
Der so definierte Schottky-Kontakt zeigt also gleichrichtendes Verhalten wie
der nun zu besprechende p − n-Übergang, aber ohne Speicher- und Trägheitswirkung, weil sein Verhalten nur von den (nahezu trägheitslosen) Elektronen (Majoritätsträger im n-Material) bestimmt wird. Beim Umschalten vom forward-Zustand
in den reverse-Betrieb müssen keine gespeicherten Ladungsträger aus der Raumladungszone ausgeräumt werden. Deswegen können Schottky-Dioden besonders bei
sehr hohen Frequenzen eingesetzt werden.
Der Schottky-Kontakt steht zwischen dem reinen p-n-Kontakt und dem Ohmschen Kontakt. Da die Dicke der Randschicht umgekehrt proportional zur Dichte der
Donatoratome ist, kann sie bei starker Dotierung vernachlässigbar schmal werden.
In einem anderen Bild rutscht die Fermi-Energie in das Leitungsband hinein, was
Entartung bedeutet: Der Halbleiter ist so hoch dotiert, daß metallische Leitfähigkeit
erreicht worden ist.
4.6 p-n-Übergänge
4.6.1 Thermisches Gleichgewicht
Durch die n-Dotierung wird das Fermi-Niveau EF für Elektronen von 1/2 Eg dicht
an die Kante des Leitungsbandes (CB) geschoben (bei T = 0 K genau in die Mitte
zwischen Donatorniveau Ed und Unterkante Leitungsband). Auf der p-Seite dagegen
befindet sich EF dicht am Valenzband (bei T = 0 K genau in der Mitte zwischen
Oberkante Valenzband und Acceptorniveaus Ea ). Bringt man n- und p-dotierte Bereiche zueinander, müssen sich die Fermi-Niveaus angleichen. Folglich wird solange
ein Strom von Elektronen auf die p-Seite und von Löchern auf die n-Seite fließen, bis
sich die unterschiedlichen Fermi-Niveaus angeglichen haben (Abb. 4.28). Dadurch
entstehen
• eine Verarmungszone beweglicher Ladungsträger an den Kontaktflächen,
124
4 Halbleiter
• eine Raumladungszone negativer Ladungsträger auf der p-Seite,
• eine Raumladungszone positiver Ladungsträger auf der n-Seite,
Energie [a. u.]
die ortsfest sind. Diese erzeugen ein zusätzliches Feld, das einen Potentialsprung bewirkt [Kontaktspannung im Metall (s. Kap. 2), hier Diffusionsspannung UD , die zu
einer Bandverbiegung Anlaß gibt]. Nur die Tatsache, daß die Ladungsträgerdichte in der Verarmungszone abgesunken ist, wodurch sich der spezifische Widerstand
erhöht, läßt ein Gleichgewicht zu (sonst würde durch einen erhöhten Stromfluß diese
Zone schnell weiter verarmen und kollabieren).
Eg
n
ED
E
CB
EF
EF
Eg
p
VB
Abb. 4.28. Kontakt zwischen n- und
p-Halbleiter führt zum Ladungstransport und zum Ausgleich der unterschiedlich hohen Fermi-Niveaus. E ist
die Anregungsenergie auf der p-Seite.
x [a. u.]
Wie groß sind die Ströme von Löchern und Elektronen? Die Elektronendichte
auf der p-Seite ist proportional zur Differenz des Fermi-Niveaus bis Unterkante Leitungsband: E, also e−E/kB T , jedes Elektron, das diese Energie hat, wird zur n-Seite
hinunterfallen. Die Dichte auf der n-Seite ist proportional e−(Eg −EF )/kB T , der Strom
ist proportional diesem Term. Zusätzlich muß noch die Energiebarriere von (Eg − EF )
bis E überwunden werden, also das Produkt aus den beiden Boltzmann-Termen:
jp→n = const e−E/kB T ;
(4.43.1)
jn→p = const e−(Eg −EF )/kB T · e−[E−(Eg −EF )]/kB T :
(4.43.2)
die Elektronenströme sind entgegengesetzt gleich, also kein Strom negativer Ladungsträger. Gleiche Argumentation für die Löcher.
Im thermischen Gleichgewicht werden die Diffusionsströme den durch das entstandene elektrische Feld induzierten Driftströmen gleich sein. Auch sind bei gleich
hoher Dotierungsdichte die Verarmungszonen symmetrisch tief. Bei ungleicher Dotierungsdichte breitet sich die Raumladungszone tiefer in das weniger stark dotierte
Gebiet aus.
4.6 p-n-Übergänge
125
4.6.2 Elektrische Gleichrichtung bei externer Spannung
Legt man eine externe Spannung an, wird das thermodynamische Gleichgewicht aufgehoben. Dabei wird der Fermi-Energie die äußere Spannung V aufgeprägt. Wegen
der Verschiebung der Fermi-Energie in extrinsischen Halbleitern kommt es nun bei
angelegter externer Spannung zum Stromfluß (Driftstrom) oder zur Sperrung. Weil
man sich nun nicht mehr im Gleichgewicht befindet, spricht man von Quasi-FermiNiveaus. Dabei sind nun zwei Fälle möglich (⊕-Pol: Quelle der Elektronen, ⊖-Pol:
Quelle der Löcher):
1. ⊕-Pol auf der p-Seite, ⊖-Pol auf der n-Seite: sog. Durchlaßrichtung oder forward
bias: der Strom erhöht sich mit der Spannung exponentiell;
2. ⊕-Pol auf der n-Seite, ⊖-Pol auf der p-Seite, sog. Sperr-Richtung oder reverse
bias: der Strom verringert sich exponentiell mit steigender Spannung.
4.6.3 Durchlaßrichtung
Energie [a. u.]
An die n-Seite wird der Minuspol angelegt, an die p-Seite der Pluspol, und wir erhöhen
das Potential der Elektronen, und die n-Seite steigt um −e0 Uext = +e0 Uext (oder die pSeite rutscht um +e0 Uext nach unten, Abb. 4.29). Damit werden die Energiebarriere
gegenüber dem spannungsfreien Fall (unbiased) kleiner und die Raumladungszone
schmäler, nach Gl. (4.41) ist
q das Verhalten etwa
dRLZ (Uext ) = dRLZ (U = 0) 1 − Uext /UD .
Eg
n
E
EF
CB
EF
e0V
EF
p
Eg
VB
Abb. 4.29. Durchlaßrichtung: durch
die n-Dotierung wird das Fermi-Niveau EF für Elektronen von
1/ E
2 g dicht an die Kante des Leitungsbandes (CB) geschoben. Auf
der p-Seite dagegen befindet sich EF
dicht am Valenzband. Der Stromfluß
der Elektronen von n → p wird im
Nichtgleichgewicht durch die Lage
der Quasi-Fermi-Niveaus bestimmt:
downhill“ bedeutet Freie Fahrt.
”
x [a. u.]
• p-Seite: Hier sind die Elektronen Minoritätsträger. Ihre energetische Richtung
ist downhill“: Es gibt keinen Energieberg, der von ihnen überwunden werden
”
müßte. Deren Dichte ist proportional e−E/kB T . Jedes Elektron, das diese Energie
hat, wird zur n-Seite hinunterfallen. Also ist der Strom nach Gl. (4.43.1):
jp→n = const e−E/kB T ;
(4.44)
126
4 Halbleiter
• n-Seite: Hier sind die Elektronen Majoritätsträger. Die Richtung ist uphill“,
”
ursprünglich der Energieberg mit dem Betrag Eg − EF , der um e0 V vermindert
wird, so daß nun viel mehr Elektronenauf der n-Seite (und Löcher auf der pSeite) genügend Energie haben, um über den Energieberg zu gelangen. Damit
wird der Strom von n → p:
jn→p = const e−(Eg −EF )/kB T · e−[E−(Eg −EF )]/kB T · ee0 V /kB T ,
jn→p = const e−(E−e0 V )/kB T ,
(4.45.1)
(4.45.2)
so daß der Gesamtstrom wird (sog. Schottky-Näherung):
j = jp→n + jn→p = const e−E/kB T ee0 V /kB T − 1 .
(4.46)
Damit ein nennenswerter Strom fließt, muß zunächst die durch die Diffusionsspannung
aufgebaute Barriere zwischen n- und p-Bereich abgebaut worden sein. Daher steigt
der Strom erst nach Anlegen der Schleusenspannung“ (ca. 0,5 V) steil an.10
”
Was geschieht mit der Bandstruktur weit entfernt vom p-n-Übergang? In der
Raumladungszone ist wegen der Ladungsträgerverarmung der spezifische Widerstand
am höchsten. Damit fällt die externe Spannung Uext fast vollständig dort ab. Damit
kann sich die Bandstruktur in großer Entfernung von der RLZ nicht ändern.
4.6.4 Sperr-Richtung
Energie [a. u.]
Die n-Seite wird abgesenkt oder p-Seite wird angehoben (Abb. 4.30); die Potentialdifferenz ist also größer als im spannungsfreien Fall.
Eg
E
n
EF
CB
EF
e0V
EF
p
Eg
VB
Abb. 4.30. Sperr-Richtung: durch die
n-Dotierung wird das Fermi-Niveau
EF für Elektronen von 1/2 Eg dicht an
die Kante des Leitungsbandes (CB)
geschoben. Auf der p-Seite dagegen
befindet sich EF dicht am Valenzband.
Der Stromfluß der Elektronen von
n → p wird auch hier durch die Lage
der Quasi-Fermi-Niveaus bestimmt:
uphill“ bedeutet Stopp.
”
x [a. u.]
10
Es müßten auch die in reverse-Richtung fließenden Ströme berechnet werden. Deren Größe ist
durch das generative Verhalten der Minoritätsträger an der Raumladungszone bedingt, d. h. rein
thermisch. Es ändert sich also nicht durch die angelegte Spannung.
4.6 p-n-Übergänge
127
• p-Seite: Die Richtung ist downhill“: es gibt keinen Energieberg, der von Elek”
tronen überwunden werden müßte. Deren Dichte ist proportional e−E/kB T . Jedes Elektron, das diese Energie hat, wird zur n-Seite hinunterfallen. Also ist der
Strom nach Gl. (4.43.1):
jp→n = const e−E/kB T ;
(4.47)
• n-Seite: Die Richtung ist uphill“, ursprünglich der Energieberg mit dem Betrag
”
Eg − EF , der um e0 V angehoben wird. Damit wird der Strom von n → p
vermindert:
jn→p = const e−(Eg −EF )/kB T · e−[E−(Eg −EF )]/kB T · e−e0 V /kB T ,
jn→p = const e−(E+e0 V )/kB T ,
(4.48.1)
(4.48.2)
so daß der Gesamtstrom wird:
j = jp→n + jn→p = const e−E/kB T e−e0 V /kB T − 1 .
(4.49)
Für den Rückwärtsstrom gilt das oben Gesagte.
4.6.5 Kennlinie der Diode
Die beiden Gleichungen für die Dichten der Gesamtströme [Gln. (4.46) und (4.49)]
sind gleich bis auf das Vorzeichen von e−e0 V /kB T :
j = jp→n + jn→p = const e−E/kB T e|e0 |V /kB T − 1 .
(4.50)
2
j [mA/cm ]
30
20
forward
10
reverse
0
-20 -15 -10
-5
0
5
U [mV]
10
15
20
Die graphische Darstellung zeigt (Abb. 4.31):
Abb. 4.31. Ein p-n-Übergang zeigt
gleichrichtendes Verhalten und ist damit einer Vakuumröhre vergleichbar.
Allerdings ist die Vorwärtsrichtung
hier wesentlich nichtlinearer.
128
4 Halbleiter
• Der R-Strom (reverse biased) ist nur einige mA/cm2 .
• Der F -Strom (forward biased) dagegen steigt exponentiell an.
Wird in R-Richtung die Spannung weiter erhöht (also stärker negativ gemacht),
dann bricht der Strom irgendwann, oft erst bei einigen hundert V, durch (Lawine
oder Avalanche). Der maximale F -Strom von einigen A/cm2 wird dagegen bereits bei
einigen V erreicht: gleichrichtendes Verhalten, Abb. 4.32.
2.0
0
1.0
j [mA/cm2]
j [mA/cm2]
-10
-100 °C
-50 °C
25 °C
Null-Linie
1.5
0.5
-20
-100 °C
-50 °C
25 °C
Null-Linie
-30
-40
0.0
0.00
0.25
0.50
0.75
1.00
U [V]
1.25
-50
-600 -550
-500 -450 -400 -350
U [V]
-300
Abb. 4.32. Durchlaß- und Sperr-Richtung einer Diode.
Die Gl. (4.50) besteht aus zwei Teilen, der Konstanten mit Exponentialterm, dem
Sperrstrom, und einem zweiten Term in der Klammer, dem sog. Diffusionsstrom,
ebenfalls mit Exponentialterm. Sie ist in der Literatur unter dem Namen ShockleyGleichung bekannt, der der Kopf der Forschergruppe war, die Ende der 1940iger Jahre
bei den Bell Labs den Transistor erfand.
4.7 Bandstrukturen
4.7.1 Krümmung der Bänder
Am Beginn dieses Kapitels machten wir die vereinfachende Annahme, daß die Bänder
unserer Halbleiter (entweder IV/IV wie Si oder Ge oder III/V wie GaAs) sp3 -Hybride
sind, die also aus einem doppelt besetzten s-Zustand und einem doppelt besetzten
p-Zustand entstehen. Dieser kann insgesamt sechs Elektronen aufnehmen. Als sp3 Hybrid kann der Halbleiter in das bindende Band vier und in das antibindende Band
ebenfalls vier Elektronen aufnehmen, die bei 0 K entweder voll besetzt oder gänzlich
leer sind (Abb. 4.33). Natürlich ist das eine unrealistische Annahme.
Wie sich bei genauerer Betrachtung zeigt, besteht das Valenzband aus vier
Bändern, die s- oder p-Charakter tragen und ineinander verschachtelt sind. Der Über-
4.7 Bandstrukturen
129
gang von einem atomaren System hin zu einem unendlich ausgedehnten Verbund ist
nochmals in den Abbn. 4.34 dargestellt.
0.25
E [Rydberg]
p
Eg
s
0.00
Gitterabstand
im Festkörper
-0.25
2
3
4
Abb. 4.33.
Vereinfachte Darstellung der Aufspaltung in Bänder
bei Reduktion des Atomabstandes.
In der traditionellen Darstellung
eines sp3 -Hybriden passen in das
Valenzband vier Elektronen hinein,
das damit vollständig gefüllt ist.
5
R [a0]
Das Gap liegt zwischen einem (bindenden) Band mit p-Charakter und einem (antibindenden) Band mit s-Charakter. s-Elektronen haben eine Nebenquantenzahl von
0 und damit keinen Bahndrehimpuls (L = 0h̄), p-Elektronen haben eine Nebenquantenzahl von 1 und damit einen Bahndrehimpuls von L = 1h̄. Dieser koppelt mit dem
Spin (s = 1/2 h̄), und so entstehen die drei Subbänder, entweder mit J = 1/2 oder mit
J = 3/2 , bezeichnet als p3/2 (vierfach entartet, da die Multiplizität gegeben ist nach
2J + 1) oder p1/2 (doppelt entartet), insgesamt also acht Bänder für acht Elektronen,
vier im Valenz- und vier im Leitungsband. Die p3/2 -Zustände haben eine höhere Energie als die p1/2 -Zustände; die Energiedifferenz ist ein Maß für die Spin-Bahn-Kopplung.
Für verschwindende Spin-Bahn-Kopplung wären die bindenden Lochbänder also bei
k = 0 entartet, so führt diese zur Abspaltung eines Valenzbandes [?].
4.7.2 Elementare Betrachtungen zur Bandstruktur
Damit ist zwar die Krümmung des Valenz- und Leitungsbandes erklärt, aber nicht
die Bandstruktur in den Halbleitern, die hier natürlich nur qualitativ verlaufen kann.
Die Diamantstruktur ist ein fcc-Gitter mit einer zweiatomigen Basis bei (0, 0, 0)
und (1/4 , 1/4 , 1/4 ), was man auch beschreiben kann mit als zwei ineinandergeschobene
fcc-Gitter, wobei der Ursprung des zweiten Gitters auf der Raumdiagonalen des ersten
√
Gitters liegt. Damit beträgt der Abstand zu den vier nächsten Nachbarn 1/4 a 3.
Das Diamantgitter ist kein Bravais-Gitter (wenn man sich beliebige Gitterpunkte
aussucht und in einer Richtung betrachtet, ergeben sich nämlich verschiedene Gitter!),
und daher läßt sich die Wigner-Seitz-Zelle nicht durch das in Kap. 1 beschriebene
Verfahren gewinnen. Vielmehr muß auf die konventionelle“ Methode zurückgegriffen
”
werden.
Aus wieviel Atomen besteht die Elementarzelle? Der erste Kubus bringt 8 · 1/8 + 6 ·
1
/2 = 4 Atome, vom zweiten kommt das Ursprungsatom und drei Flächenmittenatome
zu 100 % dazu (nämlich die Mittenatome der drei Flächen, die vom Ursprungsatom des
zweiten Kubus ausgehen; die anderen sieben Eckatome sind natürlich alle draußen),
130
4 Halbleiter
3/2
1/2
p
Egap
Atom
p
3/2
3/2
Atom
1/2
1/2
s
Molekül
Kristall
s
Molekül
Abb. 4.34. Genauere Darstellung der Transformation von atomaren Zuständen über molekulare Zustände zu Zuständen im Festkörper. Die vier atomaren Zustände spalten in zwei
Zustände auf, die jeweils vier Elektronen enthalten. Es entsteht eine Substruktur aus einem s- und drei p-Zuständen. Durch das Zusammenbringen vieler Zentren verschmieren die
einzelnen Zustände entlang von Morse-Kurven zu Bändern; die energetische Aufspaltung
hängt dabei — wie bei Molekülen — von der Stärke der Wechselwirkung und vom Symmetrietyp ab. Wie bei Molekülen führt die Aufspaltung zu Zuständen mit einer Energie,
die kleiner oder größer als die des Ausgangszustandes sind.
also nochmal vier. Damit besteht die Elementarzelle aus 2 · 4 = 8 Atomen. Jedes CAtom ist tetraedrisch von vier weiteren C-Atomen umgeben, und die Tetraeder sind
über ihre Ecken miteinander verknüpft. Die vier Atome des zweiten Kubus werden am
besten als Zentren der vier Tetraeder gedeutet, die im ersten Kubus gerade vollständig
untergebracht werden können (Abb. 4.35). Vier Eckatome werden nicht benötigt. Also
besteht die Elementarzelle aus dem Zentralatom und vier Ligandenatomen, die zu
einem Viertel gezählt werden, folglich besteht die Basis aus zwei Atomen.
Die Koordinaten der vier Atome des zweiten Kubus sind:
1. (1/4 , 1/4 , 1/4 ),
2. (1/4 , 1/4 + 1/2 , 1/4 + 1/2 ),
3. (1/4 + 1/2 , 1/4 + 1/2 , 1/4 ),
4.7 Bandstrukturen
131
4. (1/4 + 1/2 , 1/4 , 1/4 + 1/2 ).
2
4
1
3
Abb. 4.35. Die Diamantstruktur besteht aus zwei ineinandergeschobenen
fcc-Gittern. Im ersten Kubus sind insgesamt vier Tetraeder ungebracht, deren Zentren aus Atomen des zweiten
Kubus bestehen (blau und rot), und
die sich jeweils ein gemeinsames Ligandenatom (grün) teilen. Drei Ligandenatome sind Atome der Flächenmitte, ein Atom ein Eckatom.
Die Wigner-Seitz-Zelle besteht aus zwei Atomen, die also insgesamt acht Elektronen mitbringen. Die werden in ein s- und ein p-Band eingelagert, jenes einfach,
dieses dreifach entartet.
Das zur fcc-Struktur reziproke Gitter ist aber das bcc-Gitter, d. h. unsere Brillouin-Zone ist kubisch-raumzentriert.
Am Γ-Punkt und in seiner Umgebung erwarten wir ein parabolisches Band mit
s-Charakter (also nach oben offene Parabel) und ein p-Band, eine nach unten offene
Parabel.
4.7.3 Bandstruktur eines direkten Halbleiters
Der tatsächliche Verlauf der Bandstruktur ergibt allerdings zahlreiche neue Aspekte.
Da dieser für direkte Halbleiter suggestiver ist, beginnen wir damit und beschreiben
zunächst qualitativ den Kurvenverlauf (Abbn. 4.36/4.37). In der Legende sind auch
die Definitionen enthalten. Wegen der Anisotropie des Kristalls sind die Bänder in
[100]- und [111]-Richtung unterschiedlich — in einem Diamantgitter gibt es insgesamt
14 solcher Richtungen (6 in [100]-, 8 in [111]-Richtung) —, was im Diagramm zum
Ausdruck kommt, das mit einer nichtlokalen Pseudopotentialmethode berechnet wurde. Dafür werden die Kernelektronen als fest gebunden betrachtet; das entstehende
Potential ist das Pseudopotential. Hierfür gibt es verschiedene Näherungen, z. B. das
Ashcroftsche empty-core potential. Typisch für einen sog. direkten Halbleiter wie
GaAs ist, daß die Gapenergie, also der kleinste Abstand zwischen dem Maximum des
Valenzbandes (hier: das p3/2 -Band) und dem Minimum des Leitungsbandes (hier: das
unbesetzte s-Band), bei gleichem k liegt, hier bei k = 0, also im Zentrum der BZ.
Im reduzierten Zonenschema beobachten wir Bänder, die entweder ihr Minimum
(s-Typ) oder ihr Maximum (p-Typ) am Γ-Punkt bei k = 0 aufweisen, aber durchaus auch solche, die das am X-Punkt tun (X-Punkt: Zonengrenze in [100]-Richtung,
k = πa (0, 0, 1)). Während die s-Bänder im Charakter etwa das Dispersionsverhalten
132
4 Halbleiter
Abb. 4.36. Die Bandstruktur von
GaAs für die 1. Brillouin-Zone.
Die unterste Kurve ist das s1/2 -Band
mit Minimum bei k = 0, dann
folgt das p1/2 -Band, das breite Band
darüber mit geringer Neigung ist
das p3/2 -Band, dessen Entartung in
der [111]-Richtung aufgehoben ist
(spin-orbit-splitting. Termsymbole ohne Berücksichtigung des Spins) [?].
8
4
L3
Energie [eV]
L1
0
X7
X6
Egap
L3
L1
-4
L1
p3/2
X5
p1/2
X1,X3
-8
X1,X3
L2
-12
p/a
0
k111
k100 p/a
8
z
L3
4
L
Energie [eV]
L1
L
G
U
L
x
S
W
K
0
y
U,K
L3
L1
-4
-8
X
Egap
p3/2
X6
X5
X1,X3
p1/2
L1
L2
-12
X1,X3
p/a
[111]
0
p/a
[100]
2p/a
Abb. 4.37. Die Bandstruktur von GaAs, berechnet mit einer nichtlokalen Pseudopotentialmethode, in zusätzlichen anderen Richtungen, die mit der 1. BZ lks. definiert werden.
Eingezeichnet sind die Termsymbole. Die unterste Kurve ist wieder das s1/2 -Band mit Minimum bei k = 0, dann folgt das p1/2 -Band, das breite Band darüber mit geringer Neigung ist
das p3/2 -Band, dessen Entartung in der [111]-Richtung aufgehoben ist (spin-orbit-coupling).
Die Zonengrenze in der [111]-Richtung liegt bei L [k = πa (1, 1, 1)], die in der [100]-Richtung
bei X [k = πa (0, 0, 1)]. Γ bezeichnet den Ursprung der Brillouin-Zone mit k = 0.
(E(k)-Zusammenhang) eines einfachen Metalls zeigen, wie es im reduzierten Zonenschema in der Abb. 3.9 dargestellt ist (Energieminimum bei k = 0, dem sog. ΓPunkt), haben die insgesamt drei p-Bänder dort ihr Maximum. Da dieses Maximum
in kubischen Systemen, zu denen GaAs bekanntlich gehört, nahezu isotrop ist, ist die
Krümmung aller drei Bänder dort nahezu gleich: die effektive Masse der Löcher ist
am Γ-Punkt gleich, und darüber hinaus sind die Bänder dort schwer unterscheidbar,
was die anfangs gemachte Vereinfachung rechtfertigt. Jedes dieser vier Bänder kann
nun mit einem Elektron besetzt werden.
4.7 Bandstrukturen
133
Zunächst wird das s-Band aufgefüllt. Wie aus den Abbn. 4.36/37 ersichtlich, findet
die Auffüllung sehr symmetrisch in den beiden ausgezeichneten Richtungen statt. Ist
dieses Band mit einem Elektron pro abgebendem Atom gefüllt, folgt das p1/2 -Band,
das sein Maximum am Γ-Punkt bei k = 0 hat. Insgesamt enthalten diese Bänder also
zwei Elektronen pro Atom.
Das p3/2 -Band ist an den Zonengrenzen leicht gespaltet (s. a. Bandstruktur von
GaAs), dagegen für kleine k meist ununterscheidbar, hier werden pro Atom weitere
zwei Elektronen eingefüllt, damit ist auch dieses Band vollständig gefüllt. Wie aus
dem Diagramm ersichtlich, liegt das Maximum des p1/2 -Bandes energetisch um die
sog. Spin-Bahnaufspaltung ∆ unter dem Maximum der p3/2 -Bänder. Die am Γ-Punkt
zweifach entarteten Bänder bilden also das Energiemaximum des Valenzbandes.11
Wie wir an der unterschiedlichen Krümmung der Lochbänder erkennen, ist die
effektive Masse der Löcher offenbar stark unterschiedlich. Die Lochzustände der p3/2 Bänder heißen schwere/leichte Löcher oder heavy/light holes (hh oder lh), die des
p1/2 -Bandes Spin-Bahn-Löcher oder spin-orbit holes (soh), die in Tab. 4.4 für direkte
und indirekte Löcher zusammengestellt sind [?].
Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Bezeichnung als s-Band oder
p-Band suggeriert, daß der Bahndrehimpuls, der in einem Zentralfeld gut definiert ist,
dies auch in einem unendlich ausgedehnten Kristallfeld ist, das doch aus der Überlagerung einzelner atomarer Potentiale entstanden ist. Einem Bloch-Zustand kann man
aber prinzipiell keinen eindeutigen Bahndrehimpuls zuordnen. Allerdings kann man
einen Bloch-Zustand nach Kugelfunktionen entwickeln, und da zeigen sich manchmal drastische Abweichungen des Charakters, besonders bei Übergangsmetallen.
4.7.4 Bandstruktur eines indirekten Halbleiters
Der Verlauf der Bandstruktur für Silicium ist noch komplizierter als der für GaAs
(Abb. 4.38).
4
L3
Energie [eV]
L1
Egap
0
X1
L3
p3/2
-4
-8
L1
X4
p1/2
X1
L2
-12
p/a
k111
0
k100
Abb. 4.38. Bandstruktur des Siliciums mit indirektem Gap, das zwischen
einem Band mit p-Charakter und
einem Band mit s-Charakter liegt.
Spin-orbit-coupling ist vernachlässigt.
p/a
Die Unterschiede können wie folgt zusammengefaßt werden:
11
dabei wird die Spinentartung nicht mitgezählt!
134
4 Halbleiter
Tabelle 4.4. Gapenergie, Energie der Spin-Bahn-Kopplung und effektive Massen m∗ der
Elektronen und Valenzbandlöcher für verschiedene Halbleiter [?].
HL
GaAs
InP
Si
Ge
Gapenergie
[eV]
1,52
1,42
1,17
0,744
Kopplungsenergie
[eV]
0,34
0,11
0,044
0,29
m∗e
m∗lh
m∗hh
m∗soh
0,07
0,073
0,98
1,57
0,12
0,078
0,15
0,043
0,68
0,4
0,5
0,32
0,2
0,15
• Das Maximum des p3/2 -Bandes (liegt am Γ-Punkt bei k = 0) und das Minimum
des s1/2 -Bandes (liegt auf der Zonengrenze bei L) liegen bei unterschiedlichen
k-Werten, bei Si am X-Punkt.
• Beim Auffüllen des s-Bandes beobachtet man (Abb. 4.38), daß das Band in
[111]-Richtung eher gefüllt ist als in [100]-Richtung. Ist dieses Band jedoch
gefüllt, ist ein kontinuierlicher Übergang in das erste p-Band auf der [100]-Seite
möglich, dem p1/2 -Band. Es besteht daher in dieser Richtung kein Gap zwischen
s- und p-Band, und diese Bänder verlaufen daher ineinander; der Charakter
der Elektronen ist folglich hybrid zwischen s und p; insgesamt enthält dieses
Hybridband zwei Elektronen pro Atom.
4.7.5 Übergänge im direkten und indirekten Halbleiter
Interband-Übergänge in einem direkten Halbleiter erfolgen photonisch, da der Impuls
eines Photons bei den Energien von einigen eV vernachlässigbar ist. Daher ist der
Übergang vertikal (Abb. 4.39).
4
X6
Energie [eV]
L1
Egap
0
p3/2
L3
L1
X5
p1/2
-4
L1
p/a
X1,X3
k111
0
k100 p/a
Abb. 4.39. Interband-Übergang in einem direkten Halbleiter. Der Absorptionskoeffizient nimmt steil um 3 bis
4 Größenordnungen zu: Absorptionskante.
4.7 Bandstrukturen
135
Es ist offensichtlich, daß der Impulssatz in einem indirekten Halbleiter rein photonisch nicht gelten kann. Da aber wegen der sehr geringen Geschwindigkeit der
Phononen (vs = ωk ) umgekehrt Phononen bereits bei sehr niedrigen Energien einen
großen Impulsbetrag aufweisen, kann ein Interband-Übergang durch einen kombinierten Photon-/Phonon-Prozeß erfolgen (Abb. 4.40). Umgekehrt sind die thermischen
Phononenenergien (0, 01 − 0, 03 eV) klein gegenüber dem Energiegap (bis zu einige
eV).
4
L3
Energie [eV]
L1
0
Egap hw
L3
X4
p3/2
-4
-8
X1
hW
L1
p1/2
X1
L2
-12
p/a k111
k100
0
p/a
Abb. 4.40. Interband-Übergang in einem indirekten Halbleiter. Bei gegebener Wellenlänge ist die Phononenenergie h̄Ω sehr klein gegenüber der Photonenenergie h̄ω; daher wird das Phonon
im Dispersionsdiagramm (nahezu) horizontal eingezeichnet: h̄ω = Eg + h̄Ω.
Die Absorption setzt zwar bei ω ein,
aber mit kleinem Absorptionskoeffizienten, um dann bei Erreichen der direkten Bandlücke steil anzusteigen.
Beispiel 4.3 Vergleichen Sie den Impuls einen thermischen Phonons bei einer typischen Schallgeschwindigkeit von 5 · 105 cm/sec mit dem eines gelben Photons! Die
Impulse der Quasiteilchen Photon und Phonon ergeben sich nach der BroglieBeziehung zu p = λh = E/c ∨ E/cs , die Energie des Phonons (0,025 eV) ergibt sich zu
4 · 10−21 J. Da
h̄Ω
E
= ,
h̄k
p
(4.51)
E
= 8 · 10−25 N sec.
cs
(4.52)
E
ω
=
k
p
(4.53
cs =
folgt für den Impuls
p=
Für das Photon ergibt sich aus
c=
p = h̄k = 1, 1 · 10−27 N sec,
(4.54)
also liegt der Impuls eines thermischen Phonons fast drei Größenordnungen über
dem von gelbem Licht (2 eV). Der Impuls eines Photons im UV/VIS/IR-Bereich ist
verglichen mit dem eines Röntgen-Quants vernachlässigbar.
136
4 Halbleiter
Da sich bei dem Stoß eines Photons mit einem Phonon die Energie des Photons
also nahezu nicht ändert, ist
cs
,
c
und die Streulinien sind gegenüber der einfallenden Welle um
Eh̄Ω = Eh̄ω
cs
c
verschoben (Brillouin-Streuung analog zum Compton-Effekt).
∆ω = ω
(4.55)
(4.56)
4.7.6 Rekombination und Lebensdauer
Eine Anregungsmöglichkeit eines Elektrons ins Leitungsband ist ein photonischer Prozeß. Die minimale zur Anregung erforderliche Energie ist die Gapenergie. Das Elektron kann sich nun im Leitungsband frei bewegen. Das gleiche gilt für das gleichzeitig
gebildete Loch im Valenzband. Bei der Diffusion im jeweiligen Band verändert sich
der Impuls. Dieser Prozeß heißt Thermalisierung. Der Zerfall dieses angeregten Zustands und die Wiedervereinigung von Loch und Elektron wird als Rekombination
bezeichnet. Da dieses Elektron-Loch-Paar sich unabhängig voneinander bewegt, geht
die Beziehung zwischen ihnen verloren. Wichtig ist, daß die rekombinierenden Teilchen den gleichen Impuls haben. Bei welcher Energie und welchem Impuls geschieht
die Rekombination?
4.7.6.1 Direkter Halbleiter. In einem direkten Halbleiter wie GaAs ist ∆k = 0,
damit verschwindet der ausgetauschte Impuls, und die Energie des ausgesendeten
Lichtquants entspricht der Gapenergie. Die Prozesse der Anregung und der Rekombination erfolgen nahezu unmittelbar aufeinander: die Lebensdauer des angeregten
Zustands τ in einem direkten Halbleiter bemißt sich nach Nanosekunden. Damit ist
auch die Diffusionslänge sehr klein, und die Beziehung des Random Walk ergibt mit
D dem Diffusionskoeffizienten, τ der Lebensdauer des angeregten Zustands und dem
mittleren Verschiebungsquadrat < x2 >:
< x2 >= 2Dτ.
(4.57)
4.7.6.2 Indirekter Halbleiter. Hier ist ein Übergang nur möglich, wenn der Impuls der beiden agierenden Teilchen durch ein drittes Teilchen egalisiert wird. Dies
kann z. B. durch die Mitwirkung des Quasiteilchens Phonon erfolgen. Eine andere Möglichkeit ist die Rekombination durch Defekte. Aus der ersten Abhängigkeit
kann man schlußfolgern, daß die Lebensdauer der angeregten Zustände bedeutend
länger als in direkten Halbleitern√sein wird; tatsächlich findet man Lebensdauern
von Millisekunden und Werte für < x2 > von größenordnungsmäßig Millimetern in
höchstreinem Silicium. Dieser Wert wird durch Verunreinigungen um Größenordnungen reduziert. Verunreinigende Atome verursachen Kristalldefekte, die sowohl Energie
4.7 Bandstrukturen
137
wie Impuls aufnehmen, und es wird kein Licht emittiert. In Abb. 4.41 wird dies für
die Verunreinigung durch Goldatome in Silicium gezeigt.
-6
te (n-Si)
tp (n-Si)
lg t [sec]
-7
Abb. 4.41. In einem doppelt-logarithmischen Maßstab sieht man die
starke Abhängigkeit der Lebensdauer
τ angeregter Zustände von der Konzentration der verunreinigenden Atome, hier von Gold in n-Silicium [?].
-8
-9
300 K
-10
14
15
16
17
18
-3
lg nAu [cm ]
4.7.6.3 Brechungsindex. Der Brechungsindex der Halbleiter ist hoch (z. B. nSi =
3, 4, nGaAs = 3, 6), was nach der Fresnelschen Theorie zu erheblicher Absorption
führt. Ge mit einem Brechungsindex von 4 absorbiert nach
n−1 2
(4.58)
n+1
gegen Luft einen Anteil von 36 %. Besonders beim Imaginärteil des Brechungsindex
unterscheiden sich aber die beiden Halbleitertypen (Abbn. 4.42 mit Abbn. 4.39/40).
Das die Intensität des Übergangs zwischen dem Grundzustand l und dem angeregten Zustand m bestimmende Matrixelement hatten wir in (I,4) definiert. Dort
hatten wir den Term < m|µ|l >2 identifiziert, der mit der Dichte der Zustände im
Grundzustand l multipliziert werden muß. Gl. (4.4.2) folgend, erwarten wir, daß die
Zustandsdichte proportional der Wurzel aus der Differenz der Energien des Photons
und der Gapenergie ist. Daher ist die Absorption eines direkten Halbleiters (der Absorptionskoeffizient α oder die Extinktion ε) proportional dieser Größe.
Für den indirekten Halbleiter dagegen ist die Wechselwirkung von Photonen mit
Phononen von Bedeutung, wie wir das im Kap. 1 für die Beugung von RöntgenStrahlen diskutiert haben. Dort hatten wir die Gleichung
R=
k′ = k + G
(1.17.1)
mit G einem Vektor des reziproken Gitters erhalten. Hier gilt analog für die Wechselwirkung eines Photons des Wellenvektors k mit einem Phonon des Wellenvektors
K mit den Erhaltungssätzen (Abb. 4.43)
k′ = k + K
(4.59)
138
4 Halbleiter
Abb. 4.42. Der Absorptionskoeffizient α mehrerer Halbleiter gegen die Vakuumwellenlänge
(lks.) und die Energie (re.) für verschiedene direkte und indirekte Halbleiter zeigt deutlich
den Einfluß der Phononen bei der Anregung eines indirekten Halbleiters, beim minimalen Gap sanft einsetzend, während ein direkter Halbleiter eine Absorptionskante zeigt,
die schlagartig um mehrere Größenordnungen ansteigt. Besonders wichtig ist die IR–
Durchlässigkeit der Halbleiter, was sie optisch von den Metallen unterscheidet.
h̄ω ′ = h̄ω + h̄Ω
(4.60)
mit Ω = vs K, wobei vs die (als konstant angenommene) Schallgeschwindigkeit ist.
Dabei ist zu beachten, daß — wie oben im Beisp. 4.3 bereits bemerkt —, vs ≪ c. Ist
also k K, dann folgt
ω = ck ≫ vs K = Ω ⇒ ω ≫ Ω
(4.61)
ω ′ ≈ ω ∧ k ′ ≈ k.
(4.62)
und daraus sofort
Wenn k ≈ k ′ , sieht man aus Abb. 4.43, daß
K ≈ 2k sin 1/2 ϑ.
(4.63)
k ist aber über die Phasengeschwindigkeit und den Brechungsindex über
nω
c
verknüpft, und die Frequenz der erzeugten Phononen wird
k=
2πvs n
2vs nω
sin 1/2 ϑ ⇒ Ω =
sin 1/2 ϑ.
c
λ
Wir haben es also mit einem Zweistufen-Prozeß zu tun (Abb. 4.40):
Ω = vs K ≈
(4.64)
(4.65)
4.7 Bandstrukturen
139
B
B
B
B
k
B
B
!
! B K
B
!!
!#
!
B
!
H #/2
B
HH
B
HH
B
0
H
k
HH B
H
jBN
H
Abb. 4.43. Erzeugung eines Phonons bei Photonenbeschuß. k und k ′ sind klein gegenüber dem Durchmesser der 1. BZ. Daher können Phononen nur im
Zentrum der 1. BZ untersucht werden, wo die Dispersion vernachlässigbar ist (Ehν 1 eV, Eh̄Ω 10−2 eV).
Ist k = k ′ , dann ist die Basis K auszudrücken durch
K = 2k sin 1/2 ϑ.
• Bei unverändertem k wird das Photon absorbiert und
• im zweiten Schritt durch Absorptions oder Emission eines Phonons mit einem
genügend großen Wellenvektor K in den Endzustand überführt.
Die Intensität dieses Übergangs hängt also wesentlich von der Besetzungszahl
der Phononen ab (sie geht linear mit der Temperatur, um bei tiefen Temperaturen
nach Debye mit T 3 abzufallen). Für den Zusammenhang der Gapenergie mit der
Temperatur ergibt sich ein Zusammenhang
Eg =
E0 − αT 2
T +β
(4.66)
mit α, β materialspezifischen Konstanten [?, ?]. Diese Abhängigkeit ist einerseits verursacht durch die Ausdehnung des Gitters mit steigender Temperatur wegen der zunehmenden Abstände der Atome zueinander, wodurch sich auch die Elektronenenergien verändern, zum anderen durch eine Verschiebung der Bänder, insbesondere des
Valenz- und des Leitungsbandes, verursacht durch Elektron-Phonon-Wechselwirkung.
Für T ≪ Θ mit Θ der Debye-Temperatur ist dieser Effekt proportional T 2 , für
T ≫ Θ dagegen proportional T . Für die beiden Übergänge in Silicium ist das in Abb.
4.44 gezeigt.
Beispiel 4.4 Die höchste Frequenz der Phononen in Glas (n = 1, 5) ist für gelbes
Licht (600 nm) bei einer Schallgeschwindigkeit von 500 m/sec nach Gln. (4.51 + 4.65,
sin 1/2 ϑ = 1) gegeben durch
Ω≈
2 × 2π × 1, 5 × (5 × 103 )
≈ 1, 6 × 1011 rad sec−1 .
6 × 10−7
(4.67)
Mit K = Ω/vs wird für den Wellenvektor des Phonons 3, 2 × 107 m−1 .
Weiters ist wegen des Verhältnisses der Wellenlängen von Photon und Elektron
(größenordnungsmäßig ein Faktor 10−4 ) der Wellenvektor des Lichtes klein gegen πa
mit a dem Atomabstand. Damit sind alle drei Wellenvektoren, der des eingestrahlten
140
4 Halbleiter
1.20
4.40
4.35
1.15
1.10
Eg [eV]
Eg [eV]
4.30
1.05
100
200
300
400
4.20
4.15
Si, indirektes Bandgap
1.00
0
4.25
500
600
4.10
0
T [K]
Si, direktes Bandgap
100
200
300
400
500
600
T [K]
Abb. 4.44. Temperaturabhängigkeiten der beiden kleinsten Gapenergien in Silicium. Lks.:
indirekte, re.: direkte Bandlücke nach [?].
Photons, der des wechselwirkenden Phonons und der des gestreuten Photons klein
gegen πa , also klein gegenüber dem Durchmesser der 1. BZ. Phononen können also nur
im Zentrum der 1. BZ untersucht werden. Dort ist die Dispersion ∂ω
vernachlässigbar.
∂k
In Metallen sind zunächst alle optischen direkten und indirekten Übergänge
möglich. Dies erklärt insbesondere die Undurchlässigkeit im IR. Mit steigender Photonenenergie werden dann auch Übergänge in höhere, zunächst unbesetzte Bänder —
wie bei Nichtleitern — möglich. Falls diese Energie im Bereich des VIS oder nahen
UV liegt, ist eine Beeinflussung des sichtbaren Spektrums möglich, z. B. bei Co, Cu
oder Au.
4.7.7 Exzitonen
Eine Absorption von Licht erfolgt in einem Halbleiter offenbar immer dann, wenn
die Energie der Lichtquanten gleich oder größer als die Gapenergie ist. Oft trifft man
aber eine Absorptionsbande an, die eine Energie knapp unterhalb von Eg aufweist.
Diese Bande rührt von Exzitonen“ her. Das Charakteristikum des Exzitonenpeaks
”
besteht darin, daß die Absorption von Licht nicht mit einer Erhöhung der elektrischen
Leitfähigkeit einhergeht, weil bei der Exziton-Absorption ein Elektron-Loch-Paar entsteht. Wegen der attraktiven Wechselwirkung entstehen gebundene Zustände ähnlich
denen im Wasserstoff-Atom, die energetisch unter denen des separierten ElektronLoch-Paars liegen, also innerhalb des Gaps.
Ein Exziton bildet sich, wenn sich Elektron und Loch auf einen Abstand, der
kleiner ist als der Coulomb-Radius rC , annähern:
rC =
e20
.
4 π εr ε0 kB T
(4.68)
4.7 Bandstrukturen
141
Eine weitere Bedingung zur Bildung von Exzitonen ist, daß die Geschwindigkeiten
der beiden Ladungsträger gleich groß sind, also
∇k EVB = ∇k ECB :
(4.69)
die Steigung der Dispersionskurven (Bandstrukturen) muß gleich sein.
Die DK εr hat in Halbleitern Werte um zehn (Si: 12, Ge: 15). Damit ergeben sich
Coulomb-Radien zwischen 50 und 70 nm, während in Isolatoren (z. B. Steinsalz mit
einer DK von nur zwei bei hohen Frequenzen) der Wert einige hundert nm beträgt.
Darüber hinaus ist es möglich, daß das Exziton wandert, bevor es zerfällt. Dieser
Effekt ist eigentlich unerwünscht, denn wenn das Exziton eine Elektrode erreicht,
zerfällt es nichtstrahlend. Die Bildung von Exzitonen gehört daher zu den parasitären
Verlustmechanismen.
Man unterscheidet zwischen verschiedenen Kategorien von Exzitonen:
• Beim Frenkel-Exziton ist nur ein Atom oder Molekül beteiligt; es tritt oft
in Edelgasen oder Molekülkristallen auf. Man kann es als angeregten Zustand
betrachten, der sich von Atom zu Atom bewegt. Die Bindung ist Folge der
starken Wechselwirkung zwischen den Elektronenschalen; daher ist auch die
Bindungsenergie mit 1 eV relativ hoch.
• Das Wannier-Mott-Exziton ist das Exziton, das im anorganischen Halbleiter
überwiegt. Da die Bindungsenergie mit etwa 0,1 eV relativ klein ist, ist der
Abstand der Ladungsträger zueinander groß, und diese können sich nahezu frei
im Kristall bewegen. Die Coulombsche Wechselwirkung manifestiert sich in
der Polarisation des Kristalls, und die Bindungsenergie wird mit der Gl. (4.68)
beschrieben zu
En = −
µ 1
13, 60[eV],
m e ε2
(4.70)
womit sich die Gesamtenergie zu
E = Eg − En +
h̄2 k 2
2µ
(4.71)
ergibt. Mit ε2 ≈ 50 und µ ≈ 1/50 me ist dann die typische Bindungsenergie 30
meV, also im Bereich der thermischen Energie.
• Das Charge-Transfer-Exziton ist häufig in organischen Halbleitern anzutreffen;
Elektron und Loch sitzen auf benachbarten Molekülen. Die Bindungsenergie
liegt um 0,2 eV.
142
4 Halbleiter
4.8 Aufgaben und Lösungen
Aufgabe 4.1 Wie unterscheiden sich Elektronenaffinität und Austrittsarbeit voneinander?
Lösung. Die Elektronenaffinität ist die Energie, die erforderlich ist, um ein Elektron von der Unterkante des Leitungsbandes zum Vakuumlevel anzuregen, während
die Austrittsarbeit von der Fermi-Kante nach Unendlich gezählt wird. Atomar gesehen ist die Elektronenaffinität die Ionisationsenergie eines einfach negativ geladenen
Atoms.
Aufgabe 4.2 Was bedeuten die Begriffe Massenwirkungsgesetz“ (MWG) und Elek”
troneutralität?
Lösung.
Im chemischen Gleichgewicht gilt das MWG von Guldberg und Waage, nachdem der Quotient aus den Produkten der Konzentrationen (Partialdrücken) von Produkten und Reaktanten bei gegebener Temperatur und Druck konstant ist.
Übertragen auf die Dichten von Löchern und Elektronen gilt auch hier, daß das
Produkt aus den Dichten der beiden Ladungsträgersorten gleich dem Quadrat der
intrinsischen Ladungsträgerdichte ist:
n2i = ne · nh .
(1)
Und natürlich muß die Gesamtzahl der positiven und negativen Ladungsträger
gleich sein:
+
ne + n−
a = nh + nd :
(2)
die Zahl der ionisierten Akzeptoren + freier Elektronen muß gleich der Zahl der
ionisierten Donatoren + freien Löcher sein.
Aufgabe 4.3 Was versteht man unter einem Halbleiter mit einer direkten und einer indirekten Bandlücke? Zeigen Sie graphisch je ein Beispiel! Beachten Sie die
Krümmung der Bänder! Erklärung!
Aufgabe 4.4 Wie hoch ist die Plasmafrequenz für Halbleiter? Die Ladungsträgerdichte schwankt zwischen 1012 ≤ n ≤ 1020 /cm3 . Vergleichen Sie diese Werte mit den
Frequenzen für den VIS-Bereich!
Lösung.
10 GHz ≤ ωP ≤ 1014 Hz.
(1)
4.8 Aufgaben und Lösungen
143
Die Absorptionskante der Halbleiter wird meist durch die Größe der Bandlücke bestimmt. Für Frequenzen, die Energien kleiner als die Bandlücke entsprechen, ist
der Halbleiter durchsichtig“ (Ultrarot-Durchlässigkeit). Für hochdotierte Halbleiter
”
rutscht die Fermi-Kante in das Leitungsband, und wir haben metallische Verhältnisse.
3
/
Aufgabe 4.5 Die Zustandsdichte D ist proportional zu meff2 . Was bedeutet das
für die Dichten der Löcher und Elektronen in Valenz- und Leitungsband, wenn das
Verhältnis der effektiven Massen in GaAs 9,7 ist?
Lösung.
V
D(E) =
(2π)2
3
2me /2 q
3
E − Eg .
h̄2
mh,eff
DVB
= 9, 7 ⇒
= 30, 3.
me,eff
DCB
(1)
(2)
Aufgabe 4.6 Beschreiben Sie im reduzierten Zonenschema die optische Anregung
eines direkten und eines indirekten Halbleiters! Gehen Sie auf folgende Fragen ein:
• Weswegen ist im direkten Halbleiter ein quasi-vertikaler Übergang möglich?
Nehmen Sie dazu an, daß Sie mit gelbem Licht anregen und bestimmen Sie den
Impuls! Vergleichen Sie mit dem Wert an der Zonengrenze!
• Weswegen ist im indirekten Halbleiter eine quasi-horizontale Anregung mit einem Phonon möglich? Wie groß sind dessen Energie und sein Impuls bei Raumtemperatur (cs = 3 000 m/sec)?
• Was erwarten Sie für einen indirekten Halbleiter am absoluten Nullpunkt?
• Wie sieht die Absorptionskurve als Funktion der Energie für direkte und indirekte Halbleiter aus?
Lösung. In der Auflösung des Bandstrukturdiagramms werden Übergänge, an denen
Phononen beteiligt sind, bei gleicher Energie nur durch Impulsübertrag vermittelt,
d. h. die beiden zu verbindenden Zustände sind energetisch gleich, weisen aber einen
unterschiedlichen Impuls auf, wie umgekehrt Photonen mit ihrem sehr kleinen Impuls
nur zwischen Zuständen unterschiedlicher Energie vermitteln. Jener Übergang ist also
horizontal (Impulsänderung bei gleicher Energie), diser Übergang dagegen vertikal
(Energieänderung bei gleichem Impuls).
Die Energie eines thermischen Phonons ist 0,025 eV. Also ist nach p = cEs sein
Impuls etwa 1, 34 · 10−24 N sec. Ein gelbes Photon mit etwa 2 eV Energie hat dagegen
einen Impuls von 1, 1 · 10−27 N sec.
144
4 Halbleiter
An der Zonengrenze ist der Wert in der Größenordnung (d = 1 Å) von 3, 5 ·
10
N sec.
Am absoluten Nullpunkt sollte für einen indirekten Halbleiter die Absorption
gegen Null gehen. In der Tat nimmt sie stark ab, geht aber nicht auf Null. Das zeigt
sich in der Abb. 4.45.
−24
Abb. 4.45. Der Absorptionskoeffizient α mehrerer Halbleiter gegen die Vakuumwellenlänge
(lks.) und die Energie (re.) für verschiedene direkte und indirekte Halbleiter zeigt deutlich
den Einfluß der Phononen bei der Anregung eines indirekten Halbleiters, beim minimalen Gap sanft einsetzend, während ein direkter Halbleiter eine Absorptionskante zeigt,
die schlagartig um mehrere Größenordnungen ansteigt. Besonders wichtig ist die IR–
Durchlässigkeit der Halbleiter, was sie optisch von den Metallen unterscheidet.
Aufgabe 4.7 In einem n-Si-Kristall mit EGap = 1, 11 eV sei die Donatorkonzentration n0d 1018 /cm3 , ihre Ionisierungsenergie EIon = 10−2 eV. Wie groß ist bei RT (0,025
eV) die Konzentration der Leitungselektronen?
Lösung. Die Elektronendichte eines extrinsischen Halbleiters hängt ab von der Konzentration der Donatoren, der Fermi-Energie und der Bindungs- oder Ionisierungsenergie Ed . Der Bruchteil nicht ionisierter Donatoratome ist
nd
1
= (E −E )/k T
.
0
F
B
d
nd
2e
+1
(1)
ne (T ) = n0d − nd
(2)
Die Donatoratome entsenden
pro Volumeneinheit in das Leitungsband, also ist der Bruchteil
4.8 Aufgaben und Lösungen
145
n0d − nd
1
= (E −E )/k T
0
nd
2e F d B + 1
(3)
ne = 1/2 n0d e−(EF −Ed )/kB T ,
(4)
ionisiert, näherungsweise:
also halb so viel wie bei der Erzeugung eines (beidseitig mobilen) Elektron/LochPaares, während die Fermi-Energie bei T = 0 K genau in der Mitte zwischen Eg −Ed
liegt, also praktisch bei 1/2 Eg :
EF = 1/2 (Eg + Ed ) = 1/2 (1, 11 + 1, 10) eV = 1, 11 eV
(5)
nd = 1018 · e−(1,11−1,10)/0,025 = 1018 e−0,4 = 0, 66 · 1018 /cm3 .
(6)
Aufgabe 4.8 Wie hoch ist die Zustandsdichte im Leitungsband eines reinen Halbleiters 0,25 eV oberhalb der Bandkante (m = me )?
Lösung. Die Zustandsdichte pro cm3 und ∆E = 1 erg ist gegeben durch
V
D(E) =
(2π)2
1
D(E) =
(2π)2
.
2 · 9, 1 · 10−28
1, 052 · 10−54
3
2me /2 q
E − Eg .
h̄2
!3/2 q
·
0, 25 · 1, 6 · 10−12 erg−1 cm−3 .
(1)
(2)
D(E) = 10, 75 · 1032 /(erg · cm3 ) = 1, 72 · 1021 /(eVcm3 ).
(3)
D(E) = 1, 72 · 1021 /eV.
(4)
Aufgabe 4.9 Bis zu welcher Temperatur können Bauelemente aus GaAs mit einer
Gapenergie von 1,34 eV betrieben werden? Gehen Sie von einer Elektronendichte
von 2, 5 · 1019 /cm3 und einer Konzentration an Donatoren von 2, 5 · 1014 /cm3 , also 5
Größenordnungen niedrigeren, Dichte aus!
Lösung. Die kritische Temperatur Ti , bei der alle Dopanden ionisiert sind, ist nach
Gl. (4.26) gegeben durch
Ti =
Eg
,
n
2kB ln ne,C
0
(4.26)
d
das bedeutet bei einer Elektronendichte von 2, 5 · 1019 /cm3 und einer Konzentration
an Donatoren von 2, 5 · 1014 /cm3 für GaAs mit einer Bandlücke von 1,34 eV (jeweils
bei 0 K) eine kritische Temperatur von 620 K.
146
4 Halbleiter
Aufgabe 4.10 Die Fermi-Energie.
• Wahrscheinlichkeitsfunktion wofür?
• Besondere Werte bei?
• Ihre Lage im Metall und im Halbleiter.
• Ihre Wirkungsweise beim Zusammenfügen von Metallen und Halbleiter. Gehen
Sie auf Kontaktspannung und Austrittsarbeit ein und beschreiben Sie qualitativ
die Bandverbiegung beim Zusammenfügen von n- und p-Schicht.
Aufgabe 4.11 Welcher Prozentsatz der Donatoren eines n-dotierten Halbleiters
(nD = 1018 /cm3 ) ist bei RT ionisiert, wenn die Gapenergie 0,5 eV und die Energie ED der Donatoratome 0,45 eV beträgt? Effektive Masse der Elektronen gleich der
Ruhemasse!
Lösung. Die Zahl der ionisierten Donatoren ist natürlich gleich der Zahl der Elektronen, die ans Leitungsband abgeliefert werden:
ne = nD
1
2e(EF −ED )/kB T + 1
,
(1)
wobei
EF (T ) =
1
1
nD
(ED + Eg ) + kB T ln
,
2
2
2n0
me kB T
n0 = 2
2πh̄2
ln
!3/2
⇒ n0 = 2, 5 · 1019 /cm3 .
1018
= −3, 91.
2 · 2, 5 · 1019
EF = 0, 425 eV.
ne
1
= −0,025/0,026
≈ 0, 57,
nD
2e
+1
also ist etwas mehr als die Hälfte der Donatoren ionisiert.
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
Aufgabe 4.12 Ein Halbleiter aus reinem Germanium hat folgende Werte für den
spezifischen Widerstand:
• bei 145 ◦ C: ρ = 1 Ω cm,
• bei 710 ◦ C: ρ = 3 · 10−3 Ω cm.
4.8 Aufgaben und Lösungen
147
Bestimmen Sie die Gapenergie Eg ! Gehen Sie dabei davon aus, daß die Beweglichkeit
keine Temperaturabhängigkeit zeigt.
Lösung. Die spezifische Leitfähigkeit, der Kehrwert des spezifischen Widerstands, ist
gegeben durch
σ = e0 (n+ µ+ + n− µ− ),
(1)
3
wobei die Beweglichkeiten nur schwach temperaturabhängig sind (µ ∝ T − /2 ), dagegen ist die Temperaturabhängigkeit der Dichte exponentiell:
Eg
.
(2)
n− n+ = constT exp −
kB T
Also ist für die Temperaturabhängigkeit von ρ der Boltzmann-Faktor ausschlaggebend:
3
ρ1
Eg
Eg
= exp −
− exp −
;
ρ2
2kB T1
2kB T2
Eg = 2kB
Einsetzen liefert
ρ1
T1 T2
ln .
T2 − T1 ρ2
Eg ≈ 0, 7 eV.
(3)
(4)
(5)
Aufgabe 4.13 Bestimmen Sie die Größe der Delokalisation, also den Raumbedarf,
eines wasserstoffähnlichen Elektrons, das von einem P-Atom an das Si-Gitter abgegeben wird (me,eff /me ≈ 0, 3; ε ≈ 12)!
Lösung.
me,eff 1
≈ 40 meV.
(1)
m e ε2
me
r = 0, 053
ε ≈ 2 nm.
(2)
me,eff
Damit sind die Bohrschen Radien in diesem wasserstoffähnlichen System um den
Faktor ε vergrößert, die Ionisationsenergien um 1/ε2 verkleinert, so daß sie in der
Gegend von kB T liegen. Damit sitzt dieses Überschußelektron in einem flachen, am
P-Atom lokalisierten Term, dem Donatorterm, und kann bereits thermisch gelöst
werden, also um viele Größenordnungen leichter als eines der Bindungselektronen.
Innerhalb des Radius von 2 nm liegen etwa
E1 = −13, 6
3
2 4π 3
r = NSi
(3)
a
3
Gitteratome, wenn a die Kantenlänge des Kubus ist, in den 8 Si-Atome hineinpassen.
Bei einer Gitterkonstanten von a ≈ 5 Å wird N ≈ 100.
148
4 Halbleiter
V
A
Ag
C
Abb. 4.46. Zum Hall-Effekt.
Aufgabe 4.14 Ein stromdurchflossener Halbleiter wird senkrecht zur Stromrichtung
in ein Magnetfeld gebracht. Bestimmen Sie die zwischen den Punkten A und B auftretende Hall-Spannung, bei der Stromdichte j und der Flußdichte B (Abb. 4.46)!
Lösung. Auf die bewegten Ladungsträger wirkt senkrecht zum Magnetfeld und zur
Stromrichtung eine Kraft, die zum Ladungstransport in zwei Richtungen, je nach
Polarität der Ladungsträger, Anlaß gibt. Durch diese Ladungsverschiebung entsteht
ein elektrisches Feld E, und das Potential UA,B = Ed kann gemessen werden:
e0 E = e0 [v × B];
(1)
da die Stromdichte definiert ist nach
j = ρv = e0 nv,
(2)
mit n der Ladungsträgerdichte, ist auch
j×B
.
e0 n
Für das Potential, eben die Hall-Spannung, gilt dann
E=
(3)
jB
d.
(4)
e0 n
Anhand der Hall-Spannung kann man folglich die Dichte der Ladungsträger
messen. Die Polarität von U gibt Aufschluß über die Polarität der Ladungsträger.
UA,B = UH =
Aufgabe 4.15 Warum spielt der Hall-Effekt zur Bestimmung der Elektronendichte
bei Metallen keine Rolle, sondern ist eine Domäne der Halbleitercharakterisierung?
Lösung. Der Hall-Koeffizient RH = 1/(e0 n) ist für alle Metalle wegen der sehr hohen
Elektronendichten viel zu klein. Daher wird der Effekt erst bei sog. Halbmetallen
4.8 Aufgaben und Lösungen
149
wie Bismut, ganz besonders aber bei Halbleitern von großer Bedeutung, in denen
die Beweglichkeit der Ladungsträger teilweise um Größenordnungen höher ist als in
Metallen. Höhere Beweglichkeit bedeutet Erreichen höherer Driftgeschwindigkeiten,
womit die Lorentz-Kraft, und damit die beim Hall-Effekt gemessene Ablenkung
des Stroms, größer ist als bei Metallen.
Aufgabe 4.16 Bestimmen Sie die kritische Temperatur von GaAs bei einer Ladungsträgerdichte von 2, 5 · 1019 /cm3 , einer Donatorendichte von 2, 5 · 1014 /cm3 und einer
Gapenergie von 1,34 eV!
Lösung.
Ti =
Eg
,
n
2kB ln ne,C
0
(1)
d
Ti = 620 K.
(2)
Aufgabe 4.17 An der Grenzfläche Oxid/Si eines MOS-Transistors findet eine Bandverbiegung auf Grund der Bildung einer Raumladungszone statt. Wenn diese eine
Ausdehnung von x = 0 bis x = xD hat und eine Dichte ρ: Wie sieht der Potentialverlauf als Funktion von x aus, bzw. umgekehrt gefragt: wie tief reicht die Raumladungszone ins Si hinein?
Lösung.
d
dx
dΦ
dx
!2
d2 Φ dΦ
d2 Φ
d
=2 2
⇒
=
2
dx dx
dx
dx
ρ dΦ
d
−2
=
ε0 ε dx
dx
dΦ
dx
!2
dΦ
dx
!2
·
1
2 dΦ
dx
ρ dΦ
dΦ
⇒ −2
dx = d
ε0 ε dx
dx
2ρ
2ρ
E dx = d(E 2 ) ⇒
Ex = E 2 .
ε0 ε
ε0 ε
2ρ
E=
x + C1 .
ε0 ε
.
!2
(1)
.
(2)
(3)
(4)
ρ 2
x + C1 x + C2 .
(5)
ε0 ε
Die Randbedingungen werden danach bestimmt, daß am Ende der Raumladungszone
bei x = xd
Φ=−
dΦ
= 0 ∧ Φ = 0,
dx
also
(6)
150
4 Halbleiter
dΦ
ρ
ρ
= −2
xd + C1 = 0 ⇒ C1 = 2
xd
dx
ε0 ε
ε0 ε
Φ=0=−
ρ 2
ρ 2
ρ 2
xd + 2
xd + C2 ⇒ C2 = −
x .
ε0 ε
ε0 ε
ε0 ε d
(7)
(8)
Damit wird für Φ
ρ 2
ρ
(x − xd )2 .
(9)
−x + 2xxd − x2d = −
ε0 ε
ε0 ε
Entsprechend für x − xd die Wurzel. Wir sehen, daß die Größe x − xd umgekehrt
proportional zur Wurzel aus ρ wird. Diese Größe heißt Debye-Länge und liegt für
typische Ladungsdichten in Halbleitern zwischen einigen 10 nm bis zu einigen µm,
für Metalle ist diese Größe im Bereich von einigen Å: Bandverbiegungen werden in
Metallen nicht beobachtet.
Φ=
Aufgabe 4.18 Was versteht man unter einer flachen, was unter einer tiefen Störstelle? Zeigen Sie das an P (44 meV) und Fe (0,55 eV) im Si (Gapenergie = 1,28 eV) mit
einer Skizze und kurze Begründung. Warum ist Au zusätzlich fatal?
Lösung. Eine flache Störstelle besitzt eine Ionisationsenergie bzw. eine Elektronenaffinität dicht an der Leitungsbandunterkante bzw. an der Valenzbandoberkante. Das
sind im ersten Fall, bezogen auf Si, z. B. P mit 44 meV, As mit 49 meV, während
S bereits 0,18 eV entfernt ist. Au ist ein Akzeptor mit 0,54 eV, also fast in der
Bandmitte des intrinsischen Si. Eisen hat zwei Donator-Niveaus mit 0,55 und 0,40
eV. Als Akzeptor ist B besonders geeignet mit 45 meV. Au hat zusätzlich eine hohe
Diffusionsgeschwindigkeit.
Aufgabe 4.19 Wieso ist die Transformation vom ausgedehnten Zonenschema in das
reduzierte Zonenschema möglich?
Zeigen Sie das algebraisch mit zwei Bloch-Funktionen, die Sie an einem Gitterpunkt
im realen Gitter untersuchen
Was ist der Vorteil der Darstellung im reduzierten Zonenschema, gezeigt am Photon
und am Phonon
Vervollständigen Sie dazu bitte die Skizze!
Was ist das s-, was das p-Band? Woher rührt die Bezeichnung?
Lösung. Die Umwandlung vom ausgedehnten ins reduzierte Zonenschema erfolgt anschaulich durch eine Drehung um 180 ◦ bei nπ/a, also jeweils um den Abzug eines
reziproken Gittervektors (Abb. 4.47). Diese Drehung ist der Reflexion an den Zonengrenzen geometrisch äquivalent.
Die Amplitude einer Bloch-Funktion ist periodisch genau mit einem reziproken
n
Gittervektor G. Dabei ist die Amplitude wg. eiG·r = ei2πn = ei2π = 1n = 1 gleich
an den Gitterpunkten:
151
Energie [a. u.]
4.8 Aufgaben und Lösungen
2p/a
[111]
p/a
0
p/a
k
2p/a
[100]
Abb. 4.47. Wie entsteht das reduzierte Zonenschema? Die höheren Brillouin-Zonen werden durch n-fache
Drehung an den Zonengrenzen bei
nπ/a auf die erste Zone reduziert“.
”
Gezeigt ist das untere s-Valenzband
(elektrisch unwirksam) und das obere p-Valenzband. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, daß das reduzierte Bandschema alle Informationen
enthält, aber großer Übung und Erfahrung bei der Interpretation bedarf.
ψ1 (r, t) = ψ2 (r, t),
(1)
ψ1 = ψ10 exp[ik · r] · exp(−iωt)
(2)
ψ2 = ψ20 exp[i(k + G) · r) · exp(−iωt),
(3)
wobei
und
aber natürlich sind deren Energien verschieden. Diese Energien liegen nun beim gleichen Impuls, verziert um das ganzzahlig Vielfache eines reziproken Gittervektors,
übereinander. Für Photonen des VIS-Bereichs, deren Impuls zu vernachlässigen ist,
erfolgt Anregung mit ihnen und durch sie also senkrecht. Für Phononen, deren Energie zu vernachlässigen ist, dagegen horizontal.
152
4 Halbleiter
Literaturverzeichnis
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[3] A. Sommerfeld, H. Bethe: Elektronentheorie der Metalle, Bd. 19 der Heidelberger Taschenbücher, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 1967, Kap. 1, S. 13 ff.: EF erweist
sich nach partieller Integration der Fermischen Verteilungsfunktion
Z
∞
f (E) dE = N
E=0
zu
3
5π 2
U = N EF 1 +
5
12
kB T
EF
2 !
[4] A. Sommerfeld, ibid, S. 15
[5] C. Kittel: ibid, Chap. 7, p. 249 ff.
[6] R.P. Feynman, R.B. Leighton, M. Sands: The Feynman Lectures on Physics, III, 6th
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[11] C. Kittel: ibid, Chap. 10, p. 344
[12] J.M. Ziman: Einführung in die Festkörpertheorie, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am
Main und Zürich
[13] www.phys.ufl.edu/fermisurface
[14] G. Franz: Niederdruckplasmen und Mikrostrukturtechnik, 3. Auflage, Springer-Verlag,
Berlin, 2004
[15] C. Kittel: ibid, Chap. 10, p. 343
[16] C. Kittel: ibid, Chap. 2, p. 76
[17] J.M. Ziman: ibid, S. 88
[18] T.B. Massalski, ed. of Alloying Behaviour and Effects in Concentrated Solid Solutions,
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[19] C. Kittel: ibid, Chap. 2, p. 75
[20] T.B. Massalski, ibid, Chapter 4 §5, p. 189
153
154
Literaturverzeichnis
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