Kapitel 10 Version 2009/2010 Elektronenstruktur der Atome, Aufbau des Periodensystems, Moleküle und chemische Bindung MM 2, 6, 7, 8, 9 10.1 Grundlagen zur Quantentheorie Die Thermodynamik des 19. Jahrhunderts war in der Lage, Energieumsätze und spontane Prozesse zu beschreiben. Was fehlte, war eine weitergehende Erklärung zur Ursache von aufgenommener / abgegeber Energie auf der Grundlage der Existenz von Atomen / Molekülen. Zwei Arten von Beobachtungen führten dazu, schliesslich die relevanten Themen zu erarbeiten. Schwarzkörperstrahlung Festkörper der Temperatur T strahlen elektromagnetische Wellen vom ultraroten bis in den kurzwelligen Spektralbereich aus. Frage : Welche Wellenlängenabhängigkeit zeigt der Intensitätsverlauf der Schwarzkörperstrahlung ? Abb. 157 Abb. 158 Darstellung einer historischen Messreihe zur Strahlung schwarzer Körper. Die angegebene Berechnung war nicht in der Lage, die Kruve Korrekt wiederzugeben. Strahlungsgesetz nach J. Stefan und L. Boltzmann Energie/Volumen = a T4 , a = 5.67.10-8 [Wm-2K-4] W. Wiensches Verschiebungsgesetz : lmax T = 2.989.10-3 [mK] Anwendung auf die Sonne : Das Strahlungsmaximum des Sonnenlichts liegt bei etwa 0.5 Mikrometer. Somit beträgt die Oberflächentemperatur der Sonne rund 5800 K. Experiment 33 Ein Pt-Tiegel wird mit einem Bunsenbrenner verschiedentlich stark erhitzt. Auf das Innere des becherförmigen Strahlers wird der Sensor eines Pyrometers gerichtet. Pyrometer : Gerät, welches Wärmestrahlung einer gewissen Wellenlänge in die Anzeige der Temperatur umwandelt. Beobachtung Mit zunehmender Beheizungsstärke nimmt die Wärmestrahlung zu, gleichbedeutend mit einem Anstieg der Temperatur. Vor 1890 wurde angenommen, die Energie eines strahlenden Körpers könne kontinuierliche Werte annehmen. Auf dieser Grundlage war es jedoch nicht möglich, gesicherte Daten zur Intensitätsverteilung der Schwarzkörperstrahlung zu interpretieren. 1890 hat Max Planck (1858 - 1947) die Voraussetzungen zum Verständnis von Strahlung grundlegend verändert : Die Energie eines elektromagnetischen Oszillators (Strahlungsquelle) kann nur diskrete Energiewerte annehmen. Die Beschränkung der Energie auf diskrete Werte heisst Quantelung von Energie. Abb. 159 Elektromagnetische Strahlung Planck nahm an, dass die Energie eines Oszillators mit Frequenz n ein ganzzahliges Vielfaches n der Energiemenge hn sei. E = n hn , n = 0, 1, 2, … h = 6.6260693(11) 10-34 Js Nach der damals völlig neuen Theorie von Planck vollführen Atome / Moleküle des strahlenden Körpers thermische Schwingungen, welche Oszillatoren des elektromagnetischen Feldes anregen. Das Planck´sche Postulat, wodurch ein elektromagnetischer Oszillator der Frequenz n nur die Energien 0, hn, 2 hn, ... annehmen kann, führte zu verschiedenen Interpretationen der Natur von elektromagnetischer Strahlung (i) - (v). (i) Die Strahlung ist die Folge einer Anregung von Schwingungszuständen in einem Schema diskreter Energiezustände. (ii) Die Strahlung besteht aus einem Fluss von Teilchen, den Photonen der Energie hn. Eine hohe Strahlungsintensität (Schwingungsamplitude) bedeutet somit einen hohen Fluss an Photonen. Rechenbeispiel : Berechnung der Photonenzahl die von einer Lichtquelle von 100 Watt [J/s] (l = 560 nm) pro Sekunde emittiert werden. In einer Sekunde emittiert die Lichtquelle 100 J. Die Strahlung der Wellenlänge l = 560 nm hat die Frequenz n = c / l = 5.35 1014 Hz. Die Energie eines einzelnen Photons beträgt somit : EPhoton = hn = 3.5 10-19 J Die Anzahl Photonen ist damit gegeben : 100 J / EPhoton = 2.8 1020 Photonen Die beiden Interpretationen (i, ii) zur Natur von Strahlung führten zu einer weiteren, grundlegenden Erkenntnis : Welle-Teilchen Dualismus Nach der Quantentheorie ist eine Unterscheidung in Wellen und Teilchen nicht erforderlich. Teilchen können Eigenschaften von Wellen zeigen – Wellen können Eigenschaften von Teilchen zeigen. Verschiedene Beobachtungen führten zur Vorstellung des Welle-Teilchen Dualismus. (iii) Der photoelektrische Effekt Experiment 34 historisches Museum, Einsteinausstellung Wird ein Metall mit kurzwelliger Strahlung der Frequenz n bestrahlt, so treten unabhängig von der Intensität (Anzahl Photonen) der Strahlung erst dann Elektronen aus dem Metall aus, wenn die Energie hn der Photonen einen für das Metall charakteristischen Wert überschreitet. Dieser Befund stützt die Vorstellung, dass Elektronen (Teilchen) durch Stösse mit einfallenden Photonen (Teilchen) aus einem Metall entfernt werden können : 0.5 mev2 (kinetische Energie e-) = hn (Photonen) - F (Austrittsarbeit) Energieerhaltung vorausgesetzt ! Abb. 160 Nur für hn gleich / grösser F tritt ein photoelektrischer Effekt auf, der zunimmt, wenn die Intensität der entsprechenden Strahlung erhöht wird. Albert Einstein (1879 - 1955) hat 1905 den photoelektrischen Effekt aufgrund der Quanten- und Photonenhypothese erklären können (erarbeitet in Bern). Verdeutlichung : Die Austrittsarbeit F von Elektronen aus dem Rb Metallgitter beträgt 2.09 eV (1 eV etwa 1.6 10-19 J). Frage : Kann blaues Licht der Wellenlänge l = 470 nm einen photoelektrischen Effekt auslösen ? Lösung : Ist hn grösser oder kleiner als die Austrittsarbeit ? Energie der Photonen bei 470 nm : h n = h c / l 4.23 10-19 J = 2.64 eV > 2.09 eV ; somit möglich. (iv) Elektronenbeugung Beugung von Elektronen an einem Festkörper : 1925 führten C. Davisson und L. Germer ein Beugungsexperiment mit Elektronen an einem Ni Kristall durch. Der einfallende Elektronenstrahl zeigte nicht eine kontinuierlich abgebeugte Intensität von Elektronen, sondern eine für Beugungsphänomene typische Intensitätsverteilung (diskrete Intesitätsmaxima mit schwächeren Nebenmaxima). Abb. 161 Schlussfolgerung Im atomaren Grössenbereich gehen die Beschreibungen durch Wellen und Teilchen ineinander über. Diese Dualität hat für makroskopische Körper keine vergleichbare Bedeutung, obgleich grundsätzlich gültig. Vereinheitlichte Beschreibung durch die de Broglie - Beziehung : Louis de Broglie (1892 - 1987) postulierte : Jedem Teilchen, das sich mit dem Impuls p (p = m v) bewegt, kann eine Wellenlänge l zugeordnet werden. l = h / p oder p = h / l Abb. 162 Verdeutlichung : Wie gross ist die de Broglie-Wellenlänge von Elektronen, welche aus der Ruhe durch ein Potential von 1 kV beschleunigt wurden ? aufgenommene Energie : E = 0.5 mev2 = e U zugehöriger Impuls p = mev = (2 me e U)0.5 de Broglie-Wellenlänge l = h / p l = 3.9 10-11 m (v) Strahlungsemission aus Atomen im Gas Die bisherige Betrachtung zur Schwarzkörperstrahlung beschränkte sich auf einen Zustand von Materie bei hoher Dichte (Festkörper). Grundsätzlich gleiche Beobachtungen wurden im Falle starker Verdünnung, d.h. räumlich isolierter Atome im Gaszustand gemacht. Anstelle der breitbandigen Emissionskurven eines Festkörpers können für Atome im Gaszustand die diskreten Energiezustände anhand feinaufgelöster Spektrallinien beobachtet werden. Abb. 163 Historische Aufnahmen von Spektrallinien. Ganz oben : Sonnenspektrum mit Fraunhofer„ schen Linien Der Chemiker R. W. Bunsen (1811 - 1899) und der Physiker G. R. Kirchhoff (1824 - 1887) haben die Beobachtung diskreter Emissionslinien von Atomen zu einer ersten Spektralanalyse ausgearbeitet, welche es erlaubte, Elemente anhand charakteristischer Spektrallinien zu identifizieren. Hierfür war eine Quelle zur thermischen Anregung erforderlich : der Bunsenbrenner ! Abb. 164 Experiment 35 Wässrige Lösungen von Metallsalzen (Li, Na, K; Sr, Ba; Cu) werden mittels Zerstäubers in die Flamme eines Bunsenbrenners geblasen. Beobachtung Li : rot ; Na : gelb ; K : rot-violett ; Sr : rot-orange ; Ba : blau-grün ; Cu : grün Wie die historischen Aufnahmen zeigen, senden Atome bei thermischer Anregung charakteristische Wellenlängen aus (Abb. 163). Bunsen und Kirchhoff analysierten das ausgesandte Licht mit Hilfe eines Prismas. Daraus resultierte ein erstes Spektrometer. Geräte, ohne diese die heutige Chemie nicht mehr arbeiten könnte ! Prisma Abb. 165 Beobachtungsfernrohr Schlitz Probe auf dem Stäbchen Bunsenbrenner Der Flammenversuch bestand darin, Ionen durch thermische Energie elektronisch anzuregen. Einen analogen Versuch können wir wie in vorangegangener Abb. 166 unternehmen : Der Dampf von Atomen, z.B. Na wird mit dem Licht einer polychromatischen Lichtquelle bestrahlt. Untersucht wird, welche Wellenlänge des einfallenden Lichts nicht absorbiert wird. Beobachtung : Was thermisch als Emission auftrat, ist im zweiten Versuch als Absorption zu erkennen. Abb. 166 Na-Dampf Lampe „schwarze“ Linie Historisches Experiment (in Analogie zu den Fraunhofer„schen Linien), welches zeigt, dass z.B. Na Dampf Licht derselben Wellenlänge absorbiert, welches Na unter thermischer Anregung aussendet. Dies führt zu einer fehlenden Farbe im Prismenspektrum des eingestrahlten Lichts. Frauenhoferlinen J. von Fraunhofer (1787 - 1826) entdeckte unabhängig von W.H. Wollaston (1766 - 1828) bei seiner Arbeit der Herstellung von Linsen und Prismen, dass Licht der Sonne nicht nur nach der Newton´schen Theorie der Brechung in das Farbenspektrum aufspaltet : Im Spektrum der Sonne waren schmale Spektrallinien, die „schwarz“ erschienen, d.h. bei dieser Wellenlänge wird von der Sonne kein Licht ausgesandt. Interpretation : Atome im Aussenbereich der Sonne absorbieren gewisse Wellenlängen sehr stark. Damit konnten Elemente an der Sonnenoberfläche identifiziert werden. Abb. 167 Rekapitulation Schwarzkörperstrahlung, Spektrallinien und Experimente zum Teilchen-Welle Dualismus verdeutlichen, dass Phänomene, welche unmittelbar von atomaren Objekten herrühren, durch eine Theorie zu beschreiben sind, welche diskrete Energiezustände voraussetzt. Grössenordnungen für Längen und Energien Ein Vergleich Physik vs Chemie Chemie (Atome, Moleküle, Gitter) 10-10 - 10-6 m , 0.1 - 50 eV (1eV = 1.6 10-19 J = 96.5 kJ/mol) Atomphysik (Atomkern) 10-10 m , 1 eV - 100 keV Kernphysik (Nukleon) 10-14 m , 100 keV - 100 MeV Elementarteilchenphysik (Quarks, Leptonen) 10-16 m , 100 MeV - 30 GeV Die chemischen Umwandlungen spielen sich somit in einem Energiebereich ab, welcher von Vorgängen im Kern oder den Elementarteilchen völlig separiert ist. 10.2 Beschreibung von Energiezuständen in Atomen Auf der Basis obiger Erkenntnis stellte Niels Bohr (1885 - 1962) 1913 eine erste Theorie zur Beschreibung des Wasserstoffatoms auf, welche in der Lage war, dessen bekannten Spektrallinien ohne weitere Annahmen zu reproduzieren. Nach dieser einfachen Theorie bewegt sich das einzige Elektron im H Atom auf Kreisbahnen (bezeichnet als K, L, M, ...), deren Energien En mit der Zahl n quantisiert werden. (n = 1 : K Bahn; n = 2 : L Bahn, ...). Durch Gleichsetzen der Kern-Elektron Anziehung mit der Zentrifugalkraft der kreisenden Elektronen, kann En berechnet werden. Problemstellung : Berechnung der Energie En nach Bohr, mit Annahmen, gemäss MM, p. 63. Lösung : En = - 2.179 10-18 / n2 [J] = -13.6 / n2 [eV] n = 1, 2, 3, … (Die Berechnung der Energie nach Bohr ist in Lösungen zu Übungen zu finden.) Bohr erklärte die spektralen Übergänge anhand von Übergängen zwischen Zuständen En und En* . * : angeregter Energiezustand Abb. 168 Obwohl damit erstmals mit guter Genauigkeit die Spektrallinien des H Atoms erklärt werden konnten, stellte sich das Bohr‟sche Atommodell als grundsätzlich nicht hinreichend korrekt heraus : Die Annahme von Kreisbahnen erwies sich als unhaltbare Voraussetzung. Die Lösung fand 1926 Erwin Schrödinger (1887 - 1961), der das anstehende Problem allgemeiner formulierte, indem er eine adäquate Übersetzung der Beschreibung durch die klassische Mechanik (Korrespondenzprinzip) in die Quantenmechanik einführte. Schrödinger Gleichung (SG) ^ HY = E Y ^ H : Hamiltonoperator der klassischen Mechanik in der Form eines Differentialoperators für die kinetische Energie der Elektronen sowie Beiträge der elektrostatischen Wechselwirkungen (Kern-Kern, Kern-Elektron, Elektron-Elektron). Y : Wellenfunktion des atomaren Systems. Y enthält sämtliche Informationen, welche als beobachtbare Grössen berechnet werden können. Die Funktion Y selbst hat jedoch keine physikalische Interpretation. E : Energiezustände des Atoms. Die SG hat viele Lösungen, daher liegen Lösungsmengen für E und Y vor. Zur Veranschaulichung sei die SG für 1 Teilchen in einem eindimensionalen Raum (x) diskutiert. Je nach der Form des elektrostatischen Potentials VE ergeben sich verschiedene Lösungen : Eindimensionale SG - a d2 Y(x) / dx2 + VE Y(x) = E Y(x) a = h2 / 8 m p2 Die sogenannte “particle in a box” Lösung lautet : Abb. 169 En = n2 h2 / 32 p2 m L2 n = 1, 2, 3 , ... (Quantenzahl) L = Kastenlänge Yn = N sin ( n p x / L ) , N2 = 2 / L Unter Annahme eines rechteckigen Potentialtopfs VE . Die Lösung der 1D SG besteht aus einer Wellenfunktion, welche für ansteigendes n zunehmend mehr Nullstellen (Knoten) aufweist. Bei En ist hier die Quantenzahl n im Zähler. Abb. 170 Zum Verständnis des H Atoms sowie Atomen mit mehr als einem Elektron, seien hierfür die Lösungen der SG diskutiert. Als erstes wir die in kartesischen Koordinaten notierte SG in eine Darstellung durch Kugelkoordinaten transformiert. Kugelkoordinaten widerspiegeln die Symmetrie des H Atoms. Die Transformation auf Kugelkoordinaten bewirkt, dass die ursprüngliche partielle Differentialgleichung in drei gekoppelte gewöhnliche Differentialgleichungen mit getrennten Variablen übergeht. Somit wird Y ein Produkt dreier separater Funktionen: Y (x,y,z) = R(r) Q(θ) F(φ) . Schrödinger Gleichung → → → Hier bedeuten : 2 = 2 = ∆ : Laplaceoperator ; Uc : elektrostatische Potentialanteile ; E : zu berechnende Energie ; me : Elektronenmasse. r≥0 0≤≤p 0 ≤ ≤ 2p Volumenelement Transformation auf Kugelkoordinaten dV = r2 sin dr d dφ transformierte SG faktorisierte SG Drei separat zu lösende Differentialgleichungen Die Energie E = En hängt nur von n ab. Genereller Kommentar ° Die drei Typen von Funktionen sowie die Energie werden anhand von drei unterschiedlichen Quantenzahlen n, l, ml verschieden klassifiziert. ° Mit 1 / n2 werden Energieabstände zwischen den Energien En mit grösser werdendem n zunehmend geringer. ° Da die Energien En nur von n abhängen, besteht Entartung bei festem n aber variablem l, ml. Entartung bedeutet : Gleiche Energiewerte bei unterschiedlichen Quantenzahlen. Abb. 171 Wertebereiche für Quantenzahlen : Hauptquantenzahl n : 1, 2, 3, ... Bahndrehimpulsquantenzahl Magnetische Quantenzahl l : 0, 1, 2, ... , n - 1 ml : -l, … , -2, - 1, 0 , 1, 2, … , l Zusammenfassung für Bezeichnungen und Zahlenwerten von Quantenzahlen. ms : Spinquantenzahl, siehe später. Diskussion der Funktionen R, θ() und Φ(j) : Wogegen die (komplexe) Funktion Y selbst keine physikalische Interpretation erlaubt, wird das Betragsquadrat | Y |2 am Ort (x,y,z) als Elektronendichte interpretiert. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in einem Volumen V ist das dazugehörige Integral ∫ | Y (x,y,z) |2 dV . V Daraus folgt die Normierungsbedingung: ∫ | Y (x,y,z) |2 dV = 1 . Raum Zu wissen „wo“ in einem Atom / Molekül sich Elektronen im Zeitmittel wahrscheinlichst „aufhalten“ ist für die Chemie von grosser Bedeutung : Die chemische Eigenart von Elementen resultiert aus der Tatsache, dass je nach Anzahl Elektronen diese räumlich unterschiedlich dicht verteilt sind. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der entsprechenden Elektronen hängt vom Ort (x,y,z) und vom betrachteten Volumen dV ab. Wegen | Y (x,y,z) |2 dV = |R(r)|2 |Q(θ)|2 |F(φ)|2 r2 sin θ dr dθ dφ wird die lokale Elektronendichte in Kugelkoordinaten durch das Produkt |R(r)|2 |Q(θ)|2 |F(φ)|2 r2 sin θ beschrieben, das aus einem Radialanteil r2 |R(r)|2 und zwei Winkelanteilen |Q(θ)|2 sin θ und |F(φ)|2 besteht. Die Normierungsbedingung für Y legt nahe, dass auch die Radial- und Winkelanteile auf 1 normiert werden. Die folgenden 4 Folien sind als Ergänzung und Vorbereitung für spätere Vorlesungen gedacht. Die Normierungsbedingung geht auf ein Skalarprodukt eines bra- (Zeilen-) mit einem ket- (Spalten-) Vektor zurück : Yi | Yj = ∫ Yi* Yj dV = ∫ Yi* Yj r2 sin θ dr dθ dφ Raum Raum Da der Hamiltonoperator für dieses Skalarprodukt selbst-adjungiert ist, sind alle Eigenwerte Ei reel und es gibt eine (abzählbar unendliche) orthonormierte Basis von Eigenvektoren Yi , die uns ein gutes mathematisches Modell für die Beschreibung der ortsabhängigen Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in einem Orbital liefert. Wichtig dabei ist, dass Lösungen wegen der Orthogonalitätsbedingung Yi | Yj = ij ( gleich 1, wenn i = j, sonst 0 ) , immer linear unabhängig sind. Der Gram-Schmidt-Algorithmus erlaubt die sukzessive Konstruktion einer orthonormierten Basis. Wegen der Produktform von Y (x,y,z) Y (x,y,z) = R(r) Q(θ) F(φ) haben orthonormiere Lösungen auch (stets normierbare und) paarweise mindestens einen orthogonalen Faktor (Radial- oder Winkelanteil) : ∫ Ri* Ri r2 dr = ∫ Qi* Qi sin θ dθ = ∫ Fi* Fi dφ = 1 , Raum Raum Raum ∫ Ri* Rj r2 dr = 0 oder ∫ Qi* Qj sin θ dθ = 0 oder ∫ Fi* Fj dφ = 0 für i ≠ j , Raum Raum Raum wobei in den ersten beiden Fällen i und j mehrfache Indizes der Form nl oder lm (für lml) sind. Bei verschiedenen n Werten und gleichen l Werten sind die Radialanteile orthogonal. Bei verschiedenen l Werten sind die Q Winkelanteile orthogonal und bei verschiedenen ml Werten sind die F Winkelanteile orthogonal. Für das H Atom wurden folgende normierten Radialund Winkelfunktionen berechnet : Rnl(r) Qlm(θ) Fm(φ) 2/√a03 · exp{-r/a0} 1/√2 1/√2π 1/√2 1/√2π n l ml Orbital 1 0 0 1s 2 0 0 2s 1/√(2a0)3 · (2 - r/a0) · exp{-r/2a0} 2 1 1 2px 1/√3(2a0)3 · r/a0 · exp{-r/2a0} √3 /2 sin 1/√π cos j 2 1 -1 2py 1/√3(2a0)3 · r/a0 · exp{-r/2a0} √3 /2 sin 1/√π sin j 2 3 3 3 3 1 0 0 0 1 1 1 -1 1 0 2pz 1/√3(2a0)3 · r/a0 · exp{-r/2a0} √6 /2 cos 3s 2/81√3a · [27 - 18 r/a + 2 (r/a ) ] · exp{-r/3a } 1/√2 3px 2√2/81√3a03 · (6 - r/a0) · exp{-r/3a0} √3 /2 sin 3py 2√2/81√3a03 · (6 - r/a0) · exp{-r/3a0} √3 /2 sin 3pz 2√2/81√3a03 · (6 - r/a0) · exp{-r/3a0} √6 /2 cos 3 0 0 0 2 0 1/√2π 1/√2π 1/√π cos j 1/√π sin j 1/√2π 3 2 3 2 3dx²-y² 4/√30a03 · (r/a0)2 · exp{-r/3a0} √15 /4 sin2 1/√π cos(2j) 2 -2 3dxy 4/√30a03 · (r/a0)2 · exp{-r/3a0} √15 /4 sin2 1/√π sin(2j) 3 2 1 3dxz 4/√30a03 · (r/a0)2 · exp{-r/3a0} √15 /4 sin(2) 1/√π cos j 3 2 -1 3dzy √15 /4 sin(2) 1/√π sin j 3 2 3dz² 0 4/√30a03 · (r/a0)2 · exp{-r/3a0} 4/√30a03 · (r/a0)2 · exp{-r/3a0} √10 /4 (3cos2 -1) 1/√2π Auch bei den d-Orbitalen haben die Indizes direkten Bezug zu den Funktionen Ynlm (x,y,z) = Rnl(r) Qlm(θ) Fm(φ), welche die in Kugelkoordinaten übersetzten Indizes enthalten. Für das 2px-Orbital ergibt sich Y211 (x,y,z) = Faktor · r sin · cos j = Faktor · x . Für das 3dx²-y²-Orbital Y32-2 (x,y,z) = Faktor · r2 sin2 · cos(2j) = Faktor · (x2-y2), wobei wir die trigonometrische Identität cos(2j) = cos2j - sin2j benutzt haben. Da die analog definierten Funktionen 3dx²-y² 3dx²-z² und 3dy²-z² nicht linear abhängig sind, wählt man für Y320 die zu 3dx²-y² orthogonale (normierte) Summe aus 3dx²-z² und 3dy²-z² , welche (wegen r2 = x2 + y2 = z2) dem Orbital 3dr²-3z² , abgekürzt 3dz² , entspricht. Die Radialfunktion R(r) ° Rnl(r) ist winkelunabhängig und weist daher an allen Punkten mit demselben Zentralabstand r dieselbe Amplitude auf. ° Rnl(r) hängt jedoch stark von Zentralabstand r ab. Je nach Index n, l verläuft die Amplitude nicht nur positiv, sondern wechselt auch das Vorzeichen. ° R10 (1s Typ) : Hat in Kernnähe das Maximum. Die zugehörige radiale Elektronendichte zeigt das Maximum am Bohr-Radius a0 = 5.29 Angström. Elektronen “stürzen”natürlich nicht in den Kern, auch wenn z.B. 1s Funktionen bis r = 0 gezeichnet werden. Vielmehr sind Kern und Elektronen keine festen Körper, sondern Energieverteilungen, die sich überlappen können. ° Rnl : 2s, 2p, 3s, 3p, 3d, etc. Mit zunehmendem n und entsprechendem l treten bei grösseren Abständen zunehmende lokale Maxima der radialen Elektronendichte auf. Das globale Maximum liegt in der Nähe des entsprechenden Bohr Radius n2 a0 . D.h. in En Zuständen sind Elektronen wahrscheinlicher auf grösserem Abstand „anzutreffen“. >1 Im Fall des 2s Orbitals erhält man die Maxima bei r = (3 ±√5) a0 . Das globale Maximum liegt mit 5.24 a0 , d.h. über dem von Bohr berechneten Wert 4 a0 . Im Fall der 2p Orbitale ergibt sich genau ein Maximum bei r = 4 a0 . Für s Orbitale sind die Winkelfunktionen konstant. Sie sind daher kugelsymmetrisch. Anstelle der radialen Elektronendichte kann auch eine radiale Verteilungsfunktion definiert werden : 4 p r2 |Rnl(r)|2 , die proportional zu unserer radialen Elektronendichte in Kugelkoordinaten ist. Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Elektron eines s Orbitals sich innerhalb einer Kugelschale der Dicke dr “aufhält”, ist dann 4 p r2 |Rnl(r)|2 dr . Generell kann gesagt werden, dass Atome mit besetzten Funktionen von höherem n (Atome mit vielen Elektronen) „grösser“ sind, als solche mit niedrigerem n. 1s Abb. 172 Beispiele für radiale Verteilungsfunktionen, welche aufzeigen, dass mit höherem n, die Hauptmaxima zu höheren r-Werten verschoben werden. Auch für nicht s Orbitale ist die radiale Verteilungsfunktion proportional zu der radialen Elektronendichte. Atome mit Besetzung von Funktionen von höherem n sind somit „grösser“, als solche mit kleinerem n. Abb. 173 Abstand r vom Kernmittelpunkt Die winkelabhängigen Funktionen Θ, Φ : Im Gegensatz zur winkelunabhängigen Radialfunktion beschreiben Θ und Φ die Winkelabhängigkeit von Y. Je nach n, l, ml ergeben sich örtlich stark verschiedene Amplituden, was anhand charakteristischer ebener Schnitte oder Grenzflächendarstellungen erkannt werden kann. Wegen der Produktform von Y ist die Elektronendichte dort maximal, wo R, Θ und Φ ihre jeweiligen Maxima annehmen. Die Winkelabhängigkeit ist besonders von Bedeutung für die Beschreibung chemischer Bindungen, welche in Molekülen räumlich gerichtet auftreten. Im Fall der 2p Orbitale sind die Winkelfunktionen (bis auf Normierungsfaktoren) reine sin- oder cos-Funktionen. Aus Symmetriegründen genügt es, einen der drei Fälle zu diskutieren, z.B. pz . Wir wissen bereits, dass die radiale Elektronendichte bei r = 4 a0 ein Maximum annimmt. Mit |F(φ)|2 = (2p)-1 konstant, ist die Elektronendichte um die zAchse rotationssymetrisch. Elektronendichte 2pz Die Funktion |Θ(θ)|2 sinθ ist vom Typ cos2θ sinθ und zeigt Maxima auf einem Doppelkegel mit Öffnungswinkel θ = 0.615 rad (35.3°). Die Elektronendichte hat somit Maxima auf zwei Kreisen um die z-Achse mit Radius 4 a0 sin(0.615 rad) in den Ebenen z = ± 4 a0 cos(0.615 rad). Abb. 174 Elektronenverteilung 2pz Abb. 175 Die nächsten komplizierteren Objekte sind die 3d Orbitale, wie wir sie in Abb. 176 sehen. Wegen des einfacheren Skalarprodukts erhält man orthonormierte Lösungen F0, F1,.., F m durch Normieren der Funktionen cos (0φ), cos (1φ), sin (1φ),…, cos (mφ), sin (mφ). Wegen des Faktors sin (θ) im Skalarprodukt der Q-Funktionen, sowie der doppelten Indizes l m haben orthonormierte Lösungen Qlm für l > 1 gegenüber den Funktionen cos (lθ), sin (lθ) eine kompliziertere Form. Die trigonometrischen Identitäten 3 cos2(θ) - 1 ≡ ½ [1 + 3 cos (2θ)] ; sin (θ) cos (θ) ≡ ½ sin (2θ) ; sin2(θ) ≡ ½ [1 - cos (2θ)] zeigen im Fall l = 2, inwiefern die Q-Funktionen eine kompliziertere Form als die F-Funktionen haben. Da das 3dz²-Orbital eine LC zweier Orbitale vom Typ 3dx²-z² ist, bleiben die in der z-Achse zentrierten “Bälle” erhalten, wohingegen die in der x- und der y-Achse zentrierten “Bälle” durch Überlappung zu einem “Ring” verschmelzen. Abschliessend dürfen wir nicht vergessen, dass die Wahl der z-Achse in unserem Modell willkürlich ist. Abb. 176 vergl. MM , p. 74 - 76 Positive Vorzeichen der Wellenfunktion dunkelblau, negatives Vorzeichen hellblau. Beschreibung von Atomen mit mehreren Elektronen In Analogie zur SG des H Atoms kann für jedes Atom eine entsprechende Gleichung aufgestellt werden. ° Die Lösung der SG für mehr als ein Elektron kann aber nicht mehr explizit und in der bekannten Form angegeben werden. ° Ansatzweise können jedoch Funktionen der Lösungen für das H Atom verwendet werden. ° Mit dem Auftreten von mehr als einem Elektron pro Atom, stellt sich eine neue Frage : Wie sind die Lösungen der SG den Elektronen zuzuordnen ? Das Pauli-Prinzip Um ein elektronisches System quantenmechanisch korrekt beschreiben zu können, ist zu beachten, dass die drei Quantenzahlen n, l, ml nicht ausreichen. Der Wellenfunktion Y ist eine sogenannte Spin-Funktion s beizufügen, welche berücksichtigt, dass Elektronen die nicht klassische Eigenschaft Spin zeigen (S = ½). Dem Spin S entspricht klassisch gesehen ein Drehimpuls. In der Beschreibung Y s wird der Spin durch die Quantenzahl ms = ½ , - ½ berücksichtigt. Nach dem Prinzip von Wolfgang Pauli (1900 - 1958) sind die Mehrelektronenfunktionen so aufzubauen, dass pro Funktion mit vier Quantenzahlen Y (n, l, ml) s (ms = 1/2) Y (n, l, ml) s (ms = -1/2) je nur ein Elektron beschrieben wird. In Energieniveaus wird dies so ausgedrückt, dass auf ein Energieniveau nur zwei Pfeile gesetzt werden : einen Pfeil mit Spitze nach oben (ms = 1/2), einen Pfeil mit Spitze nach unten (ms = -1/2). Die Hund‟sche Regel Nach theoretischen Arbeiten von Friedrich Hund (1896 - 1997) sind jene Zuordnungen von Elektronen auf Funktionen Y s (sogenannte Elektronenkonfigurationen) energetisch bevorzugt, welche bei Entartung bezüglich ml , die maximale Anzahl Spins mit paralleler Ausrichtung führen. Bei gleichzeitiger Beachtung des Pauli-Prinzips. Elektronenkonfigurationen von Atomen : Unter Annahme von Wasserstoff-Typ Funktionen Y s lässt sich vereinfacht nachstehendes Schema erstellen : Abb. 177 Vergl. MM , p. 79 : Zu beachten, dass gleiche Niveauhöhe für 1s und 2s, 2p hier nicht Entartung bedeutet; das ist nicht angesprochen, vergl. Abb. 178. Abb. 178 Energieschema mit voller Entartung aller Energiezustände bei gleichem n aber, verschiedenem l. Abb. 179 Elektronenkonfigurationen der leichten Elemente, vergl. MM , p. 80. Elektronen werden hier unter Beachtung (i) ansteigender Energie, (ii) des Pauli-Prinzips sowie (iii) der Hund´schen Regel „eingefüllt“. Auf diese Weise werden die Elektronenkonfigurationen der Elemente mit n = 1, 2, 3, d.h. von H bis Ar erhalten. Kommentar Die dargestellten Sequenzen von Energien sind aus folgendem Grund nicht korrekt wiedergeben : Numerisch korrekte Lösungen der SG für Atome mit mehreren Elektronen zeigen, dass die Entartung bezüglich der Quantenzahl l aufgehoben wird. Dies bedeutet : Abb. 180 Verändertes Energieschema bei Berücksichtigung elektronischer Wechselwirkungen, welche die Entartung für gleiches n, aber verschiedenes l aufheben : Einfluss von Zeff. E2s < E2p ; E3s < E3p < E3d , … Der Effekt entsteht dadurch, dass Elektronen mit Aufenthaltsmaxima auf grösserem Abstand r von jenen mit kleinerem r bezüglich der Kernladung Z abgeschirmt werden. Die Sequenz der Energieabfolge kann näherungsweise durch die Annahme einer effektiven Kernladung Zeff korrigiert werden. Zeff ist von n und l abhängig, siehe nachstehende Tabelle : Zeff = Zeff (n, l) Unter Berücksichtigung der Abschirmeffekte und der elektrostatischen Elektron-Elektron-Wechselwirkung wird die Entartung bezüglich n und l aufgehoben. Für die meisten Niveaus bedeutet dies, dass die zuvor entarteten Niveaus aufspalten. In einigen Fällen überkreuzen Niveaus, wenn deren Energien in Abhängigkeit der Kernladungszahl Z aufgetragen werden. Die Überkreuzung bewirkt z.B., dass die Elektronenkonfigurationen von K und Ca etwas anders lauten, als wir es erwarten würden : K : [Ar] 4s1 anstelle von [Ar] 3d1 Ca : [Ar] 4s2 anstelle von [Ar] 3d2 Überkreuzung Abb. 181 10.3 Der Aufbau des Periodensystems Das dargestellte Verfahren der Besetzung von Funktionen mit Elektronen lässt uns die Art der Aufstellung des Periodensystems verstehen. Die Besetzung aller Funktionen mit aufsteigendem n führt zu den sogenannten Perioden 1. Periode : n = 1 ; 2. Periode : n = 2 ; 3. Periode : n = 3 ; … 6. Periode : n = 6 ; 7. Periode : n = 7 Graphisch wird das Periodensystem üblicherweise so dargestellt, dass in Abweichung vom Auffüllprinizip und ansteigender Energien, die Elemente, welche 4 f und 5f Funktionen besetzen, als separater Block wiedergegeben wird. 4f : Lantanoide ; 5f : Actinoide Abb. 182 Vergl. MM , p. 81 Einteilung in Gruppen / Blöcke : Die vertikale Strukturierung, welche sich aus dem horizontal verlaufenden Besetzen von Niveaus ergibt, erzeugt vertikal Gruppen und Blöcke aus Gruppen. (i) Hauptgruppenelemente rechte Seite, d.h. p-Block : hauptsächlich Nichtmetalle, Halogenide, Edelgase (ii) Hauptgruppenelemente linke Seite, d.h. s-Block : Alkalimetalle, Erdalkalimetalle (iii) Übergangselemente mittlerer Teil d,f-Blöcke : Metalle Abb. 183 Übliche Art der Aufstellung des PS : Hervorhebung der Blockstruktur 10.4 Atomare Eigenschaften, Kenngrössen Metall- und Ionen-Radien Eine Diskussion von Rnl Funktionen erlaubt eine Abschätzung darüber, welche Atome aufgrund des Pauli-Prinzips „grösser“ sind als andere. Zahlenwerte werden aus der Analyse von Kristallstrukturdaten ermittelt : Eine Kristallstrukturanalyse ergibt u.a. interatomare Abstände. Für Metalle entspricht der Atomradius dem halben kürzesten interatomaren Abstand in Kristallstrukturen. Beachten Sie die generelle Zunahme der Atomradien mit steigender Periode, wogegen innerhalb einer Periode auch eine Abnahme auftreten kann. Letzteres hat mit der Zunahme der Kernladung zu tun. Ionenradien Im Falle der Ionenradien ist eine weitere Annahme erforderlich : In einer Kristallstruktur wo sowohl Kationen K wie Anionen A vorhanden sind, betrage deren minimaler Abstand dKA. Festzulegen sind jedoch rK und rA. Zwei Unbekannte und nur eine Messgrösse ! Das Problem wird näherungsweise so gelöst, dass Anionen wie O-2 oder F- als Standard benützt werden. In Klammern : Koordinationszahl D.h., deren Ionenradius (O-2, F-) wird für eine Vielzahl von ionischen Gittern als konstant vorausgesetzt. Atomradien und Ionenradien hängen beide von der Koordinationszahl ab, anhand welcher eine Bestimmung vorgenommen wurde. Erweiterung : Durch Messung und Interpretation der Elektronendichteverteilung in einem Kristall kann ermittelt werden, auf welchem Abstand zwischen der kürzesten Verbindung eines K- und AIons die Elektronendichte ein Minimum erreicht. Im Rahmen der Annahme eines weitgehend ionisch gebundenen Systems kann daraus eine Zuordnung für rK und rA vorgenommen werden. Damit kann ein Standard für z.B. O-2 festgelegt werden (1.26 Å). Abb. 184 Zahlen: e-Dichte Dass hier keine Elektronenpaarbindung auftritt, ist daran zu erkennen, weil zwischen den Ionen kaum Elektronendichte vorliegt. Das System NaCl ist somit nur ionisch gebunden. Ionisierungsenergien Unter Ionisierung versteht man die Entfernung von Elektronen aus Atomen / Molekülen : A (g) A+k (g) + k e- (g) n = 1 : erste Ionisierungsenergie I1 ; n = 2 : I2 ; ... Ionisierungsenergien In werden üblicherweise in eV angegeben ( 1 eV = 96.496 kJ/mol ). Ionisierung stellt einen endothermen Vorgang dar. Das Entfernen des Elektrons aus dem H Atom benötigt z.B. +13.6 eV. Da angenommen wird, dass H+ und e- (nach Ionisierung) unendlich weit voneinander entfernt vorliegen, kann der Zustand H+ (g) und e- (g) als Energienullpunkt definiert werden, womit das H Atom eine Grundzustandenergie von -13.6 eV aufweist. Aus den Energiewerten der Ionisierungsstufen In (n = 1, 2, …) kann verstanden werden, warum die Gruppe der Alkalimetalle z.B. als M+ Aquaionen, die der Erdalkalimetalle als M+2 Aquaionen vorliegen : Ionisierungsenergien von Elementen Der Anstieg von I1 zu I2 Gr. 1 oder I2 zu I3 Gr. 2 ist wesentlich grösser als die Werte für I1 , respektive I2 (siehe Tabelle). Elektronenaffinität Die Übertragung von Elektronen auf Atome wird Elektronenaffinität Ae genannt : A (g) + n e- (g) A-n (g) Die Aufnahme von Elektronen in ein Atom kann im Gegensatz zur deren Entfernung als endothermer oder exothermer Vorgang vorkommen. Elektronenaffinität von Elementen Ae-Werte in gebräuchlichen Tabellen sind für exotherme Vorgänge mit positivem, für endotherme Vorgänge mit negativem Vorzeichen versehen. Entgegen der thermodynamischen Konvention ! Edelgase z.B. zeigen endotherme Aufnahme von Elektronen, Halogene weisen die grössten (positiven) Werte auf, was erklärt, warum diese Atome als stabile Anionen X- auftreten können. Durch Aufnahme eines Elektrons erreichen die Halogene eine Edelgaskonfiguration. Bei den Edelgasen führt dies dazu, dass das nächst höhere En Niveau besetzt werden muss (nächste Periode). Daher der endotherme Vorgang. Elektronegativität EN Die Elektronegativität ist ein Mass dafür, wie bei Bindungsbildung zwischen zwei Atomen A und B, die Ladungsdichteverteilung durch atomare Eigenschaften von A und B beeinflusst wird. Bemerkung : EN Werte können auf verschiedene Weise definiert werden, worauf wir hier nicht eingehen. Ein hoher Wert der EN eines Atoms weist auf eine grosse Affinität hin, dass bei Verbindungsbildung die Ladungsdichteverteilung zugunsten dieses Atoms ausfällt. Elektronegativitäten für Elemente Beispiele : Lithiumfluorid (s) , LiF : EN (Li) = 0.98 ; EN (F) = 3.98 Im Festkörper von LiF liegt weitgehendst Ladungstrennung zwischen Li und F vor : Li+ und F- bilden ein ionisches Gitter. Analog kann begründet werden, warum die meisten Verbindungen zwischen s-Block (links) Elementen und Metallen, mit p-Block (rechts) Elementen (O, Halogene, S) ionische Verbindungen darstellen. Bemerkung : Die Argumentation mit Hilfe der EN überlagert sich mit jener anhand von In und Ae. Dies erklärt sich dadurch, dass eine der möglichen Definitionen für die EN lautet : EN ist proportional zu (I1 + Ae). Bei geringem EN Unterschied ist der sogenannte kovalente Anteil in der Bindung grösser als der ionische : Alkane , CnHm : EN (C) = 2.55 ; EN (H) = 2.20 Die Bindung in derartigen Verbindungen ist überwiegend kovalent, d.h. durch eine Elektronenpaarbindung beschreibbar. 10.5 Molekülstruktur und chemische Bindung Die Struktur von isolierten Molekülen oder Festkörpern lässt sich durch Angabe von Bindungslängen und Bindungswinkeln geometrisch beschreiben. Derartige Anordnungen von Kernen (Kerngerüsten) zeigen Punktsymmetrie. Die Punktsymmetrie umfasst alle Symmetrieoperationen, welche das Kerngerüst in sich selbst überführen (vergl. Anhang, Kap. 6). Die Kenntnis über Symmetrie ist äusserst nützlich, weil damit der Datensatz (Bindungslängen, Bindungswinkel) zur Beschreibung einer Molekülstruktur in vielen Fällen stark reduziert werden kann. Die theoretische Vorhersage von Molekülstrukturen ist ein etabliertes Thema der Quantenchemie. Nebst eines korrekten, aber aufwendigen Verfahrens der QC, finden einfache Modelle eine beschränkte, aber in vielen Fällen sinnvolle Anwendung. VSEPR-Modell Ein besonders einfaches Modell, das „valence shell electron pair repulsion“ Modell genannt wird, soll hier vorgestellt werden. Seine Darstellung beruht auf Lewis Strukturen. Gilbert N. Lewis (1875 - 1946) postulierte, dass die kovalente Bindung zwischen Atomen durch ein oder mehrere Elektronenpaar(e) beschrieben werden kann. Lewis Strukturen stellen die typischen chemischen Formeln dar, welche Moleküle bezüglich Konstitution und Art der Bindungen in graphisch einfacher Form darstellen. Voraussetzungen zum VSEPR-Modell : (i) Zentralatom (z.B. aus dem p-Block) mit bekannter Elektronenkonfiguration. (i) q chemisch identische oder q1, q2, ... chemisch unterschiedliche Bindungspartner, welche eine oder mehrere Elektronenpaarbindungen zum Zentralatom eingehen. Mögliche Moleküle : OH2 , SF6 , PCl5 , ... Anhand einer Abzählung von Bindungspaaren (BEP) sowie verbleibenden nicht bindenden Paaren (NBEP), resultiert ein Satz von BEP und NBEP, von denen angenommen wird, dass diese eine sterisch repulsive Wechselwirkung eingehen ( keine Durchdringungen wegen Pauli-Prinzip ). Weiterhin wird angenommen, dass die sterische Repulsion folgende Reihenfolge der Stärke zeigt : NBEP1 gegen NBEP2 > NBEP gegen BEP > BEP1 gegen BEP2 Die resultierende Molekülstruktur ist jene Anordnung, welche unter diesen Bedingungen die Abstossung am besten erfüllt. Beispiele : ° OH2 : Elektronenkonfiguration O [He] 2s2 2p4 Anzahl Valenzelektronen VE : 6 Anzahl BEP : 2 ( + je ein e- von H ) Anzahl VE minus Anzahl BEP : 4 Anzahl NBEP : 2 (wegen Pauli-Prinzip) Rekapitulation : 2 BEP, 2 NBEP Diese 4 Elektronenpaare ordnen sich als Objekte nach obiger Regel so an, dass diese untereinander die geringste sterische Repulsion (Durchdringung) erfahren. Geometrisch kommen hierfür das Quadrat und das Tetraeder in Frage. Es zeigt sich, dass das Tetraeder die bessere Lösung darstellt. Schlussfolgerung : Wasser ist „tetraedrisch“ : Je ein NBEP zeigt in Richtung der Ecken eines Tetraeders; je ein BEP (O-H Bindung) zeigt in die verbleibenden Ecken desselben Tetraeders. Der experimentell gemessene Bindungswinkel H-O-H stimmt sehr gut mit dem Tetraederwinkel von 109.5° überein. Man sagt daher, die Struktur von Wasser ist gewinkelt. ° SF6 : S [Ne] 3s2 3p4 VE : 6 ; BEP : 6 ( + je ein e- von F- ) ; NBEP : 0 geometrische Form : Oktaeder ° PCl5 : P [Ne] 3s2 3p3 VE : 5 ; BEP : 5 ( + je ein e- von Cl- ) ; NBEP : 0 Geometrische Form : quadratische Pyramide vs trigonale Bipyramide. Trigonale Bipyramide besser. Vergl. MM , p. 126 Valence Bond Theorie (VBT) Das nächste Modell, das wir besprechen, ist weniger geometrisch, geht aber ebenso von den Elektronen in Atomen aus, von denen angenommen wird, deren Beitrag zur Bindung wäre der wichtigste Beitrag. Deutung des Namens : äussere Elektronen, welche Bindungen eingehen. Nach der VBT entsteht eine Bindung, indem ein Elektron seinen Spin mit dem Elektron eines andern Atoms paart. Beispiel H2 Molekül Das H2 Molekül weist axiale Symmetrie auf, d.h. die Bindung zeigt Rotationssymmetrie. Diese Art der Bindung wird s Typ Bindung genannt. Die zugehörige Wellenfunktion Y lautet vereinfacht so : Bezeichnungen : H2 oder H-H oder H(1)-H(2) Wir verwenden nur die 1s Funktion der H Atome und geben denen zur Unterscheidung der Funktionen den Index 1, 2. Y(r) = N [1s1(r1) 1s2(r2) + 1s1(r2) 1s2(r1)] Abb. 185 Kommentar Die beiden Summanden sind so zu interpretieren, dass im ersten Beitrag die Elektronen 1 und 2 (dargestellt durch r1 und r2) durch die Atomfunktionen der Atome mit Index 1 resp. 2 beschrieben werden („eigene Elektronen“), wogegen im zweiten Term die Elektronen ausgetauscht werden („fremdes Elektron“). Eine elektronische Wellenfunktion muss berücksichtigen, dass in einem gemeinsamen Elektronensystem wie dem H2 Molekül, die Elektronen der Herkunft nach nicht unterschieden werden können. Grundsätzlich : Elektronen sind ununterscheidbare Teilchen. Wir können ihnen keine Marke ankleben, um stets erkennen zu können, welches Elektron gerade gehandhabt wird. Aus diesem Grund müssen Mehrelektronenfunktionen gegenüber Vertauschung von Elektronenkoordinaten antisymmetrisch sein. Dass Elektronenpaarung bei der Bindungsbeschreibung (DEN klein) den entscheidenden Energiebeitrag liefert, zeigt folgende, erweiterte Betrachtung. Wir stellen zu diesem Zweck zwei Funktionen YS , YT auf : Eine mit Spinpaarung (Singulett-Funktion) YS , und eine mit parallelem Spin (Triplett-Funktion) YT . Singulett-Funktion YS = NS[1s1(r1)1s2(r2) + 1s1(r2)1s2(r1)] sS Triplett-Funktion YT = NT[1s1(r1)1s2(r2) - 1s1(r2)1s2(r1)] sT Erläuterungen : Rote Zahlen bezeichnen die beiden Elektronen 1, 2 ; die grünen Zahlen bezeichnen die beiden Funktionen 1, 2 (s Typ). Die Faktoren NS und NT stellen Normierungsfaktoren (siehe Ü14, Aufg. 4) dar. Die Triplettfunktion sT ist dreifach entartet bezüglich der Quantenzahl ms = 1, 0, -1. Bei Annahme eines Hamiltonoperators H der kinetische Energie und die elektrostatische Wechselwirkungen berücksichtigt, können folgende Integrale berechnet werden : Q (Coulomb Integral) , K (Austauschintegral) , D (Quadrat des Überlappungsintegrals) Die Energie <YS/ H /YS> = E , lautet für YS ES = (Q + K) / (1 + D) , entsprechend für YT ET = (Q - K) / (1 - D) Die numerische Auswertung ergibt, dass K gegenüber Q viel grösser ist (etwa 9 : 1), womit die Singulett-Funktion (welche auf Spinpaarung basiert) die tiefere Energie aufweist als YT . Werden die Energien ES und ET gegen den interatomaren Kern-Kern-Abstand aufgetragen, so ergeben sich zwei Potentialkurven (siehe Abb. 186) : Die Potentialkurve für ES weist ein absolutes Minimum auf, diejenige von ET zeigt hingegen kein Minimum. Die ES Kurve stellt einen bindenden, die obere einen nicht bindende Zustand dar. Triplett Abb. 186 r Singulett VBT Beschreibung bei Auftreten von p Typ Funktionen Eine p Typ Bindung entsteht, wenn z.B. p Funktionen zweier Atome auf Abstand d sich seitlich annähern. Man nennt diese p Typ, weil die beiden beteiligten p Funktionen spiegelbildlich (Symmetrieebene) angeordnet sind. Beispiel N2 Molekül Im Stickstoffmolekül, gebildet aus zwei Atomen mit Elektronenkonfiguration [He] 2s2 2p3 , resultieren nach Lewis 3 Bindungen. Im Sinne des kompletten Oktetts erreicht jedes Atom mit Hilfe des andern je 4 EP : 3 bindende, 1 nicht bindendes. Abb. 187 Es resultiert eine s Bindung (pz ... pz) sowie zwei p Bindungen (px ... px ; py ... py). Anregung und Hybridisierung Eine Grundzustands-Elektronenkonfiguration eines Atoms kann Ausgangslage für eine VBT Beschreibung sein, wobei ein Elektron formal in ein höheres Niveau angehoben wird. Beispiel Kohlenstoff in Verbindungen mit H, O, etc. : C : [He] 2s2 2p2 geht über in [He] 2s1 2px1 2py1 2pz1 In der angeregten Konfiguration steht je ein Elektron zur Verfügung, um z.B. mit dem Elektron eines H Atoms je eine Bindung einzugehen. Weil CH4 tetraedrische Symmetrie aufweist, d.h. alle 4 Bindungen äquivalent sind, bilden wir aus den s und p Funktionen 4 orthonormierte (und somit linear unabhängige) Linearkombinationen, Yi = ai 2s + bi 2px + ci 2py + di 2pz , die unter den Symmetrien der Tetraedergruppe Td auf sich selbst abgebildet werden. Da wir aus 4 orthonormierten Funktionen 4 orthonormierte Linearkombinationen bilden, kann man zeigen, dass unsere 4 Koeffizienten jeweils den gleichen Betrag haben. Es gilt somit : ai2 + bi2 + ci2 + di2 = 1 , d.h. |ai| = |bi| = |ci| = |di| = ½ . Gruppentheoretische Überlegungen liefern schlussendlich die Vorzeichen der 4 normierten VBT Funktionen : Y1 = ½ ( 2s + 2px + 2py + 2pz ) Y2 = ½ ( 2s - 2px - 2py + 2pz ) Y3 = ½ ( 2s - 2px + 2py - 2pz ) Y4 = ½ ( 2s + 2px - 2py - 2pz ) Bildlich sieht das so aus, dass in Richtung der vier H Atome je eine Elektronenpaarung auftritt. Die 4 Hybridfunktionen Y1- 4 nennt man sp3 Hybridorbitale. Man sagt daher, der Kohlenstoff in gesättigten Alkanen sei sp3 hybridisiert. In ähnlicher Weise können durch symmetrieadaptierte Linearkombinationen von s, p, d, ... Funktionen entsprechende Hybridisierungen erstellt werden. Abb. 188 Bemerkung : Die Aufstellung einer Hybridisierung setzt die Kenntnis der Symmetrie einer lokalen Bindungsanordnung voraus. D.h. der Kohlenstoff ist nicht deshalb tetraedrisch gebunden, weil dieser nach irgendwelchen Theorien sp3 hybridisiert ist. Im Experiment stellen wir tetraedrische Symmetrie fest, woraus die sp3 Beschreibung folgt ! Hybridisierung liefert bei Überlappung verschiedener Orbitale ähnlicher Energien eine gute Beschreibung. Analog : sp2 und sp Hybridisierung Im Gegesatz zu dem Ethan-Molekül besteht in den Molekülen Ethen und Ethin keine Tetraederstruktur und somit keine sp3 Hybridisierung mehr. Ethen ist ein planares Molekül und hat somit bezüglich C Symmetrieeigenschaften der Diedergruppe D3h : Jedes der beiden C-Atome liegt im Mittelpunkt eines aus 2 H-Atomen und einem C-Atom gebildeten gleichseitigen Dreiecks. Die p-Bindung entsteht durch Überlappung der pz Orbitale der beiden C Atome. Wir benötigen dazu 3 orthonormiete Linearkombinationen der s , px und py Funktionen Yi = ai 2s + bi 2px + ci 2py , die unter den Symmetrien der Diedergruppe D3h auf sich selbst abgebildet werden. Die entsprechenden Symmetriegleichungen liefern folgende 3 normierte VBT Funktionen : Y1 = 1/√3 2s + √⅔ 2px Y2 = 1/√3 2s - 1/√6 2px + 1/√2 2py Y3 = 1/√3 2s - 1/√6 2px - 1/√2 2py Die 3 Hybridfunktionen Y1- 3 nennt man sp2 Hybridorbitale. Ethin ist ein lineares Molekül mit einem Symmetriezentrum und zwei p-Bindungen. Es gehört der Symmetriegruppe D∞h an. Hier benötigen wir 2 orthonormierte Linearkombinationen der s und px Funktionen, die D∞h invariant sind. Ähnlich wie im Fall der sp3 Hybridisierung erhalten wir folgende 2 normierte VBT Funktionen : Y1 = 1/√2 ( 2s + 2px ) Y2 = 1/√2 ( 2s - 2px ) Die 2 Hybridfunktionen Y1- 2 nennt man sp Hybridorbitale. Wichtig zu beachten, dass für den p Anteil die restlichen p Funktionen verwendet werden ! Beschreibung chemischer Bindungen durch Molekülorbitale Die VBT richtet ihr Augenmerk auf einzelne Bindungen in Molekülen, welche als geometrisch starr vorausgesetzt werden. Dieser Ansatz greift für die Fülle der Möglichkeiten zu kurz. Eine allgemeinere Beschreibung nimmt an, die Elektronen der Atome eines Moleküls seien über das ganze Molekül verteilt - jedoch in unterschiedlichem Ausmass. Bemerkung : Wir sehen den Unterschied zu VBT . In welchem Ausmass sich welche Elektronen an einer Bindung beteiligen, ist hier das Resultat der Rechnung und wird nicht, wie in der VBT, vorausgesetzt. Die Lösung der SG unter diesen Voraussetzungen wird Molekülorbital genannt. Linearkombination von Atomorbitalen : LCAO Methode Wie soll ein Molekülorbital aufgebaut werden ? Aus dem Bekanntem folgt, dass Linearkombinationen unter Verwendung von Atomfunktionen einen brauchbaren Lösungsansatz darstellen. Beipiel H2+ Molekül : Ein Molekül aus zwei Protonen gebunden durch nur 1 e-. Yg = N+ [ 1s1 + 1s2 ] Ya = N- [ 1s1 - 1s2 ] Zeichenerklärung : Indizes 1, 2 nennen die Atome; g : Grundzustand ; a : antibindender Zustand. ° Yg führt zu einer Absenkung der Energie gegenüber H+ (g) + e- (g) und stellt ein s MO dar, genannt 1s. ° Ya weist eine höhere Energie auf und hat eine Nullstelle in der Mitte der Kern-Kern Verbindungslinie. Abb. 189 Darstellung der LC(+) und LC(-) für 1s Funktionen sowie quadrierte LCs Einzelne 1s Funktionen Summe der 1s Funktionen Differenz der 1s Funktionen quadriert quadriert Elektrondichtekurven für das H2+ Molekül (a) bindender Zustand, (b) antibindender Zustand Da einerseits 1s1 und 1s2 , andererseits Yg und Ya normierte Funktionen sind, hängen die Normierungsfaktoren N+ und N- von dem sog. Überlappungsintegral S = ∫ 1s1 1s2 dV ab, das die Bindungsstärke misst. Raum Allgemein definiert man das Überlappungsintegral zweier Wellenfunktionen Y1 und Y2 , die sich auf verschiedene Atomkerne 1 und 2 beziehen, durch S = ∫ Y1 Y2dV Raum Da beide Wellenfunktionen nur im Bereich zwischen beiden Atomkernen gemeinsam merkliche Werte haben, beschreibt S genau diesen Bereich. Für bindende Orbitale gilt S > 0, für antibindende S < 0 und für nichtbindende S = 0. Im Gegensatz zu den s-Orbitalen, gibt es bei p- und d-Orbitalen verschiedene Möglichkeiten unterschiedlicher Anordnungen, so dass die Überlappung S positiv, negativ oder 0 sein kann, wie die folgende Abb. 190 zeigt. Vorsicht : Wir dürfen die Überlappung zweier Wellenfunktionen mit verschiedenen Atomkernen nicht mit dem Skalarprodukt zweier Wellenfunktionen gleicher Atomkerne verwechseln. Abb. 190 Abb. 191 Das entsprechend MO heisst 2s* MO, und wird antibindend genannt. Die Zahlen vor den MO´s stellen eine fortlaufende Numerierung dar. Übertragung auf Moleküle mit mehr als einem Elektron Dasselbe MO Schema kann von H2+ über H2 bis He2 verwendet werden, da wir unter Berücksichtung entsprechender Atomfunktionen sowie des Pauli-Prinzip´s Elektronen einfüllen dürfen, bis alle Molekülorbitale (1s, 2s*) 2-fach besetzt sind. Im Falle des H2 Moleküls befinden sich zwei Elektronen im 1s MO, ein Zustand mit Stabilisierungsenergie. Abb. 192 Im Falle des He2 Moleküls sind 2 Elektronen im 1s MO sowie 2 Elektronen im 2s* MO. Die energetische Aufspaltung gegenüber den Atomen zeigt einen grösseren Abstand zur Referenz in Richtung s*, womit eine Vollbesetzung energetisch insgesamt ungünstig ausfällt. Die MO Analyse des He2 Moleküls legt nahe, dass dieses Edelgas nicht als zweiatomiges Molekül vorliegt, dies in Übereinstimmung mit Experimenten (Flüssigkeit oder Gas). Für weitere MO Beschreibungen kleiner Moleküle, siehe nachstehende MO Diagramme. Abb. 193 Abb. 194 Beispiel Sauerstoff Elektronendichtekurven für die MOs des Disauerstoffmoleküls 1s (2s) bindend 2s* (2s) antibindend 3s (2p) bindend 1p (2p) bindend 2p* (2p) antibindend Gesamtelektronendichte Nicht dargestellt : 4s* (2p) Abb. 195 Zur Bedeutung des Triplett-Zustandes von O2 Nach dem Prinzip der Spinerhaltung (DS = 0) bei chemischen Reaktionen regiert somit Triplett-Sauerstoff mit vielen Stoffen kinetisch stark verlangsamt. Z.B kann das reaktive Na (s) Metall in reinem Triplett-Sauerstoff (g) geschmolzen werden, ohne sich zu entzünden ! Diese Verhalten ist für Lebewesen bestehend aus thermodynamisch instabilen KohlenwasserstoffVerbindungen (gegenüber Verbrennung) äusserst wichtig. Mit Metallkomplexen (S ungleich 0) kann Triplett-Sauerstoff hingegen kinetisch rascher reagieren. Reaktiver Singulett-Sauerstoff Triplett-Sauerstoff kann durch optische Anregung wie Sonnenlicht in eine reaktive Singulett Form überführt werden, welche kinetisch schnell mit organischen Stoffen reagiert (Farben bleichen, vergilben von Kunststoffen, etc.). Durch Zuführen (hn) von 95 kJ/mol geht der S = 1 Zustand in einen S = 0 Zustand über mit 2 gepaarten Spins in nur einer p* Komponente. Der Zustand mit je einem Spin pro p* Komponente und S = 0 ist energetisch um 158 kJ/mol ungünstiger. Verschiedene Besetzungszustände mit Elektronen im Disauerstoff Molekül Abb. 196 BO : Bindungsordnung = ½(nb - na) , n : Elektronen Abb. 197 Beispiel Stickstoff Zur Reaktivität von N2 (g) Auch molekularer Stickstoff ist wie Triplett-Sauerstoff sehr reaktionsträge. Dies hat enorme Konsequenzen : 2 N2 (g) + 5 O2 (g) + 2 H2O (l) = 4 HNO3 (solv) , DH = -60 kJ Die kinetisch Hemmung verhindert, dass der Luftsauerstoff in der Atmosphäre nicht restlos zu gelöster Salpetersäure umgewandelt wird. Abb. 198 Butadien und Benzol (MM, p. 136-137) Beide Moleküle sind planar und zeigen ein Gerüst aus s Bindungen sp2 hybridisierter C Atome. Abb. 199 Abb. 200 Butadien ist eine offene Kette aus 4 C Atomen. Benzol ist ein zyklisches Molekül aus 6 C Atomen. In beiden Fällen sind die p1 Orbitale (nur positive Vorzeichen) über alle C Atome bindend. Die übrigen p Orbitale haben bindende und antibindende LC‟s, wobei die bindenden überwiegen. Die p* Orbitale hingegen bleiben alle unbesetzt. Energiediagramme und p Bindungen HOMO = Highest Occupied Molecular Orbital LUMO = Lowest Unoccupied Molecular Orbital Butadien Abb. 201 p2 ist bindend zwischen den Atomen 1 und 2 sowie 3 und 4, aber antibindend zwischen 2 und 3. p2 in Butadien verdeutlicht die zwei Doppelbindungen, welche durch eine Nullstelle voneinander getrennt sind. Das System ist aber trotzdem sog. delokalisiert wegen p1. Somit sind beide MO‟s zur Bindungsbeschreibung nötig, was durch die Strichformel (Abb. 197) nicht zum Ausruck kommt. Benzol Abb. 202 Positive Vorzeichen: dunkelblau Negative Vorzeichen: hellblau Die entarteten p2 und p3 MO‟s haben je eine Knotenfläche (Nullwerte) senkrecht zur Molekülebene. Bindung in koordinativen Metallkomplexen [Mn+(L)n]n+ , L : neutral Zur Bindungsbeschreibung im MO Modell werden Metall- und Ligandfunktionen linearkombiniert. Dabei spielt die Symmetrie der entsprechenden Funktionen eine wichtige Rolle. Bei bekannter Komplexsymmetrie kann somit ein MO Schema angegeben werden. Energetisches Verhalten von d-Funktionen in oktaedrischer Symmetrie Die 5-fache Entartung bleibt erhalten bei kugelsymmetrischem Einfluss. Bei oktaderischer Symmetrie kommt es zu einer energetischen Separation von Funktionen. Abb. 203 Orientierung der d-Funktionen im Oktaeder Abb. 204 Ein positiv geladenes Zentralion, umgeben von 6 gleichen, negativ geladenen Liganden, welche ein oktaedrisches Ligandenfeld aufspannen. Die Funktionen eg zeigen im Oktaeder in Achsenrichtung, wo die Liganden sitzen. Die Funktionen t2g zeigen in den Zwischenbereich, was hier nicht zur energetischen Stabilisierung führen kann. MO Schema für s Ligandfunktionen Abb. 205 Symmetriebedingt kommt es hier nur zu einer energetischen Wechselwirkung zwischen 4s, 4p und 3d (eg) Metallfunktionen mit s Ligandfunktionen. Die blauen Kreise geben an, wieviele Elektronenpaare jeweils eingefüllt werden können. Mit Besetzung bis t2g sind es 9 EPs : 18 Elektronen Komplex. Metall- und Ligandgruppen-Funktionen Abb. 206 Links jeweils die Metallfunktion, rechts die Ligandgruppenfunktion vom Typ s (umfasst mehrere Liganden). Grund für fehlende s Typ Wechselwirkung mit t2g Funktionen im Oktaeder Abb Abb. 207 Symmetriebedingt kommt es mit t2g Typ Funktionen dxy , dxz ,dyz und s Typ Ligandfunktionen (d.h. solchen, welche bezüglich Bindungsachse rotations-symmetrisch sind) zu einem Überlappungsintegral S = 0 (rechts). Anders mit eg Typ Funktionen (links) : S ungleich 0 Natur der Metall-Ligand Bindung Im MO LCAO Modell können diese MOs maximal 6 Ligandelektronenpaare aufnehmen. Somit kommt es zu einer Elektronenpaarverschiebung von Liganden zum Metall. Im Bild von Lewis Säure/Base Systemen reagiert das Metall als LS, der Ligand als LB. Hier liegt also keine EP Bindung wie z.B. im Methan vor. Bindung vom O2 Molekül an Häm In Desoxy-Hämoglobin (ohne O2) liegt Eisen (II) mit maximaler Spinmultiplizität vor (d6 , high spin , S = 2). Triplett-Sauerstoff koordiniert kinetisch rasch an dieses Eisenzentrum, welches sich nach erfolgter Koordination in einen diamagnetischen Komplex umwandelt. Wichtig, dass im Protein das Fe (II) nicht unter Gegenwart von H2O in Hämatin (Fe III) umgewandelt wird, welches im Sinne eines Transports kein O2 binden könnte. Modelle zum diamagnetischen Zustand vom Fe (II)-O2 Komplex Abb. 208 Im Falle von Weiss (links) wird angenommen, dass low spin Fe (III) antiferromagnetisch an den Dublett-Zustand von O2- gekoppelt ist. Strukturmodell zum Häm und der O2 Koordination Abb. 209 Beachten Sie die Position des Fe (II) vor der Koordination : Dieses liegt etwas oberhalb der Porphyrinebene. Strukturänderung durch Änderung des Spinzustands Low spin ist um 0.17 Angström kleiner als high spin Fe (II). Dies bewirkt eine Geometrieänderung bezüglich der Koordination des Porphyrinrings und somit der Tertiärstruktur des Proteins, weil Fe (II) über ein Hystidin (N Koordination) an eine Proteinkette gebunden ist. Abb. 210 Bedeutung der Spinzustandsänderung für den Mechanismus der Atmung Die Grössenänderung des Fe (II) von 0.17 Angström bewirkt insgesamt eine Verschiebung von 0.5 - 0.6 Angström, was ausreicht, um weitere Häm Gruppen zur Aufnahme von O2 zu bringen. Die vierte Koordination zeigt eine rund 300-fache Affinität im Vergleich zur ersten. Wenn das Häm-(O2)4 das Gewebe erreicht, wirkt die Beweglichkeit des Proteins in Richtung der Abgabe von O2. Das Spin-Gleichgewicht (high / low) ist somit wesentlich mitverantwortlich für die Funktionsweise der Atmung ! Schlussbemerkungen Im Kapitel 10 wurde versucht, eine Einführung in die quantentheoretische Beschreibung von atomaren Objekten zu geben. Zusammenfassend sei folgendes hervorgehoben : Auf atomarer Ebene ist die Energie keine kontinuierliche Funktion mehr. Zur Beschreibung von Energiezuständen von Atomen / Molekülen ist die Lösung der Schrödinger Gleichung erforderlich. Da die Schrödinger-Gleichung für Atome / Moleküle mit mehr als einem Elektron durch approximative Verfahren gelöst wird, sind verschiedene Lösungsansätze möglich. Eine häufig in Lehrbüchern dargestellte Methode ist das LCAO Verfahren : Linearkombinationen von Atomfunktionen ergeben eine aufsteigende Sequenz von MO‟s, welche unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzip‟s paarweise mit Elektronen aufgefüllt werden. Insgesamt entsteht ein stabilisierender Bindungszustand, wenn mehr Elektronen tiefliegende bindende MO‟s besetzen, als antibindende, energetisch höher liegende MO‟s. Anhang 5: Die Schrödingergleichung In der klassischen Mechanik betrachtet man Teilchen und Wellen als verschiedenartige "Gebilde", die durch ganz verschiedene Theorien beschrieben werden. Das Teilchen, zunächst als Massenpunkt, später auch als starrer Körper, wird durch seine Energie E [J], zusammengesetzt aus kinetischer Energie T und potentieller Energie V, beschrieben: → E = T + V = p2 / 2m + V, → → wobei p [kg m s-1] der Impuls des Teilchens ist. E und p sind gleichzeitig exakt messbar, da sie von einander algebraisch abhängig sind. In der klassischen Mechanik ist die sog. Hamiltonfunktion H = T + V im konservativen Kräftefeld als Gesamtenergie konstant. Für beliebige Teilchenbewegungen gelten Energie- und Impulserhaltung, im →2 →2 allgemeineren Fall des starren Körpers ( T = p / 2m + L / 2Θ ) auch die → Drehimpulserhaltung, wobei L = Drehimpuls [kg m2 s-1] und Θ = Trägheitsmoment [kg m2]. Die Welle wird durch die räumliche Ausbreitung von Schwingungen gebildet, welche in einem Medium oder ohne Medium (dh im Vakuum) erfolgen kann. Im ersten Fall gibt es longitudinale und transversale Wellen, wie z.B. Schall- oder Wasserwellen; im zweiten Fall kennt man nur transversale Wellen, wie z.B. Licht oder elektromagnetische Wellen allgemein. Man kann Wellen verschiedenartig beschreiben: ausgehend von der Schwingungsgleichung der Erregung, über die allgemeine Wellengleichung mit Ausbreitungsgeschwindigkeit c [m/s] c2 Δψ = ∂2ψ / ∂t2 oder als Überlagerung ebener Wellen → → → ψ(r,t) = A exp{i(k · r - ωt)} , → wobei ψ [m] die Elongation am Ort r [m] zur Zeit t [s], A [m] die Amplitude, → k [m] der Wellenvektor und ω [s] die Kreisfrequenz ist. → Es gilt: k = 2π / λ, ω = 2π / T und λ = cT, wobei λ [m] die Wellenlänge und T [s] die Periode ist. Dabei ist nur der Realteil Re ψ von ψ messbar. Seit der Beschreibung der Schwarzkörperstrahlung durch Max Planck - Über eine Verbesserung der Wienschen Spektralgleichung, Verhandl. Dtsch. phys. Ges. 2, 1900, p. 202–204 - Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im Normalspektrum, Verhandl. Dtsch. phys. Ges. 2, 1900, p. 237–245 - Über das Gesetz der Energieverteilung im Normalspektrum, Annalen der Physik 4, Band 4, 1901, p. 553–563 kennt man die Energiequantelung des Photons E = hν = ħω , wobei ν [Hz] die Frequenz der Strahlung ist. Fünf Jahre später hat Albert Einstein - Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt, Annalen der Physik 4, Band 17, 1905, p. 132-148 den photoelektrischen Effekt erklärt. Niels Bohr hat 1913 die Drehimpuls- und Energiequantelung des gebundenen Elektrons als Grundlage seines Atommodells - On the Constitution of Atoms and Molecules, Philosophical Magazine, Series 6, Vol. 26. p. 1-25 veröffentlicht. Zehn Jahre später hat Louis de Broglie analog dazu - Ondes et quanta, Comptes Rendus 177, 1923, p. 507-510 - Quanta de lumière, diffraction et interférences, Comptes Rendus 177, 1923, p. 548-550 - Les quanta, la théorie cinétique des gaz et le principe de Fermat, Comptes Rendus 177, 1923, p. 630-632 - Recherches sur la théorie des quanta, Doktorarbeit, Paris, 1924 für das Elektron Materiewellen eingeführt: → → p = hν / c = h / λ ; p = ħ k. Im atomaren Bereich kann man somit Teilchen und Wellen nicht mehr voneinander unterscheiden. Deshalb hat Schrödinger seine Beschreibung des H-Atoms aus Energieerhaltung und Wellengleichung aufgebaut, wobei die Form einer linearen Differentialgleichung dem Überlagerungsprinzip gerecht wird. Die fünf Artikel, die er 1926 in den Annalen der Physik veröffentlicht hat, - Quantisierung als Eigenwertproblem (Erste Mitteilung), Annalen der Physik 4, Band 79, 1926, p. 361-376 - Quantisierung als Eigenwertproblem (Zweite Mitteilung), Annalen der Physik 4, Band 79,1926, p. 489-527 - Über das Verhältnis der Heisenberg-Born-Jordanschen Quantenmechanik zu der meinen Annalen der Physik 4, Band 79, 1926, p. 734-756 - Quantisierung als Eigenwertproblem (Dritte Mitteilung: Störungstheorie, mit Anwendung auf den Starkeffekt der Balmerlinien), Annalen der Physik 4, Band 80, 1926, p. 437-490 - Quantisierung als Eigenwertproblem (Vierte Mitteilung), Annalen der Physik 4, Band 81, 1926, p. 109-139 zeigen, wie er schrittweise seine Theorie verallgemeinert hat und schlussendlich die heute nach ihm benannte Gleichung aufstellte. Wir können die Schrödingergleichung auch durch folgende heuristische Überlegung herleiten. Aus der ebenen Wellengleichung → → → → → ψ(r,t) = A exp{i(k · r - ωt)} = A exp {i/ħ (p · r - E t)} → kann man p und E herausholen, indem man folgende Differential→ → operatoren anwendet, wobei der Nabla- und sein Quadrat 2 = ∆ der Laplaceoperator ist: → → p ψ = ħ/i ψ E ψ = iħ ∂/∂t ψ ^ → → p = ħ/i Man nennt daher ^ E = iħ ∂/∂t und den Impulsoperator den Energieoperator. Durch rechtsseitiges Multiplizieren mit ψ wird wegen Energieerhaltung die Schrödingergleichung T+V=E ^ → (p2 / 2m + V) ψ = E ψ (- ħ2 / 2m ∆ + V) ψ = iħ ∂ψ / ∂t erhalten. Die Schrödingergleichung ist eine lineare homogene partielle Differentialgleichung und erfüllt somit das Superpositionsprinzip, d.h. diese hat als Lösungen beliebige Linearkombinationen ebener Wellen. Aus Analogie zur Hamilton-Funktion, nennt man ^ H = (- ħ2 / 2m ∆ + V) auch den Hamilton-Operator. → ^ Im stationären Fall V = V(r), wo H zeitunabhängig ist, führt Variablentrennung → → ψ(r,t) = Ψ(r) · f(t) über ^ HΨ Ψ → (r) = ^ E f f (t) = E (konstant) auf die bekannte Eigenwertgleichung ^ H Ψ = E Ψ, die über die Energie E mit der Zeitgleichung ^ Ef=Ef f(t) = f0 exp{- i/ħ Et} gekoppelt ist. Die meisten angegebenen Originalartikel (und viele mehr) findet man, alphabetisch nach Autoren geordnet, unter home.tiscali.nl/physis/HistoricPaper/Historic%20Papers.html Die Jahrgänge 1799 – 1937 der Annalen der Physik sind Seite für Seite unter gallica.bnf.fr/ark:/12148/cb34462944f/date zugänglich. Anhang 6: Unterschiede zwischen klassischen und quantenmechanischen Atommodellen Für das H Atoms hat nach Bohr auch Sommerfeld um 1915 noch ein klassisches Modell entwickelt. Gemäss Bohr kreist das Elektron auf festen (ebenen) Kreisbahnen um den Atomkern. Der Radius einer solchen Kreisbahn hängt mit der Hauptquantenzahl n und somit mit der Energie des Elektrons zusammen: rn = n2 a0 , wobei a0 = 52.9 pm der sogenannte Bohr-Radius ist. Sommerfeld hat Nebenquantenzahlen eingeführt, indem er als Bahnen für das gebundene Elektron Ellipsen angenommen hat, ähnlich den Bahnen der Planeten um die Sonne. Er hat damit den Begriff der Entartung eingeführt. In seinem Modell ist die Energie der Elektronen allein durch die grosse Halbachse der Ellipse gegeben, die den gleichen Wert wie der entsprechende von Bohr berechnete Radius annimmt. Die Drehimpulsquantelung liefert die möglichen Werte der kleinen Halbachse. Für maximale Nebenquantenzahlen werden die Ellipsen zu Kreisen. In der Quantenmechanik sind die Bahnen der Elektronen nicht mehr deterministisch beschreibbar. Man berechnet, in welchen Teilen des Raumes die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons wie hoch ist. Dabei ist das Elektron kein klassisches Teilchen mehr, sondern eine Energieverteilung, die der in Anhang 3 beschriebenen Unschärferelation genügt. Insbesondere ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in einer Umgebung der Orte maximaler Elektronendichte besonders hoch. Diese Orte sind aber im Gegensatz zu klassischen Modellen keine einfachen ebenen Kurven. Im Fall der s Orbitale sind es Kugeln, im Fall der p Orbitale zwei parallele Kreise. Im letzten Fall “hält sich das Elektron jeweils zur Hälfte in der Nähe eines der beiden Kreise auf”. Klassisch betrachtet, müsste das Elektron sich immer eine gewisse Zeit in der Nähe eines Kreises aufhalten und wäre dann dort lokalisierbar. Durch geschickte Versuchsanordnungen, wie z. B. im Stern- Gerlach-Versuch, kann man sehr wohl Elektronen lokalisieren. Dies steht nicht in Widerspruch zu der Quantentheorie. Es zeigt viel mehr, dass schon die Beobachtung eines Elektrons Einfluss auf sein Verhalten hat. Anhang 7: Die Heisenbergsche Unschärferelation Heisenberg hat 1927 einen Artikel über das Problem der gleichzeitigen Messung veröffentlicht. - Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. Zeitschrift für Physik 43, 1927, p. 172-198 Seine Unschärferelationen besagen, dass man nicht gleichzeitig exakt Ort und Impuls, bzw. Energie und Zeit messen kann. Für die Messungenauigkeiten gilt jeweils: Δx · Δpx ≥ ħ/2, Δy · Δpy ≥ ħ/2, Δz · Δpz ≥ ħ/2 ΔE · Δt ≥ ħ/2 Der mathematische Beweis geht auf die Tatsache zurück, dass zwei Operatoren genau dann in einer gemeinsamen Basis diagonalisiert werden können, wenn sie kommutieren. Die Diagonalelemente sind dann die messbaren, reellen (!) Eigenwerte. ^ ^ Da durch Rechnen gezeigt werden kann, dass →r = →r und →p nicht kommutieren, gibt es keine gemeinsame Basis, d. h. keine gemeinsame Messung der exakten Eigenwerte. Für E und t ist formal ein analoger Beweis möglich, wenn auch die Quantenmechanik t als Parameter ^ betrachtet und somit strikt genommen keinen Zeitoperator t = t einführt. Da ħ/2 sehr klein ist, ist die Unschärferelation nur im atomaren Bereich messbar und somit relevant. Für eine angenommene Messgenauigkeit von Δx = 10-11 m ergibt sich: Δv = Δp / m ≥ ħ / (2m Δx). Im makroskopischen Fall eines Tennisballes der Masse m = 50 g ist Δv ≥ 10 -22 m/s und somit nicht mehr messbar. Im atomaren Fall eines Elektrons (me = 9.1 · 10-31 kg) ist Δv ≥ 5.8 · 106 m/s hingegen ungefähr doppelt so gross wie seine Geschwindigkeit. Übungsserie Ü13 Aufgabe 1 Anhand von Lehrmitteln der Physik rekapitulieren Sie folgende Begriffe, etc. : Wellenlänge, Amplitude, Frequenz; Zusammenhang zwischen Lichtgeschwindigkeit / Wellenlänge und Frequenz; Planck´sches Wirkungsquantum, Coloumb´sches Gesetz, Elementarladung (alle Grössen in SI Einheiten). Aufgabe 2 a) Welche Energie weist eine Radiowelle der Wellenlänge 3 m auf ? b) Welche Wellenlänge kann einem Tennisball von 50 g mit Geschwindigkeit 30 m/s zugeordnet werden ? c) Welche Wellenlänge haben Neutronen einer Energie 20 cm-1 ? Ihr Kommentar zu b) ? Aufgabe 3 Berechnen Sie die Wellenlänge [nm] und die Frequenzen [Hz] für die Balmer Serie des Wasserstoffatoms (n = 3,4,5,6). Was unterscheidet die Brackett Serie von der Balmer Serie ? Aufgabe 4 Eine Natriumdampflampe emittiert gelbes Licht der Wellenlänge 550 nm. Wie viele Photonen emittiert die Lampe pro Sekunde, wenn deren Leistung 1.0 Watt beträgt ? Aufgabe 5 Die Austrittsarbeit für Cs beträgt 2.14 eV. Wie gross sind der Impuls und die Energie von Elektronen, welche durch eine Einstrahlung mittels a) 700 nm oder b) 300 nm freigesetzt werden. Aufgabe der Woche Geben Sie die Grundzustands-Konfigurationen der ersten 18 Elemente des PS an. Verwenden Sie dazu die entsprechenden Regeln und Diagramme gemäss Vorlesung. Übungsserie Ü14 Aufgabe 1 Welchen Einfluss hat die gegenseitige Abschirmung von Elektronen in Atomen mit mehreren Elektronen auf die Abfolge von s-, p- und dEnergieniveaus ? Aufgabe 2 Diskutieren Sie die VSEPR Strukturvorhersage für die Moleküle IF5, SF6, HgCl2, [SnCl5]- . Verfahren Sie so vor, wie in der Vorlesung besprochen (Rechnung + Strukturbild). Aufgabe 3 Diskutieren Sie für zwei Elemente vergleichend die Grössen : Ionisierungsenergie, Elektronenaffinität, Elektronegativität, Atomradius, Ionenradius. Aufgabe 4 Berechnen Sie den Normierungsfaktor N+ und N- der Y+ und YLCAO-Funktion unter Verwendung von normierten 1s Atomfunktionen 1s1, 1s2 (Indizes : 1 : Atom 1; 2 : Atom 2 mit Distanz d). Der Normierungsfaktor N einer Wellenfunktion Y bewirkt, dass das Integral <Y/Y> = 1 ist. Gemäss Angabe ist hier <1s1/1s1> = <1s2/1s2> = 1 ; <1s1/1s2> = S : S bezeichnet hier das Überlappungsintegral zwischen den Funktionen auf Abstand d. Ist S positiv oder negativ ? Aufgabe der Woche Abschätzen der relativen Bindungsstärken / Stabilität von Molekülen und Ionen : a) Ist N2 (g) stabiler / weniger stabil als N2+ (g) ? b) Ist O2- (g) stabiler / weniger stabil als O- (g). Hinweis : Hier ist die negative Ladung der beiden zusätzlichen Elektronen zu beachten.