23. November 2016 Elektrizitätslehre 3 Martin Weisenhorn Praktikum 5, Transformator 1 Lernziele In diesem Versuch sollen die Parameter des symmetrischen T-Ersatzmodells eines Einphasentransformators (single-phase transformer) messtechnisch ermittelt werden. Allerdings ist der AL -Wert des eisenhaltigen Kerns nicht konstant sondern er wird mit zunehmender Flussdichte kleiner: Die Eigenschaften bzw. Parameter des Transformators sind also stromabhängig. Typischerweise geschieht die Messung der Parameter eines Transformators bei definierten Spannungen und Strömen, dem sogenannten Nennwert. • Sie kennen die wesentlichen Betriebsmerkmale von Einphasentransformatoren, insbesondere für Nenn-, Leerlauf- und Kurzschlussbetrieb. Sie kennen die Begriffe Windungs- und Spannungsübersetzungsverhältnis, Wicklungspolarität, Nennspannung, Kurzschlussspannung und relative Kurzschlussspannung. • Sie kennen das übliche linearisierte Ersatzschaltbild eines Einphasentransformators und sind der Lage dessen Parameter messtechnisch mit Leerlauf- und Kurzschlussversuch zu bestimmen. Sie können die physikalische Bedeutung dieser Parameter erläutern. Sie verstehen die Begriffe primär- und sekundärseitige Netzwerktransformation und können diese anhand des Transformatorersatzschaltbildes anwenden. 2 Einführung Transformatoren werden meistens für die Energieübertragung bei einer festen Frequenz (im Allgemeinen bei 50 Hz, bzw. 60 Hz, gelegentlich auch 400 Hz) benutzt. Transformatoren weisen im Allgemeinen nichtlineares Verhalten auf. Im Gegensatz dazu, sollen Übertrager, welche für die Übertragung von Signalen eingesetzt werden, keine Nichtlinearität aufweisen. Um dies zu erreichen werden Übertrager werden weniger stark ausgesteuert als Transformatoren. Ausserdem werden Übertrager so dimensioniert, dass sie über einen gewünschten Frequenzbereich durch eine mehr oder weniger konstante Übertragungsfunkion beschrieben werden. Ergänzende Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Transformator Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 2 2.1 Linearisiertes Transformatormodell Transformatoren zeigen wegen des ferromagnetischen Kerns nichtlineares Verhalten auf. Dennoch wird für die Charakterisierung eines Transformators ein lineares Modell verwendet. Der Transformator verhält sich demnach etwas anders als das Modell. Ersatzschaltbild des verlustlosen Transformators I1 I2 k U1 L2 L1 U2 Abbildung 1: Verlustloser Transformator Für den verlustlosen Transformator in Abb. 2 gilt die Impedanzmatrix √ j ω L1 j ω k L1 L2 Z= √ j ω L2 j ω k L1 L2 bzw. die Kettenmatrix mit der Faktorisierung q (1−k2 ) √ L1 1 j ω L L 1 2 k k L2 q A= = 1 √ j ω k L1 L2 1 k 1 jω(1 − k)L1 = 0 1 · L2 L1 1 0 1 jωkL1 1 1 k jω (1−k2 ) k 1 j ω k L1 1 k 1 jω(1 − k)L1 · 0 L1 1 q · q L1 L2 · 0 L1 L2 q 0 0 L2 L1 0 q L2 L1 Aus dieser Faktorisierung lässt sich die Kettenschaltung In Abb. 2 ablesen, wobei die Matrix ganz rechts einen idealen Übertrager beschreibt. Dieses lineare Modell erlaubt klare Einsichten I1 L0σ2 = Lσ1 Lσ1 = (1 − k)L1 I20 = I2 /ü12 ü12 Iµ U1 Lh = kL1 I2 Uh U20 = U2 · ü12 ü12 := q L1 L2 Abbildung 2: Lineares symmetrisches T-Modell des verlustlosen Transformators. in das Verhalten des Transformators. U2 Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 3 Ersatzschaltbild des verlustbehafteten Transformators Reale Transformatoren sind verlustbehaftet. Ursachen dafür sind die Kupferwiderstände Rcu1 und Rcu2 der Spulen und der Eisenkern, welcher Wirbelstromverluste und Ummagnetisierungsverluste verursacht. Dei Verluste des Eisenkerns lassen sich gemeinsam als ein ohmscher Verbraucher RFe dargestellt werden kann, dann resultiert daraus das lineare Modell des verlustbehafteten Transformators in Abb. 3. Legende: I1 RCu1 U1 L0σ2 = Lσ1 Lσ1 IF e Iµ RF e Lh 0 RCu2 I20 = I2 /ü12 I2 ü12 Uh U20 = U2 · ü12 U2 Abbildung 3: Lineares, symmetrisches T-Modell des verlustbehafteten Transformators. U1 U2 Uh I1 I2 IF e Iµ primäre Spannung sekundäre Spannung Hauptfeldspannung primäre Stromstärke sekundäre Stromstärke Eisenverluststrom Magnetisierungsstrom N ü12 = N1 2 0 RCu1 und RCu2 = ü212 RCu2 RF e Lh Lσ1 = L0σ2 = ü212 Lσ2 Windungsübersetzungsverhältnis Wicklungswiderstände („Kupferwiderstände“) Eisenverlustwiderstand Hauptinduktivität Streuinduktivitäten Dieses Modell ist dadurch gekennzeichnet, dass für das Spannungüsbersetzungsverhältnis des idealen Übertragers (ganz rechts im Bild) das Windungszahlverhältnis ü12 = N1 /N2 eingesetzt wird (Dieses Verhältnis entspricht aber nicht dem Spannungsübersetzungsverhältnis U1 /U2 des Transformators im Nenn- oder im Leerlaufbetrieb.). Diese Festlegung bewirkt, dass die Streuinduktivitäten Lσ1 und L0σ2 gleich gross sind. Das lineare T-Transformatormodell enthält drei Induktivitäten. 2.2 Verhalten Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 4 Nennbetrieb Im Nennbetrieb ist der magnetische Kern nahezu gesättigt1 . Überspannungen führen daher zu Überschreitung der Sättigungsgrenze und zu grossen Stromstärken. Einschaltvorgänge können ebenfalls zu Stromstärken führen, welche ein Vielfaches der Nennstromstärke erreichen können. Bei den Transformatorverlusten wird zwischen Kupferverlusten und Eisenverlusten unterschieden: Kupferverluste entsprechen den Joule’schen Verlusten in den stromführenden Wicklungen. Die Eisenverluste werden durch die für die Ummagnetisierung des Kerns benötigte Energie (Hystereseverluste) sowie durch Wirbelströme im Kernmaterial verursacht (Wirbelstromverluste). Der Wirkungsgrad ist durch das Verhältnis Nutzleistung (Energiestrom am Ausgang) zu Gesamtleistung (am Eingang) definiert: η= P2 P2 = P1 P2 + PCu + PF e Dabei sind P2 an der Sekundärseite (Lastseite) abgegebene Wirkleistung PCu „Kupferverluste“ (dissipierte Leistung in den Wicklungen) PF e „Eisenverluste“ (Hysterese- und Wirbelstromverluste) • Die Wahl der Betriebswerte für Induktion (Scheitelwert B̂) und Stromdichte in den Wicklungen beeinflussen die Eisen- und die Kupferverlusten. Den höchsten Wirkungsgrad erhält man bei Gleichheit von Kupfer und Eisenverluste. Dabei beträgt das Verhältnis zwischen Eisen- und Kupfervolumen etwa den Faktor 4. • Je kleiner der Leistungsfaktor λ = cos ϕ der angeschlossenen Last ist, desto kleiner ist der Wirkungsgrad. Leerlauf • Bei offener Sekundärseite verhält sich ein Transformator wie eine Spule mit grosser (nichtlinearer) Selbstinduktivität. • Bei Nennspannung U1n ist der Kern wie im Nennbetrieb annähernd gesättigt. Die dazu notwendige Leerlaufstromstärke I10 (Magnetisierungsstrom) ist wesentlich kleiner als die primäre Nennstromstärke I1n . Im Leerlaufbetrieb, siehe Abb. 4 kann das linearisierte Tranformatorersatzschaltbild vereinfacht werden: Gegenüber dem vollständigen Modell wurden hier die Streuinduktivitäten und die Kupferwiderstände vernachlässigt. Diese Annahme ist nicht immer gerechtfertigt, insbesondere wenn die Streuinduktivitäten nicht wesentlich kleiner sind als die Hauptinduktivität. 1 Dies ist bei Übertragern nicht der Fall. Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 I20 = 0 I10 Vorgabe: U1n 5 IF e0 Iµ0 RF e Lh I2 = 0 ü12 Uh U20 U2 = U20 Abbildung 4: Linearisiertes Modell eines Einphasentransformators im Leerlauf für Lh Lσ und RF e RCu Kurzschluss • Durch Kurzschliessen der Sekundärseite nimmt die beobachtbare Induktivität auf der Primärseite gegenüber ihrem Leerlaufwert ab. Bemerkung: Aus diesem Grund sollte bei der Messung der Kupferwiderstände der Wicklungen die gegenüberliegende Wicklung kurzgeschlossen werden, um die Spannungsspitzen beim Ein- und Ausschalten des Messgleichstroms klein zu halten. • Unter Kurzschlussspannung U1k (short-circuit voltage) versteht man die Spannung, die primärseitig notwendig ist, damit sekundärseitig die Nennstromstärke I2n fliesst. Als Mass für die Kurzschlussfestigkeit eines Transformators wird die relative KurzU schlussspannung uk = U1k (meistens in %) angegeben. Eine kleine relative Kurzschluss1n spannung bedeutet, dass der Transformator eine grosse Kopplung k bestizt bzw. dass er spannungssteif ist und dass die Kurzschlussstromstärken bei primärseitiger Nennspannung entsprechend gross sind. Mit zunehmendem sekundärseitigen Innenwiderstand des Transformators nimmt die Kurzschlussspannung zu. Typ Einphasentransformatoren Kurzschlusspannung < 1% 15% bis 40% bis 100% Drehstomtransformatoren 4% 6% 4% bis 10% Spannungswandler Kleintrafo Zündtrafo, Schweisstrafo bis 200 kVA 250 bis 3150 kVA 4 bis 6 MVA über 6.3 MVA Im Kurzschlussbetrieb kann das Transformatorersatzschaltbild wie in Abb. 5 angegeben vereinfacht werden. Gegenüber dem vollständigen Modell wurden hier die Hauptinduktivität Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 I1k 0 Lσ1 + L0σ2 RCu1 + RCu2 6 Vorgabe: I2 = −I2n I20 ü12 U1k U20 = 0 U2 = 0 Abbildung 5: Linearisiertes Modell eines Einphasentransformators bei Kurzschluss der Sekundärseite für Lh L0σ2 und RF e RCu2 und der Eisenverlustwiderstand vernachlässigt. Primärseitig erscheint ein Gesamtwiderstand bestehend aus dem Kupferwiderstand der Primärwicklung und dem auf die Primärseite transformierten Widerstand der Sekundärwicklung. Dasselbe gilt für die Streuinduktivitäten. 3 Messaufgaben Zur Dokumentation in einem Messbericht, sollte eine Zielsetzung aus den vorgeschlagenen Aufträgen bestimmt werden. Diese Zielsetzung sollte auch konsequent verfolgt und die Vorgehensweise sowie die Ergebnisse konsistent dokumentiert werden. Es ist also nicht notwendig, zu allen Aufträgen einen Bericht zu erstellen, auch wenn Sie im Praktikum andere Problemstellungen untersuchen. Messobjekte: Transformator mit Eisenkern TT48/24: 48/24 V, 50/60 Hz, 15 VA, Windungszahlen: 445/267 Last: Leistungswiderstand 39 Ω, 5%, 50 W 3.1 Nennbetrieb Die Schaltung für die Ausmessung des Nennbertriebs ist in der Abbildung 6 dargestellt. Die primärseitige Nennspannung U1n muss so gewählt und eingestellt werden, dass die sekundärseitige Nennleistung P2 von dem am Messplatz vorhandenen Lastwiderstand R2 gerade aufgenommen wird (siehe Abb. 7). Stellen Sie die Nennbetriebswerte des Transformators tabellarisch zusammen. Für die ermittelten Grössen sollten auch Messunsicherheiten bestimmt werden. Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 7 Abbildung 6: Messschaltbild für Nennbetrieb R2 = R2n und Leerlaufbetrieb R2 = ∞ Abbildung 7: Blockschaltbild eines Einphasentransformators bei Nennbetrieb 3.2 Bestimmen der Modellparameter Gleichstrommessung Bestimmung der Kupferwiderstände der Wicklungen RCu1 Kupferwiderstand der Primärspule in Ω RCu2 Kupferwiderstand der Sekundärspule in Ω Leerlaufmessung U1n Bestimmung von Lh und RF e eingestellte Primärnennspannung in V I10 gemessene Primärstromstärke in mA U20 gemessene Sekundärspannung in V P10 gemessene Primärwirkleistung in W S10 = U1n I10 U primäre Scheinleistung in VA Z10 = I 1n 10 primäre Impedanz in Ω Lh Hauptinduktivität in H RF e Eisenverlustwiderstand in Ω U1n U20 Leerlauf Spannungsübersetzungsverhältnis Kurzschlussmessung 0 Bestimmung von Lσ1 + L0σ2 und RCu1 + RCu2 I2n gemessene Sekundärnennstromstärke in A U1k eingestellte primäre Kurzschlussspannung in V Praktikum 5, Transformator, Elektrizitätslehre 3 8 Messung im Nennbetrieb f N ü12 = N1 2 U2 |S2n | = P2 = R2 2 R2 U2n = √ P2 R2 U I2n = R2n 2 50 Frequenz in Hz 1.66 Windungszahlverhältnis 15 sekundäre Nennscheinleistung in VA, bzw. W gemessener Lastwiderstand in Ω sekundärseitege Nennspannung in V sekundärseite Nennstromstärke in A U1n gemessene Primärspannung in V I1n gemessene Primärstromstärke in mA U1n U2n Spannungsübersetzungsverhältnis U Z1n = I 1n 1n P1n S1n = U1n I1n P λ = cos ϕ = S1n 1n P η =P 2 1n primäre Impedanz in Ω gemessene Primärwirkleistung in W primäre Scheinleistung in VA Leistungsfaktor Wirkungsgrad